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Antisemitismus in britischen Unis: Akademischer Israel-Boykott beschlossen

Die britische Akademiker-Gewerkschaft UCU (University an College Union) hat einen Boykott Israels beschlossen. Mit ihren 120.000 Mitgliedern ist UCU der einflußreichste Verband in der höheren Bildung in Grossbrittanien.
Der Boykott kann bedeuten, dass israelische Akademiker von Austauschprogrammen und instituioneller Förderung ausgeschlossen werden, dass britische Forscher nicht mehr mit israelischen Publikationen zusammenarbeiten oder ihrerseits nicht mehr zu Gastvorträgen und scholarships nach Israel reisen.
Das ist eine bisher unbekannte Versündigung an der akademischen Freiheit. Und ein Schlag ins Gesicht Israels, das sich derzeit unter täglichem Raketenbeschuss durch die Hamas befindet.
Dem Geist des freien Gedanken- und Meinungsaustauschs, ohne den es keinen wissenschaftlichen Fortschritt geben kann, steht die politische Indienstnahme der Gewerkschaftsmitglieder entgegen.
Der Schritt ist nicht nur abstoßend durch seine moralische Überheblichkeit gegenüber einem Land, das unter der Vernichtungsdrohung Irans und seiner Helfershelfer lebt.
Er ist auch politisch dumm, weil er die kritischen Kräfte der israelischen Öffentlichkeit isoliert und das – diesmal berechtigte – Gefühl verstärkt, auf Europa nicht zählen zu können.
Die Begründung, mit der die UCU zum Boykott aufruft, ist geradezu obszön: Der Boykott solle die „Komplizenschaft der israelischen Akademiker“ bei der 40 Jahre andauernden Besatzung treffen.
Wer alle israelischen Akademiker zu „Komplizen“ der Besatzung erklärt, argumentiert genau wie die Killer der Hamas: Es gibt keine Zivilisten in Israel. Jeder ist ein legitimes Ziel.
Der aussenpolitische Sprecher der SPD, Gert Weisskirchen, hat völlig Recht, wenn er dies „ein neues Kapitel in der traurigen Geschichte des akademischen Antisemitismus“ nennt.
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Steven Weinberg. Foto: University of Texas

Der Boykott wird auch schmerzliche Folgen für die britische Szene haben: Der amerikanische Physik-Nobelpreisträger Steven Weinberg hat seinen Gastvortrag am Imperial College, geplant für diesen Juli, abgesagt.
Weinberg:

„I know that some will say that these boycotts are directed only against Israel, rather than generally against Jews.

„But given the history of the attacks on Israel and the oppressiveness and aggressiveness of other countries in the Middle East and elsewhere, boycotting Israel indicated a moral blindness for which it is hard to find any explanation other than anti-semitism.“

Recht hat er.

 

Europäer, setzt euch für Haleh Esfandiari ein!

Reuel Marc Gerecht, Iran-Experte des American Enterprise Institute, gibt in der New York Times folgendes zur Verhaftung von Haleh Esfandiari zu bedenken:

It is undoubtedly the Hamilton connection and her marriage with an Iranian-born Jew — a sin under Islamic law for a Muslim woman — that made Mrs. Esfandiari such an irresistible target for a regime fond of taking hostages to intimidate its enemies.

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Reuel Gerecht

Hamilton-Connection: Haleh Esfandiari arbeitet beim Wilson Center, dessen Präsident Lee Hamilton ist – der wiederum mit James Baker den Iraq Study Group Report verfasst hat. Gerecht deutet die Verhaftung von Frau Esfadiari als bewussten Schlag ins Gesicht der Kräfte, die sich für die diplomatische Einbeziehung Irans in die amerikanische Nahostpolitik stark machen.

Gerecht meint, die Mullahs würden bewusst auf Kräfte zielen, die Brücken bauen wollen und auf Diplomatie als Mittel im Nuklearkonflikt setzen. (Ihm selbst kommt das sehr zupaß, weil er seit eh und je als Hardliner gegen die europäische Strategie des „kritischen Dialogs“ argumentiert hat. Gerecht glaubt, die Iraner verstünden nur brutale Gewalt. Ich habe ihn vor kurzem bei einem Hintergrundgespräch im Auswärtigen Amt in Berlin erlebt, wo er deutsche Vertreter des kritischen Dialogs geradezu zur Raserei brachte.)

Ich glaube nicht, dass Gerechts Strategie – letztlich läuft es auf eine Bombardierung hinaus wie bei Podhoretz – vertretbar ist. Was er aus seinem Bild ausschließt, ist folgendes Faktum: Jede Bombe, die die Amerikaner in den letzten Jahren im Nahen Osten geworfen haben, hat Teheran gestärkt. Bushs bleibende Leistung ist es, Iran zur Mittelmacht bombardiert zu haben, indem man seine Feinde zur Rechten und zur Linken eliminierte.
Die amerikanische Strategie des Disengagements in Kombination mit Gewalt ist in Wahrheit ebensowenig eine Antwort auf die iranische Herausforderung wie die europäische Strategie des kritischen Dialogs (der weder kritisch noch ein Dialog ist).

Aber Reuel Gerechts Schlussworten schließe ich mich uneingeschänkt an:

If the Europeans are wise, they’d ensure that no discussion with the Iranians on any subject occurred without highlighting the plight of Mrs. Esfandiari. She indefatigably made European arguments about the need and effectiveness of soft power; they should just as indefatigably defend her.

Neither the Europeans nor the Americans will find any common ground with the clerical regime as long as Mrs. Esfandiari languishes in prison. Until she is freed, it will remain clear that the regime understands nothing other than brute force.

Die Unterstützerseite für Haleh Esfandiari findet sich hier.

Und hier kann man sie in ihren eigenen Worten hören:

 

Neue Bilder von Misshandlungen iranischer Frauen durch die Polizei

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Dieses Bild ist am Sonntag in Teheran entstanden, wo der Tugendterror gegen Frauen mit islamisch nicht korrektem Kopftuch offenbar weitergeht. Eine Mutter und ihre Tochter wurden von der Polzei so stark zusammengeschlagen, dass sie am Kopf bluteten. Sie nahmen darauf ihre Kopftücher ab, um die Wunden zu zeigen.
Welche Art von Moral ist das, die sich da austobt? Es ist das freigelassene Ressentiment des (männlichen, aber nicht nur!) Mobs gegen Frauen, die sich nicht in die herrschenden Verhältnisse fügen. Ja, auch bei uns gibt es Gewalt gegen Frauen. Die Frauenhäuser sind voll (mehrheitlich mit muslimischen Migrantinnen übrigens).

Aber es ist doch immerhin nicht der Staat, der prügelt. Der Staat ist bei uns nach langen Kämpfen die Zuflucht für die mißhandelten Frauen. Im „Gottesstaat“ aber ist das Tragen eines Polzeiknüppels der Freibrief für gewalttätige Misogynie. Und die Ayatollahs schweigen dazu oder hetzen auch noch mit. Was sagt uns das über den Islam? Oder ist das wieder eine unerlaubte Zuspitzung?
Die ganze Geschichte zu dem Foto hier bei Mideastyouth.com.

 

Druck auf Cannes, Anschläge auf Filmemacher – Teherans neue Offensive gegen Kunstfreiheit

Die Islamische Republik Iran hat beim französischen Botschafter in Teheran eine Protestnote abgegeben, in der man sich über die Einladungspolitik des Filmfestivals von Cannes beschwert. Als Teil des Wettbewerbs läuft nämlich diesmal die mit Spannung erwartete Film-Adaption des Comics von Marjane Satrapi, „Persepolis“.
Hier der Trailer. Weitere Clips auf Youtube!

Diese lächerliche Reaktion – sie erinnert an den Karikaturenstreit – ist typisch für ein totalitäres Regime wie dieses: Die Vorstellung, dass das Filmfestival von Cannes völlig frei von Weisungen des Elysée-Palastes einlädt, wen man für wichtig und richtig hält – diese Vorstellung ist offenbar für Teheran unfassbar.
Solche Beschwerden zeigen wie ein Spiegel, wie die Sache im Iran geregelt ist: Ohne behördliche Genehmigung läuft nichts. Zensur und Vorzensur haben die Kulturszene im Griff.
Und mehr noch: Der Iran geht sogar mit Gewalt gegen Filmemacher vor, wie dieser Tage der grosse Mohsen Makhmalbaf zu verstehen gibt. Seine jüngste Tochter Hana, auch sie eine Filmemacherin, wurde offenbar bei Dreharbeiten
in Afghanistan von iranischen Agenten mit Handgranaten attackiert. Mehrere Menschen wurden bei dem Angriff verletzt, ein Pferd wurde getötet. Die Filmemacherin überlebte durch Glück. Ihr Vater ging nun an die Öffentlichkeit: „Wenn meiner Familie etwas zustösst, mache ich die islamische Republik verantwortlich.“

 

Amerikanisch-iranische Professorin in Teheran verhaftet

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Haleh Esfandiari

Eine der bekanntesten Iran-Expertinnen der USA ist in Teheran verhaftet worden. Haleh Esfandiari, die Leiterin der Nahost-Abteilung des renommierten Woodrow Wilson Center, hielt sich im Iran auf, um ihre 93jährige Mutter zu besuchen.
Als sie im Dezember ausreisen wollte, wurden ihr auf dem Weg zum Flughafen von drei Männern der iranische und der amerikanische Pass gestohlen – vermutlich von Geheimdienstagenten.
Denn als sie in Teheran einen neuen Pass beantragen wollte, wurde sie zum Informationsministerium geschickt, wo sie sich mehreren Befragungen über ihre Arbeit am Wilson Center unterziehen lassen musste.
Am vergangenen Donnerstag wurde Frau Esfandiari verhaftet und ins berüchtigte Evin-Gefängnis verbracht, in dem viele politische Gefangene einsitzen.

Der Fall erinnert an die Verhaftung des kanadisch-iranischen Philosophen Ramin Jahanbegloo im letzten Jahr, der erst nach Monaten internationaler Proteste und nach Ablegung eine „Geständnisses“ freigelassen wurde.

Die Achmadinedschad-Regierung verfolgt offenbar die Einschüchterung aller, die für einen Wandel des Regimes eintreten, und sei es selbst auf dem Weg gewaltloser Reform. Ausserdem scheinen Rivalitäten innerhalb des Systeme eine Rolle zu spielen. Frau Esfandiari ist eng mit Faizah Hashemi bekannt, der Tochter Hashemi Rafsandschanis, Achmadinedschads Konkurrenten um die Macht im Iran.

Das Woodrow Wilson Center ist ein überparteilicher und regierungs-unabhängiger Think Tank. Sein Präsident ist der langjährige demokratische Kongressabgeordente Lee Hamilton, Mitautor der „Baker-Hamilton-Reports“ über den Irak.

 

Ist der iranische Tugendterror eine Ablenkungsaktion?

Der immer kluge iranische Journalist Omid Memarian schreibt auf Rooz Online über den Tugendterror in Teheran. Er hat ein interessantes Zitat des Präsidenten aus dem Wahlkampf 2005 gefunden:

On the eve of the 2005 presidential elections, Mahmoud Ahmadinejad made these remarks in a campaign video aired from the national television network: “Really, is the problem of our people now the youth’s hairstyle? People can style their hair however they want; this is none of your business or mine! You and I have to think about our country’s real problems. The government must set the economy in order, restore peace, create a secure psychological environment, support the public – people have diverse preferences, diverse traditions, diverse ethnicities, diverse groups, diverse styles – the government is at everyone’s service. Why do we belittle people? We really belittle people so much so that now the important problem of our youth is to pick their hairstyle, and the government doesn’t let them?! Is this the worth of government? Is this the worth of our people? Why do we underestimate people? Our country’s problem is that some girl wore some dress? Is this our country’s problem? Is this our people’s problem?”

In reality, that part of Ahmadinejad’s speech where he says that this is not our people’s worth is right. But apparently, the worth of the government is just what we see. Now one has to ask the same questions from our forgetful president. Is our country’s problem the way women dress? Are the problems of poverty, inflation and mismanagement not of primary priority? Are unemployment, drug addiction and rampant corruption in state institutions not our problems? What about foreign threats?

Our forgetful president must really answer this question: is he confronting a real problem, or is he trying to take people’s focus and attention away from other things that are happening in the country? Is the supreme leader’s decision to give Ali Larijani full authority in initiating negotiations with the United States and solving Iran’s nuclear crisis part of those other things that are happening?

 

Ägyptischer Blogger: Warum ich weiter für die Freiheit kämpfe

Der wegen Beleidigung des Islams (und des ägyptischen Präsidenten) zu vier Jahren haft verurteilte ägyptische Blogger Kareem Amer spricht in diesem Interview über die Gründe für seine Verfolgung durch die Al-Azhar Universität.
Er sagt auch, dass er („bis zum Ende“) weiter für die Meinungsfreiheit in Ägypten eintreten wird.
Kareem Amer hat die Praxis der Al-Azhar, männliche und weibliche Studenten zu separieren, „Geschlechterapartheid“ genannt.
Er hat die Kungelei der Universitätsführung mit dem ägyptischen Regime angeprangert.
Und er hat unerschrocken darauf beharrt, an der Universität frei denken und seine Meinung äussern zu dürfen.
Das hat der Universität gereicht, um ihn unschädlich machen zu wollen.
Kareems Anwältin berichtet unterdessen, dass ihr Versuch, in Berufung zu gehen, systematisch vereitelt wird.
Hier das INTERVIEW, das im letzten Sommer, bereits Monate vor der Verhaftung, aufgezeichnet wurde. Ein Dokument des Mutes und einer erstaunlichen intellektuellen Klarheit: