Wiedersehen mit Ramin Jahanbegloo

Dieses Blog habe ich im Frühjahr 2006 zu schreiben begonnen, weil es mich trieb, etwas gegen die Verhaftung des iranischen Philosophen Ramin Jahanbegloo zu unternehmen.
Ich hatte Ramin wenige Monate zuvor in Kairo kennengelernt, bei einer Konferenz der italienischen Initiative „Reset – Dialogue on Civilizations“. Dort war ich beeindruckt davon, wie Ramin über Auschwitz als eine Verpflichtung für jeden Intellektuellen sprach. Er selbst hatte das Lager besucht und stellte sich in Kairo – wo wir über die Nachwehen der Karikaturenaffäre sprachen – gegen den staatlichen Antisemitismus seines Heimatlandes. Und das nach der Wahl von Achmadinedschad! Man muss sich klarmachen, wie mutig das war: alle wollten über antimuslimische Ressentiments sprechen, Ramin stellte das nicht in Frage, aber er machte deutlich, dass Antirassismus eine unteilbare Haltung sein muss.
Er erzählte mir, dass er von Kairo aus nach Teheran zurückgehen würde. Ich fragte ihn, ob er keine Angst vor Repressionen habe. Er antwortete kühl, davon könne er sich als Intellektueller nicht beeindrucken lassen. Wenig später wurde er verhaftet und verschwand für viele Monate im Evin-Gefängnis. Unsere internationale Kampagne für seine Freilassung hat die Haftzeit verkürzt, ist er heute überzeugt.
Ramin war aus Toronto nach Delhi gekommen. Er ist seit einiger Zeit wieder an der Universität von Toronto, wo er schon in früheren Zeiten gelehrt hatte. Er zählt zu der wachsenden Zahl von iranischen Intellektuellen, die das Land verlassen haben und vor einem Ende des sich radikalisierenden Regimes nicht mehr zurückkehren werden können. Die Hoffnung der Chatami-Jahre, ohnehin trügerisch, auf eine Reform von innen, ist spätestens mit dem Putsch des letzten Jahres begraben worden.
Ich war froh, mit Ramin in Freiheit zu essen und zu plaudern, wenn es auch schmerzte sehen zu müssen, dass das Korallenriff des iranischen Exils um eine weitere Schicht wächst.
Ramin sieht den Iran unter dem eisernen Griff der Revolutionären Garden und der klerikalen Mafia auf dem Weg in den religiösen Faschismus. Immer wieder fielen ihm Parallelen zu Nazideutschland ein. Als ich ihm sagte, dass eine Delegation deutscher Parlamentarier auf dem Weg in den Iran sei, um dort über „bilaterale kulturelle Angelegenheiten“ zu sprechen, verzog sich seine Miene. Er lehnt das vollkommen ab und sagt, dies schade der Opposition und werde mit Sicherheit vom Regime ausgenutzt werden. Das ist, als würde man 1936 nach Berlin fahren, um mit Goebbels über Kulturpolitik zu verhandeln.
Ramin ist überzeugt, dass die Sanktionen eine starke Wirkung haben, weil sie dem kleptokratischen Regime der Garden enormen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Sie müssen durchgehalten und verschärft werden, um die Risse im Klerus – zwischen ultraradikalen Mullahs und traditionell quietistischen Gelehrten – zu vertiefen.
Die Teheran-Reise von Claudia Roth und Peter Gauweiler schadet diesen Zielen. Es gibt nichts zu verhandeln, solange Dissidenten weggesperrt und deutsche Journalisten unter Vorwänden verhaftet werden. Deutschland macht sich lächerlich mit solchen Initiativen und unterminiert die Grüne Bewegung. Das iranische Regime versteht nur die Sprache der Isolierung, es kann derzeit keinen konstruktiven Dialog geben.
Ramin ist in diesem Geist aktiv geworden, um den „Unesco World Philosophy Day“ zu verhindern, der absurder Weise in diesem Jahr in Teheran stattfinden sollte. Ramin und andere Freunde von „Reset“ haben es geschafft, dass alle namhaften Teilnehmer die Reise nach Teheran verweigert haben. Die Botschaft ist in Teheran angekommen: keine Legitimation des Putschistenregimes, das Wahlen fälscht und Dissidenten im Gefängnis verrotten läßt.

 

Ramin Jahanbegloo ist nach Indien ausgereist

Ramin Jahanbegloo

Der iranische Philosoph Ramin Jahanbegloo ist vor drei Tagen mit seiner Familie in New Delhi angekommen.

Er wird dort am Center for the Study of Develloping Societies (CSDS) arbeiten.

Das Teheraner Regime hat den Philosophen nach massivem internationalem Druck – vor allem Kanadas und der EU – ausreisen lassen. Jahanbegloo war zuvor 125 Tage ohne Haftbefehl (wenn auch unter omniösen Spionagevorwürfen) in Einzelhaft gehalten worden. Vor wenigen Wochen liess man ihn überraschend und ohne Begründung frei.

Zuvor musste Jahanbegloo die Besitztitel an seinem eigenen Haus und dem seiner Mutter als Kaution hinterlegen. Damit kann das Regime auch im Exil noch Druck auf ihn ausüben. (Mehr Details zu diesem Vorgang hier und in den älteren Beiträgen auf diesem Blog in der Kategorie Iran.)

Trotzdem ist dies ein Grund zum Feiern: Manchmal hilft es eben doch, zu protestieren!

Wir werden weiter berichten.

 

Die neue Teheraner Strategie gegen Dissidenten? Rätsel um Ramin Jahanbegloos „Geständnis“

Was ist los mit Ramin Jahanbegloo? Nach seiner Entlassung aus dem berüchtigten Teheraner Evin Gefängnis hat der international renommierte Philosoph mit einem „Geständnis“ große Verwirrung gestiftet.
Das Verhalten des Philosophen unmittelbar nach seiner überraschenden Freilassung wirft bei seinen Freunden und Unterstützern besorgte Fragen auf. Der Fall scheint mehr mit dem Kollisionskurs des Regimes zu tun zu haben, als man zunächst annehmen konnte, möglicher Weise sind sogar höchste Stellen in die Sache verwickelt.
Nach vier Monaten im Gefängnis (rechts unten: Eingangstor) – ohne regelrechte Anklage – wurde Jahanbegloo am 30. August ohne weitere Begründung auf Kaution entlassen. Angesichts der Schwere der Vorwürfe, die aus regierungsnahen Kreisen zirkuliert wurden – „Spionage“, „Vorbereitung einer samtenen Revolution im Iran“ – muss diese abrupte Entlassung verwundern.
Eine mögliche Erklärung mag darin liegen, daß am 31. August das Ultimatum des UN-Sicherheitsrates gegen Iran verstrich. Die Entlassung eines Dissidenten, der in der Folge gesteht, für den Westen gearbeitet zu haben, könnte das Regime als eine willkommene Ablenkung von dem Druck betrachtet haben, unter dem es sich befindet. Zugleich sollte es offenbar intern als Bestätigung der Regierungspropaganda über die feindlichen Bestrebungen westlicher Mächte inszeniert werden.
Jahanbegloo wurde, wie jetzt bekannt wurde, von Beamten des iranischen Sicherheitsapparats nach Hause begleitet – mit einer Schachtel Süßigkeiten versehen, wie es der traditionellen iranischen Weise entspricht, ein glückliches Ereignis zu feiern.
Sofort darauf suchte er die halboffizielle iranische Studenten-Nachrichtenagentur ISNA auf, um in einem „Interview“ über seine Haft zu berichten. ISNA genießt im Land eine gewisse Glaubwürdigkeit.
In diesem Interview sagte Jahanbegloo, Geheimdienstmitarbeiter gegnerischer Staaten hätten an Seminaren teilgenommen, die er im Ausland gegeben habe. Diese Agenten hätten ihn und seine Expertise über Iran zu feindlichen Zwecken benutzen wollen.
Er sagte, eine vergleichende Studie über die osteuropäischen Zivilgesellschaften und den Iran, die er für den transatlantischen Thinktank German Marshall Fund anfertigen wollte, hätte benutzt werden sollen, um den Umsturz im Iran zu planen.
(Dies ist grotesk: der GMF ist ein regierungsfernes, politisch pluralistisches Netzwerk von amerikanischen und europäischen Experten, das nichts mit eventuellen Regime-change-Plänen der US-Regierung zu tun hat.)
Weiter gestand Jahanbegloo, daß Websites, auf denen seine Arbeiten veröffentlich worden sind, von „Geheimdienstleuten“ unterhalten würden – was wiederum impliziert, daß diese Websites von Staaten betrieben werden, die dem Iran feindlich gesinnt seien. (Ebenfalls grotesk: Jahanbegloo hat einige Stücke bei openDemocracy veröffentlicht, einer unabhängigen, tendenziell sehr Bush-kritischen Website.)
Das selbsterniedrigende Interview überrraschte offenbar die ISNA-Reporter. Jahanbegloo betonte mehrmals, seine Arbeit enthalte das Potential zur Manipulation durch fremde Mächte. Er plädierte auch dafür, Seminare und Konferenzen innerhalb des Irans abzuhalten, um sich nicht Mißbrauch im Ausland auszusetzen. (Jahanbegloo hatte während der Jahre vor Ahmadinedschad viele westliche Denker in den Iran geholt, wie etwa Michael Walzer, Richard Rorty, Jürgen Habermas. Damit soll ganz offensichtlich Schluß sein, ja diese Besuche, die Teherans Studenten inspirierten, sollen im Nachhinein diskreditiert werden.)
Der unmittelbare Grund für seine Verhaftung, schreibt der Soziologe Rasool Nafisi (links) auf der Website openDemocracy, sei ein Projektaufriß, den Jahanbegloo für den German Marshall Fund geschrieben hatte. In diesem Papier habe er die iranischen und die osteuropäischen Intellektuellen verglichen und angeblich Mutmassungen über den Zusammenhang zwischen der Stärke der Zivilgesellschaft und den Umsturzwillen der Bevölkerung angestellt. Dieses Papier geschrieben zu haben, so Jahanbegloo in seinem „Interview“, sei ein Fehler gewesen.
Er habe sich irreführen lassen, daß die Studie als eine wissenschaftliche Arbeit intendiert sei, während es in Wirklichkeit immer nur um die Durchkreuzung der nationalen Interessen des Iran gegangen sei – was er freilich niemals beabsichtigt habe. (Welche Demütigung für einen der renommiertesten Denker des Landes!)
Er wolle in Zukunft seine Arbeit in Indien fortsetzen und sich aus politischen Dingen heraushalten.
Er sei im übrigen im Evin-Gefängnis gut behandelt worden, die Zustände dort seien nicht vergleichbar mit Abu Ghraib oder Guantanamo. Er habe lesen und schreiben, Fernsehen schauen und einen Arzt konsultieren können.

Was hat dies alles zu bedeuten?
Rasool Nafisi glaubt, das Interview solle, genau wie die Verhaftung Jahanbegloos eine „Botschaft an die iranischen Intellektuellen schicken: Haltet Euch aus der Politik heraus, vermeidet Kontakt mit Ausländern, schreibt nicht für deren Medien. Dieser Ansatz paßt zu einer neuen Anordnung des Ministeriums für Islamische Führung, die Iranern verbietet, Interviews an Medien außerhalb der iranischen Republik zu geben.“
Ich möchte hinzufügen: Das Ganze ist auch eine wirksame Botschaft an eben jene westlichen Medien und Austausch-Organisationen. Wenn Ihr Leute wie ihn einladet, und mag der Anlaß auch noch so unverfänglich sein, dann gefährdet Ihr deren Leben. Also laßt es lieber.
Rasool Nafisi sieht in diesem Fall eine neue Taktik des Regimes gegen unabhängige, freie Denker – und zwar „eine, die wesentlich subtiler ist als Folter und Morde auf offener Straße. Neben den üblichen Methoden, iranische Intellektuelle zu diskreditieren, ruhig zu stellen oder außer Landes zu treiben, beinhaltet die Taktik eine Kombination von willkürlicher Verhaftung und finanziellem Druck. Es drohen schmerzhafte wirtschaftliche Folgen, wenn der Entlassene den Anordnungen der Behörden zuwider handelt.“
Nafisi weiß zu berichten, daß kritische Journalisten nach willkürlichen Verhaftungen und Verhören nur dann freigelassen wurden, wenn sie den Besitz ihrer Familie als Kaution hinterlegten. Eine Journalistin, die ihre kranke Mutter besuchte, wurde gezwungen, das Haus der Mutter als Kaution einzusetzen. Das Haus wird konfisziert, falls die Journalistin weiter kritisch schreibt und sich der Anordnung des Ministeriums entzieht, in den Iran zurückzukehren.
Diese neue Erpressungstaktik, meint Nafisi, sei viel effektiver als die altmodischen TV-Beichten, denen ohnehin niemand mehr glaubte – und von denen sich die Betroffenen später leicht distanzieren konnten.
Es scheint, so Nafisi, daß Jahanbegloo die Freiheit und ein Pass versprochen worden seien, falls er bereit sei, einer „Agentur seiner Wahl“ ein Interview mit seinem „Geständnis“ zu geben.
Das Angebot hatte allerdings einen Haken. Um sicher zu stellen, daß Ramin Jahanbegloo sich wirklich an den Deal hält, mußte er zwei Häuser als Kaution verpfänden: das seiner Mutter und sein eigenes.
Außerdem scheint der Fall noch weitere innenpolitische Implikationen zu haben. Payam Akhavan, Juraprofessor in Montreal und Menschenrechtsaktivist, will aus mehreren Quellen erfahren haben, daß Jahanbegloo in seiner Einzelhaft gezwungen wurde, ein Geständnis abzulegen, das politische Gegner Ahmadinedschads (vermutlich aus dem Reformlager) belastet. Dieses Geständnis soll benutzt worden sein, um von den Betroffenen politische Konzessionen zu erpressen.
Jahanbegloo leugnet gegenüber ISNA, ein solches Geständnis abgelegt zu haben. Dre iranischen Generalstaatsanwalt Najaf-Abadi allerdings hatte vor zwei Wochen behauptet, es existiere eine Bandaufzeichnung. Jahanbegloo habe der Ausstrahlung im Fernsehen zugestimmt. „Ob diese Ausstrahlung stattfindet, das isteine andere Frage,“ sagte Najaf-Abadi gegenüber Reportern.

 

Ramin Jahanbegloo ist frei!


Nach Meldungen der halbamtlichen iranischen Agentur Fars ist der Philosoph Ramin Jahanbegloo gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden.
Die kanadische Regierung hat diese Meldung unterdessen bestätigt (siehe Link im Titel).
Die unabhängige Website Roozonline zitiert Jahanbegloo mit Aussagen über seine Haft: Er sei ärztlich betreut worden und habe nach drei Monaten eine Einzelzelle bekommen, in der ihm auch Zugang zu Medien und telefonischer Kontakt nach aussen gestattet worden sei.
Er sei „keinem psychischen und physischen Druck“ ausgesetzt worden.
Die milde Darstellung der Haftbedingungen muss im Kontext der Gefahr gesehen werden, in der Jahanbegloo und seine Familie immer noch schweben.
Es drohen auch nach der Freilassung immer noch juristische und andere Pressionen, die ihm, seiner Frau und seiner Tochter das Leben schwer machen könnten.

Am 27. April war Jahanbegloo auf dem Teheraner Flughafen verhaftet worden, als er versuchte, zu einer Veranstaltung des German Marshall Fund auszureisen.
Es hat in den vier Monaten seiner Haft im berüchtigten Evin-Gefängnis nie eine ordentliche Anklage gegeben.
Jahanbegloo wurde allerdings über regierungsnahe Kreise vorgeworfen, in Zusammenarbeit mit „ausländischen Botschaften“ eine „samtene Revolution“ im Iran geplant zu haben.
Zuletzt war gestreut worden, es existiere ein auf Video aufgezeichnetes „Geständnis“ mitsamt einer „Entschuldigung“ des Philosophen. Es hieß, das Video sei im Iran einer ausgewählten Schar von Journalisten vorgeführt worden. Kenner der Unterdrückungstechniken des Regimes sahen in dieser Meldung den Versuch eines Rufmordes an einem integren und international renommierten Denker (siehe www.zeit.de/2006/32/Iran).
Eine internationale Kampagne von prominenten Intellektuellen zur Freilassung Ramin Jahanbegloos, diplomatischer Druck der Europäischen Union und vor allem Kanadas (er ist iranischer und kanadischer Bürger) scheint nun doch Erfolg gehabt zu haben.
Jahanbegloo sieht allerdings höchstwahrscheinlich immer noch einem Prozeß entgegen.
Man darf auf die Anklagepunkte gespannt sein.
Es wird berichtet, daß er durch die Haft stark abgemagert sei.

 

Iran: Rekordbeteiligung an der Präsidentenwahl

Bewegende Szenen aus dem Wahlkampf kann man hier sehen.
Heute traf ich in Potsdam Ramin Jahanbegloo, den iranischen Philospophen, der nach Monaten im Evin-Gefängnis im Exil lebt. Er blickt naturgemäß mit Spannung auf die heutige Wahl. Ein bißchen ist es so, als hielte die ganze Welt den Atem an, scheint mir.
Ramin jedenfalls sieht mit Genugtuung, dass eine „grüne Revolution“ die Jugend erfaßt hat – ohne sich über Mussawi auch nur die geringsten Illusionen zu machen. Ein „Reformer“ war der Mann in seiner Amtszeit nie. Er ist mehr eine Projektionsfläche für Hoffnungen.


Nachdem man Ramin vorgeworfen hatte, er plane eine „samtene Revolution“ im Iran (wie in den früheren Ostblockländern), sieht er jetzt mit Freude, dass die Menschen eine grüne Welle losgetreten haben, die – vielleicht – Ahmadinedschad hinwegfegt.
Heute werden jedenfalls Rekordzahlen gemeldet, was die Wahlbeteiligung angeht. Bedeutet das eventuell eine Entscheidung im ersten Wahlgang? Ramin ist skeptisch. Er rechnet mit einem zweiten Wahlgang am kommenden Freitag, wenn keiner der Kanididaten eine absolute Mehrheit erreicht. Dann würde es auf die Anhänger der beiden wohl aussischtslosen Kandidaten Rezai und Karrubi ankommen: Wenn sie sich hinter Mussawi stellen, wäre ein Wechsel möglich. Doch Ramin rechnet für diesen Fall mit einer Intervention des Revolutionsführers Chamenei, dem viel am Machterhalt Ahmadinedschads liege.

Mehr Bilder hier.

 

Der prominenteste iranische Blogger verhaftet

Hossein Derakhshan, genannt Hoder, ist in Teheran verhaftet worden. Man wirft ihm nach einem Bericht der Londoner Times vor, er habe „für Israel“ spioniert. Was das heißt, weiß man: Hochverrat.

Hossein ist ein Freund, mit dem ich mich in den letzten Jahren zwar oft gestritten habe. Er war nach meiner Meinung politisch auf Abwegen. In den letzten Jahren hat er immer mehr die Position des Regimes verteidigt.

Gerade darum kommt die Nachricht von seiner Verhaftung als ein niederschmetternder Schock. Nach Auskunft einer regimenahen Website soll Hossein „zugegeben“ haben, für Israel spioniert zu haben.

Das läßt nur einen Schluß zu: Er ist gefoltert worden. Oder man erpreßt ihn, wie schon andere Unangepaßte in den letzten Jahren, über seine Familie.

2005 habe ich ihn in der ZEIT vorgestellt. Hossein hat das Bloggen im Iran populär gemacht. Er hat das Land verlassen müssen und einige Jahre in Kanada gelebt. Dann war er als globaler Netz-Nomade unterwegs, lebte eine Weile in London und ging vor einigen Wochen in den Iran zurück. Er schrieb in seinem Blog, er sei glücklich, wieder in seiner Heimat zu leben. 

Hossein Derakhshan letztes Jahr in Berlin  Foto: J.Lau

Nun haben ihn die Machthaber verhaften lassen, wie schon so viele kritische Intellektuelle. 

Die grausame Ironie: In den letzten Jahren hatte sich Hossein immer mehr zu einem Verteidiger des Regimes gegen andere kritische Dissidenten und (in seiner Sicht) masslose Angriffe von außen entwickelt.

Es hat ihm nichts genützt. Die Machthaber interessieren sich scheinbar nicht für solche feinen Unterschiede. Sie verhaften alle, die nicht zu kontrollieren und einzuschüchtern sind. 

Und Hossein hat etwas getan, das als die größte Frechheit von allen gilt. 2006 fuhr er für einige Zeit nach Israel, als selbst ernannter Botschafter der Verständigung zwischen den beiden Ländern.

Er wollte den Israelis zeigen, dass nicht alle Iraner (in Wahrheit die wenigsten) von Judenhass getrieben sind. Und er schrieb in seinem iranischen Blog seine Eindrücke aus Israel auf, einem widersprüchlichen, aber alles in allem liebenswerten Land. (Ein Bericht der Jerusalem Post hier.)

Wer das tut, kann offenbar nicht vom Regime kontrolliert werden. Er hatte damit die rote Linie überschritten. Und so haben Hosseins sehr israelkritischen Kommentare aus der letzten Zeit offenbar nichts mehr zu seinem Schutz im Iran beigetragen. Und selbst die Verteidigung des iranischen Rechts auf Atomwaffen (das ja noch nicht einmal das Regime selbst offiziell für sich in Anspruch nimmt) hat ihm keine mildernden Umstände gebracht. 

Auch hat es ihm nichts genutzt, andere Intellektuelle, wie etwa Ramin Jahanbegloo (als der ebenfalls verhaftet worden war unter vorgeschobenen Spionage-Vorwürfen) anzugreifen. Hossein hatte über Ramin gesagt, dessen offenbar erpreßtes Geständnis (er habe für ausländische Kräfte gearbeitet und eine „samtene Revolution“ geplant) müsse man für bare Münze nehmen. Ich habe mich über diese Deutung mit ihm zerstritten. 

Nun ist er selbst in die Mühle gekommen und hat „gestanden“. 

Es ist menschenverachtend und unerträglich, wie der Iran seine besten, freiesten Köpfe zerstört.

Die Bundesregierung und die Europäische Union müssen gegen diesen Terror protestieren.

Keine Gespräche mit Iran, ohne dass dieser Vorgang auf den Tisch kommt.

(Gobal Voices)

(Dank an y.p.)

 

Warum der Begriff Islamophobie nichts taugt, obwohl es eine arge Islamfeindlichkeit gibt (und warum es in diesem Blog doch weitergeht)

Ein Vortrag vor dem „3. Zukunftsforum Islam“ der Bundeszentrale für Politische Bildung in Brühl vom 17. Mai 2008, der vielleicht erklärt, warum dieses Blog abgeschaltet wurde und nun doch weitergeht:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe ein Problem: Der Begriff, unter dem ich mich hier bereit erklärt habe anzutreten, taugt nämlich eigentlich nichts.
Islamophobie – mit diesem Konzept werden ohne Unterschied irrationale und rationale Ängste im Bezug auf den Islam zu Symptomen einer Art psychischen Krankheit erklärt.
Eine Phobie ist schließlich etwas anderes als ideologische Voreingenommenheit – wie sie uns etwa in Form einer rassistischen Einstellung, eines religiösen Fanatismus oder politischer Parteilichkeit begegnen. Eine Phobie hat man, unter einer Phobie leidet man, merh noch, sie hat einen, sie nimmt einen in Beschlag. Die Phobie muss behandelt werden wie andere bedrohlich psychische Erkrankungen. Der Phobiker verhält sich zwanghaft. Er kann anderen zur Gefahr werden und wird zugleich als Opfer einer Krankheit betrachtet, statt als Subjekt mit Überzeugungen und Meinungen, wie fragwürdig auch immer.
Wollen wir wirklich in solchen Begriffen von der öffentlichen Debatte um den Islam reden, wie sie sich bei uns in den letzten Jahren entfaltet hat? Ich halte das nicht für sinnvoll. Trotzdem will ich über das Thema „Islamophobie – die Rolle der Medien“ sprechen. Denn ich kann sehr wohl verstehen, warum sich bei manchen Muslimen der Eindruck einer generellen Islamfeindlichkeit festgesetzt hat. Dies auf eine sich immer weiter verbreitende „Islamophobie“ zurückzuführen, hielte ich dennoch für falsch.
Denn dadurch werden bestimmte Redeweisen und Einstellungen von vornherein in den Bereich der Angst gerückt und somit psychologisiert. Man rückt sie damit aus dem Bereich des Verstehbaren und Widerlegbaren heraus und hat sie somit zum Schein neutralisiert. Mit einem Phobiker kann man nicht debattieren. So enifach geht es aber nicht.
Schauen wir uns kurz ein paar prominente Versuche an, Islamophobie zu definieren. Dann wird das Problematische dieses Begriffs deutlich werden.
Der Begriff wurde durch eine Studie des britischen Runnymede Trust 1997 in die Debatte eingeführt. Runnymede Trust ist eine unabhängige Lobbygruppe für eine multi-ethnische, multireligiöse und multikulturelle Gesellschaft.
Eine islamophobe Einstellung kommt nach einer Definition des Trust in folgenden Meinungen zum Ausdruck:

* Der Islam sei ein allein stehender monolithischer Block, statisch und für Veränderung unempfänglich.

* Der Islam sei gesondert und fremd, er habe keine gemeinsamen Ziele und Werte mit anderen Kulturen; weder sei er von ihnen beeinflusst noch beeinflusse er sie.

* Der Islam sei dem Westen unterlegen, barbarisch, irrational, primitiv und sexistisch.

* Der Islam sei gewalttätig, aggressiv, bedrohlich, den Terrorismus unterstützend und in einen Kulturkampf verstrickt.

* Der Islam sei eine politische Ideologie, die für politische oder militärische Vorteile genutzt werde.

So weit die Definition des Forum Against Islamophobia and Racism (FAIR). Islamophobie und Rassismus stehen hier nahe beieinander, was auch problematisch ist: Denn ich kann sehr wolh feindliche Gefühle gegenüber dem Islam als Religion hegen, ohne Muslime dabei rassistisch abzulehnen. Sonst wäre Islamkritik und Islamfeindlichkeit vonseiten geborener Muslime ja nicht möglich. Auch dies ist ein Versuch, jede Kritik am Islam von vornherein als rassistisch zu diskreditieren.
Ausserdem bin ich der Meinung, dass alle die „islamophoben“ Ideen, die der Runnymede Trust hier auf den Index gesetzt hat, prinzipiell unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehen.
Der Islam wird von manchen Muslimen als politische Ideologie verstanden. Das bestreiten am allerwenigsten jene Muslime, die sich dagegen verwehren. Ja, der Islam hat ein gewalttäiges, aggressives und bedrohliches Gesicht. Terrorismus und Kulturkampf sind ihm nicht fremd. Ist der Islam dem Westen unterlegen? Ist er sexistisch? Ist er barbarisch? Letzteres würde ich nicht sagen, aber Barbaren im Namen eines bestimmten Islam gibt es zweifelsohne. Sie bringen mit Vorliebe andere Muslime um, wie wir mit Schrecken jeden Tag im Irak sehen können. Sexismus? Wer hier möchte aufstehen und sagen, dies sei ein völlig absurder Vorwurf? Dass der Islam dem Westen „unterlegen“ sei, ist die große Angst und der ANTRIEB aller muslimischen Reformdenker der letzten 200 Jahre. Warum sollten wir diese Aussage also tabuisieren? Nur weil es nicht in Ordnung ist, wenn Nichtmuslime sagen, was Muslime seit 200 Jahren sagen? Genauso verhält es sich mit der Aussage, der Islam sei ein allein stehender monolithischer Block, statisch und für Veränderung unempfänglich.
Es ist einfach Unsinn, diese Aussage als Indiz für „Islamophobie“ anzusehen. Manche Muslime sehen des Islam genau so, manche Muslime kämpfen wiederum gegen jene, weil sie Veränderungen wollen. Eine Aussage, die Gegenstand eines innermuslimischen Streits ist, zum Symptom für „Islamophobie“ zu erklären, wenn sie aus dem Mund von Nichtmuslimen zu hören ist, das geht einfach nicht. Das ist eine Gefahr für die freie Debatte, für die freie Forschung. Das ist eine Attacke auf dem wissenschaftlichen Fortschritt. Und wie verhält es sich mit der letzten Aussage, die Runnymede als signifikant erklärt: Der Islam sei gesondert und fremd, er habe keine gemeinsamen Ziele und Werte mit anderen Kulturen; weder sei er von ihnen beeinflusst noch beeinflusse er sie. Der letzte Teil dieses Satzes ist historischer Unfug. Natürlich ist der Islam beeinflusst von anderen Kulturen, und natürlich beeinflusst er auch sie. Ob der Islam „gesondert und fremd“ sei, ob er „gemeinsame Ziele und Werte“ mit anderen Kulturen habe, das ist genau der Kern des Streits, um den sich alles dreht in unserer Debatte. Noch einmal zur Erinnerung: Auf allen Seiten gibt es Vertreter der einen oder anderen Richtung: Muslime, die das Fremde betonen, Muslime, die ökumenisch denken. Nichtmuslime, die das Gemeinsame sehen, Nichtmuslime, die sich keinen Konsens vorstellen können. Es ist dumm, diese Debatte zensieren und regulieren zu wollen. Sie muss ausgetragen werden. Wir müssen alle zusammen da durch.
Noch ein Beispiel für einen unglücklichen Definitionsversuch:
In seiner sozialwissenschaftlichen Studie „Deutsche Zustände. Folge 4“ macht Wilhelm Heitmeyer Islamophobie im Rahmen einer Befragung u.a. an der Zustimmung zu folgenden Aussagen fest:

* „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden.“
* „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.“
* „Es sollte besser gar keine Muslime in Deutschland geben.“
* „Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland untersagt werden.“
* „Für mich sind die verschiedenen islamischen Glaubensrichtungen kaum zu unterscheiden.“
* „Die Mehrheit der Muslime hält große Distanz zur restlichen Bevölkerung.“
* „Viele Muslime in Deutschland wollen lieber unter sich bleiben.“
* „Die islamistischen Terroristen finden starken Rückhalt bei den Muslimen.“
* „Ich hätte Probleme in eine Gegend zu ziehen, in der viele Moslems leben.“
* „Ich werde nur solche Parteien wählen, die gegen den weiteren Zuzug von Moslems sind.“

Umgekehrt gilt ihm auch die Ablehnung der folgenden Aussagen als Indiz für eine islamophobe Einstellung:

* „Der Islam hat eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht.“
* „Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche Welt.“
* „Ich würde mein Kind auch in einer Schule anmelden, in der eine moslemische Frau mit Kopftuch unterrichtet.“
* „Es ist allein Sache der Muslime, wenn sie über Lautsprecher zum Gebet aufrufen.“
Auch mit dieser Art der Erfassung habe ich Probleme: Was, wenn ich den Gebetsruf ablehne, wie ich auch das Glockenläuten ablehne, weil ich am Sonntag (oder Freitag) nicht gestört werden will, oder weil ich überzeugter Säkularist oder Atheist bin, der Religion nur im Stillen für akzeptabel hält?
Muss ich den Islam nicht nur hinnehmen, sondern sogar bewundern, um nicht als islamophob zu gelten? Ist die Ablehung einer bekopftuchten Lehrerin – gerade unter Türken weit verbreitet – schon islamophob? Und was ist mit den Türken, die Kreuzberg verlassen, weil sie für ihre Kinder bessere Schulen wollen? zu sagen, die islamistischen Parteien fänden „starken Rückhalt bei Muslimen“ ist, global gesehen, ein Irrtum, wie wir aus vielen Umfragen wissen. In Ägypten ist es die reine Wahrheit.
Und so weiter, und so fort: Sie sehen schon, was mir an dem Begriff Islamophobie nicht gefällt, ist die Tatsache, dass er – in meist bester Absicht – die notwendigen, peinigenden Debatten einfach abschneidet, statt sie führbar zu machen. Der Islamophobie-Begriff, wenn er sich durchsetzen sollte in der Breite, in der ich ihn hier skizziert habe, hätte fürchterliche Folge für unsere liberale Öffentlichkeit. Er wäre ein Instrument, um jede mißliebige Debatte zu ersticken. Diejenigen muslimischen Gruppen, die ihn in Großbritannien propagieren, sind durch die Salman-Rushdie-Affäre entstanden. Ich halte das nicht für einen Zufall. Die Verwendung des Islamophobie-Begriffs seitens dieser Gruppen ist ein Versuch, den in der Rushdie-Affäre gewonnenen Boden zu verteidigen und zu vergrößern.

Wer aber die Wahrnehmung der Menschen verändern will, ist schlecht berufen, mit Verboten, Tabus und Sprachregelungen zu arbeiten. Besser wäre es, der Öffentlichkeit ein anderes Image des Islam zu präsentieren. Allerdings darf das nicht bloß eine Art beschönigende Gegenpropaganda sein. Es muß ein authentisches Gegenbild sein, dass die problematischen Dinge nicht ausblendet und von echter Auseinandersetzung mit ihnen zeugt. Dazu später.
Nachdem ich jetzt so viel Zeit damit verbracht habe, den Begriff, auf dem mein Vortrag fußt, kaputtzumachen, muß ich endlich zum zweiten Teil meiner Überschrift kommen: die Rolle der Medien.

Im letzten Jahr habe ich an vier Debatten zu diesem Thema teilgenommen: in Berlin, 2xFrankfurt und München. Jedesmal saß ich gewissermassen stellvertretend auf der Anklagebank für meine Zunft. Die Unterstellung war: Es gibt immer mehr Islamophobie. Sie (die Medien) sind schuld daran. Was, werter Herr Lau, gedenken Sie also zu ändern? Was ist der „Beitrag“, wurde ich einmal gefragt, den die Medien zum gesellschaftlichen Frieden leisten können?
Ein bißchen trotzig – aber auch aus tiefster Überzeugung – habe ich dazu gesagt: Nichts. Keinen Beitrag. Dafür sind wir nicht zuständig. Ich verbitte mir solche Fragen. Stellen Sie sich einfach vor, unserem Wirtschaftskorrespondenten würde vom Bund der deutschen Industrie vorgehalten, in Deutschland werde das Klima immer wirtschaftsfeindlicher. Immer mehr Geschichten über Korruption bei Siemens und VW, immer mehr Kommentare über Managergehälter, viel zu viel Verständnis für Gewerkschaftsforderungen. Was können wir tun, was können die Medien tun, damit das Klima in Deutschland wieder wirtschaftsfreundlicher wird? Das wäre ein Skandal.
Oder stellen Sie sich vor, der Vorsitzende einer Partei würde sich beschweren, wir würden nur Negativberichte über ihn und seine Truppe bringen. (Ach, es gibt diesen Fall in der Wirklichkeit: Denken Sie an Kurt Beck und die SPD und ihr unglückliches Verhältnis zur „Berliner Hauptstadtpresse“.) Was kann die Presse tun, um das Klima wieder freundlicher für die Sozialdemokratie zu gestalten? Absurd! Werden Sie zu Recht sagen.
Oder nehmen Sie die Chinesen – sie wünschen sich eine andere Tibet-Berichterstattuntg. Wir sollen die Probleme mit diesen paar Mönchlein nicht so hoch spielen, hören wir da. Wir sollen die Tugenden des chinesischen Wirtschaftswunders mehr in den Vordergrund stellen. Wir sollen die Bedeutung Chinas für den Weltfrieden und die Weltökonomie im Blick behalten und nicht so sehr auf einzelnen Menschenrechtsverletzungen herumreiten. Eine Presse, die sich darauf einließe, wäre erledigt.
Warum findet niemand etwas dabei, im Bezug auf den Islam mit den gleichen absurden Zumutungen zu kommen?

Und hier muss meine eigene Erfahrung ins Spiel kommen. Ich habe in den letzten 2 Jahren ein Blog gefuehrt, in dem ich mich im Wesentlichen mit den Themen Islam in Europa, Integration, islamische Reform, interreligioeser Dialog und so weiter beschaeftigt habe. Die wichtigste Kategorie in diesem Blog heisst: Die Freunde und die Feinde des Islam.
Alles hat damit angefangen, dass ein iranischer Freund – der Philosoph Ramin Jahanbegloo – in Teheran verhaftet wurde. Ich wollte täglich ueber seinen Fall berichten, und da schien mir das Internet das richtige Medium. Um Ihnen eine Idee von der Weite des Themenfeldes zu geben: Ich habe über den Dialog des Papstes mit den zunächst 38, dann 138 islamischen Gelehrten geschrieben. Ich habe über eine britische Debatte zur Zulässigkeit des “Burkini” beim Schulsport geschrieben. Die Islamkonferenz, die neueren Repressionen in Iran gegen “unislamische Kleidung”, ein neues Magazin für muslimische Maedchen, die Verhaftung eines Bloggers in Kairo, der Aufstand muslimischer Gelehrter in Nordwestpakistan gegen eine Pflicht zum Barttragen – all dies war Thema bei mir im Blog.
Im 2 Jahren habe ich 660 Posts geschrieben, es wurden ueber 30.000 Kommentare hinterlassen. Ich nähere mich der halben Million bei den Besuchern.
Und doch habe ich vor 2 Wochen fürs erste aufgehoert. Ich hatte keine Lust mehr, und daran waren vor allem die Reaktionen einiger besonders meinungsstarker Kommentatoren Schuld. Es hatte sich ein festes Ritual eingespielt, in dem einige so genannte “Islamkritiker” entweder mir oder anderen Kommentatoren vorwarfen, wir seien naiv im Bezug auf die Reformfaehigkeit des Islams. Wir wurden dargestellt als nützliche Idioten einer schleichenden Islamisierung Europas und unserer Gesellschaft. Ich habe mich bemüht, hoeflich aber entschieden dagegen zu halten, doch die Debatte began sich irgendwann im Kreis zu drehen. Wenn man auch nur darauf verwies, dass es selbstkritische Stimmen aus der islamischen Community gibt, dass es Theologen mit abweichender Meinung zu Frauenrechten, Menschenrechten, zum Wirkungsbereich der Scharia gibt, dann wurde man gescholten, man wolle nur vom “wirklichen Islam” ablenken, in dem es nun einmal keine Reform geben könne. Von anderer Seite wurde ich angegriffen, weil ich diesen so genannten “Islamkritikern” nicht auf meiner Website den Mund verbieten wollte. Ich fand es aber wichtig, dass es ein Forum gab, auf dem sich fromme Muslime (auch einige Konvertiten), interessierte Laien und Islamkritiker argumentativ auseinandersetzen mussten. Ich betrachtete mich als Moderator, der jeweils von den besten (und den schlechtesten) Argumenten lernen konnte.

Da verteidigte ein säkularer tuerkischer Intellektueller die Hamas, in der er eine legitime Freiheitskämpfer-Armee sieht. Er sah sich dafür (auch von mir) angegriffen, er rede die völkermörderischen Passagen in der Hamas-Charta schön. Ein ostdeutscher Konvertit verteidigte einen konservativen Islam gegen meine Versuche, liberalen Auslegungen ein Forum zu geben. Ein Atheist versuchte zu zeigen, dass alle Religionen schädlich seien, und der Islam gewissermassen nur der Inbegriff des monotheistischen Irrsinns. Eine katholische Debattantin begründete immer wieder, dass die einzig sinnvolle Reform des Islam in der Konversion aller Muslime bestehen muesse. Ein iranischer Arzt aus Süddeutschland unterstützte meine Kritik des Teheraner Regimes und wandte sich zugleich gegen die Dämonisierung des Islams per se.
Das alles war sehr interessant und oft temperamentvoll vorgetragen. Aber am Ende frustrierte mich die Unlust der haeufigsten Kommentatoren, irgendetwas dazulernen zu wollen.
Also habe ich mit diesen Worten das Blog geschlossen:
„Das Thema Islam/Integration/Migration läßt sich einfach nicht mehr verhandeln, ohne zu den immer gleichen Abschweifungen über die muslimische Gefahr, den allzu weichen Westen, die Illusionen des Mulitkulturalismus (dem ich nie gehuldigt habe) etc. anzuregen.
Ich habe keine Lust, die Kommentare abzuschalten.
Ich habe immer weniger Lust, auf die Kommentare der meisten hier zu antworten.
Ich gebe mich vorerst geschlagen und bitte eventuelle unbekannte Mitleser um Nachsicht.“

Jetzt mache ich doch wieder weiter, weil ich es falsch finde, die Web-Öffentlichkeit nur Islamisten und Anti-Islam-Paranoikern zu überlassen. Ich danke allen, die mich darin mit freudlichen Mails oder direktem Zuspruch bestätigt haben.

 

Haleh Esfandiari wird im Iran freigelassen

Die seit über 100 Tagen ohne Anklage im Iran festgehaltene amerikanisch-iranische Professorin Haleh Esfandiari wird nach einem Bericht der New York Times heute freigelassen.

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Haleh Esfandiari Foto. W.W.Center
Professor Esfandiari ist eine der renommiertesten Iran-Expertinnen der USA. Sie ist die Direktorin des Nahost-Programms am Woodrow Wilson Center in Washington.
Ihre Familie musste eine Kaution von 3 Milliarden Rial oder 324.000 $ hinterlegen. Esfandiaris über 90 jährige Mutter hat dafür ihre Teheraner Wohnung verpfänden müssen.
Dieses Muster politischer Erpressung ist bereits aus anderen Fällen bekannt, in denen missliebige Intellektuelle erst zu falschen Geständnissen gezwungen wurden und dann der gesamte Familienbesitz vom Staat in Gegenleistung für eine Freilassung konfisziert wurde. Meinem Freund Ramin Jahanbegloo ist es im letzten Jahr genau so ergangen.
Die iranische Repressionsmaschine ist widerlich, aber vorerst überwiegt die Erleichterung. Ob Haleh Esfandiari zu ihrem Mann Shaul Bakhash nach Washington ausreisen darf, steht allerdings noch nicht fest.

 

Amerikanisch-iranische Professorin in Teheran verhaftet

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Haleh Esfandiari

Eine der bekanntesten Iran-Expertinnen der USA ist in Teheran verhaftet worden. Haleh Esfandiari, die Leiterin der Nahost-Abteilung des renommierten Woodrow Wilson Center, hielt sich im Iran auf, um ihre 93jährige Mutter zu besuchen.
Als sie im Dezember ausreisen wollte, wurden ihr auf dem Weg zum Flughafen von drei Männern der iranische und der amerikanische Pass gestohlen – vermutlich von Geheimdienstagenten.
Denn als sie in Teheran einen neuen Pass beantragen wollte, wurde sie zum Informationsministerium geschickt, wo sie sich mehreren Befragungen über ihre Arbeit am Wilson Center unterziehen lassen musste.
Am vergangenen Donnerstag wurde Frau Esfandiari verhaftet und ins berüchtigte Evin-Gefängnis verbracht, in dem viele politische Gefangene einsitzen.

Der Fall erinnert an die Verhaftung des kanadisch-iranischen Philosophen Ramin Jahanbegloo im letzten Jahr, der erst nach Monaten internationaler Proteste und nach Ablegung eine „Geständnisses“ freigelassen wurde.

Die Achmadinedschad-Regierung verfolgt offenbar die Einschüchterung aller, die für einen Wandel des Regimes eintreten, und sei es selbst auf dem Weg gewaltloser Reform. Ausserdem scheinen Rivalitäten innerhalb des Systeme eine Rolle zu spielen. Frau Esfandiari ist eng mit Faizah Hashemi bekannt, der Tochter Hashemi Rafsandschanis, Achmadinedschads Konkurrenten um die Macht im Iran.

Das Woodrow Wilson Center ist ein überparteilicher und regierungs-unabhängiger Think Tank. Sein Präsident ist der langjährige demokratische Kongressabgeordente Lee Hamilton, Mitautor der „Baker-Hamilton-Reports“ über den Irak.

 

Ein Gespräch mit dem bekanntesten iranischen Blogger

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Hossein Derakshan (aka Hoder), letzte Woche im „Good Friends“, Berlin. Foto: JL

Letzte Woche war Hossein Derakshan, der bekannteste iranische Blogger, wieder einmal in Berlin. Wir trafen uns, um über die Lage zu debattieren. Vor fast zwei Jahren hatte ich Hoder (so sein nom de plume) in der Zeit vorgestellt. Er hat für uns auch einen Kommentar zur Wahl Achmadinedschads geschrieben.

Hossein hat das Bloggen im Iran populär gemacht und ist bis heute eine Legende (sein Blog hier). Er lebte einige Jahre in Toronto, zur Zeit ist er ein veritabler Nomadeder immer wieder bei Freunden unterkommt.
Im letzten Jahr hatten wir uns über den Fall des Philosophen Ramin Jahanbegloo zerstritten, der im Iran verhaftet worden und zu einem Geständnis gezwungen worden war. Hossein hatte dieses Geständnis als ein Zeichen wirklichen Umdenkens gedeutet und damit letztlich dem Regime Recht gegeben, das Jahanbegloo subversive Umtriebe und Kontakte zu feindlichen westlichen Agenturen unterstellte.

Wir haben uns auch diesmal nicht über den Fall und seine Implikationen einigen können: Hossein hält es für illegitim für Iraner, sich in der angespannten Lage mit irgendeiner ausländischen Organisation einzulassen, die für eine Änderung des iranischen Regimes eintritt – selbst auf friedlichem Weg.

Ich finde dies falsch, weil es am Ende darauf hinausläuft, die iranische Zivilgesellschaft ihrem Schicksal zu überlassen und jede Unterstützung aus dem Westen als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ auszuschliessen.

Hossein halt selbst einmal anders argumentiert.

Er wird mittlerweile wegen seines neuen Kurses, angesichts eines drohenden Krieges die Legitimität des iranischen Regimes zu verteidigen, im Internet als Agent des Iran denunziert. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass dieser unabhängige Kopf sich derart einspannen lassen würde.

Er meint was er sagt, wenn er ankündigt, er werde notfalls den Iran verteidigen, wenn es zum Krieg kommt. Er ist nicht der einzige Iraner, der mit dem Regime in Konflikt steht und dennoch so denkt. Das sollte im Westen zur Kenntnis genommen werden.

Hossein war kürzlich zum wiederholten Mal in Israel, um dort klarzumachen, dass es viele Iraner gibt, die jeden Antisemitismus ablehnen und doch zu ihrem Land stehen. Ich finde dieses Engagement mutig und fast heldenhaft, denn er weiss, dass ihm dies die Rückkehr in den Iran so lange unmöglich machen wird, wie dort der Antizionismus/Antisemitismus Staatsdoktrin ist.

Zugleich verteidigt Hossein heute im Prinzip das Recht Irans nicht nur auf ein ziviles Atomprogramm, sondern sogar auf eine Atombombe, weil dies schlicht den unleugbaren Sicherheistinteressen des Landes entspreche. In der westlichen Öffentlichkeit ist das eine tabuisierte Position, was uns vielleicht darüber hinwegtäuscht, wie viele Iraner sie unterstützen (ohne dabei notwendigerweise die Mullahs zu unterstützen). Ich finde diese Position falsch, aber ich denke, sie sollte zur kenntnis genommen werden. Jedenfalls wäre es falsch zu glauben, demokratisch gesinnte junge Iraner seien durchweg „gegen die Bombe“.

Vor einem Jahr hat Hossein immerhin noch argumentiert, nicht die Bombe per se sei das Problem, sondern die undemokratische, tyrannische Natur des Regimes, das nach ihr strebt. Jetzt ist solcher Vorbehalt aus seinen Thesen verschwunden.

Im Licht eines möglichen Angriffs auf Iran, im Licht der Rückkehr einer zynischen westlichen Realpolitik, die sich mit den Lumpenregimen der Region verbündet, hat die Islamische Republik Iran für Hossein Derakshan plötzlich wieder so viel Legitimität, dass er sie mit der Waffe in der Hand verteidigen würde. Und das sagt jemand, der ins Land nicht einmal einreisen dürfte, ohne verhaftet und verhört zu werden.