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Mohammed-Karikaturen revisited

Mehr als ein Jahr nach der Karikaturen-Affäre beschäftigt sich die französische Justiz jetzt mit den Folgen. Die Zeitschrift Charlie-Hebdo, die seinerzeit drei der Karikaturen nachgedruckt hatte, wurde von muslimischen Verbänden verklagt. Am Mittwoch wurde der Prozess eröffnet. Es droht eine herbe Geldstrafe – und eine Niederlage für die Werte der Republik. (Siehe auch das Blog des Kollegen Wurst.)
Die französische Tageszeitung libération unterstützt Charlie-Hebdo durch Wiederabdruck der Karikaturen und durch eine Solidaritätsadresse namhafter Intellektueller – darunter auch zahlreiche Muslime. Charlie-Hebdo hatte übrigens das Titelbild der inkriminierten Ausgabe mit einer eigenen Karikatur geziert, auf der man den Propheten Mohammed sieht, der von Fundamentalisten umringt ist und verzweifelt ausstösst: „Es ist hart, von Idioten verehrt zu werden.“

Wie auch immer der Prozess ausgehen mag, es könnte bald schon wieder Nachfrage nach Empörungsbedarfsartikeln bestehen, wie sie in dieser Satire von Bill Maher angepriesen werden. Sie sei den geneigten Lesern hier zum Jahrgedächtnis des Karikaturenstreits empfohlen.

 

Gegen den Bruderhass in den arabischen Medien

Der Chefredakteur der moderaten arabischen Zeitung Al Hayat, Ghassan Charbel, macht sich Sorgen wegen der Kultur des Hasses in den arabischen Medien:

A few days ago, a satellite channel talk show on Iraq caught my attention. Two Iraqi men, one Sunni and one Shiite, were discussing the developments in Iraq. A few moments later, the atmosphere clouded over. I expected the anchorman to intervene to enforce the rules in a show of respect for the viewer. I was wrong: he added fuel to the fire to the extent that I felt the dialogue would be continued with a fistfight, sharp tools or guns. There were accusations without limits or evidence. There were accusations of conspiracy, blatant sectarian talk and calls for revenge.

At the end of the dialogue massacre, one question struck my mind, about what the impact might be of such talk on youths, who are in the prime of their lives and who belong to this or that camp. The program was like the ambushes we see in Iraq.

Although I am pleased with freedom, I am compelled to ask about responsibility. Some of what we hear on our satellite channels causes fear, and probably terror. Is it appropriate to put these channels at the disposal of ignorant people who claim to be analysts or experts? Is it appropriate to grant the ‚knights of darkness‘ the chance to transform TV screens into platforms for their fanaticism, without refuting their words or halting their disarray? We are not calling for restraining freedom, but rather for thwarting the attempts to exploit it in the service of its foes.

I am actually worried about the boys that can be misguided by the satellite channels if they allow their guests to strike a chord of hatred and fanaticism and promote the idea of canceling the ‚other‘, who has a different ideology, or district, or a nation.

It is our right to demand those responsible for the visual media to pay heed to this sensitive issue, at a time when our societies witness a worrying upheaval of feelings of discord and the temptations of divorce and cancellation. Pending this development, I advise you, dear viewer, to vaccinate your children against these feelings before exposing them to some of the programs and types of experts and analysts.

 

Kofi Annan für „respektvolle“ Selbstzensur

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Der aus dem Amt geschiedene UN-Generalsekretär hat sich ein Jahr nach dem Karikaturenstreit Gedanken über die Grenzen Pressefreiheit gemacht:

Ich bin dafür, die Chefredaktionen und die Karikaturisten selbst entscheiden zu lassen, was publiziert werden darf. Sie müssen sich über ihre Verantwortung im Klaren sein und zumindest darüber nachdenken, wie ihre Arbeit von verschiedenen Gruppen wahrgenommen und interpretiert werden könnte.

Wäre dies „Selbstzensur“? Ja, in gewissem Sinne schon, aber eine Selbstzensur, die, so wage ich zu hoffen, in einer respektvollen Haltung für die Gefühle der anderen ausgeübt würde. Sie wäre nicht von Furcht bestimmt.

Impliziert dies „politisch korrektes“ Verhalten? Nein, so wage ich zu hoffen, wenn es bedeuten könnte, langweilig und anbiedernd zu werden. Aber ja, trotz allem, wenn es bedeuten würde, einen Sinn für die Gefühle der anderen zu haben. Einen Teil der Gesellschaft, der sich bereits verletzbar und verängstigt fühlt, mit Beleidigungen zu überhäufen: Daran ist nichts bewundernswert, witzig übrigens auch nichts.

Kofi Annan übernimmt die Deutung der Islamisten um den dänischen Imam Abu Laban, die den Karikaturenstreit in die arabische Welt trugen: Die Karikaturen zu veröffentlichen sei eine Beleidigung der islamischen Minderheit.

Das ist fahrlässig. Und eine Selbstzensur, die nicht von Furcht bestimmt ist, kann ich mir in diesem Klima nach dem Karikaturenstreit nicht vorstellen. Im übrigen hat sie in weiten Teilen der westlichen Welt stattgefunden: Die amerikanischen Zeitungen haben die Karikaturen nicht gedruckt, und auch die BBC hat sie nicht gezeigt. Selbt wenn man die Karikaturen nicht mochte, muss einen das doch wohl beunruhigen.
Ein oder zwei Worte für die Pressefreiheit, vor allem in der arabischen Welt, wären in diesem Zusammenhang nicht schlecht gewesen. Und ein Wort des Bedauerns über die Todesopfer, die den „verletzten Gefühlen“ geschuldet sind. Statt dessen wird die Verantwortung einzig der Presse aufgeladen, die sich wohlwollend präventiv selbst zensieren soll.

 

„Ich will jetzt Blut sehen“

Aus dem SWR:

„Zwei Schüler aus dem rheinland-pfälzischen Ludwigshafen waren während eines Killerspiels im Internet auf die entsprechende Drohung gestoßen. Einer ihrer ‚Counter Strike‘-Mitspieler habe bei dem Mannschaftsspiel auf eigene Leute geschossen und ‚wild in der Luft rumgeballert‘, sagte Hetger. Nach Aussage der Realschüler habe der Unbekannte im Internet geschrieben: ‚Ich habe dieses hier satt, ich will jetzt Blut sehen.‘ Auf Nachfragen seiner Mitspieler kündigte er einen Amoklauf in seiner Schule am Nikolaustag an.“

Die beiden Realschüler, die die Sache gemeldet haben, sind zu loben. Sie haben, wie die meisten Spieler, noch nicht die Fähigkeit eingebüsst, zwischen Realität und Spiel zu unterscheiden.

Durch die Debatte der letzten Wochen sind sie aber darauf aufmerksam geworden, dass es nicht allen so geht, und dass es also ernst zu nehmen ist, wenn einer sagt, „ich will jetzt Blut sehen“.

Die beiden Schüler haben richtig gehandelt.

Sie wissen, dass ihr Spiel Teil einer Gewalt-Popkultur ist, in der mancher die Orientierung verliert, und sie wissen offenbar auch, dass Täter ihre Taten nach der Ikonografie dieser Spiele modellieren – was immer noch hartnäckig von der Gamer-Gemeinde und den Apologeten der Game-Industrie in den Feuilletons bestritten wird.

 

Computerspieler als tapfere Rebellen gegen die bürgerliche Gesellschaft?

Aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 26.11.2006:

Aber man kann doch nicht leugnen, daß Gewalt ein wichtiger Bestandteil von Spielen ist.

Zugegeben: Als ästhetisches Motiv ist Gewalt in Computerspielen im Gegensatz zu Horrorfilmen, Schauerromanen oder Death-Metal-Bands nicht unbedingt ein Nischenphänomen. Was ganz einfach damit zusammenhängt, daß man in virtuellen Welten außer den Dingen, die man nicht auf die Reihe kriegt (das Alltagsleben oder die Profikarriere), auch ausleben kann, was man nicht darf (das Töten). Es ist eben die Funktion der Kunst, jenen Verhaltensweisen ein Reservoir zu bieten, die im gesellschaftlichen Umgang miteinander nicht als salonfähig gelten, sei es als Folge kultureller Ächtung oder sozialer Übereinkunft. Nicht nur für Menschen, die sich als Verlierer dieser Ausgrenzung fühlen, sind anders gestrickte Parallelwelten interessant, sondern auch für solche, die sich vom herrschenden Geschmacksterror nicht ihren stilistischen Horizont vorgeben lassen wollen. Für den Hannoveraner Medienwissenschaftler Christoph Klimmt hat der Einsatz von Gewaltmotiven noch einen weiteren Grund: „Das Element der Gewalt macht die Dimension des Konflikts, den es zu lösen gilt, deutlicher – er gewinnt dadurch an Relevanz.“ Besonders für männliche Jugendliche geht es zudem um die Suche nach Rollenmustern für Männlichkeit.

Man möchte die Bedeutung der Gewalt in der Computerspielewelt nicht rundheraus leugnen, was ja derzeit auch nicht gut geht.

Aber so richtig heran an das Thema traut man sich denn auch wieder nicht: „nicht unbedingt ein Nischenphänomen“ – das ist gut!

Nachdem die Autoren eingangs ihres Artikels einfach so behauptet haben, dass es bei den Spielen überhaupt nicht um die Gewalt gehe („denn erstens wird ja keine Gewalt ausgeübt beim Spielen…“) – kommen sie nun mit einer Kompensationstheorie, die dazu nicht so recht passt. Denn dazu müssen sie annehmen, die Lust an der verbotenen realen Gewalt werde kompensiert durch die virtuell ausgeübte Gewalt. Die Spiele-Gewalt sei also ein Form des Handelns, nicht bloss des Rezipierens eines Abbilds der Gewalt (wie etwa im Film).

Das Töten beschreiben sie dann als eine „Verhaltensweise“, die nicht als „salonfähig“ gilt – infolge „kultureller Ächtung“. Und diese Ächtung wird nun in die Nähe des „herrschenden Geschmacksterrors“ gerückt, der den Menschen leider einen „stilistischen Horizont“ vorgibt. Wer virtuell tötet, überschreitet also mutig und rebellisch die Grenzen, die ihm die moralisierende Spiesserwelt zieht. Der Killerspieler ist ein Rebell wieder die bürgerliche Gesellschaft mit ihrem Geschmacksterror.

Dann wiederum scheint es aber doch nicht um die Gewalt per se zu gehen – sie macht bloss, wie der zitierte Medienwissenschaftler erklärt, von ihr unabhängige Konflikte „relevant“. (Den alten Konflikt zwischen Menschen und Moorhühnern, Menschen und Aliens?)

Am Ende wird dann noch beiläufig hingeworfen, dass männliche Jugendliche in Spielen Rollenmuster suchen. Guter Punkt!

Schade nur, dass manche dabei Rollenmuster finden, die häßliche Konsequenzen für sie und andere haben. Aber dazu – zum Hauptpunkt des Problems – zur Krise der Männlichkeit und ihrem Ausdruck in den Ballerspielen – kein Wort von den geschätzten Kollegen.

 

USK gibt Waffenlobby-Spiel ab 12 Jahren frei

Kleiner Nachtrag zum Thema Ballerspiele und Jugendschutz:

Ausweislich der Website der „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ ist soeben das Game „Gun Club“ für Spieler ab 12 Jahren freigegeben worden.

In den USA heisst dieses Spiel NRA Gun Club. Die NRA (National Rifle Association) ist die Institution der amerikanischen Waffenlobby. Sie hat das Spiel, das sich rühmt, „über hundert realistische Waffen“ zur Verfügung zu stellen, für die Sony Playstation entwickeln lassen.

Waidmannsheil!

 

Amokläufer im Münsterland war begeisterter Computerspieler

Nach Angaben eines Mitschülers verbrachte der Amokläufer, der an der Geschwister-Scholl-Schule ein Blutbad anzurichten versuchte, seine Nachmittage bevorzugt beim Computerspielen.

Das Killerspiel „Counterstrike“ soll seine Lieblingsbeschäftigung gewesen sein.
Ich bin gespannt, was die zahlreichen Debattenbeiträger dazu zu sagen haben, die in Antworten auf meinen Beitrag – über die Popkultur des Todes und der Gewalt – solche Zusammenhänge systematisch geleugnet oder verharmlost haben.

Wird man das Problem anhand dieses Falles an sich heranlassen – oder heisst es weiter Abwehr, Abwehr, Abwehr?

 

Das Versagen des Jugendschutzes angesichts immer brutalerer Computerspiele

Je öfter ein Kind am Computer ballert, desto schlechter die Schulnoten, zeigt eine neue Studie. Die Spiele lassen eine Generation von Jungs verwahrlosen.

Dann verbrennst du mehrere Passanten mit einem Flammenwerfer. Zwei Frauen zerlegst du mit einer Kettensäge. Das Blut spritzt auf den Bürgersteig. Ein Polizist will dich stoppen. Du zersägst auch ihn.Schließlich liegt ein Polizist verblutend vor dir, an seinen Einsatzwagen gelehnt. »Du bist ein Arschloch bis zum bitteren Ende«, rufst du ihm zu, bevor du ihn mit einem Tritt auf den Kopf tötest. Mission erfüllt! Du hast Respektpunkte erhalten im Spiel Grand Theft Auto: San Andreas.

Du musst deinen Gegner mit allen Mitteln ausschalten. Benutze alle herumliegenden Gegenstände als Waffen. Sei kreativ: Treibe ihm eine Bohrmaschine in den Kopf, benutze den Tacker, um ihn außer Gefecht zu setzen, drücke ihn auf den glühend heißen Ofen. Verletze ihn mit einem Kantenschneider, tauche seinen Kopf in heißes Frittierfett! Am Ende winkt dir eine Million Dollar Belohnung im Spiel Backyard Wrestling…

weiter hier: http://www.zeit.de/2006/45/Titel-Computerspiele-45

 

Wir lassen Jungen in einer Popkultur der Gewalt versumpfen

Neue Studie: Computerspiele gefährden den Schulerfolg /
Medienverwahrlosung der Jungen, vor allem in den Unterschichten

Du schleichst dich von hinten an die Frau heran und schneidest ihr die Gurgel durch. Du erschlägst eine weitere mit der Schaufel und stampfst durch die Blutlache. Wenn du diese Aufgaben erledigt hast, darfst Du zur Belohnung später Fußgänger mit der Motorsäge zerlegen.

So geht es zu in dem Spiel GTA San Andreas, einem der beliebtesten Computerspiele der letzten Zeit. Und so klingt die Werbung für das Computerspiel „Der Pate“: Ein Gangster zu sein, hat sich nie zuvor so gut angefühlt. Das Kampfsystem gibt dir die Möglichkeit, deine Gegner mit Schlägen, Tritten und Grabs niederzustrecken – du kannst sie sogar strangulieren.

Ein drittes Beispiel: Das populäre Spiel Backyard Wrestling – Prügelei im Hinterhof. Hier ist der Spieler gefordert, seine Gegner mit allen Mitteln fertigzumachen. Der Körper des Feindes darf durchbohrt, verbrannt und zerstückelt werden – je blutrünstiger, desto besser. Am Ende winkt eine Belohnung von einer Million Dollar.

Der Kriminologe und Medienforscher Christian Pfeiffer hat mit seinem Team einige der beliebtesten Computerspiele nachgespielt. Die Brutalität der Spielhandlungen ist atemberaubend. Alle diese Spiele sind völlig legal ab 16 Jahren beziehungsweise 18 Jahren zu erwerben. Sie werden aber natürlich auch an jüngere Kinder weitergegeben. Weil die Killer-Spiele als cool gelten, setzen Jungs viel Ehrgeiz und Energie darein, an sie heranzukommen. Die Hälfte aller zehnjährigen Jungen, so Pfeiffer, nutzt Spiele, die erst ab 16 Jahren freigegeben werden.

Ein Jugendschutz, der solche Zustände hinnimmt, ist ein Witz. Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, die für die Freigaben zuständig ist, weiß entweder nicht, was sie da eigentlich bewertet – oder sie ist vollkommen zynisch. Spiele, in denen der Ehrgeiz von Jugendlichen auf das möglichst grausame Töten, Foltern, Erpressen gerichtet wird, gehören auf den Index, damit sie nicht mehr offen verkauft werden können und für sie nicht mehr geworben werden darf. Damit wäre die Spiele-Industrie, die an solchen Widerlichkeiten verdient, empfindlich zu treffen.

Wie kann es sein, dass jede Zigarettenpackung heute drastische Hinweise trägt, dass Rauchen krank macht und tötet – während ein Zehnjähriger so genannte Spiele, die eigentlich Lehrgänge für eine Massenmörder- und Foltererkarriere sind, ganz einfach bei Amazon bestellen kann? Wir wissen lange schon, dass Killer- und Folterspiele Nachahmungstaten anregen. Man denke nur an Robert Steinhäuser, den Massenmörder von Erfurt, der seine Nachmittage als Ego-Shooter verbrachte, bevor er 16 Menschen an seiner Schule ermordete, so wie er es spielend gelernt hatte.

Doch selbst wenn es nicht zum Äußersten kommt, ist die schädliche Wirkung der Gewalt-Computerspiele enorm. Christian Pfeiffer hat in einer breit angelegten Studie erforscht, wie die Mediennutzung mit dem Schulerfolg zusammenhängt. Schüler, die über einen eigenen Fernseher und eine Spielekonsole verfügen, haben signifikant schlechtere Schulergebnisse als diejenigen, die über solche Geräte nicht verfügen. Das ist eigentlich banal: Wer stundenlang vor dem Fernseher und dem Computer sitzt, hat schlicht keine Zeit für Schularbeiten und geistig anregende Hobbies.

Es kommt aber noch etwas hinzu: Das emotionale Erlebnis von Gewalt, Action, Horror als virtueller Akteur stellt andere Erlebnisse in den Schatten und entwertet sie. Schulerlebnisse und Lernerfolge werden durch das drastische Geballere am Bildschirm regelrecht verdrängt. Horror als Lebensstil macht vergesslich und dumm. Die Daueraufgewühltheit der Spieler am Nachmittag löscht die Bildungsfortschritte des Vormittags.

Es ist ein Teufelskreis: Vor allem bildungsferne Eltern erlauben ihren Kindern den Konsum von Gewaltmedien. Dieser Konsum macht dumm und verhindert den Ausbruch aus der Bildungsmisere. Durchschnittliche zehnjährige Jungen in Dortmund verbringen pro Jahr sage und schreibe 1430 Stunden vor dem Fernseher und der Play Station – das ist fast ein Drittel mehr als im Schulunterricht.

Der Konsum von virtueller Gewalt ist fast ausschließlich ein Jungen-Problem. Mädchen spielen generell weniger am Computer, und sie mögen keine Gewaltspiele. Gewaltspiele sind ein Schlüssel zur Erklärung der Bildungskrise junger Männer hierzulande. Jungen fallen in Schule und Ausbildung immer weiter zurück, während die Mädchen an ihnen vorbeiziehen. Mehr Jungen als Mädchen gehen auf die Hauptschule, bleiben sitzen und brechen die Schule ohne Abschluss ab. Die Nutzung von dumm und roh machenden Gewaltmedien ist eindeutig ein Risikofaktor für die Bildungskarriere.

Es ist Zeit, dass die Medienverwahrlosung weiter Teile der Jungen hierzulande als Skandal angeprangert wird. Dabei darf es nicht darum gehen, männliche Aggressivität unter Verdacht zu stellen und zu tabuisieren. Im Gegenteil: Jungen brauchen reale Möglichkeiten, ihre ganz normale männliche Aggressivität kreativ einzusetzen und lernend abzubauen. Wir können uns aber nicht leisten, sie in den widerlichen virtuellen Horrorwelten verkommen zu lassen, die ihre Phantasie vergiften.

„Politisches Feuilleton“ im Deutschlandradio vom 14.10.2006