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Medien-Melancholie

Auch wieder wahr: „Will man diesem wüsten Drunter und Drüber überhaupt einen Erkenntniswert einräumen, dann liegt er wohl in der melancholisch stimmenden Einsicht, wie hemmungslos ein paar Medienmenschen ihre eigenen Schrullen und selbst noch ihre Fehlleistungen zu einem öffentlichen Ereignis machen.“ Heribert Seifert in einem lesenswerten Beitrag der NZZ zum Streit über ein gewisses Videoblog…

 

Gegen die Verpöbelung des Internet

Dank an den Kollegen Christian Geyer von der FAZ:

„Was Jens Jessen, dem Kulturchef der „Zeit“, derzeit im Internet entgegenbrandet, ist widerlich und totalitär. Die Welle von Schlamm, die sich über ihn ergießt, ist in ihrer Monstrosität kaum zu beschreiben. Sie überschwemmt alles, was man an öffentlicher Wortkultur für gesichert hielt…“

Um das klar zu stellen: Es geht hier nicht darum, Jens Jessen Recht zu geben. Die Reaktionen auf seinen Blog-Kommentar aber sind wahrhaft erschreckend, wie Geyer richtig schreibt –

„verheerend für alle, die das Ungeschützte, Leidenschaftliche seiner Einlassungen schätzen. Verheerend aber auch für jene, denen daran liegt, ihm mit guten Gründen widersprechen zu können.“

Mehr unter obigem Link.

 

Doch, Bush hat gelogen!

Guten Morgen, Kollegen!

Heute teilt die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihren Lesern – ein wenig schamhaft versteckt auf Seite 2 unten – folgendes mit:

„Das Weiße Haus hat nach Veröffentlichung der Medienberichte seine Darstellung verändert, seit wann Bush von den neuen Informationen wisse. Bushs Sprecherin bestätigte, dass der nationale Geheimdienstdirektor Mike McConnell Bush schon im August informiert habe, dass Iran ein verstecktes Atomprogramm habe, dieses aber womöglich unterbrochen habe. McConnell habe bei dieser Gelegenheit den Präsidenten zwar darauf aufmerksam gemacht, dass die nächste Nationale Geheimdiensteinschätzung anders ausfallen könnte; zugleich habe er den Präsidenten aber vor voreiligen Schlüssen gewarnt.“

Dazu kann ich nur sagen: ZEIT-Leser wissen mehr (und früher).

Mit anderen Worten: Bush hat bereits ein zweites Mal in dieser Sache gelogen – zunächst hat er über die Natur der iranischen Gefahr – nach dem besten ihm zugänglichen Wissen (das seiner 16 Geheimdienste) – gelogen und dann über die Frage, wann er informiert worden sei.

Dies war bereits am Dienstag mehreren seriösen amerikanischen Medien zu entnehmen. Die FAZ findet es aber erst jetzt mitteilenswert, nachdem die Regierung ertappt dasteht. Und selbst dann gibt sie 1:1 den Spin der Sprecherin weiter, Bush sei vor „voreiligen Schlüssen“ gewarnt worden.

Wahrscheinlicher ist es wohl, dass es bei den Bush-Leuten im Herbst noch die letzte Hoffnung gab, man könne die Geheimdienste ein weiteres Mal gefügig machen. Das läßt sich aus dem Bericht von Gareth Porter erschließen, der von einem Kampf um das NIE berichtet, der bereits über ein Jahr gedauert habe. Porter berichtet von mehreren Versuchen der Weissen Hauses, einen „passenden“ Geheimdienstbericht zu bekommen.

Und dann: Was macht Bush, wenn der Geheimdienstdirektor ihn angeblich vor „voreiligen Schlüssen“ warnt? Er eskaliert rhetorisch und spricht vom „Dritten Weltkrieg“.

Übrigens hat Bush in der Pressekonferenz, in der das Weltkrieg-Wort fiel, auch ganz nebenbei die Kriterien für den Iran hoch gesetzt. Präsident Bush ließ das Wort merkwürdig beiläufig fallen, als Journalisten ihn bedrängten, Putins Besuch in Teheran und das iranische Nuklearprogramm zu kommentieren. Ein „Dritter Weltkrieg“ drohe, sagte Bush, wenn Iran nicht gehindert werde, das Knowhow für eine Atombombe zu erwerben.

Im Licht unseres heutigen Wissens ist diese Verschiebung in der Iranpolitik bedeutsam. Sie spricht dafür, daß Bush schon wußte, dass es ein Programm nicht (oder nicht mehr) gab, und darum lenkte der den Focus auf das Knowhow, das der Iran ja auch ohne Programm erwerben kann.

Der Präsident hatte nicht mit drastischen Worten bloß die alte Position bekräftigt („alle Optionen auf dem Tisch“). Er hatte die rote Linie im Irankonflikt neu gezogen: Galt bisher der Erwerb der Bombe als „unakzeptabel“, sollte nun schon der nukleartechnische Wissenserwerb ein Kriegsgrund sein.

Nun denn, vorerst wird nichts daraus. Und eben dies, scheint mir, ist das Ziel des Aufstandes der Militärs und Geheimdienstler gegen ihren obersten Befehlshaber. Darum nämlich geht es hier. Das amerikanische Top Brass der größten Militärmaschine der Welt hat genug!

Wie ich schon sagte: Ein großartiges Land, die USA!

 

Unfassliche Medienverschwörung enttarnt!

In Dubai – auf dem Rückweg von Karatschi – konnte ich heute eine noch warme, druckfrische Süddeutsche lesen. Der Kollege Christopher Keil schreibt dort auf der Medienseite eine kleine Verschwörungstheorie über den Newsweek-Titel und die Merkel-Kritik, die absolut frappierend ist. Es betrifft nämlich nicht nur mich, sondern auch noch meine Frau, den Springer-Verlag, das Wall Street Journal, einen Ex-Herausgeber der FAZ…

Zitat:

„Das US-Spezifische der Hauptgeschichte besteht darin, dass sie von einem nach Pittsburgh ausgewanderten Deutschen auf Englisch geschrieben wurde, der offenbar seit 2001 Deutschland-Korrespondent von Newsweek ist. Seine Hauptquellen sind das Allensbach-Institut, der Forsa-Chef, Zeit-Kommentator Jörg Lau und ein in London lebender Chef-Ökonom der Bank of America mit dem Namen Holger Schmieding.

Einen Tag später als Bild – am Mittwoch dieser Woche – thematisierte die Welt, eine andere Springer-Zeitung, im innenpolitischen Teil die „Mär von Maggie Merkel“. Im Mittelpunkt der Kritik („Wirtschaft … beklagt mangelnden Reformwillen der Regierung“) steht Bild-Autor Müller-Vogg mit seiner Newsweek-Einlassung von Merkel als einer „Politikerin ohne innenpolitischen Kompass“.

An diesem Beitrag arbeitete auch die Chefkorrespondentin der Welt mit, Mariam Lau, Ehefrau des in Newsweek zitierten Zeit-Kommentators. Einen Tag vorher war Mariam Lau selbst mit einem Gastkommentar im Wall Street Journal vertreten. Ihre Kronzeugen für den „German Reform Blues“ sind Regierungssprecher Ulrich Wilhelm und der als „ausgesprochen konservativ“ vorgestellte CDU-Vertreter Volker Kauder. Um Merkel geht es auch. Hauptsächlich geht es um das Ende der Reformpolitik und um ein „Schreckensszenario“: ein Bündnis von SPD und Linken….“

(mehr hier)

Also in Dubai heute morgen wirkte der paranoide Sound der Geschichte vollkommen plausibel. Ich wollte immer schon mal Teil einer machtvollen Verschwörung sein. In der sachlich-weissen Kühle des Münchener Flughafens nimmt sich das Ganze allerdings wie eine für den Medienteil der Süddeutschen doch ziemlich peinlich zusammengefabelte Räuberpistole aus.

Aber wahrscheinlich wäre es ganz dumm und geschäftsschädigend zu sagen, dass man keinewegs Teil einer durchtriebenen Clique ist, die die Regierung und das Postmonopol stürzen will – und wer weiß was noch als nächstes!

 

Das „Forum am Freitag“ im ZDF ist da

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Die vom ZDF angekündigte freitägliche Online-Sendung zum Islam ist ab heute abrufbar. Anders als beim „Islamischen Wort“ des SWR, wo eine Art Predigt im Stil des Wort zum Sonntag produziert wird, stellt das ZDF die Information über den Islam in den Mittelpunkt.
Heldin der ersten Produktion ist die Islamkunde-Lehrerin Lamya Kaddor. Die 1978 in Ahlen geborene Kaddor ist studierte Islamwissenschaftlerin. Sie ist Assistentin an der Uni Münster und promoviert über ein islamologisches Thema.
Ein 10-minütiges Interview mit ihr handelt von den Schwierigkeiten und Hoffnungen einer Lehrerin, die mit Vorbehalten der Mehrheitsgesellschaft und dem Unwissen der muslimischen Minderheit zu kämpfen hat. Kaddor macht einen sehr guten Punkt in dem Interview, wenn sie auf die schlechten Kenntnisse muslimischer Kinder über ihre Religion hinweist. Ihr haben sich die Haare gesträubt angesichts der Dinge, die ihre Schüler mit dem Islam und dem Koran begründen wollen.
Kaddor äußert sich sehr selbstbewußt zu Fragen wie dem Kopftuch (keine religiöse Erfordernis) und Ehrenmorden (keine Rechtfertigung im Islam). Manche der Eltern haben Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass eine junge Frau ohne Kopftuch die Islamlehrerin sein soll. Für die Schüler, sagt sie, ist sie zu einer Vertrauensperson geworden.
Sie spricht auch darüber, wie schwierig es nach dem 11. September geworden sei, als Muslima mit dem Animus der Mehrheit umzugehen. Mir scheint, die Weise, in der diese Frau ihren Glauben lebt und lehrt, ist ein Zeichen dafür, dass es trotzdem gelingen kann.
Ausserdem auf der Website: Ein Porträt von Bekir Alboga, sehr wohlwollend, aber auch informativ.
Was stört: Das Ganze ist ein bißchen zu konsensorientiert und betulich. Das ist angesichts der Feindseligkeit, mit der manche ZDF-Kunden auf die bloße Ankündigung reagiert haben, mehr als verständlich.
Wenn die Sache sich etabliert hat, wird man ein bißchen das Tempo anziehen müssen.
Das ZDF hat einen guten Anfang gemacht. Ich bin auf weitere Sendungen gespannt.

 

Al-Jazeeras Islamophobie

Al-Jazeera English berichtet ausführlich über die Vorgänge in England. In dem Bericht sind nahezu ausschließlich die Ängste der Glasgower Muslime Thema, es werde einen „Backlash“ gegen sie geben.
Ich möchte nicht ausschließen, dass es zu moslemfeindlichen Äussserungen und Aktionen kommt. Allerdings sind bisher keine bekannt geworden.
Darum ist es ein Problem, wie dieser Sender mit dem Thema umgeht: Er stellt Muslime als (potentielle) Opfer der rassistischen Bevölkerung und eines hysterischen Staatsapparates dar, nicht als Betroffene des Terrors, die als Bürger die Pflicht haben, diesen Angriff auch als einen gegen sie selbst zu empfinden und abzuwehren. Dieser Sender ist Gift für die muslimische Zivilgesellschaft. Er fördert die Opfer-Mentalität.

In anderen Worten: Er stellt die Muslime genau so dar, wie Islamophobe sie sehen möchten, als nicht ganz loyale Bürger, die sich ums Gemeinwohl nicht scheren, sondern nur ihre Sonderidentität pflegen und sich sich immer als Opfer präsentieren.

Der Sprecher des Muslim Council of Britain, Inayat Bunglawala, hat im Interview nur eine einzige Sorge: Schärfere Sicherheitsgesetze verhindern. Während gerade Hunderte einem qualvollen Tod durch islamistische Möchtegern-Terroristen entkommen sind, wirkt das doch ein wenig merkwürdig (auch wenn man zu Recht gegen die möglichen Gesetze – die allerdings noch niemand vorgeschlagen hat – sein mag).

Wer solche Sprecher hat, braucht keine Feinde mehr.

 

Die Mohammed-Kurve

Über das „Wort zum Freitag“ des ZDF wurde heftig debattiert, ohne dass bisher Ergebnisse bekannt geworden wären. Der Südwestrundfunk unter Leitung von Peter Voß aber geht einfach voran. Der SWR hat nun dem ZDF den Rang abgelaufen, was die Integration des Islams in das öffentlich-rechtliche Sendungsbewusstsein angeht. Der Intendant steht selbst hinter der längst fälligen Erweiterung des religiösen Angebots.
Ab heute steht das „Islamische Wort“ auf der Homepage zum Download bereit, eine etwa 4 Minuten lange Audio-Datei.
Monatlich wird ein neues verfügbar sein.
Das ist ein bisschen wenig, finde ich. Wöchentlich dürfte es schon sein, sonst wird die Sache zu erratisch und verliert den Bezug zum Alltagsleben.
Und es gibt ja doch weiß Gott einen grossen Informationsbedarf der Nichtmuslime und einen mindestens ebenso grossen Mitteilungsbedarf der Muslime.
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Aiman Mazyek

Die ersten beiden Autoren sind bekannte Namen aus dem interreligiösen Dialog: Aiman Mazyek (Zentralrat) und Bekir Alboga (Ditib).
Mazyek macht den Anfang mit einer Predigt zum Thema „Barmherzigkeit und Gnade – Gottes oberstes Prinzip“.
Der Text ist korrekt, vielleicht ein bisschen überkorrekt – man merkt die verständliche Nervösität des Autors, der mit einer positiven Note beginnen will. Er klingt schon ein bisschen zu sehr nach Wort zum Sonntag, wo ja meist allgemeine menschliche Dinge besprochen werden, bevor der Predigende ganz am Ende unverhofft in die Jesus-Kurve einbiegt und anmerkt, was der HErr wohl dazu (Gesundheitsreform, Tarifkonflikt, Neid, Mißgunst, Ungerechtigkeit, mangelndes Vertrauen in unserer Gesellschaft…) gesagt hätte.
Nun also gibt es auch die Mohammed-Kurve. Aiman Mazyek bezieht das Thema Barmherzigkeit durchaus intelligent auf die „Begnadigung ehemaliger RAF-Terroristen“.
Aber lassen wir das Genöle: Dennoch ist das ein guter Anfang, der hoffen lässt, dass sich hier ein interessantes Forum entwickeln könnte.
Die knifflige Frage, an der es hängt, ob dieses Format funktionieren kann, ist folgende: Wird es eine Form für das friedliche und aufrichtige Interesse an Differenzen sein? Oder wird man immer nur auf Konsens setzen und sich an das Trennende nicht herantrauen. Dann ist das Islamische Wort zur Langeweile verdammt, die so viele Bemühungen des Dialogbetriebs überschattet.

Auch in dem sanft daherkommenden Text von Aiman Mazyek stecken schon die kontroversen Themen, die Christen und Muslime trennen und doch untrennbar aufeinander bezogen sein lassen:
das Gottesbild,
die Stellung des Menschen zu Gott und seine Angewiesenheit auf Gnade und „Rechtleitung“,
die Natur Jesu (als Prophet unter anderen oder als Gottessohn)
und damit das Menschenbild.
Die Chance dieses Forums könnte darin bestehen, sich über diese Dinge auszutauschen ohne Angst, ohne falsche Harmoniesucht und ohne Polemik.

 

Ein deutsch-islamisches Youtube ist da

Eine Kombination von Youtube und Myspace soll sie sein – die islamische Internetplattform waymo.de ist ab heute online.
Murad W. Hofmann, Engin Noyan, Nadeem Elyas, Tariq Ramadan, Hamza Yussuf und Yussuf Islam stehen zum Abruf bereit.
Analyse folgt.

 

Piraten des Zionismus

Ahnten Sie es? „Piraten der Karibik“ sind eine jüdische Verschwörung! (Na ja, da muss man ja auch erst mal drauf kommen.) Beweise hier:

 

Iranische Raketenpropaganda oder Lügen in Zeiten von Google

Die iranische Regime-Zeitung Kayhan brachte am Wochenende ein beeindruckendes Foto von dem iranischen Raketentest.

Leider stellte sich durch Recherchen fleissiger iranischer Blogger-Kollegen heraus, dass die abgebildete Rakete in Wahrheit vom Grossen Satan selbst abgefeuert worden war – 2004 in Kalifornien beim Test eines amerikanischen antiballistischen Raketensystems.

Peinlich: Kayhan untersteht dem Wächterrat und der wiederum direkt dem Einfluss des Revolutionsführers Chamenei.
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Kayhan-Titelseite vom Sonntag

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Das Original vor der Photoshop-Behandlung