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Es geht weiter…

…mit dem Milchboykott. Ich bekomme täglich einen Anruf von einem verzweifelten Milcherzeuger, ob ich ihm nicht, sozusagen als Zwischenlösung, seine Milch zu Käse verarbeiten könne.

Das ist aber sehr schwierig, ich habe nur einen 200 Liter Kessel  und außerdem ja meine eigene Milch bestellt.

Natürlich ist es bitter, die Milch einfach wegzuschütten, und je länger es dauert, desto blanker liegen die Nerven. Bleibt nur zu hoffen, dass die Discounter sich bald dazu überzuegen lassen, ihre Preispolitik zu ändern, und die Politik sich endlich auch einmal in die richtige Richtung bewegt.

Das absurdeste sind für mich die Molkereien, die sich ja mehr oder weniger in Bauernhand, bzw. in Bäuerlichem Genossenschaftsbesitz befinden. Die Molkereibosse, die ja Angestellte der Landwirte sind, hätten diesen Kampf schon lange vorher, im Sinne ihrer Landwirte führen müssen/sollen! 

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Foto: Axel Schmidt/ ddp

Mehr zum Milchboykott auf ZEIT ONLINE

 

Einstürzende Foodbauten

Foodfotografie, das ist ein gute Sache. Aber Vorsicht, denn der Verführungen gibt es einige.

Bilder nähren den Wahn unserer Zeit, man könne alles eins zu eins kopieren. Wir wissen aber von den Chinesen, dass Ähnliches nicht Dasselbe ist. Man kann es an den grauenhaften Louis-Vuitton-Taschen fast täglich beobachten.

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Natürlich Das Original
©Getty Images

Jedenfalls habe ich in meiner nun 40-jährigen Küchenpraxis schon tausende von Flädle gebacken und keines war wie das andere. (Soviel zur Perfektion in der Küche, die halt ganz anders verläuft wie die Perfektion einer CNC-Fräsmaschine.) 

So gesehen ist ein Plagiat eine ziemlich perfekte Angelegenheit, könnte unter Umständen sogar das Original übertreffen, aber eines wird immer fehlen, nämlich der “Groove”.

Man kann anhand eines Fotos eine gewisse Spur halten, man weiß ungefähr, wohin die Reise geht. Wie soll jemand wissen wie eine Schwarzwälder Torte auszusehen hat, wenn er noch nie eine gesehen hat. Das Foto ist also eine gute Ergänzung zum geschriebenen Rezept.

Dem Foto aber sklavisch zu folgen wäre ein zweifelhaftes Vergnügen. Der Fotograf will nämlich ein schönes Bild herstellen. Er will Appetit machen, Lust erzeugen, auch wenn alles mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. So versucht er beispielsweise, um den Teller nicht zu überladen, einiges aufeinander zu türmen. So kam es zu den wunderbaren Schichtungen, die in Makroaufnahme dem abgebildeten Essen einen ungewöhnlichen Reiz geben.

Dass so ein Türmchen auf dem Weg von der Küche zum Essenden umfallen kann, rührt den Fotografen nicht. Auch ist es ihm egal, ob der erste Schnitt, der Versuch, einen Teil des Essens in den Mund zu bekommen, alles zum Einstürzen bringt.

Einstürzende Neubauten? Viel schlimmer ist einstürzendes Essen! Kaum ein Koch kennt die Massaker, welche die Gäste an seinen Kreationen verüben. Aus der Küche kann er diese Verwüstungen nicht beobachten. Überhaupt gehört es zur Diskretion, Essende nicht zu beobachten. Ich selbst sehe es immer nur dann, wenn ich meinen Gästen einen guten Appetit wünsche und es dabei nicht leiden kann, wenn der Teller aussieht, als wäre er ein Mahnmahl für den 11. September.

Deshalb will ich so etwas nicht sehen und die Bestandteile des Essens werden nebeneinander gelegt. Der Gast kann alles einzeln versuchen, probieren, hat aber auch die Freiheit, sich selbst einen “Sauhaufen” zusammenzurühren.

Damit nun zum Schluss: Es soll Restaurants geben, die durch Kameras den Gastraum observieren. Bei Alain Ducasse ist das so und das war sicher ein Grund, warum im Saal so eine verklemmte Stimmung herrschte. Davon ein andermal mehr.

 

Papa, meine Messer sind stumpf!

Diesen Hilferuf bekam ich von meiner Tochter (Kochlehrling im 1. Jahr).

Und wenn Töchter rufen, springen ja bekanntlich alle Väter sofort.

Und wieder bewährt es sich, dass ich mir selbst zum Geburtstag ein tolles Geschenk gemacht habe, nämlich
die absolute Mega-Messer-Schleifmaschine, die beste, die es gibt: eine Schwedische Tormek.

Das ist ein Profiteil: ein runder Schleifstein, der mit niedriger Drehzahl in kaltem Wasser läuft, kombiniert mit einer Lederscheibe zum polieren.

Der ganz große Vorteil ist, dass die Messer fast keinen Abrieb nach dem Schleifen aufweisen, das werden diejenigen zu schätzen wissen, die ihre Messer schon einmal einem Wald- & Wiesenschleifer anvertraut haben.

Danach haben die Messer eine super Grundschärfe, weil der Schleifwinkel (zwischen 15° und 25°)  optimal für jedes Gebrauchsmesser eingestellt werden kann. So muss man auch nicht jeden Tag die Maschine anzuwerfen, zwischendurch widmet sich der Belgischen Brocken den Tranchiermessern, und es ist immer wieder eine Freude, wenn eine scharfe Klinge durchs Fleisch saust.

Und meine Viktoria hat am Abend sogar prompt angerufen – und sich für die superscharfen Messer bedankt!

Ab und zu gibt’s bei mir auch einen „Messerschleif-Event“.
Jagdfreunde bringen ihre stumpfen „Allzweckwaffen“, Hobbyköche die ebenso stumpfen Küchengeräte (auf denen man, wie unser Lehrchef immer gesagt hat, „auf der Klinge bis nach Paris reiten könnte, ohne sich zu verletzen“).
Aber den Vogel abgeschossen hat ein Freund, der mir einen 69-Euro-Messerblock (Inhalt: 9 mehr als stumpfe Messer) gebracht hat. Diese konnte weder eine Tormek noch ein Belgischer Brocken zum Leben erwecken; sie ließen leider nur noch eine Aktion zu: Wegwerfen!

 

„abwegige Glüschder“

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Foto: Clara Ott 

auf Anregung von „MarionS“ und „Ulrike H. aus V.“ habe ich mir einmal meine, Zitat Marion:“Leichen im Keller“ (oder Kühlschrank), oder die „Glüschder“ – Zitat von Ulrike –  vorgenommen…

Ich bin sicher nicht der einzige Koch, der nach dem Abendservice gerne ein Gläsli Wein (vorher noch ein Feierabendbier mit den Köchen) trinkt. Nach der Arbeit bekomme ich Lust auf ein kleines Vesperli, mit Hirschsalami, einem guten Käse von einem Freund, einem Stück luftgetrockneter „ahle Wurst“, Blätterteigstängle, Roland Brezele aus der Schweiz usw. usw…

Und leider ist dies ja nicht so gesund, das wissen wir alle, aber man tut es halt doch, erstens schmeckt’s, (die Nutella-Kratzete schmeckte ja auch, sonst hätte sie keiner gegessen!!), und zweitens kann ich nicht hungrig ins Bett, weil wir ja schon um18.00 Uhr, vor dem Service, essen. Jetzt höre ich schon die Spezialisten sagen, „der ist zu schwach oder hat sich nicht im Griff usw.“, aber damit muss und kann ich leben.

Und die größte Lust bekomme ich, wenn ich weiß, dass im Kühlschrank ein Stück Schokolade mit fleur de sel und gerösteten Mandelblättern steht, da ruft’s regelrecht aus dem Kühlschrank raus.

….und büßen tut’s der radelnde Koch, wenn er das Münstertal hinauf fährt…..

 

Gebrauchsanweisung für Bio-Einkauf

Einführung:
Vorweg bitte keine Griffelspitzerei was Bio eigentlich ist, denn streng genommen ist Motorenöl auch ein Naturprodukt. Wichtig ist, biologische Nahrungsmittel sind bewiesenermaßen gesünder als konventionelle. Zu diesem Schluss kommt eine große Studie. Im Auftrag der EU wurde dieses Projekt mit 18 Mio. Euro unterstützt und über dreißig Forschungsinstitutionen beteiligten sich.

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©ddp

Das bundesdeutsche Biosiegel ist zwar kein Signal für Spitzenqualität wie Demeter oder Naturland, aber immerhin nicht ganz übel und bei kleinem Geldbeutel eine gute Lösung.

Milch:
Es kommt auf die Gegend an. Milch aus Weidewirtschaft ist fast immer in Bioqualität, auch ohne Zertifizierung. Konventionelle Stallmilch kann damit nicht verglichen werden.

Fisch:
Fisch ist gesund, aber die Meere sind leer, also ist er ein absolutes Luxusprodukt. Selbst Zuchtfisch ist problematisch, da die Fische keine Vegetarier sind und höchstens 20% pflanzliche Beimengung vertragen.

Welche Fische noch ausreichend vorhanden sind kann man bei Greenpeace erfahren. Die chemischen Belastungen der Ostsee sind problematisch. Siehe foodwatch.
Man achte bei Zuchtfisch auf nicht verstümmelte, nicht ausgefranste Schwanzflossen und ein unverletztes, unverpilztes Maul. Beides sind Indizien für zu dichte Hälterung.

Fleisch:
Mit Biofleisch habe ich keine guten Erfahrungen. Immer noch ist spürbar, dass die Biobewegung aus dem Vegetarismus hervorging. Der Begriff Weiderind sagt gar nichts, außer, dass das Vieh viel Gras bekommen hat. Davon alleine wird es aber nicht fett und setzt kein geschmackvolles Fleisch an. Viehzucht ist kompliziert und es genügt überhaupt nicht die Tiere zu lieben. Was Rückstände und Quälaufzucht angeht, sind Geflügel und Schwein fast rundweg kritisch anzusehen. Da würde ich unbedingt auf einem Biosiegel bestehen.

Rind:
Rindfleisch immer bei einem Metzger kaufen, der bereit ist die Papiere des Tiers zu zeigen. Kommt es aus Deutschland ist man nicht ganz schlecht dran.

Kalb:
Kalb aus Mastbetrieben muss man unbedingt meiden. Wie aber erkennt man das? Die einzige Möglichkeit wäre, sich immer die Papiere zeigen zu lassen. Ansonsten: Es sein lassen, oder darauf achten, dass das Fleisch dunkelrosa sein sollte. Helles Kalbfleisch kommt von der Milchaufzucht, so die Mär. Nur teilweise ist es auf Milchpulver zurückzuführen, was noch anginge. Katastrophal ist aber der Umstand, den jeder Fachmann verschweigt. Die helle Kalbfleischfarbe kommt auch davon, dass die Tiere im Dunkeln stehen. Ständig! 

Achtung:
Egal wie schlimm ein Fleisch ist, vom Gesundheitlichen hat selbst das schlechteste Fleisch weniger Gift als das meiste Gemüse. Ganz schlimm ist es mit Salat.

 

„Nutella Kratzete“

Nach einem wirklich stressigen Pfingstsonntag-Abendservice sah ich, wie sich die Köche vom „Entremetier“, das ist der Gemüse & Beilagenposten, eine späte Kratzete gebacken haben. Kratzete sind Pfannkuchen, salzig abgeschmeckt, die aber dicker als ein Crêpe zubereitet werden. Diese zerkratzten Pfannkuchen sind eine klassische Badische Spargelbeilage.

Und nach dem Arbeiten macht man sich und seiner Seele eine kleine Freude, man streicht fingerdick Nutella auf den Pfannkuchen. Einrollen und abbeißen.

Essen & Trinken hält Leib und Seele zusammen!

 

1x Kutteln – ohne Kutteln…

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Diesen Bon musste ich gestern Abend annoncieren!
Auf unserer Speisekarte heißt das Gericht Kalbskutteln im Tomaten-Schalottenfond mit Spargelspitzen und gebratener Entenleber.
Bestellungen dieser Art bringen die Küchenbrigade immer wieder zum Lachen, oder man wundert sich einfach.
Wir hatten auch schon 1x Ochsenfleisch ohne Fleisch, also nur Bouillonkartoffeln mit Meerettichsauce, und ganz oft wird Flädlesuppe ohne Flädle bestellt!(?) 

Aber das macht nichts – Köche sind ja flexibel!

 

Neugierig bleiben!

Der Kollege Ottenbacher aus Asperg war essen in der Arnsbourg bei dem großartigen Koch George Klein. Unter anderem gab es Rohe Auster mit Cola-Schaum und Limonengelee. Meine Sache sind solche Gerichte und Experimente gar nicht und trotzdem muss so etwas sein:

Es geht um die Neugierde, die den Kindern schon ausgetrieben wird und die allgemein als Laster gehandelt wird. Die Menschheit wäre aber ohne diesen Aspekt heute noch auf Steinzeitniveau. Ein Wissenschaftler ohne Neugierde hat seinen Beruf verfehlt. Ein Koch den nicht die Neugierde umtreibt ebenfalls.

Deshalb sind alle neuen Kreationen für unseren Beruf wichtig, ob sie Bestand haben werden, das ist eine andere Geschichte. Bei der Zutat Coca-Cola habe ich gewisse Zweifel. Für mein Verständnis sind solche Kombinationen zu weit von der Natur entfernt. Aber, müssen alle Köche Naturköche sein wie ich? Bestimmt nicht. Mir ist, und das jetzt nochmal subjektiv obendrauf, die Molekularküche zu sehr mit der Chemie der Nahrungsmittelindustrie behaftet.

 

Teure Milch=glückliche Kuh?

Von Anfang an bin ich Mitglied bei foodwatch und gestern kam diese Nachricht:

Stehen Sie manchmal auch vor dem Milchregal und fragen sich, ob es einen Unterschied gibt zwischen der Milch, die 60 Cent kostet, und der, die 1,20 Euro kostet? Gibt es für 1,20 Euro eine bessere Qualität? Und haben die Bauern etwas davon? Bekommen sie einen besseren Preis für ihre Milch?
 
Für den Bauernverband ist alles ganz einfach: Schuld sind die Discounter, die den Bauern niedrige Preise aufdrücken.
 
Was tun? Teure Milch kaufen? Dass das nicht funktioniert, hat foodwatch jetzt am Beispiel der Landliebe-Landmilch von Campina dokumentiert. Sie kostet im Supermarkt pro Liter etwa 1,20 Euro, das heißt 50 Cent mehr als Discounter-Milch. Und zwar, weil sie angeblich „Milch von höchster Qualität“, von „kontrollierten Höfen“ aus „artgerechter Tierhaltung“ ist. Die Bauern, die Landliebe-Milch liefern, haben davon allerdings wenig. Bei ihnen kommt weniger als 1 Prozent des Mehrpreises an. Und: Der größte Teil fließt nicht etwa an den viel gescholtenen Einzelhandel, sondern an die Molkerei Campina.
 
Wenn Sie also teure Landliebe-Milch kaufen, verdienen nicht die Landwirte, sondern die Molkerei besonders gut. Und eine bessere Milch bekommen Sie für den Preisaufschlag auch nicht. Sie bezahlen vor allem für ein ausgebufftes Marketingkonzept, denn nachprüfen können Sie die Werbeversprechen von Landliebe nicht. Ein Prüfsiegel, das die Einhaltung gesetzlich festgelegter Richtlinien für beispielsweise Tierhaltung garantiert, gibt es nur für Bio-Milch. Und für diese bekommen Landwirte auch einen höheren Abnahmepreis.
 
Unsere Empfehlung für den nächsten Einkauf: Greifen Sie ruhig zur billigen Milch; weder Sie, noch die Landwirte oder die Milchkühe haben einen Vorteil von teuren Milchmarken wie Landliebe. Wenn Sie aber wollen, dass die Landwirte und ihr Milchvieh von einem höheren Ladenpreis der Milch profitieren, dann wählen Sie Bio-Milch.
 
Mehr Informationen zu Landliebe und anderen Werbelügen finden Sie auf der neu gestalteten Kampagnenseite http://www.abgespeist.de

 

Was ist edel?

Am Montagabend war ich bei Vincenzo. Er betreibt das Restaurant “La Fenice” in Stuttgart. Sein Schwester Rosanna kocht wunderbar und der Padrone bedient mit seiner Schwester und einem Freund. Ich fühle mich dort sauwohl. Ein wirklich rundum sensibel eingerichtetes und betriebenes Restaurant. Man könnte es elegant nennen, aber die Eleganz ist von einer seltenen Duftigkeit und ohne jeden Protz.
Ich sage Restaurant, zum einen, weil ich selbst eines betreibe, zum anderen um darauf aufmerksam zu machen, dass McDonalds die Chuzpe hat, unter diesem klassischen Namen auf den Putz zu hauen.

Vincenzo betreibt also ein Ristorante und keine Pizzeria. Dann lese ich in einer Zeitung, da wird dieser Ort als “Edelitaliener” genannt. Was hat jetzt das zu bedeuten? Was ist edel? Die Einrichtung, die Gäste, die Unterwäsche des Chefs oder das Outfit des Personals?
Oft wird der Ausdruck gebraucht, nicht wegen des Essens, sondern wenn das Ambiente klasse ist und erst recht die Preise. Ich gebrauche zwei Wort nie: “Edel und fein!” Beide Begriffe – verwendet, um eine Qualitätskategorie zu bezeichnen – haben für mich das Odeur des Unwahren, der dubiosen Oberflächlichkeit und letztlich des unechten Schimmers. Ich weiß, darüber könnte man jetzt tagelang diskutieren. Ich geh’ jetzt wieder kochen.