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Rechtsradikaler bedroht Journalisten – Das Medienlog vom Freitag, 6. März 2015

Der Zeuge Hendrik L. aus Chemnitz war die wichtigste Person am Donnerstag im Gerichtsverfahren: Er ist ein alter Bekannter der NSU-Gruppe aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Mit den dreien verkehrte er sowohl vor als auch nach deren Untertauchen 1998. Vor allem mit Mundlos war er nach eigenen Angaben gut befreundet. Ein rechtes Weltbild zu haben, empfand L. offenbar als völlig normal: „Damals habe man zuerst an die eigene Nation gedacht“, gibt Alf Meier vom Bayerischen Rundfunk L.s Aussage wieder. Ansonsten gab er sich „wortkarg, unkonkret, will Namen alter Freunde nicht preisgeben“.
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Bauernschlaue Zschäpe, explosiver Böhnhardt – Das Medienlog vom Donnerstag, 5. März 2015

Einen Blick in die Vergangenheit des Nationalsozialistischen Untergrunds lieferte am Mittwoch der Zeuge Christian K., Bruder des Jenaer Neonazis André K., doch aus der rechten Szene ausgestiegen. Vermutlich diesem Hintergrund war es zu verdanken, dass K. vor Gericht unbefangen und fließend erzählte: „Endlich mal, so könnte man sagen, tritt ein Zeuge mit rechtsextremer Vergangenheit nicht penetrant stur und unwillig auf“, beobachtet Frank Jansen vom Tagesspiegel. Trotzdem sei dabei offen geblieben, „ob der Zeuge alles sagt, was er weiß“.
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190. Prozesstag – Szenezeuge Hendrik L. und Kölner Gutachter

Erneut will das Gericht mithilfe eines Zeugen aus der rechten Szene die Hintergründe des NSU-Komplexes ergründen. Geladen ist am Donnerstag Hendrik L. aus Chemnitz. Er lernte Uwe Mundlos Ende der neunziger Jahre kennen und hatte nach eigenen Angaben bis zum Jahr 2000 mit ihm Kontakt – also auch nach dem Untertauchen des Jenaer Trios aus Mundlos, Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt im Jahr 1998. L. führt in Chemnitz ein Geschäft für rechte Szenekleidung. Dort soll er auch T-Shirts verkauft haben, die Mundlos gestaltet haben soll. Zudem kam L. mehrmals in Berührung mit Mitgliedern des mittlerweile verbotenen Neonazi-Netzwerks Blood & Honour, die versucht haben sollen, den NSU mit Waffen zu unterstützen.

Zudem sagt als Sachverständiger ein psychiatrischer Therapeut aus Köln aus, der den Zeugen Melih K. auf Spätfolgen untersucht hatte. K. wurde beim Anschlag in der Kölner Keupstraße von 2004 schwer verletzt, als er bei der Explosion direkt an der Nagelbombe vorbeiging. Neben den körperlichen Schäden litt K. an Schlafstörungen und geht bis heute in die Psychotherapie.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Mysteriöser Hinweis auf Zschäpe

Er nennt Beate Zschäpe eine Mitläuferin, Uwe Böhnhardt unberechenbar: Zeuge Christian K. lernte das NSU-Trio kennen. Nach dessen Flucht erhielt er eine brisante Information über das Versteck der drei.

Vermutlich treffen sich die Brüder André und Christian K. höchstens zu Weihnachten, wenn überhaupt. Zu verschieden sind die beiden Jenaer Geschwister. André K., 39: ein vierschrötiger, dicklicher Vordenker in der rechtsextremen Szene Thüringens. Christian K., 34: ein hagerer, eloquenter Mann mit dünner Stimme, der den Neonazi-Kreisen nach eigenen Angaben bereits vor Jahren den Rücken gekehrt hat. Seine Mitgliedschaft, sagt er, bereue er heute.
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Neonazis huldigen Ralf Wohlleben – Das Medienlog vom Mittwoch, 4. März 2015

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe meldete sich zum Wochenauftakt krank, der Gerichtstermin am Dienstag fiel aus. Aufmerksamkeit verschafften sich indes Rechtsextreme – sowohl vor als auch im Gericht. Neben dem Strafjustizzentrum demonstrierten Anhänger der Partei Die Rechte. „Die Botschaft des knappen Dutzends lässt sich mit ‚Alles Lüge‘ zusammenfassen“, berichtet Wiebke Ramm im Tagesspiegel. Die Demonstranten hätten die Opfer verhöhnt und den Prozess eine „Show“ genannt. Gegendemonstranten übertönten die Teilnehmer. Ihre Fortsetzung fand die Propaganda im Saal.
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189. Prozesstag – Sächsischer Verfassungsschützer und Thüringer Neonazi

Update: Der Zeuge Meyer-Plath wurde abgeladen und sagt zu einem späteren Termin aus.

Am 189. Verhandlungstag (die am Dienstag geplante Sitzung war ausgefallen) geht es erneut um die mögliche Verstrickung des Geheimdienstes in den NSU-Komplex: Geladen ist der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath. Befragt wird der 46-Jährige allerdings nicht in seiner Funktion als Behördenleiter denn wegen einer früheren Tätigkeit: Für den Brandenburger Verfassungsschutz hatte er den V-Mann „Piatto“ betreut. Der Rechtsextreme, der bürgerlich Carsten Sz. heißt, lieferte 1998 eine Information, die möglicherweise zur Ergreifung des gerade untergetauchten Trios aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätte führen können: Demnach sollte ein Anhänger der radikalen Organisation Blood & Honour dem Trio eine Waffe beschaffen. Fahnder gingen dem Hinweis jedoch nicht nach.

Meyer-Plath hatte bereits im Untersuchungsausschuss des Bundestags ausgesagt. Die Verpflichtung eines V-Manns wie Sz., der damals wegen versuchten Mords in Haft saß, bezeichnete er im Nachhinein als Fehler. Bemerkenswert sei jedoch die Qualität von „Piattos“ Hinweisen gewesen: So seien Publikationen aus der rechten Szene „plastiktütenweise“ auf seinem Schreibtisch gelandet.

Danach sagt der Zeuge Christian K. aus. Er ist der jüngere Bruder des Jenaer Neonazis André K., einem der führenden Köpfe der rechten Szene in Jena und mutmaßlichen NSU-Unterstützer. So schloss auch der Bruder Bekanntschaften in rechtsextremen Kreisen – insbesondere mit Carsten S., der heute mit auf der Anklagebank sitzt, weil er dem NSU-Trio die Pistole Ceska 83 überbracht haben soll, mit der neun Menschen erschossen wurden.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Auch am Dienstag, 3. März, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 4. März 2015.

 

189. Prozesstag – Jugendfreund von Uwe Mundlos als Zeuge

Update: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist erkrankt, der Sitzungstag fällt aus.

Er spielte mit Uwe Mundlos Basketball, gemeinsam gingen sie auf Radtouren: Aleksander H. war in seiner Jugendzeit ein guter Freund von Uwe Mundlos. Dieser entwickelte sich später zum mutmaßlichen rechten Gewalttäter. H. hielt mit ihm Kontakt, bis Mundlos 1998 mit Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt die Flucht ergriff und in den Untergrund ging. Am Dienstag sagt der Zeuge, der nach eigenen Angaben nichts mit der rechten Szene zu tun hatte, im Münchner Prozess aus.

Ebenfalls in den Zeugenstand treten Katrin D. und Markus F. Sie sollen Angaben über den Mitangeklagten Ralf Wohlleben machen. Diesem wird vorgeworfen, er habe die Mordpistole Ceska 83 organisiert und sie dem NSU-Trio überbringen lassen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Das NSU-Trio: Helden in der rechten Szene – Das Medienlog vom Freitag, 27. Februar 2015

Zwei Zeugen und fünf Anträge standen auf der Agenda des 188. Verhandlungstags. Die erste Zeugin war eine Freundin des Mitangeklagten Carsten S. und zeichnete ein Bild der rechten Szene Ende der neunziger Jahre, nach der Flucht von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. „Sie wurden hochgelobt“, als Helden und Märtyrer verehrt, sagte Christina H. Ihr Freund S. habe sich wegen der ihm vorgeworfenen Tat, einem Waffentransport, Vorwürfe gemacht. „Seine Reue wirkt glaubhaft; der Prozess und das Leiden der Opfer scheinen ihm nahe zu gehen“, beobachtet Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung.

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Ankläger wollen Verfassungsschutz nicht durchleuchten

Hat ein hessischer Verfassungsschützer vom Kasseler NSU-Mord gewusst und wurde er von der Behörde gedeckt? Anwälte fordern eine Untersuchung. Doch die Bundesanwaltschaft sträubt sich.

Die Sensation war so perfekt, dass sie nur noch Makel bekommen konnte: In Hessen hatte ein Schweigekartell aus Politik und Ämtern Informationen über einen rassistischen Mord zurückgehalten. Der damalige Innenminister und heutige Ministerpräsident Volker Bouffier steckte in dem Sumpf mit drin, genauso wie das ihm unterstellte Landesamt für Verfassungsschutz. Und natürlich dessen Mitarbeiter Andreas T., der von Plänen wusste, den Deutschtürken Halit Yozgat am 6. April 2006 in seinem Kasseler Internetcafé zu erschießen.

So lautet die Version, die die Anwälte der Hinterbliebenen von Yozgat aus mehreren Telefonmitschnitten der Polizei destillierten. Demnach war T. nicht nur zufällig anwesend, als der 21-Jährige mutmaßlich von den NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Internetcafé niedergeschossen wurde. Noch unglaubwürdiger als schon zuvor wirkte T.s Beteuern, er habe die Schüsse nicht gehört und den blutenden Yozgat nicht hinter seinem Tresen liegen sehen. Die hessische Politik habe dann schließlich dafür gesorgt, dass T.s Wissen bei den Ermittlungen der Mordkommission nicht aufflog.

Anwälte organisieren mediales Vorspiel

Deshalb fordern die Opferanwälte Doris Dierbach, Thomas Bliwier, Alexander Kienzle und Bilsat Top nun, Ministerpräsident Bouffier in den Münchner NSU-Prozess zu laden; außerdem den früheren bayerischen Innenminister Günther Beckstein, der Bouffier damals zu mehr Offenheit gegenüber den Ermittlern riet. Am Donnerstag, gegen Ende des letzten Verhandlungstags dieser Woche, trugen die Juristen insgesamt fünf Anträge vor. Sie enthalten auch die Forderung, die bislang unter Verschluss gehaltenen Mitschnitte abzuspielen – darauf findet sich etwa der mysteriöse Ratschlag eines Geheimdschutzbeauftragten der Behörde an T.: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren.“

Bevor die Anträge offiziell an das Gericht gestellt wurden, hatten die Anwälte ein mediales Vorspiel organisiert: Nach einem Zeitungsbericht schien es wie eine unumstößliche Tatsache, dass der Verfassungsschutz in den neunten Mord der NSU-Serie eingeweiht war – und Bouffiers Ladung vor Gericht praktisch ausgemacht.

Doch dass es dazu kommt, scheint nun eher unwahrscheinlich. Denn alle Beteiligten am Prozess haben das Recht, Stellungnahmen zu einem Antrag abzugeben. Dazu gehören auch die Mitarbeiter des Generalbundesanwalts, die die Anklage vertreten.

Die Staatsanwaltschaft tobt

Und deren Reaktion auf das Ansinnen der Anwälte war ungewöhnlich drastisch: Die Karlsruher Beamten ließen kein gutes Haar an den Schriftstücken. „Die Beweise werden zusammengesucht und im gewünschten Licht bewertet – nicht, ohne die Medien vorher ausführlichst zu informieren“, schimpfte Bundesanwalt Herbert Diemer. Die Opfervertreter hätten sich somit nur das zusammengesucht, was in ein verschwörerisches Bild des Mordes passte.

Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten trug im Anschluss eine ausführliche Begründung vor. Demnach seien die Beweismittel, also die Aufzeichnungen der Telefonate, „völlig ungeeignet“, zur Aufklärung des Mordes etwas beizutragen. Sie enthielten außerdem ganz andere Informationen. So bittet der Geheimschutzbeauftragte T. in einem Gespräch darum, bei der Polizei die Wahrheit zu sagen. Dieser stimmt auch zu. In der Tat ist im größten Teil der Protokolle keine Rede von Vertuschung. „Wertungsgetränkt“ sei die Interpretation des Gesprächs, sagt Weingarten. Es belege „das genaue Gegenteil der behaupteten Beweistatsache“.

Die Chancen auf einen Auftritt Bouffiers vor Gericht stehen damit schlecht, und auch die Tonbänder werden wohl weiter im Geheimen lagern. In der Vergangenheit ist der Strafsenat unter Leitung von Richter Manfred Götzl meist den Forderungen der Bundesanwaltschaft gefolgt – auch in einem Fall, als Nebenkläger beantragt hatten, fehlende Ermittlungsakten über Verfassungsschützer T. nach München zu schaffen.

Einen gewichtigen Anteil daran, die Durchleuchtung von T.s Verstrickungen zu verlangsamen, hatte somit die Bundesanwaltschaft selbst.

Zeugin nennt Ralf Wohlleben „Leitperson“

Vor dem Disput hatten am Donnerstag noch zwei Zeugen ausgesagt. Christina H. ist eine Freundin des Mitangeklagten Carsten S.. S. soll dem NSU-Trio die Pistole überbracht haben, mit der neun Menschen erschossen wurden. H. war kurz nach der Jahrtausendwende gemeinsam mit S. aus der Szene ausgestiegen, sie selbst war nach eigenen Angaben bereits mit zwölf Jahren hineingeraten. Nach ihrem Eindruck waren der ebenfalls Angeklagte Ralf Wohlleben und der Zeuge André K. die „Leitpersonen“ der Szene, sie hätten S. zu Treffen geschickt und das Geschehen bestimmt. Zudem habe sie Gespräche über das untergetauchte NSU-Trio mitbekommen – diese galten unter Gesinnungsgenossen demnach als „Märtyrer“.

Zweiter Zeuge war Achim F., der Bruder von Gunter F., der am Vortag ausgesagt hatte. Er bestätigte, dass die beiden Geschwister 1998 durch Kontakte eine Wohnung für die gerade untergetauchten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt beschafft hatten. Zudem überließ Gunter F. Uwe Böhnhardt seinen Personalausweis. Auch besaß das Trio einen Zettel mit detaillierten persönlichen Daten über Gunter F. Wie die mutmaßlichen Terroristen an das Dokument gelangt waren, konnte sich Achim F. – wie sein Bruder – nicht erklären.