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Meeräsche – Delikatesse für Nischen-Fuzzies

Abseits der bekannten und ausgetretenen Gourmetpfade gibt es immer wieder die eine oder andere Überraschung, die nur entdeckt werden möchte. Die Meeräsche gehört für mich dazu. Sie ist für relativ kleines Geld zu haben (im Fischhandel pro Kilo unter 10 Euro netto) und die Nachfrage scheint nicht übermäßig hoch zu sein, obwohl – oder weil – der Fisch selbst in unseren Breitengraden heimisch ist. Vielleicht ist es wie mit dem Kabeljau, den ich in meiner Kindheit als Konsumfisch (so hieß das damals) kennengelernt habe und der heute die Speisenkarte feiner Restaurants ziert. Sein Preis ist mittlerweile im Verhältnis zu dem anderer Lebensmittel stark gestiegen, doch der Fisch ist ja immer noch derselbe.

Die Äsche ist weithin ein offenbar völlig bedeutungsloser Fisch, der wohl schnell übersehen wird.
Sie ist verwandt mit Makrele, Thunfisch, Hering und Sardine, hat auch denselben kräftigen, jodigen Geschmack wie diese Fische. Ihr Fleisch hat, obwohl eine Lamellenstruktur erkennbar ist, eine Art faserige Längsausrichtung, fast so wie das Muskelfleisch von Schlachttieren. Saftig, etwas ölig und hoch aromatisch bringt mich dieser Fisch jedes Mal zur Verzückung, wenn ich ihn zubereite.

Die schönste Methode ist die Garung am Stück, in einer Salzkruste:
1,5 kg Meeräsche
3 kg grobes Meersalz, auch ungereinigt
3 Eiweiß
½ Tasse Mehl

Den Fisch ausnehmen, auswaschen und auf Höhe der Rückenflosse ein hitzebeständiges Thermometer oder, falls vorhanden, den Kerntemperaturmesser des Ofens einstechen. Der erste Zentimeter des Thermometers enthält das Bimetall. Also diesen Zentimeter an die Stelle schieben, an der das Äschen-Filet am dicksten ist. Die Bauchhöhle mit Kräutern und Limetten oder Zitronen füllen. Liebhaber kräftiger Aromen verwenden Fenchel, Rosmarin oder Lavendel. Alle anderen Petersilie und Dill. Was auch geht, ist Bergamotte, Orange und/oder Knoblauch.

Das grobe Meersalz mit Mehl und Eiweiß mischen, die Meeräsche dann mit dem Salzteig ringsum einpacken. Dazu den Fisch auf ein Backblech legen und den Salzteig darübergeben, leicht andrücken.
Bei ca. 200°C in den Ofen schieben.
Die Beheizungsart ist nicht maßgeblich, da das Salz die Hitze in Strahlungswärme transformieren wird und somit den Fisch unnachahmlich schonend garen wird.
Fertig und gar ist er, wenn das Thermometer 60°C anzeigt, dann kann er aus dem Ofen genommen werden. Wer die Äsche gerne ein bisserl glasig hat, nimmt sie schon bei 50°C raus. Bis der Teig aufgeschlagen ist, wird die Temperatur im Inneren noch mal um ca. 10°C steigen und ist dann auf der richtigen Zieltemperatur von 60°C bzw. 70°C.
Salzteig öffnen: Mit einem Hämmerchen oder dem Knauf eines Messers auf den Teig schlagen, bis er springt. Dann kann man die Salzhülle problemlos entfernen. Die Haut des Fisches mit einer Pinzette abziehen. Falls keine Pinzette zur Hand ist, nehmen Sie halt einfach die Finger.
Egal wie, Hauptsache ist: Das Salz muss weg und die Fischhaut zurückgeschlagen werden, um das unnachahmlich saftig wohlschmeckende Filet freizugeben. Mit einem Löffel allein schon kann man das Meeräschenfilet von den Gräten schieben, zurück bleibt das markant-knochige Grätengerüst.

Die kräftige Äsche verträgt sich gut mit einem ordentlichen Schuss Olivenöl und ein paar Kartoffeln oder auch gutem Brot. Wer kein Date mehr hat oder gleich dafür sorgt, dass der oder die Liebste mit isst, kann eine kanarische Mojo dazu machen. Caramba!

Nota bene:
Ich kaufe, wenn verfügbar, die schwarze Meeräsche.
Und: Natürlich funktioniert diese Zubereitungsart auch mit allen anderen Fischen.

 

Zusammenhalt um jeden Preis

Für jeden anständigen Food-Fundi gibt es ein paar Themen, die ihn schon bei bloßer Erwähnung an die Decke bringen. Transglutaminase ist so ein absolutes No Go. Man kann mit ihr eiweißhaltige Lebensmittel verkleben, um vorzutäuschen, dass ein Schinken ein Schinken sei, obwohl es sich lediglich um minderwertige Abschnitte handelt. Davon stehen dann die Zeitungen voll und alle Verbraucher fühlen sich böse getäuscht (wieder mal). Haben sie doch tatsächlich geglaubt, für 3,99 Euro das Kilo richtig anständigen Hinterschinken von glücklichen Schweinen gekauft zu haben.

Was ich von Transglutaminase halten soll, weiß ich selbst noch nicht. Das Produkt ist frei verkäuflich, in der Lebensmittelindustrie wird es schon lange eingesetzt (auch bei Fisch- und Milchprodukten) und etliche, auch hochdekorierte Kollegen verwenden sie. Schaffen damit neuartige, innovative Gerichte. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass man diese Chemie im Essen nicht braucht, auch früher ohne sie ausgekommen ist.

Aber darf ich mir es so einfach machen? Auf die ewig Gestrigen hören, die alles verdammen, was es sonst auch nicht gab? Waren das die Gleichen, die bei der Erfindung der Eisenbahn den Untergang des Abendlandes befürchtet haben? Wegen des Luftzugs und der unweigerlichen Lungenentzündung? Die gleich einem Taliban sofort „Molekularküche!“ blöken, wenn sie irgendein harmloses Pülverchen sehen? Die aber bedenkenlos gepökelte Wurst und Laugenbrezeln verzehren.

Um mir eine fundierte Meinung zu bilden, hab ich mal einen Versuch gemacht, mit drei Lammbäuchen und Transglutaminase. Absichtlich mit Lammbäuchen, denn wenn ich drei Lammsättel (Müritz-Lamm) bestelle, kann ich mit den daran hängenden geschätzten 200g pro Bauch nichts Vernünftiges anfangen, bei dem der Aufwand im Verhältnis zum Ergebnis stünde. Bestenfalls als Abschnitt in die Soße könnten die taugen. Das aber nur, um nicht im Abfall zu landen.

Gesagt, getan: Wir haben die Bäuche mit Transglutaminase bestreut, zusammen mit Rosmarinzweigen, geschrotetem Pfeffer und Senfkörnern vakuumiert und dann 8 Stunden bei niedriger Temperatur gegart. In große Würfel geschnitten und gebraten. Das Ergebnis schmeckt sehr gut und ist saftig. Es ist besser als alles, was man aus dem Ausgangsprodukt hätte machen können, so fair muss ich beurteilen.

In der Bewertung bleibe ich dennoch offen, weil mir das Zeug trotzdem suspekt ist. Unter Köchen gibt es große Diskussionen, pro und contra Transglutaminase. Ich habe mich zwischen Zustimmung und Ablehnung noch nicht entschieden.

Infos zum Produkt gibt es auf den Herstellerseiten: http://www.ajinomoto.de/cms/front_content.php?idart=330

 

Schwarzwälder Grid Girls

Während der LeMans Series 2010 und bei den 24h vom Nürburgring 2010 hat die Villa Mittermeier im dritten Jahr mit der Traube Tonbach zusammengearbeitet und für Essen und Trinken gesorgt. Selbstverständlich mit angemessenem Service. Die Auszubildenden der Traube haben sehr, sehr fleißig und gut gearbeitet.
Dennoch kam der Spaß nicht zu kurz: Die Rennfahrer und Ingenieure haben sich beim vorherigen Rennen gewünscht, die jungen Damen mal nicht im sportlichen Look mit Cargohosen und Poloshirts zu sehen, sondern in der Original-Dienstkleidung der Traube. 
Dieses Outfit wird sich wohl an dieser Stelle im Rennsport in dieser Form nicht durchsetzen, aber so viel Gaudi und Aufsehen an der Strecke gab es wohl selten vor einem Start.

 

Nenn mich nicht lieblich!

Rebzeile nach der Lese

Im Weinberg der Tauberhasen ist nun alles gelesen, Ruhe und Frieden kehren ein. Das diesige Wetter, mit dem das schwierige Weinjahr 2010 zu Ende geht, das erste Gelb der Blätter und der Bussard, der über dem Taubertal auf der Suche nach Mäusen seine weitläufigen Runden dreht, erzeugen eine melancholische Stimmung.
Vor einer der Rebzeilen steht eine letzte aufgeblühte Rose, die trotz Regenwetter noch einmal in aller Schönheit aufsteht und alles gibt, bevor auch für sie dieses Jahr zu Ende geht. Die sich noch einmal aufbäumt in anrührender Eleganz, bevor sie zerfällt. Es scheint, als möchte der ganze Weinberg eine Erinnerung an die eigene Vergänglichkeit ausrufen.
Doch gibt es eine Frucht, die heimlich, still und leise noch an ihren Zweigen hängt: die Schlehe. Sie wird schnell übersehen und sie ist ein bisschen wie die Taubertäler selbst: Versteckt hinter Dornen, manchmal unscheinbar, zum falschen Zeitpunkt sauer und herb, doch eigentlich von unschätzbarem Wert und gut für Überraschungen.

Schlehen

Schlehen stecken, geerntet nach dem ersten Frost, voller Geschmack. Wer sich die Mühe macht, sie im späten Herbst zu pflücken und aus ihnen Marmelade, Gelee oder Chutney kocht, sie entsaftet oder zu einem Kompott verarbeitet, wird belohnt mit einem Lebensmittel, das in seiner Wertigkeit mit schwarzen Johannisbeeren mithalten kann. Fruchtige Noten, so wie Kirschen oder Pflaumen, sind deutlich unterlegt mit Bittermandel-Aromen. Schlehen schmecken herb und eigenwillig, pfeffrig, ursprünglich und ungezähmt. Sie werden von kräftigen Gewürzen oder Gewürzmischungen (gerne mit Zimt) zu ungeahnten Höhen getragen und bereichern das Portfolio wertvoller heimischer Lebensmittel. Rotkraut, um ein Beispiel zu geben, wird durch Zugabe von Schlehenragout zu einem Feiertagsessen.

Das Taubertal, seit Jahrzehnten als „lieblich“ vermarktet, ist an mancher Stelle eher herb. Zum Glück.

 

Er is(s)t wirklich so!

© Loice Venance/AFP/Getty Images

Durch die Reportage über Gérard Depardieu im ZEITmagazin wurde ich an verschiedene Begegnungen mit diesem sinnesfrohen Menschen erinnert.

Vor einigen Jahren, anlässlich der Verleihung der Goldenen Kamera 1995, bereitete ich ein Buffet mit meinen Jeunes Restaurateurs-Freunden zu. Damit wollten wir die ca. 1000 Gäste direkt nach der Verleihungszeremonie bewirten.
Die Vorbereitungen waren gerade abgeschlossen und wir waren auf „Bereitschaft“ im noch menschenleeren Foyer.

Wir hielten etwas abseits vom Buffet noch einen kleinen Kollegenplausch in Erwartung des Geschehens , als ein großer, rustikal-ländlich gekleideter Mann mit dunklem Schlapphut ziemlich zügig auf das Buffet zumarschierte. Zielsicher lupfte er ein paar Deckel und genauso geschwind fischte er mit seiner Hand ein paar geschmorte Ochsenschwanzstücke aus der Soße heraus.

Ich staunte nicht schlecht und stürmte auf diesen „Clochard de luxe“ zu. Dabei dachte ich mir noch: Wie kommt so ein Typ überhaupt durch die Security?
Also, erstmal aufplustern und ein freundlich bestimmtes „Wie kann ich Ihnen helfen?“.
Daraufhin ein leises „C’est bon“.
Unter dem Hutschatten blitzten mir zwei neugierige Augen entgegen. Und ich erkannte Gérard Depardieu.

Ich erklärte ihm in meinem holprigen Küchenfranzösisch, was er sowieso schon wusste: Queue de Boeuf braisé en vin rouge… Daraufhin fischte er nochmals ein paar Stücke aus der Tunke, dann kamen auch schon zwei sehr aufgeregte Event-Organisatoren, um ihn „einzufangen“, zumal Thomas Gottschalk gerade schon den Hauptpreisträger der Goldenen Kamera 1995 anmoderierte: Gérard Depardieu.

Jahre später:
Ich hatte beruflich in Shanghai zu tun und schon einige authentische Chinakneipen durchgefuttert, als ich zum Abschluss mit meiner Frau die Shanghaier Depandance der Gebrüder Pourcel (Jardin des Sens, Montpellier) besuchte.
Es sollte zum Abschluss ein entspanntes déjeuner geben und wir waren ganz angetan von der fein balancierten Gewürzküche (übrigens damals besser als im Montpellier) als G.D. mit Gefolge (ca. 10 Personen) das Restaurant betrat.
Als ich ihn erkannt hatte, sagte ich zu meiner Frau: „Der hat bestimmt den Eingang durch die Küche genommen!“
Jedenfalls nahm er am Tisch direkt neben uns Platz und dann ging es auch schon los. Wie im Kino: ein einziges lukullisch-opulentes Festmahl, erstmal was zu trinken, Bordeaux, natürlich Magnum. Genügend Brot um die gesamte Tischdecke zu verkrümeln, Gespräche durcheinander. Die umliegenden Tische wurden förmlich mitgerissen. Im vormals schicken, aber etwas steifen Restaurant herrschte auf einmal Partystimmung.

Ich wollte ihn noch ansprechen auf mein Ochsenschwanzragout (an Essen erinnert er sich doch bestimmt?), habe es dann aber sein lassen weil ich auch schon zu bedüdelt war.
Gérard Depardieu, er ist wirklich so! Das Leben, ein Fest!

Und Ochsenschwanz, rustikal in Rotwein geschmort, geht so:

Zutaten für 4 Personen:
– 2500 g Ochsenschwanz (in etwa 5cm große Stücke schneiden)
– Traubenkernöl zum anbraten

– 300 g Zwiebeln
– 100 g Karotten
– 100 g Sellerie
– 100 g Lauch
alles in etwa 1 cm große Stücke geschnitten

– 0,2 l Portwein
– 0,7 l Rotwein
– 1,5 l brauner Fleischfond
– 50 g Tomatenmark
– 30 g Preiselbeerkonfitüre
– 5 Nelken
– 2 Lorbeerblätter
– 10 Wacholderbeeren, zerdrückt
-1/2 TL zerdrückte weiße Pfefferkörner
– 1 Zweig Thymian
– 1 Zweig Rosmarin
– gegebenenfalls 1 Knoblauchzehe

Die Ochsenschwanzstücke in wenig Traubenkernöl von allen Seiten kräftig anbraten. Zwiebeln, Karotten und Sellerie dazugeben und mit anrösten.
Den Bratensatz mit Portwein ablöschen, Tomatenmark dazugeben und leicht gehen lassen . Danach Preiselbeerkonfitüre dazugeben und mit Rotwein und Fleischfond auffüllen.
Nun Lauch und die Gewürze dazugeben. Das Ganze etwa 1,5 bis 2 Stunden zugedeckt auf kleiner Flamme garen, bis der Ochsenschwanz weich ist.
Danach den Ochsenschwanz aus der Soße nehmen und in mundgerechten Stücken von den Knochen lösen. Die Soße sorgfältig entfetten und reduzieren, bis die Soße kräftig ist. Eventuell mit einem Mixstab ganz kurz anpürieren.
Für die feinere Version die Soße jetzt durch ein feines Sieb passieren. Wenn nicht, muss man halt die Zweigchen und Gewürzkörner so rausfischen.
Die Fleischstücke in die Soße geben, aufkochen und mit wenig Salz und Pfeffer abschmecken.

Dazu Bordeaux und Baguette reichen

 

Backpulver-Dankesbrief

Die Spielwegschule, das ist unsere Grundschule in direkter Nachbarschaft und heißt so wie der Ortsteil & unser Haus, wollte Kuchen backen. Alles parat, nur das Backpulver hatten die Nachwuchsbäcker vergessen, also schnell zu uns, 2 EL ausgeborgt, alles prima!

Als Dankeschön gab es einen Kuchen und ein Dankesschreiben. Wenn man bedenkt, dass die Schule erst angefangen hat…

„LIBA SBILWEK

BABKBLFA

FILEN DANK VON KLASE 1″

 

Einfache Wahrheiten sind schwierig

Es ehrt den Berufsstand des Koches ungemein, wenn mittlerweile die Messlatte für eingesetzte Produkte und Zubereitungsmethoden mit Kategorien aus Ökologie, Sozialethik und Philosophie belegt wird.
Authenzität, Bio, Nachhaltigkeit und Regionalität werden allerorten gefordert.

Manchmal wird mir das dennoch ein bisschen zu viel. Ich glaube, dass es mancher Zeitgenosse sich ein wenig einfach macht, wenn er vom Koch verlangt, was er vielleicht selbst zu Hause nicht leistet. Vielleicht noch mit dem Argument, dass er im Restaurant ja schließlich dafür bezahle.

Diejenigen, die gerne nach strengen Regeln leben (seien diese für sich oder für andere gemacht), dürfen sich über eines gewiss sein:
Oft genug wird bei Anwendung dieser selbstauferlegten Gesetze das Kind mitsamt dem Bade ausgeschüttet.
Es kann schon sein, dass die Flasche Wein von hier aus der Region den kürzeren Transportweg hat. Es ist sicher auch so, dass der Winzer ums Eck von diesem Umsatz lebt, damit sich und seine Familie ernähren kann. Aber wie sieht’s mit der Ökobilanz dieser einen Flasche aus?  60 davon in den Kofferraum des 500er gepackt, eine Stunde mit Vollgas über die Autobahn geheizt – wer kann zuverlässig die Rechnung aufmachen, ob der Rotwein aus Chile nicht vielleicht weniger Sprit pro Flasche auf dem Zähler hat?

Solche Beispiele gäbe es viele. Ökobilanz und Regionalität können in ihren Absichten kollidieren, Nachhaltigkeit und Bio ebenso. Das ist aber wurscht. Hauptsache es ist für die gute Sache, von der konkret aber auch kaum einer sagen kann, welche Ziele da genau verfolgt werden.

Der Eifer, mit dem da manche These verteidigt wird, hat was von moralin-saurem Sarrazin. Ein paar Fakten, ein paar Halbwahrheiten und der Ruf nach dem Koch als Protagonisten, der schließlich davon was verstehen muss, verbunden mit dem Apell an das schlechte Gewissen.
Das verträgt sich für meinen Geschmack so gar nicht mit Lebensart und Genuss. Gelassenheit und Kennerschaft halte ich da für angebrachter.

Der SlowFood-Bewegung sagt man nach, sie sei nicht konsequent genug in ihrem Regelwerk. Zu viel Spielraum für eigene Interpretationen, zu lasche Kriterien.
Stimmt schon, die wichtigsten Kriterien heißen: Gut. Sauber. Fair.
Ich finde, das genügt durchaus. Wenn es denn ernst genommen wird. Wenn mit gutem Willen, mit edler Absicht gearbeitet wird. Es kommt doch immer auch auf die Haltung an, mit der etwas getan wird.
Essen ist Lust, Kochen ist Liebe… müssen in diesem Fall alle Argumente auf das schlechte Gewissen zielen? Kann man sein Anliegen nicht mal positiv belegen und Qualität und Geschmack des Produkts in den Vordergrund stellen?

Ich für meinen Teil versuche, mir Mühe zu machen. Meine Arbeit so gut zu machen, wie ich es kann. Ich muss aber deshalb nicht auf jedes Frühstücksei schreiben, wie die Henne geheißen hat und wie sie sich beim Legen gefühlt hat. Was hilft es dem Gast, wenn das Lamm zwar aus der Region, dafür aber zäh ist?
Einkauf und Zubereitung von Speisen sind komplexe Themen. Einfache Lösungen dafür sind halt manchmal ein bisserl eindimensional.

Ich denke, dass die wirklich guten Lösungen für diese durchaus lebenswichtigen Themen bei jedem selbst anfangen, vor der eigenen Haustür. In dem Umfeld, das er beeinflussen kann.

Qualität im Produkt und in der Zubereitung zu erreichen ist ein langer und harter Weg. Er erfordert den Verzicht auf bequeme Artikel und Methoden, er erfordert Toleranz und Vertrauen von Gästen. Wenn wir möchten, dass zuneige gehende Ressourcen geschont werden und wenn wir dauerhaft gesunde, saubere und faire Lebensmittel verzehren wollen, wäre es hilfreich wenn jeder einzelne diese Ziele täglich lebt, seinen Kindern damit Vorbild ist. Wirklich und nicht nur als Lippenbekenntnis auch außerhalb der Restaurants.

Es sind ja tatsächlich schon bemerkenswerte Fortschritte gemacht worden. Vor zwanzig Jahren kame gerade Tamarillos und Drachenfrüchte auf, der Gourmetteller feierte Urständ und die Teller waren von quer halbierten Kirschtomaten dekoriert. Wir Köche haben uns lange davon emanzipiert und benötigen keine Exotik, um zu beeindrucken. Es ist eine Freude, vermeintlich banalen Produkten ihre Schönheit zu entlocken und ihren Wert zu zeigen.

Die Tatsache alleine, dass ein Produkt von hier ist, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Doch als einziges Argument ist es mir einfach zu wenig. Da geht mehr.

 

Totentrompete

Der Name des Pilzes Totentrompete klingt ja so, als ob man die letzte Mahlzeit einnehmen würde, aber so ist es Gott sein Dank nicht.
Ich habe auf einem Pirschgang in einem Buchenaltholz ein paar dieser Pilze gesehen, und in Ermangelung einer Gugge (alemannisch für Tüte, aber das Wort Tüte benutze ich nicht, genauso wie lecker, gell C.B.?) habe ich die Pilze in meine Tarnkappe gepflückt.

Herrlich als Würzpilz oder gehackt in eine Fleischfarce zum Füllen von Perlhuhnbrüsten oder Rehrücken im Flädleteig zu verwenden.

 

Das Goldschlägerhäutchen

Die äußerste Bindegewebsschicht eines Buttendarms heißt Goldschlägerhäutchen. Es ist papierdünn, hoch reißfest und unglaublich stabil. Diesen Eigenschaften verdankt es seinen Namen.

Es wird tatsächlich, gar nicht weit von meinem Heimatort entfernt in Schwabach, zum Schlagen von Blattgold verwendet (http://www.schwabach.de/touris/gold/00216.html). Mit ihm können einzelne Schichten bis auf eine Stärke von durchschnittlich nur noch zehntausend Atomen dünn geschlagen werden. Es wurden, als noch keine modernen Werkstoffe verfügbar waren, mit dem Goldschlägerhäutchen die Mundstücke von Oboen abgedichtet. Sogar Luftschiffe wurden mit dieser Blinddarmhaut von Rindern gebaut (http://www.uni-stuttgart.de/hi/gnt/ausstellungen/zeppelin/4.1_gaszellen.html )

Vor vielen, vielen Jahren, als die Metzger noch alles, wirklich alles, verwerteten, was ein geschlachtetes Tier herzugeben vermochte, wurde das Goldschlägerhäutchen zur Herstellung von Lachsschinken verwendet. Eine aufwendige Bindetechnik gab den notwendigen Halt, um gepökelten Schweinelachs, kernigen Rückenspeck und darum das Goldschlägerhäutchen zu einer optisch und geschmacklich betörend guten Spezialität werden zu lassen.

Vielleicht lässt sich ein Weg finden, der es jungen Menschen ermöglicht, diese vergessenen Produkte wieder zu entdecken, die zugehörigen Fertigkeiten und Fähigkeiten zu erwerben. Meine Hoffnung ist Jürgen Kochs Motto: „Alles kommt wieder!“
Und: Das Kino hat man ja schließlich auch schonmal totgeglaubt.

 

Ohne Mampf kein Kampf


Trotz meiner Begeisterung für Verbrennungsmotoren aller Art hatte ich bis vor kurzer Zeit noch keinen Draht zu Motorsport-Veranstaltungen. Und ich hätte auch nicht gedacht, dass mich solche Wettbewerbe interessieren würden.

Geändert hat das eine Anfrage, für Gäste und Mannschaft eines Teams während der LeMans-Series das Catering zu übernehmen. Mitten im Fahrerlager, einer hermetischen Welt, die einem Außenstehenden wie mir so gar nichts hergibt, sollte ich kochen. Dafür sorgen, dass pünktlich und zuverlässig in guter Qualität Speis und Trank auf den Tisch kommt, morgens wie abends, und, falls notwendig, nachts. Denn auch in diesem Zirkus gilt:
Ohne Mampf kein Kampf.

So bin ich also gemeinsam mit einer Crew der Traube Tonbach und meinen eigenen Leuten an den großen Rennstrecken Europas unterwegs und sorge für die Verpflegung der Rennfahrer, Mechaniker, Ingenieure, Journalisten und Vips, vor und während der Rennen. In diesem Jahr in Spa Francorchamps (Belgien), in Le Castellet (Frankreich), am Nürburgring und dieses Wochenende in Silverstone (UK).

Die Traube stellt dabei den Service, meine Leute verantworten die Küche. Die Logistik dafür ist jedes Mal eine neue Herausforderung. Die Stunden zählen wir nicht und jeder dieser Jobs verlangt von jedem Mitarbeiter ein Höchstmaß an Einsatz. Für den Einzelnen ist es eine Übung, sich mit Kollegen aus einem anderen Betrieb zu arrangieren, sich auf den anderen Stallgeruch einzustellen und einzulassen. Eine Übung, deren Wert nicht hoch genug geschätzt werden kann und die dennoch bestanden sein will. Dazu gibt es ständig neue Herausforderungen: Stromausfall in der Küche, unpünktliche Lieferanten, strikte Regeln und strenge Aufsicht durch diensteifriges Ordnungspersonal, während der Fahrt umgekippte Sahneeimer, Platzregen beim Aufbau…

Und doch freuen wir uns nach jedem Rennen wie kleine Kinder auf das nächste Mal, denn eines macht diese Jobs sehr besonders und unterscheidet sie von der Arbeit zu Hause:
Das ganze Renn-Team mit allen Beteiligten ist wie eine große Familie, die Köche und die Servicekräfte gehören ganz einfach dazu. Wir ziehen alle am selben Strang, jeder einzelne nimmt sich zurück und alle verfolgen das gleiche Ziel: Wir möchten, dass unsere Autos gewinnen.

Keiner der Gäste verlangt nach einer Extrawurst, keiner lebt seine Befindlichkeiten aus. Herzlicher, geschulter und guter Service und einfache Gerichte wie gefüllte Paprikaschoten, Kalbsrahmgulasch  oder saftige Schnitzel zaubern dem Team ein Lächeln ins Gesicht. Dieses Team-Gefühl, dieser Zusammenhalt ist einzigartig und begeisternd, sogar regelrecht mitreißend. Wahrscheinlich ist das die Grundlage für den Erfolg.

Einfach ist manchmal so leicht. Und gut ist so manches Mal einfach. Warum machen wir es dann eigentlich manchmal so kompliziert?