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Wie Israel Irans Atomprogramm angreifen könnte

Es geschehen rätselhafte Dinge im Vorfeld des Besuchs von Premier Netanjahu bei Obama. Nur drei Tage vor dem mit Spannung erwarteten Treffen in Washington veröffentlicht das CSIS eine Studie über Möglichkeiten und Kosten einer israelischen Aktion gegen Iran – komplett mit Kartenmaterial über mögliche Flugrouten und ballistischen Diagrammen für Raketeneinsätze.

Haaretz beginnt seinen Bericht über die Studie mit dem sarkastischen Satz: „Israelische Minister und Knesset-Abgeordnete, die vor der Entscheidung stehen, ob man die iranischen Atomanlagen angreifen solle, müssen jetzt nicht länger auf das Briefing der israelischen Luftwaffe warten.“

Und die lieben Mitblogger auch nicht: Hier ist die Studie zum Herunterladen.

Die drei möglichen Flugrouten nach Iran Screenshot: JL

Einige Schlußfolgerungen:

•A military strike by Israel against Iranian Nuclear Facilities is possible and the optimum route would be along the Syrian-Turkish border then over a small portion of Iraq then into Iran, and back the same route. However, the number of aircraft required, refueling along the way and getting to the targets without being detected or intercepted would be complex and high risk and would lack any assurances that the overall mission will have a high success rate.

• The more there is an Israeli threat to the survival of the regime in Iran, the more Iran will be determined to acquire nuclear weapons. Iran would withdraw from the NPT based on the argument that it needs to acquire nuclear weapons to protect its sovereignty and any further aggression by Israel and the U.S.
• A strike by Israel on Iran will give rise to regional instability and conflict as well as terrorism.
• Iran should be engaged directly by the U.S. with an agenda open to all areas of military and non-military issues that both are in agreement or disagreement. Any realistic resolution to the Iranian nuclear program will require an approach that encompasses Military, Economic, Political interests and differences of the U.S vs Iran.
• The U.S. will have to try to make Comprehensive Verification of Iran‘s Nuclear Development Program as one of the priorities in any diplomatic dialogue, while trying at the same time to persuade Iran to stop its enrichment program. However, in this area the U.S. will have to walk and negotiate along a very fine line between Israel‘s WMD and Ballistic Missiles capabilities and the Iranian Nuclear development program. The U.S. must recognize that both are very closely
inter-related and are fueling each other
. So the U.S. should be prepared to address both issues simultaneously while trying not to be perceived as though it has double standards when it comes to Israel.

 

Ist Obamas Mann schon in Teheran ?

Vali Nasr Foto: Adrian Mueller 2007 (GNU)

Nach einem unbestätigten Bericht der Tehran Times ist Vali Nasr im Auftrag des amerikanischen Präsidenten im Iran. Nasr wurde von Richard Holbrooke, dem Beauftragten Obamas für die Region, als Berater angeheuert. Er ist damit der offizelle Iran-Experte der Regierung.

Die Tehran Times stellt einen Zusammenhang zwischen der Entlassung Roxana Saberis und Nasrs Besuch her.

Es wird ausserdem behauptet, Nasrs Besuch sei vom Sprecher des iranischen Parlaments (und ehemaligem Atom-Unterhändler) Ali Laridschani und seinem Vorgänger Gholam-Ali Haddad-Adel eingefädelt worden – und zwar ohne Wissen des Präsidenten Ahmadinedschad.

Nasrs Besuch könnte man als Indiz dafür lesen, dass die Verhandlungen mit Iran bereits auf ziemlich hoher Ebene begonnen haben. So sieht es auch die Jerusalem Post. Ein Indiz für diese Deutung könnte man auch darin sehen, dass Obama offenbar eine Botschaft an den israelischen Premier Netanjahu geschickt hat, er solle ihn nicht mit einem Angriff auf Iran überraschen – eine ungewöhnliche Aktion nur wenige Tage vor dem ersten Treffen der beiden in Washington.

Nasr ist der Autor des viel gerühmten Buchs „The Shia Revival“, in dem er beschreibt, wie die USA durch den Irakkrieg eine epochale Machtverschiebung in der islamischen Welt beschleunigt haben – den Aufstieg der jahrhundertelang unterdrückten Schiiten zur politischen Macht. (Hier ein Essay aus dem Tagesspiegel.)

 

Vor Netanjahus Besuch bei Obama: Israel unter Druck – durch seine Freunde

In der kommenden Woche wird der israelische Premier Netanjahu bei Barack Obama seinen Antrittsbesuch machen. Er wird dort den „neuen Ansatz“ in der Palästinenserpolitik vorstellen, für den seine Koalition steht. 

Ein zentraler Streitpunkt dabei wird sein, ob die israelische Regierung sich wie ihre Vorgänger die „Zweistaatenlösung“ auf die Fahne schreibt. In mehreren Interviews hatte der neue Aussenminister Avigdor Lieberman erklärt, der Annapolis-Prozess sei gescheitert (mein Bericht hier). In Berlin, bei seinem Besuch am letzten Donnerstag, hat Liebermann sich offen lustig gemacht über die „Friedens-Industrie“, die in Jahrzehnten von Verhandlungen nichts gebracht habe.

Amerikaner und Europäer haben daraufhin abermals den Druck erhöht, die Israelis sollten sich dazu bekennen, weiter die Zweistaatenlösung zu verfolgen. 

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in diesem Sinn am Montag einstimmig eine Resolution verabschiedet, die beide Seiten auffordert, auf alle Schritte zu verzichten, die das Vertrauen unterminieren. Der Generalsekretär sagte gar, es sei „an der Zeit, dass Israel sein Verhalten fundamental ändert.“ Auch die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice drängt jetzt auf „echte Ergebnisse“. So viel Druck hat Israel seit Jahren nicht von seinen Freunden zu spüren bekommen. Die eher links orientierte Tageszeitung Haaretz schrieb am letzten Freitag bereits besorgt über einen „Zusammenbruch der Kooperation zwischen den USA und Israel unter Obama“. 

Der zweite zentrale Streitpunkt wird sein, was in Israel schon „linkage wars“  genannt wird – die Debatte darüber, ob – und wenn ja, wie – die Bedrohung durch einen atomar aufrüstenden Iran mit der Frage der palästinensischen Staatlichkeit verknüpft sein sollte. 

Die israelische Regierung möchte nämlich gerne das Thema wechseln: Wir können derzeit sowieso nichts mit den Palästinensern erreichen, liebe Verbündete, also lasst uns die Augen auf die iranische Bedrohung richten. Erst wenn wir diese Bedrohung einhegen oder besser noch ausschalten, werden die Palästinenser wieder verhandlungsfähig sein, weil die radikalen Gruppen (Hisbollah und Hamas) dann ihren Hauptsponsor verloren haben werden.

Umgekehrt argumentieren derzeit Israels Verbündete: Ein Fortschritt im Friedensprozess, liebe Israelis, macht es uns sehr viel leichter, eine glaubwürdige Drucksituation gegen Iran und die von ihm gesponserten Terroristen aufzubauen. Iran wird so das Spiel verdorben, sich als einzig authentischer Pate der Palästinenser aufzuspielen, während die so genannten „moderaten“ Araber blamiert dastehen, weil nichts für ihre Klienten erreichen können.

Obamas Aussenministerin Clinton besteht darauf, dass Israel die gewünschte Unterstützung gegen die iranische Gefahr nur dann bekommen könne, wenn es nicht „an der Seitenlinie“ stehen bleibe bei der Lösung der Palästinafrage. Die arabischen Regime seien allesamt willig, so Clinton, gegen Irans Hegemonieansprüche in der Region Druck zu machen – aber nur, wenn Israel unverzüglich bereit sei, mit der PA wieder in Verhandlung zu treten. Amerika sei ausserdem bereit, eine mögliche Einheistregierung aus Fatah und Hamas zu unterstützen.

Israel lehnt letzteres ab, so lange Hamas nicht klar und deutlich die „Quartettkriterien“ erfüllt – Gewaltverzicht, Anerkennung Israels und aller bisherigen Vereinbarungen. 

Der israelische Vizeaussenminister Danny Ayalon hat gegenüber der Washington Post die amerikanische Verknüpfung des iranischen mit dem palästinensischen Problem mit einer eigenen Version des „linkage“ gekontert: 

The new Israeli government will not move ahead on the core issues of peace talks with the Palestinians until it sees progress in US efforts to stop Iran’s suspected pursuit of a nuclear weapon and limit Teheran’s rising influence in the region.

Zu Deutsch: Wenn ihr dem Iran nicht mehr Druck macht, tun wir nichts für die Palästinenser. 

Das ist eine ziemlich törichte Position, weil sie erstens Israels Hebelkraft überschätzt – und zweitens die Palästinenser zur Geisel der Iraner macht, ganz so, wie es die Iraner ja auch gern sehen. Ayalon gibt damit Iran de facto die Einflußposition auf den Nahostprozess, die sich das Land seit langem anmaßt. Und er schlägt die moderaten arabischen Partner ins Gesicht, auf die Israel sich sonst gerne bezieht, um die Breite der Front gegen Iran zu beschwören.

Ayalon muss selber gemerkt haben, dass diese Position unhaltbar ist – und so hat er sie jüngst zurückgezogen. Gegenüber der Jerusalem Post sagte er am letzten Donnerstag: „Wir müssen die iranische Bedrohung stoppen, als gäbe es keinen Konflikt mit den Palästinensern, und wir müssen mit den Palästinensern vorwärts kommen als gäbe es keine nukleare Bedrohung aus dem Iran“. 

Wie bedroht sich die Israelis unter dem Druck ihrer Freunde und der Umstände in der Region sehen, zeigt jetzt ein bereits viel diskutierter alarmistischer Essay des neuen israelischen Botschafters in den Vereinigten Staaten, Michael B. Oren in der neokonservativen Zeitschrift Commentary. Oren zählt nicht weniger als sieben existenzielle Bedrohungen Israels auf, darunter interessanter Weise nicht nur äußere, sondern auch innere Zerfallsfaktoren:

– der Verlust Jerusalem als symbolisches Zentrum des jüdischen Staates

– die demographische Bedrohung durch den arabischen Bevölkerungszuwachs (ein binationaler Staat wäre das Ende des zionistischen Projekts)

– die internationale Delegitimierung Israels wegen der Besatzung als „das neue Südafrika“

– die terroristische Gefahr durch die immer besseren Raketen der Hisbollah und Hamas

– die iranische Atombombe

– die Ausblutung der Staatssouveränität (angesichts der wachsenden Bevölkerungsteile der Araber und der jüdisch Orthodoxen, die beide illoyal zum Staat stehen)

– die moralische Erosion Israels durch seine korrupten Eliten (die Knesset ist die Institution mit dem geringsten Ansehem im Land).

Das ist ein finsteres Bild. Der Botschafter spricht von einem „Zusammenbruch der öffentlichen Moral“ in seinem eigenen Land! Er malt die Aussicht an die Wand, dass alle Israelis, die es können, das Land verlassen werden, wenn die sieben Bedrohungen nicht gekontert werden. 

Am kommenden Montag, wenn Premier Netanjahu bei Barack Obama zu Gast sein wird, kann man eine erste Ahnung bekommen, ob die neue Regierung willens und in der Lage dazu ist.

 

Neue Anschuldigungen gegen die Baha’i im Iran

Die erfreuliche Freilassung Roxana Saberis sollte nicht darüber hinweg täuschen, das das Unrecht in den iranischen Gefängnissen weitergeht: 

Für die sieben führenden Bahá’í im Iran ist der Donnerstag der Jahrestag ihrer Inhaftierung in das berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis. Zu diesem Zeitpunkt sehen sich die Inhaftierten einer neuen, äußerst beunruhigenden Anschuldigung ausgesetzt: „Verbreitung von Verderbtheit“.

Zu der augenblicklichen Situation der Bahá’í erläutert der Sprecher der Bahá’í-Gemeinde Deutschland, Prof. Ingo Hofmann: „Die Familien der sieben Inhaftierten wurden jetzt mit einer neuen, äußerst bedrohlichen Anklage konfrontiert, der Verbreitung von Verderbtheit auf Erden (in persisch: Mosfede fel-Arz), die nach Artikel 228-10 der derzeit noch im Parlament verhandelten neuen Strafrechtsnovelle mit der Todesstrafe geahndet werden kann. Während die bisherigen Anklagepunkte offensichtlich nicht nachgewiesen werden konnten, ist der neue Vorwurf beliebig dehnbar und ein offensichtlicher Beweis des ausschließlich religiösen Hintergrunds dieser Verfolgung durch die iranische Staatsmacht.“
 
Politiker von CDU und SPD zeigen sich angesichts der nun ein Jahr dauernden Haft der zwei Frauen und fünf Männer empört. So erklärt Michael Gahler (CDU), Vizepräsident des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, hierzu: „Dass die iranische Regierung sich einem Verfahren nach internationalen Standards verweigert und die sieben Bahá’í und ihre Familienangehörigen seit Monaten im Unklaren lässt über ihr weiteres Schicksal, ist nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die interessierte iranische und internationale Öffentlichkeit eine unglaubliche Zumutung.“
 
Der Vorsitzende der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, der Kölner Bundestagsabgeordnete Dr. Rolf Mützenich (SPD) meint: „Nachdem die iranische Gerichtsbarkeit im Fall der Journalistin Roxana Saberi eine kluge Entscheidung getroffen hat, wäre ein vergleichbares Vorgehen im Fall der angeklagten Bahá´í ein weiteres wichtiges Signal. Dies könnte die Beziehungen zu Iran deutlich verbessern.“

Mehr hier.
 

 

Roxana Saberi wird freigelassen

Ein Appelationsgericht in Teheran hat die achtjährige Haftstrafe gegen die amerikanisch-iranische Journalistin Roxana Saberi in eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren umgewandelt.

Damit steht der Freilassung der inhaftierten Journalistin nichts mehr im Wege, wie die Londoner Times berichtet.

 

Roxana Saberi   Foto: Familie Saberi

Saberi wurde „Spionage“ vorgeworfen. Die amerikanische Regierung hat diesen Verdacht rundheraus bestritten und – zuletzt sogar Präsident Obama selbst – Teheran aufgefordert, Saberi freizulassen.

Saberi war zuletzt in einen einwöchigen Hungerstreik getreten.

Es war vermutet worden, dass Hardliner ihren Fall als Pfand in den Beziehungen mit den Vereinigten Staaten benutzen wollten. 

Nun zeigt sich: Die Kombination aus Gesprächsangeboten und prinzipienfester Härte in Menschenrechtsfragen scheint doch Eindruck auf das Regime in Teheran zu machen.

Die Times zitiert Saberis Anwalt: „Saleh Nikbakht, one of her laywers, said today that the appeals court had overturned the verdict of the Tehran revolutionary court on the grounds that America and Iran could not be described as hostile to each other.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Amerika und Iran könnten nicht als verfeindet beschrieben werden – urteilt ein iranisches Gericht!

 

Zur Hinrichtung von Delara Darabi im Iran

Ein Kommentar von mir auf Zeit online (mehr hier):

„Ich kann die Schlinge schon sehen, Mama.“ Dies war Delara Darabis letzter Anruf bei ihrer Mutter. Am frühen Morgen des ersten Mai hat die 22-Jährige einen letzten verzweifelten Versuch unternommen, ihre Familie zu alarmieren. Doch die Henkersknechte im Gefängnis der iranischen Provinzstadt Rasht nahmen ihr das Telefon weg. Stunden später war sie tot durch den Strang.

Delara Darabi ist in Iran nach Schätzungen von amnesty international bereits die mindestens 140. Exekutierte in diesem Jahr. Mehr als eine Hinrichtung pro Tag in einem 70 Millionen-Volk! Nur in China werden in absoluten Zahlen noch mehr Menschen hingerichtet als in der Islamischen Republik. Iran jedoch kann sich eines traurigen Weltrekords rühmen: Das Land ist Weltführer bei der Hinrichtung von Angeklagten, die ihre Tat vor der Volljährigkeit begangen haben. Nirgendwo werden so viele Kinder und Jugendliche exekutiert – eine in weiten Teilen der Welt geächtete Praxis.

Delara Darabi soll 2003, im Alter von 17, gemeinsam mit ihrem damaligen Freund eine wohlhabende Kusine ihres Vaters überfallen und tödlich verletzt haben. Sie hat anfangs die Tat gestanden, wohl im Vertrauen darauf, so ihren Freund, der als eigentlicher Täter vermutet wird, retten zu können. Sie selbst würde nicht zum Tode verurteilt werden, konnte Delara hoffen, denn Iran hat internationale Konventionen unterzeichnet, die solche Exekutionen verbieten. Das war eine trügerische Hoffnung. …

Hier eine Dokumentation des Falls (nicht für schwache Nerven):

Ein wahrer Segen für die reaktionärsten Kräfte des Regimes ist dabei auch der internationale Streit um das iranische Atomprogramm: Die Welt hat heute andere, schlimmere Sorgen als die Menschenrechtslage in der Islamischen Republik. Es gab zwar eine internationale Kampagne von Menschenrechtlern für Delara. Aber die Regierungen des Westens haben für solche vermeintlichen Nebenschauplätze heute kaum noch einen Sinn, während sie Iran hindern wollen, die Bombe zu bauen.

Es wäre fatal, die Zusammenhänge nicht zu sehen: Die Atombombe würde die Machtbasis eben jener Kräfte stärken, die auch Delara Darabi hingerichtet haben. Sie haben kein Interesse an einem Ausgleich mit dem Westen. Im Gegenteil. Unser Entsetzen passt ihnen gut in den Kram. Denn Isolation ist überlebenswichtig für sie, und schauderndes Abwenden der Weltöffentlichkeit wäre ihnen gerade recht.

Es wird geschätzt, dass 130 weitere Fälle von minderjährig zu Tode Verurteilten in Irans Gefängnissen auf die Exekution warten.

 

Wer sich über Ahmadinedschads Rede in Genf wundert…

… hat nicht gelesen, was ich hier vor fast einem Jahr geschrieben habe – über seine Rede gegen Israel, in der er die Auslöschung des Staates Israel zur Pflicht jedes Muslims erklärte.

Ausnahmsweise also ein Selbstzitat:

–    Eingangs der Rede ermahnt Ahmadinedschad seine Zuhörer, dass sie, wenn sie die Parole “Tod Israel” [marg bar Isrāyīl] auszurufen hätten, sie diese Parole „richtig und von Herzen“ ausrufen sollten
–    wenn Achmadinedschad vom „Besatzerregime“ spricht, meint er nicht die konkrete israelische Besatzung der Westbank oder von Teilen Jerusalems, sondern Israel per se
–    er spricht in der Rede davon, dass das „Regime welches Jerusalem eroberte“ vom „hegemonialen System und der Arroganz“ (i.e. der Westen) gegründet worden sei, was ein „schweres Vergehen … gegen die islamische Welt“ darstelle: „Zwischen der Welt der Arroganz und der Welt des Islam tobt ein historischer Kampf, welcher Hunderte von Jahren zurückreicht.“ Das stellt die Gründung Israels in den Zusammenhang einer vermeintlichen Verschwörung der westlichen „Arroganz“ gegen den Islam. Die Gründung Israels ist also ein kriegerischer Akt in einem jahhrundertealten Konflikt. Es geht mithin um weit mehr als Palästina und die Rechte der Palästinenser.
–    Ahmadinedschad sagt: “Während dieser letzten 300 Jahre brachen die letzten Bollwerke der islamischen Welt zusammen und die Welt der Arroganz gründete das Regime, das Jerusalem besetzt hält als einen Brückenkopf für die Herrschaft über die islamische Welt.”
–    der Präsident führt aus, dass “Brückenkopf” ein militärischer Fachausdruck sei: “Wenn zwei Gruppen oder Heere aufeinander treffen, und eine Seite die Initiative ergreift und zur gegenüberliegenden Seite hin vorstößt, einen Abschnitt des Territoriums erobert und es befestigt; wenn sie dann zur Verstärkung dort eine Festung errichten um die [eigene] Zone auszuweiten‚ dann nennen wir dies einen Brückenkopf.” Also betrachtet er Israel im Ganzen als militärische Einrichtung des Westens. Und in einem Brückenkopf gibt es keine Zivilisten – dies ist mithin eine implizite Rechtfertigung jeglichen Angriffes auch gegen einfache Bürger Israels.
–    entsprechend heißt es in der Rede weiter: “Dieses Besatzerregime stellt tatsächlich einen Brückenkopf der Welt der Arroganz im Herzen der islamischen Welt dar. Sie haben eine Festung errichtet, von der sie ihre Herrschaft auf die gesamte islamische Welt ausdehnen wollen. Darüber hinaus gibt es weder Grund noch Zweck für dieses Land.” Weder Grund noch Zweck! Das bedeutet: Kein Existenzrecht!
–    in diesem Kontext ist nun der betreffende Satz zu bewerten, um den es in dem Streit vordergründig geht. Ahmadinedschad bezieht sich damit auf den Titel der Konferenz: „Eine Welt ohne Zionismus“. Ist das überhaupt möglich, so sagt er, fragen viele. Und dann zählt er den Niedergang des Schahregimes, den Niedergang des Kommunismus und den Fall Saddams auf – Ereignisse, die auch niemand für möglich gehalten hätte. Aber Khomeini hätte diese Dinge immer schon vorausgesagt. Dann kommt der entscheidende Satz:
–    “Unser lieber Imam [Khomeini] sagte auch: Das Regime, das Jerusalem besetzt hält, muss aus den Annalen der Geschichte [safha-yi rōzgār] getilgt werden. In diesem Satz steckt viel Weisheit. Das Palästina-Problem ist keine Frage in welcher man in einem Teil Kompromisse eingehen könnte.” Das “Palästina-Problem” besteht in der Existenz Israels.
–    man muss den Satz schon komplett aus dem Kontext reissen, um suggerieren zu können, der iranische Präsident kritisiere hier bloss die Besatzung Jerusalems und der Westbank und fordere im Einklang mit UN-Resolutionen deren Ende

–     der „unrechtmäßige Zustand“, den der iranische Präsident beenden will, ist nicht weniger als die Existenz Israels. Daran läßt seine Rede keine Zweifel. Das „Regime, das Jerusalem besetzt hält“, ist der Staat Israel. Selbst nach einem Ende der Besatzung gäbe es in Achmadinedschads Logik für Israel „weder Grund noch Zweck“

–    es geht hier also nicht um die Rückgabe besetzter Gebiete, sondern um die Auflösung des Staates Israel und mehr noch die Löschung Israels aus der Geschichte. Es ist die Pflicht der Muslime, in dem Jahrhunderte alten Kampf für diese Revision des Unrechts zu arbeiten. Das Unrecht besteht in der Existenz dieses Staates Israel per se, für den es „weder Grund noch Zweck“ gibt, ausser der Eroberung der islamischen Welt als Brückenkopf zu dienen. „Wipe off the map“ (im deutschen als „von der Landkarte tilgen“ wiedergegeben) beschreibt das Ziel Ahmadinedschads also zutreffend, selbst wenn es sich dabei nicht um eine wörtliche Übersetzung handelt. Es ersetzt eine zeitliche Metapher (”aus den Annalen oder Seiten der Geschichte tilgen”) durch eine räumliche (”von der Landkarte tilgen”).

 

Steinmeier: Warum atomare Abrüstung unseren Interessen dient

Aus einem Gespräch, das ich gestern mit dem Kollegen Peter Dausend zusammen geführt habe:

DIE ZEIT: Herr Steinmeier, nach der Woche der drei Gipfel wird die Erde atomwaffenfreie Zone, der globale Finanzmarkt geregelt und die Türkei EU-Mitglied. Wie viel Traum steckt darin?

Frank-Walter Steinmeier: Wenn man nicht weiß, wo man hinwill, findet man nicht den Weg. Deshalb ist so unschätzbar wichtig, dass der amerikanische Präsident in Prag die atomwaffenfreie Welt als Ziel seiner Politik beschrieben hat. Das ist Vision und Realismus zugleich. Für mich ist dies das wichtigste Ergebnis der letzten Woche. Ich freue mich natürlich, dass die neue amerikanische Regierung den Weg geht, den ich auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar vorgeschlagen habe. Andere in Deutschland redeten da noch der nuklearen Abschreckungsstrategie das Wort.

ZEIT: Geht es Barack Obama darum, die Glaubwürdigkeit des Westens wiederzugewinnen? 

Steinmeier: Obama weiß, dass wir uns von eigenen Widersprüchen befreien müssen, wenn wir überzeugender gegenüber anderen auftreten wollen. Die Glaubwürdigkeit von Appellen zur atomaren Enthaltsamkeit bleibt begrenzt, wenn man seine eigene Sicherheitspolitik auf atomare Abschreckung gründet. Niemand ist naiv, besonders Obama nicht – er weiß genau, wie schwierig es sein wird, Iran zum Einlenken beim Atomprogramm zu bringen. Das wird leichter zu erreichen sein, wenn die Atomwaffenstaaten selbst abrüsten.

ZEIT: Die Europäer sind begeistert von Obama, wollen aber keine neuen Lasten übernehmen. In Amerika werfen ihm manche schon Schwäche vor.

Steinmeier: Der Vorwurf ist unberechtigt und zeigt lediglich, dass es auch in den USA noch eine Innenpolitik gibt. Und dass da so manchem konservativem Thinktank die Neuausrichtung der Außenpolitik nicht passt, wundert mich gar nicht. Auch in Deutschland spürt man ja ein gewisses Unbehagen in konservativen Kreisen. Ich halte es da mit anderen US-Kommentatoren: Auf seiner Europareise hat Obama für die USA das vielleicht kostbarste Gut in internationalen Beziehungen wieder neu aufgebaut: Glaubwürdigkeit.

ZEIT: Die USA haben eine Dialogoffensive gestartet. Was kann die deutsche Rolle dabei sein?

Steinmeier: Russland, China oder Syrien: Auch in Deutschland glaubten in den letzten Jahren viele, Gesprächsverweigerung sei eine besonders markige Form der Politik. Heute will man daran nicht gern erinnert werden. Die neue US-Regierung sieht genau, wer in den letzten Jahren, in der Phase der Abschottung und Abgrenzung, in der Außenpolitik die Dialogkanäle offengehalten hat. Deshalb sucht sie jetzt verstärkt das Gespräch mit uns. 

Mehr morgen in der ZEIT.

 

„Krieg gegen den Terrorismus“ ist zuende

Jedenfalls der Gebrauch des Begriffs. Das sagte die amerikanische Aussenministerin Hillary Clinton Reportern auf dem Flug nach Den Haag, wo sie heute an der Afghanistan-Konferenz teilnimmt.

Es gebe keine Direktive zum Wortgebrauch. Die Obama-Regierung habe einfach aufgehört, das Wort zu benutzen.

Gut so. Es war von Anfang an eine dumme Idee, einen Krieg gegen eine Methode zu führen.

Und dann kam noch hinzu, dass die Phrase für die Propaganda zur Vorbereitung des Irak-Krieges gebraucht wurde. Und der Krieg gegen Saddam Hussein hatte mit dem internationalen Terrorismus nun wirklich gar nichts zu tun.

Ironie der Lage: Während uns die Worte ausgehen, um den Konflikt zu beschreiben, wird die Lage immer dramatischer, vor allem in AfPak. Der „lange Krieg“ ist noch lange nicht vorbei: 

Replying to a question on the plane bringing her to The Hague, Clinton declared: „As you said, the administration has stopped using the phrase, and I think that speaks for itself, obviously.“

The secretary of state, who was to take part in an international conference on Afghanistan in the Dutch administrative capital, said of the phrase: „I haven’t heard it used. I haven’t gotten any directive about using it or not using it. It’s just not being used.“

The Bush administration that preceded Obama in the White House used the „war on terror“ to justify its intervention in Iraq, as well as its imprisonment of detainees at Guantanamo in Cuba and secret CIA prisons abroad.

 

Wie Iran mit Obama Schlitten fährt

Amir Taheri sieht (in der saudischen Zeitung Asharq Alawsat) Obama bereits in der Honigfalle des Revolutionsführers:

 

„Obama’s message represents a return to President Jimmy Carter’s Iran policy. Carter, too, was prepared to flatter, cajole, and beg to win a smile from the mullahs.

Some analysts see Obama’s message as an indication of Vice President Joseph Biden’s influence in shaping the administration’s Iran policy. A supporter of dialogue with Tehran for years, Biden seems to have sidelined Secretary of State Hillary Clinton who has always espoused a tougher policy toward the mullahs.

But what are we to make of Tehran’s response?

Some analysts claim that the Islamic Republic has already rejected Obama’s overture – end of story. Others, anxious to promote Obama as a political wizard, insist that he has already scored a hit by forcing Tehran to acknowledge that the ball is now in its court.

A closer look at Tehran’s reaction may reveal a more complicated pirouette.

Amir Taheri

To start with, it is important that Tehran has publicly responded to the message at the highest levels, including the “Supreme Guide” Ali Khamenei and President Mahmoud Ahmadinejad.

In previous years, the regime either ignored the American president’s Nowruz message or commented on it through the state-owned media. This time, however, the “leadership”, directly addressed by Obama, has come out with a direct response.

The carefully prepared Khomeinist response uses a number of rhetorical techniques the mullahs have developed over centuries.

The first is “badal-zani” or inversion.

This means using an adversary’s arguments against him. In his message, Obama had invited the mullahs to change their behaviour on certain issues. In his response, Khamenei says: if you change, we will also change!

The second technique is “doon-pashi” or “spreading grains to attract the birds”. The idea is to tantalize the birds with the promise of more feed while leading them into a cage. Khamenei did that by mentioning a number of issues of interest to Obama, a signal that he might be ready to discuss them as the first step toward a broader dialogue.

The third technique is “lapushooni” which could be translated as “hiding the essential while highlighting the irrelevant.” Khamenei used this technique by talking of “insults” and ignoring his regime’s stated aim of driving the Americans out of the Middle East as a prelude to global conquest in the name of the Khomeinist version of Islam.

It is clear that Khamenei wishes to encourage Obama’s illusions that dialogue could produce positive results.

One might ask why was it that the “Supreme Guide” rejected similar offers from both Presidents Bill Clinton and George W Bush?

The Clinton offer of a “Grand Bargain” under which the US would recognize the Islamic Republic as the regional superpower was made in 2000, and rejected for two reasons.

The first was that the Clinton administration was in its lame-duck stage, and the “Supreme Guide” was not sure it could deliver on its promises.

The second reason was that, Tehran had scored major diplomatic successes in Europe, no longer felt isolated, and enjoyed relative economic health thanks to steady oil prices.

In 2006, it was the turn of the Bush administration to have the door shut in its face by Tehran.

Secretary of State Condoleezza Rice’s invitation to dialogue was rejected because Tehran felt that the US had “lost in Iraq” and would soon retreat from the Middle East in humiliation.

More importantly, perhaps, Khamenei distrusted and feared Bush. The mullahs believed that Bush, in his heart, was committed to regime change in Iran.

Thus prospects for a “dialogue” with the United States appear better under the Obama administration than under Clinton’s or Bush’s.

One reason is the presence of Joe Biden, regarded by Tehran as “a valued friend”. However, the main reason is Tehran’s perception of Obama as an inexperienced and naive politician who could be taken for a ride without much risk, a reincarnation of the hapless Carter.

Tehran knows that Obama desperately wants to be different from Bush and would be prepared to go far to de-Bushisize American policy.

The idea is to use Obama’s naiveté to buy the Islamic Republic another four years of insurance against its adversaries.

Khamenei’s “yes-but” answer gives Obama something to chew upon for a few months. Obama will then be invited to wait for Iran’s presidential election and the formation of a new administration in Tehran. Khamenei may even ask Ahmadinejad not to stand again, citing “health problems”.

That would enable Khamenei to engineer a victory for Mir-Hussein Mussavi Khamenehi, a fellow Azerbaijani from the same village.

Mussavi-Khamenehi has a long history of contacts with the US and is already praised in Washington as a promising “new-old face”.

Obama-idolators would hail Mussavi-Khamenehi’s victory in the June presidential election as a great success for their “wizard”. Ahmadinejad, the genuine anti-American and Holocaust-denier, will be gone, replaced by a politician with secret contacts with Washington since 1985, (the trouble with Ahmadinejad is that he really means what he says).

These developments would fill what is left of Obama’s term. During that period, Tehran will have its bomb, will spread its influence in Iraq and Afghanistan, will strengthen its hold on Lebanon and Syria, and will go onto the offensive in the Gulf and Pakistan.“

Alles hier.

Notabene: Allerdings ist Taheri kein sehr verlässlicher Analytiker. Er hat sich sehr stark mit den Neocon-Projekt eines neuen Nahen Ostens gemein gemacht.