Das Leben ist manchmal auch in der Küche nicht ohne Widersprüche. Links blinken und dann rechts abbiegen gehört nicht zu meinen geübten Verhaltensweisen. Doch wie in diesem Blog schon an anderer Stelle beschrieben wurde, führen einfache Wahrheiten auch nicht immer ans Ziel. Slowfood hin, Regionalprodukte her – wenn Entwicklung stattfinden soll, kann ich nicht immer nur bei den geübten Standards bleiben und gleich einem Öko-Fundi sämtliche Zutaten aus dem Bioladen und vom Bauern meines Vertrauens beziehen.
So begebe ich mich mitten im Winter mit Schwung auf glattes Eis und bekenne freimütig:
Ich verwende manchmal Lebensmittel-Zusatzstoffe. Im konkreten Fall E473, Zuckerester von Speisefettsäuren.
Der wird unter dem Namen „Sucro“ als Produkt der Reihe „Texturas“ von Albert und Ferran Adria vertrieben und wirkt als Emulgator. Mit ihm kann man wunderbare, stabile Schäume erzeugen. In der Rezeptur, deren Bild zu sehen ist, wird damit eine Paprika-Luft erzeugt. Ein kräftiger Vanille-Krustentier-Sud mit einem dicken Rotbarbenfilet bekommt einen Löffel „Luft“ ab. Um die Luft herzustellen wird Paprika entsaftet. Mit Chili Chipotle oder Piment d´Espelette wird der Geschmack des Saftes verstärkt, dann wird Sucro zugegeben und mit dem Stabmixer aufgeschäumt. So kann dem Gericht neben Sud und Fisch eine dritte, wesentliche Komponente hinzugefügt werden, deren Geschmack, Textur und Temperatur sich von den anderen beiden Bestandteilen unterscheidet.
Sicherheit:
Über eine gesundheitsschädigende Wirkung von E473 ist nichts bekannt. Beim Abbau im Körper wird der Ester in seine Bestandteile gespalten und diese werden in den Stoffwechsel eingefügt.
E473 ist einer von vielen Lebensmittel-Zusatzstoffen, die dem Verbraucher tagtäglich begegnen. Er ist in Kaugummi, Speiseeis, Blätterteiggebäck, Süsswaren, Getränken enthalten. Wer all das vermeidet, dem begegnet E473 dann bei Frischobst (zur Oberflächenbehandlung).
Wir sollten uns der Lebenswirklichkeit stellen und den Tatsachen ins Auge sehen. Als mündige Verbraucher den Unterschied erkennen, ob ein Stoff die Produkteigenschaften verbessert, uns dabei hilft Neues zu schaffen und um besser zu essen, unseren Genuss zu erhöhen. Oder ob ein Stoff nur deshalb eingesetzt wird, um ein Produkt länger haltbar oder billiger zu machen. Wir sollten den Unterschied erkennen, ob Kurkuma zugesetzt wird um Safran oder Eigelb vorzutäuschen oder ob das Curry, dessen Hauptbestandteil Kurkuma ist, wichtig für den Geschmack des Gerichtes ist (notabene: Kurkuma hat auch eine E-Nummer, ist also ein Lebensmittelzusatzstoff, der sogar unter bestimmten Umständen kennzeichnungspflichtig ist!)
Natürlich kann man sich von unverarbeiteten Lebensmitteln ernähren bzw. von solchen, die man ab dem Rohzustand ausschließlich selbst weiterverarbeitet. Aber entspricht das dem gelebten Alltag, wenn man sich nicht gerade selbst zur Ein-Mann-Randgruppe machen möchte?
Sollen wir unsere Kinder von den Süßigkeiten, die voll mit Lebensmittelzusatzstoffen sind, völlig fernhalten? Gleich den Amish uns dem Fortschritt verweigern? Soll es auf Kindergeburtstagen nur noch die Gummibärchen aus dem Reformhaus geben? Ich ahne jetzt schon, was mir die lieben Kleinen dann erzählen, wenn sie mal 16 sind…
Manchmal geht es mir ein bisschen auf den Keks, wenn das Wort „Molekularküche“ so prononciert ausgesprochen wird, als würde für jeden Teelöffel Zuckercouleur ein Jahr Fegefeuer drohen und als wären Ablass-Briefe für diese lässlichen Sünden nur bei den selbsternannten Gralshütern traditioneller Küche erhältlich.
Ich wünsche mir aufgeklärte Gäste, die neugierig und ohne Dogmen auf kulinarische Entdeckungsreise gehen. Die sich kritisch und offensiv mit Lebensmitteln beschäftigen, die fragen und die verstehen. Jeder Koch hat seine Handschrift, jeder Gast seine Vorlieben, gute Gastronomie ein lebendiges Konzept. Wir sind Gastgeber mit Qualitätsanspruch, doch ohne Pauschalrezepte.
Musmehl ist ein Lebensmittel allererster Güte. Geschrotet aus gedarrtem Weizen oder Dinkel riecht es schon in rohem Zustand nach frischem Brot. Musmehl ist kinderleicht zu verarbeiten, schon im Handumdrehen wird aus dem Schrot eine Delikatesse von hohem kulinarischen Wert und die kostet auch noch so gut wie nichts. Doch kaum einer kennt dieses Produkt, nur wenige beschäftigen sich mit ihm und so fristet Musmehl lediglich ein Schattendasein in den Kreisen engagierter SlowFood-Anhänger. Wo ist der Fehler?
Über Jahrhunderte war der schwarze Brei das Hauptnahrungsmittel auf der schwäbischen Alb. Die Bauern dort mussten so manche Ernte früher einfahren als ihnen lieb war, denn mancher Sommer war kürzer als es der Vegetationszyklus des Korns verlangt hätte (daher kommt die Tradition des Grünkerns, des unreif geernteten Dinkels, der ebenfalls gedarrt wird).
So manche Darre war wohl damals nicht so fein justierbar wie das heute möglich ist, und das Getreide wurde deshalb ungleichmäßiger erhitzt, mehr oder weniger wurde es dunkel, vielleicht sogar schwarz. Die Erhitzung der Körner war notwendig, um das Getreide haltbarer zu machen. Schädlinge wurden bei der Erhitzung vernichtet und Wasser entzogen. Die Körner wurden dann geschrotet und bei Bedarf zu einem Brei verarbeitet.
Ich war damals nicht dabei. Aber ich hab mir überlegt, wie es denn gewesen sein könnte. Mancher mag den schwarzen Brei einfach mit Wasser oder Milch gekocht haben. Vielleicht hatten die Menschen früher auch nicht immer die Wahl und mussten nehmen, was vorhanden war. Die Zeiten der Not sind heute vorbei und ich habe es eben gern mit richtig viel Geschmack. Darum setze ich einfach zuerst mal eine gute Fleischbrühe an. Ein paar Würfel Räucherspeck, Zwiebel und Knoblauch schwitze ich in einem kleinen Töpfchen an und gebe einen halben Liter Brühe dazu. Dann rühre ich das Musmehl ein, bis es anfängt einzudicken und steuere die Konsistenz unter weiterem Rühren mit der Zugabe von Brühe. Nach wenigen Minuten ist der Schrot fertig aufgequollen und ich würze mit Pfeffer nach. Wenn es mir passt, kommt noch geriebener Käse mit hinein, Bergkäse oder noch besser Weisslacker. Gegen ein paar frische Kräuter wie Thymian oder Petersilie ist nichts einzuwenden, das regle ich nach Tageslaune.
Die Brühe war im beschriebenen Fall aus einem wunderbaren Stück vom Limpurger Weideochsen. Der spezifisch reine Geschmack und die Kraft dieser Tiere kommen im Musmehl durch. Und weil das Fleisch irgendwann weichgekocht war, haben wir es gleich aufgeschnitten und mitverzehrt. Dass ich selbst diesen Hochgenuss als „italienischen Moment“ bezeichnen möchte, stimmt mich allerdings nachdenklich. Denn alle Zutaten waren von hier. Bestimmt gibt es in Italien ein ausgeprägteres Produktbewusstsein als in Deutschland. Aber wieso würdigen wir nicht das, was es hier gibt? Warum kauft alle Welt Polenta, Risotto-Reis, Couscous und sogar Kukuruz? Inka-Getreide und Körner von den alten Azteken, Hirse-Gries? Soll der Müller auf der Schwäbischen Alb „Farina nero“ auf seine Packung schreiben und ein Bild von seiner Oma und den Nachbarskindern drauf machen, die mit dem Mehl Cantucci backen? Ach ja, und dann per Telefon-Verkauf in gebrochenem Deutsch an den Mann bringen?
Auf dem Bild kann man sehen, dass es auch hohenlohische Momente gibt. Ein guter Schluck aus der Pulle von Bernulf Schlauch hat eben einen solchen perfekt gemacht.
In loser Folge möchte ich Ihnen die kulinarischen Besonderheiten des Hohenloher Landes schildern. Ein Schlaraffenland für Leute, die gerne genießen. Wie bereits im Magazin „Der Feinschmecker“, Ausgabe September 2010, schön beschrieben, stolpert man sozusagen von einem guten Erzeuger zum nächsten. Viele Menschen arbeiten am Erhalt von artisanalen Traditionen und entwickeln sie gleichzeitig weiter. Die Erzeugung von hochwertigen Nahrungsmitteln ist ein wichtiger Teil unserer gewachsenen Kulturlandschaft.
Bei uns dient regionales Essen letztendlich auch zur Erhaltung der Schönheit unserer Heimat zwischen Kocher, Jagst und Tauber.
So, los geht’s zum Mäusdorfer Gockel.
Das Kamerateam des SWR unter Leitung von Frau Dr. Karin Haug begleitete mich auf den Brunnenhof in Mäusdorf. Dort wird seit über 40 Jahren biologisch–dynamisch gearbeitet. Die Familie Wistinghausen–Noz versorgt uns mit Landgockeln und Puten, erzeugt nach Demeter–Richtlinien.
Schauen Sie mal rein, wenn am 1.Dezember 18:15 Uhr im SWR3 die „Essgeschichten“ aus Hohenlohe gezeigt werden.
Lucy ist mehr als nur ein Messer. Ganz richtig heißt sie Lucilla, aber weil wir uns schon so lange kennen, nenn ich sie Lucy.
Lucy ist immer bei mir, wenn ich koche. Und wenn ich vor manch großer Veranstaltung ein bisschen Lampenfieber habe (jawohl, auch das gibt es noch nach 25 Berufsjahren) und Lucy liegt auf dem Brett, dann weiß ich, dass alles gutgehen wird.
Lucy ist eigentlich eine gebürtige Yagatan, hat ihren Namen nach einer türkischen Stadt bekommen und ihre Form, ursprünglich etwas bauchiger, ist von einem osmanischen Säbel abgenommen. Nie hätte ich gedacht, dass wir beide uns so gut verstehen, dass ich mit dieser ausgefallenen Klingenform so gut zurechtkomme. In Solingen, wo sie herkommt, aus der Manufactur Robert Herder, genauer von der Marke Windmühle, wird sie aus nicht rostfreiem, harten Stahl geschmiedet. Sie hat noch eine hübsche, rostfreie Schwester. Die sieht immer besser aus, taugt bei mir aber nicht zur Arbeit.
Der Gebrauchswert eines Messers hängt nämlich gar nicht von der Schärfe ab. Scharf bekommt man noch das lumpigste Messer. Sogar den Deckel einer Ravioli-Dose kann man schärfen wie ein Rasiermesser. Aber halt nur für einen einzigen Schnitt, dann ist es vorbei mit der Pracht.
Die tatsächliche Güte wird durch Zähigkeit und Härte des Klingenstahls bestimmt. Eine gute, geschmiedete Klinge ist hart und zäh zugleich, behält lange den Schliff, wenn sie gut gepflegt wird. Damit eine Klinge hart wird, ist es notwendig, dass der Stahl ein möglichst dichtes Gefüge aufweist. Die Zusätze, die einen Stahl rostfrei machen, bewirken in der Regel allerdings, dass die Korngröße steigt und der Schnitt schlechter wird, die Haltbarkeit sinkt. Das Messer wird also schneller wieder stumpf. Deshalb sind richtig gute Messer in aller Regel nicht rostfrei. Und meine gute Lucy hat vor einiger Zeit einen Partner bekommen, der mir auch beste Dienste leistet, den kleinen Flachschmieder, auch von Herder und auch nicht rostfrei. Und so bin ich mit den beiden und dem guten Nass-Schleifstein (2000er und 4000er Körnung, japanisch) bestens zufrieden gewesen und ich war mir sicher, genug über Messer und ihre Pflege zu wissen.
Meine letzte Lehrstunde zu diesem Thema wurde dann am Samstag abgehalten. Auf der eat and style – Messe, ich hab mal wieder für die AEG gekocht, hab ich den Stand von Nesmuk gesehen. Gehört hatte ich von diesen Messern schon öfter, die ganze Crew von Stefan Marquard arbeitet damit und ist happy. Lars Scheidler, der Gründer und Inhaber von Nesmuk, ist ein Besessener. Er hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt und sich auf der ganzen Welt fortgebildet, sein Können perfektioniert. Ein Fachmann par excellence, einer, der für seinen Beruf lebt. Zusammen mit Walter Grave haben mir die beiden eine völlig neuartige Idee vorgestellt: Lars sagt, dass es mittlerweile Stahl in perfekten Qualitäten zu kaufen gibt, dass die Reinheit der Stähle heute besser ist als sie früher jemals war. Er setzt auf höchste Präzision bei jedem einzelnen Arbeitsschritt und auf den hochwertigsten, in diesem Falle aber rostfreien Stahl, den er zu außergewöhnlicher Schärfe und gleichzeitiger Schnitthaltigkeit bringt. Das Geheimnis dahinter ist der Niob-Gehalt des verwendeten Hochleistungs-Stahls. Niob macht den Stahl zäh, fest und rostfrei. Die Klinge hat damit eine einmalige Schneidhaltigkeit und eine bissige Schärfe, die ich so noch nicht kannte.
Die Messer haben ihren Preis, den sie mir aber wert sind. In einer Zeit, in der viele Bluffer (selbst aufgeätzte Damaszener-Stahl-Optik gibt es mittlerweile!) mit viel Hokuspokus ihre Klingen feilbieten, sind die Nesmuk-Messer die zeitgemäße Interpretation von handwerklicher Messer-Herstellung mit höchstem Anspruch. Schneiden tun andere auch, aber eben nicht so gut.
So hat meine Lucy nun einen großen Bruder. Wegen der sehr unterschiedlichen Klingen-Geometrie ergänzen die beiden sich prima.
„Simply the best“ oder auf Alemannisch: „Er ist ein Käpsele“ – unser Maximillian!
Denn er hat die beste IHK-Abschlussprüfung 2010 als Auszubildender in ganz Baden-Würtemberg geschrieben und gekocht. Klasse! Klasse! Klasse!
Wenn man bedenkt, wie viele Auszubildende pro Jahr antreten, und welche super Häuser es in Ba-Wü gibt, ich auf jeden Fall bin so richtig stolz auf den jungen Koch!
Man sagt so schön, es gehören immer zwei dazu, aber beim Mäxli war es schon von Anfang an eine runde Sache, da brauchte es fast nichts mehr dazu, und man merkt ja gleich, aus was für einem „Stall“ die Lehrlinge kommen, in diesem Fall aus der Sennhütte in Schwand in kleinen Wiesental, seinem Elternhaus, aber bis er dort in der Küche wirbelt, muss er noch raus in die weite Welt, zuerst einmal ab dem nächsten Frühjahr ins Kronenschlösschen in den Rheingau (ganz aktuell mit einem Stern ausgezeichnet!), und bis Dreikönig noch bei uns im Spielweg!
..und hier suchen wir gerade einen Bergkäse für die große Feier aus.
Und es gab einen stattlichen Förderpreis vom Colombi Hotel in Freiburg, den darf sich Maximilian mit der besten Köchin teilen.
Und nicht fürs Moped, sondern für die berufliche Weiterbildung!
Jetzt ist es wieder so weit:
Alles dreht sich im gastronomischen Universum um die Sterne des Guide Michelin.
Bei dem ganzen Trubel wird oft eine Auszeichnung übersehen die aus meiner Sicht genauso interessant ist wie der Stern: Der „BIB Gourmand“. Er wird vergeben für „sorgfältig zubereitete, preiswerte Mahlzeiten unter 35 Euro“.
Für Touristen in englisch fein erklärt mit „good food at moderate prices“ oder wie ich meinen Mitarbeitern immer zu sagen pflege: „Der Bib ist der Stern des kleinen Mannes.“
Jedenfalls speise ich sehr gerne auf Reisen bei Bib-Adressen, da in diesen Restaurants sehr oft auch authentische Regionalküche geboten wird, vor allem in Italien und Spanien.
Besonders spannend wird es, wenn es sich um das Zweitrestaurant eines besternten Betriebes handelt. In diesem ziemlich überschaubaren Club befanden sich in Deutschland bisher nur ca. 11-14 Mitglieder. Meistens größere bis sehr große Häuser wie Traube Tonbach, Bareiss, Dollenberg, A-Rosa oder Friedrichsruhe.
Mitblogger Christian Mittermeier und ich waren bis dato sozusagen die Ausnahmen mit unseren doch etwas kleineren „Hütten“. Nun gibt es Zuwachs, neue „Clubmitglieder“, allesamt Kollegen oder Kumpels deren Arbeit ich sehr schätze: Joachim Kaiser (Ich hab’s dir ja schon immer gesagt!) Christopher und Alejandro Wilbrand (Felicitaciones!) Armin Karrer, Hoffnungsträger für den zweiten Stern, dazu Bib Gourmand, wow! Ernst Karl Schassberger, Neuzugang bei den Jeunes Restaurateurs d’Europe Klaus Erfort, drei Michelin-Sterne und dazu den Bib Gourmand für sein Projekt „Schlachthof“: Einfach toll!
Natürlich gibt es in Bib Häusern ohne „Zusatzsternle“ auch immer was zu entdecken. Bleiben Sie neugierig.
Ach ja, mein Bib Männchen ist seit 1990 treu bei mir:
Gute Brühe ist die Basis für Suppen, Soßen, für Risotto und für allerlei weitere Rezepturen. Um eine gute Brühe herzustellen, werden Inhaltsstoffe von Fleisch oder Fisch, von Gemüse, Kräutern und Gewürzen ausgekocht, wird der Geschmack der festen Lebensmittel in das Wasser transformiert.
Meine Lehrmeister haben mir beigebracht, dass eine Brühe unbedingt kalt aufzusetzen und dann sehr langsam zu erhitzen sei, wenn ich den Geschmack aus dem Fleisch in die Brühe herüberholen wolle. Käme es hingegen darauf an, den Geschmack möglichst im Fleisch zu halten, sei Suppenfleisch ausschließlich in heißes Wasser zu legen, so blieben die Inhaltsstoffe drin. Der Grund dafür sei das bei der Erhitzung gerinnende Eiweiß. Auch von irgendwelchen Poren, die sich schließen würden, wurde was erzählt. Kulinarisches Jägerlatein der 80er Jahre.
Diese, wie so manche weitere „Vorschrift“ habe ich wie gelernt übernommen und lange nicht hinterfragt. Jede Menge Vorgehensweisen galt es zu merken, die halt so waren, wie sie waren. Es war schließlich schon immer so.
Doch gibt es heute glücklicherweise immer mehr Interesse an den Prozessen selbst, wollen immer mehr Köche wissen, was eigentlich genau in ihren Töpfen und in der Pfannen passiert. Wer diese Prozesse kennt und versteht, ist leichter in der Lage einzugreifen und Neues zu schaffen. Heerscharen von Menschen beschäftigen sich mittlerweile mit der Entschlüsselung der Vorgänge, die das Kochen ausmachen.
Dabei wurde eine erstaunliche Entdeckung gemacht, die sich recht vernünftig anhört. Ich bin kein Physiker, kein Chemiker und auch kein Biologe. Aber diese Erklärung klingt für mich logisch und sie funktioniert in der Praxis:
Wie gut sich die Inhalts- und Geschmacksstoffe aus den festen Bestandteilen extrahieren lassen, hängt mitnichten von der Starttemperatur des Kochwassers ab. Vielmehr ist entscheidend wann, und wenn, dann wieviel Salz dem Wasser zugegeben wird. Bereits in geringen Mengen entscheidet die Salzzugabe durch die bewirkte Veränderung der Wasserdichte darüber, ob lösliche Stoffe aus den festen Stoffen ausdiffundieren oder nicht (Osmose).
Gemäß dieser Theorie sollte:
wer gute Brühe erhalten will zum Garzeit-Ende salzen
wem es auf den Erhalt des Geschmacks in den festen Bestandteilen ankommt, sollte gleich salzen
wer gute Brühe und gutes Fleisch will, salzt nach ungefähr der halben Garzeit
Wann auch immer gesalzen wird und gleich welche Brühe das dann ergibt, kommt hier noch ein Tip für ein stark unterschätztes Fleischteil, das gut gekocht einen Suchtfaktor besitzt: die Zwerchrippe.
Sie ist ein Teil des Brustkorbs und befindet sich unterhalb von Hals und Hochrippe. Am besten als Leiter in ca 10 cm breite Streifen geschnitten. Dieses Teil sieht mit den quer gesägten Rippenknochen aus wie eine Leiter, weil sich von innen Rippen und Fleisch immer wieder abwechseln. Äusserst preisgünstig (in bester Qualität ca 6 Euro pro kg) und nach ungefähr 2 bis 2,5 Stunden Kochzeit bei schwacher Hitze eine Delikatesse ganz besonderer Güte. Zu genießen mit Salz und frisch geriebenem Meerrettich oder mit bestem Senf. Kaufen Sie zum Kochen kein abgehangenes, sondern möglichst frisches Fleisch und machen Sie dabei dem Metzger Ihres Vertrauens eine Freude, wenn Sie ihn nach diesem Stück für Insider fragen. Die gute Brühe gibt es als Nebenprodukt, da braucht es nur noch Suppennudeln oder selbstgemachte Grießklösschen zu einer Festsuppe.
Nachtrag vom 17.11.2010
der Beitrag hat unerwartet viel Aufmerksamkeit hervorgerufen, viele clicks und Kommentare zeigen, dass es an dem Thema Interesse gibt. In Kürze werden sich einige renommierte Fachleute aus den Gebieten Biologie, Fleischtechnik, Physik, Fleischhandel und meine Wenigkeit treffen und dabei versuchen, einige dieser beschriebenen hochkomplexen Zusammenhänge wissenschaftlich zu betrachten. Ich werde berichten.
Seit vielen Jahren ist mir Regionalität ein großes Anliegen. Es erfüllt mich mit Freude, wie sehr sich Menschen dafür interessieren, woher welches Lebensmittel kommt. Deutscher Wein gewinnt mehr und mehr Akzeptanz, SlowFood und die Arche des Geschmacks sind in einer arrivierten Gästeschicht mittlerweile feststehende Begriffe geworden. Wochenmärkte werden besucht und der Zwanziger, den man der fleißigen Bauersfrau in die schwieligen Hände drückt, macht ein richtig gutes Gewissen.
Und doch beschleicht mich, wenn es um das Thema „Regionalität“ geht, mittlerweile manch leiser Zweifel. Sowohl auf Hersteller-/Händlerseite wie auch bei Verbrauchern machen sich bedenkliche Haltungen breit, die recht durchsichtig und vordergründig sind. Und ich bin sicher, dass alleine die Absicht, mit der Regionalität gelebt wird, über den langfristigen Erfolg dieses Trends entscheiden wird.
Welchen Grund haben Verbraucher, regional einzukaufen? Ist es möglich, dass die edle Gesinnung gute Produkte zu kaufen manchmal nur dem Wunsch entspringt, sich in einer immer schneller drehenden Welt einen festen Punkt zu suchen? Wird, um die Legitimität eines zur Verwendung anstehenden Produktes zu messen, die Entfernungsangabe in km als Gradmesser der Korrektheit gebraucht? Leicht nachzumessen, beweisbar und irgendwie voll zeitgeistig? Sind es dieselben Menschen, die heute den Carbon Footprint eines Apfels diskutieren und morgen als Gemeinderat der Pflasterung ihres Marktplatzes mit chinesischem Granit zustimmen (ist billiger), übermorgen ein japanisches Auto bestellen (Logo, Testsieger in der ADAC Pannenstatistik)?
Wenn Verbraucher bei Lebensmitteln so großen Wert auf Treibstoffeinsparung beim Transport legen, wieso juckt es dann bei anderen Konsumgütern nicht? Bei den Klamotten aus wasweißichwoher? Den goldigen Schuhen für die Kleinen für 18 Euro das Paar? Wieviel Prozent der in einem Baumarkt gelisteten Güter stammen aus Produktion im Umkreis von 300 Kilometern? 300 Kilometer wären für einen Apfel übrigens schon wieder ganz schön weit. Ist Regionalität der neue Protektionismus derer, die es sich leisten können?
Große Discounter und Lebensmittel-Handelsketten, denen tatsächlich die Umwelt und auch die Region piepegal ist, halten Schilder mit „Regional“ in die Höhe. Manche lieben angeblich sogar Lebensmittel. Und zwar ausschließlich nur deswegen, weil sich damit Geld verdienen lässt. Marketingstrategen ballern eingängige Slogans und Budgets durch die Region und so mancher Trittbrettfahrer steigt auf den Zug, den andere mühevoll und mit viel Einsatz über Jahre angeschoben haben. Kassiert ab und veräppelt dabei die Kundschaft.
Es wäre wirklich schade, wenn „Regionalität“ zu einer Marketing- und Lifestyle-Worthülse verkommt. Ich kaufe sehr gerne, wo ich es für richtig halte, noch immer Ware von hier. Aber ich bin skeptischer geworden und schau manches Mal genauer hin.