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Lieder voller Hass und Hetze

„Türken raus!“: Im NSU-Prozess befassen sich die Richter mit rechtsextremer Musik vom Computer des Angeklagten Ralf Wohlleben. Der hatte sich zuvor als friedlich und seriös beschrieben.

Der Kontrast könnte nicht größer sein. An der Stirnseite des Münchner Gerichtssaals sitzen die sechs Richter des NSU-Prozesses, unbewegt, mit ernster Miene. Zur gleichen Zeit plärrt aus den Lautsprechern ein Gemisch aus E-Gitarren-Akkorden und dem kaum zu verstehenden Geschrei eines Sängers. Nur Wortfetzen dringen durch: „Türken raus! Raus! Raus! Raus! Türkenpack, raus aus unserm Land!“

„Es ist ein Gekreische“, kommentiert die genauso starr dasitzende Zeugin, eine Kommissarin des Bundeskriminalamts. Sie ist eigens angereist, um dem Gericht das Lied Türken raus der Band Böhse Onkelz vorzuspielen. Seinen Platz im Terrorismusprozess hat das Lied, weil es auf einem Computer des Mitangeklagten Ralf Wohlleben gefunden wurde. Wohlleben ist angeklagt, weil er dem NSU-Trio die Pistole Ceska 83 organisiert haben soll, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Menschen erschossen.

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Aufklärung in letzter Minute?

Noch ein Tag, dann ist ein großer deutscher Geheimdienstskandal verjährt: Die Vernichtung von NSU-Akten beim Verfassungsschutz. Anwälte versuchen, die Frist zu stoppen.

Das Timing war höchst auffällig: Am 11. November 2011 befahl ein Abteilungsleiter des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln einer Mitarbeiterin, die Akten mehrerer Informanten aus der rechten Szene durch den Schredder zu jagen. Eine Woche zuvor, am 4. November, war die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) aufgeflogen. Und unter den vernichteten Dokumenten war die Akte eines V-Mannes, in der es auch um das NSU-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ging.

Wie heute bekannt ist, hätte der NSU mit Hilfe dieser Informationen womöglich aufgehalten werden können. So behauptet es jedenfalls jener frühere Spitzel, der den Decknamen „Tarif“ trug. Demnach wäre die später „Aktion Konfetti“ getaufte Aktenvernichtung der Versuch des Verfassungsschutzes gewesen, sein eigenes Versagen zu kaschieren. Weiter„Aufklärung in letzter Minute?“

 

Gutachter über Zschäpe: „selbstbewusst, kräftig und burschikos“

Der psychiatrische Gutachter im NSU-Prozess hat eine Einschätzung über Beate Zschäpe vorgelegt. Er hält die Angeklagte für wenig glaubwürdig – und bringt die Sicherungsverwahrung ins Spiel.

Im NSU-Prozess könnte es bald sehr schnell Richtung Ende gehen. Der Psychiater Henning Saß hat dem Gericht ein vorläufiges Gutachten über die Hauptangeklagte Beate Zschäpe vorgelegt – eine solche Expertise markiert im Strafprozess in der Regel das Ende der Beweisaufnahme. Danach folgen Plädoyers und das Urteil.

Die vorläufige Version wird nicht im Prozess vorgetragen, aber den Beteiligten vorgelegt – Zschäpe eingeschlossen. Die Lektüre von 177 Seiten über sich selbst dürfte bei der Angeklagten eine bittere Erkenntnis reifen lassen: Sie hat im Laufe eines Jahres große Fehler gemacht.

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Rudolf Heß und der NSU-Prozess

Früher ging es im NSU-Prozess mal um die Aufklärung der NSU-Verbrechen. Jetzt wollen Verteidiger den Tod von Rudolf Heß untersuchen. Solche Absurditäten drohen das Verfahren zu beschädigen.

Im NSU-Prozess hat sich Olaf Klemke in den vergangenen drei Jahren den Respekt etlicher Anwaltskollegen erarbeitet. Unter den Nebenklägern lobt man, wie fachlich versiert und rhetorisch sicher der Verteidiger des als Waffenbeschaffer des NSU-Trios angeklagten Ralf Wohlleben auftritt.

„Das Agieren im Prozess hat Klemke von allen Verteidigern im NSU-Verfahren am besten drauf“, sagt etwa der Opferanwalt Alexander Hoffmann. Er sei mit Abstand am aktivsten.

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Keine Schnellschlüsse im Fall Peggy – Das Medienlog vom Mittwoch, 19. Oktober 2016

Bis geklärt ist, wie die DNA von Uwe Böhnhardt am Leichenfundort der 2001 verschwundenen Peggy Knobloch gelangt ist, wird es wohl noch dauern. „Ich denke, man muss den Ermittlern ein bisschen Zeit geben“, sagte ein Sprecher der Polizei Oberfranken der Nachrichtenagentur dpa. Erst, wenn Ergebnisse aus diesen Ermittlungen vorliegen, steht sicher fest, ob der NSU-Prozess durch den Spurenfund beeinflusst wird. Zuletzt schien eine Wechselwirkung mit dem Terrorprozess unwahrscheinlich.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 20. Oktober 2016.

 

Keine Hoffnung mehr im Zschäpe-Lager

Beate Zschäpes persönliche Aussage hat tief blicken lassen – doch nicht so, wie es die Angeklagte im NSU-Prozess geplant hatte. Ihre Äußerung zeigt: Zschäpe selbst rechnet mit einer langen Zeit hinter Gittern.

Als sich im NSU-Prozess am Donnerstag die Überraschung gelegt hatte, kamen die Fragen: Was wollte Beate Zschäpe erreichen mit ihrer völlig unerwarteten, zum ersten Mal selbst vorgetragenen Aussage? Die Hauptangeklagte meldete sich am Donnerstag mit einem keine zwei Minuten dauernden Statement zu Wort. In bemerkenswerter Knappheit distanzierte sich Zschäpe dabei vom Rechtsextremismus und den Morden der Terrorzelle.

Von einer persönlichen Entschuldigung an die Opfer war nicht die Rede, lediglich von Bedauern für ihr eigenes „Fehlverhalten“. Mit einer ehrlichen Handreichung an die Hinterbliebenen der zehn NSU-Mordopfer war das nicht zu verwechseln. Auch das Gericht dürfte sich davon nicht blenden lassen. Warum also übernahm Zschäpe für kurze Zeit die Aufgaben, die sie sonst ihren beiden neuen Verteidigern überlassen hatte? Wieso wagte sie sich aus der Deckung des Schweigens hervor, die sie drei Jahre lang gesucht hatte?

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Keine Zweifel an der Schuld

Im NSU-Prozess beginnt die Sommerpause. Wie lange sich das Verfahren noch zieht, ist unklar. Doch wie das Urteil aussehen könnte, ist für die Beschuldigten um Beate Zschäpe bereits deutlich absehbar.

Fast einen Monat lang ist Ruhe. Der NSU-Prozess ist in die Sommerpause gegangen nach einem turbulenten Jahr: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sagte aus, ebenso der als Mordhelfer beschuldigte Ralf Wohlleben. Während die Beweisaufnahme eigentlich kurz vor ihrem Ende steht, versuchen Nebenkläger mit etlichen Anträgen noch Detailfragen des Terrorkomplexes zu klären. Auch an Zschäpe haben sie viele Fragen.

Wann das Verfahren zum Ende kommt, ist darum noch lange nicht absehbar. Das mögliche Ergebnis deutet sich nach über drei Jahren Prozessdauer hingegen immer deutlicher an: Die Anklage hat der Prüfung vor Gericht weitgehend standgehalten. Schuldsprüche sind zu erwarten. Die Situation der einzelnen Angeklagten im Überblick:

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Kafkaeske Wahrheitssuche – Das Medienlog vom Montag, 25. Juli 2016

Die Junge Welt befasst sich in einem Beitrag mit dem Fall Andreas T. – jenem Verfassungsschutzmitarbeiter, der in einem Kasseler Internet-Café surfte, während Halit Yozgat am Nachmittag des 6. Juni 2006 hinter dem Tresen getötet wurde. Der Fall T. belege die kafkaeske „Wahrheitssuche“ in Sachen NSU, schreibt Autor Wolf Wetzel: „Deutungen von Vertretern der Staatsmacht über ‚Pannen‘ und die Selbstidiotisierung mancher Akteure können nicht alles rund um die jahrelange Mord- und Anschlagsserie erklären.“

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Jenaer Waffenbrüder waren V-Männer – Das Medienlog vom Freitag, 27. Mai 2016

Sie horteten und verkauften Waffen, kontrollierten die Unterwelt, sollen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt getroffen haben: Die Zwillinge Ron E. und Gil W. stehen im Verdacht, die rechte Szene mit Waffen ausgestattet zu haben – und möglicherweise auch das NSU-Trio. Ein Bericht des MDR deckt nun eine weitere Verflechtung auf: Die beiden waren Mitte der neunziger Jahre als Informanten für das Thüringer Landeskriminalamt tätig, einer von beiden bis 1997.

Nun seien einige Fragen offen zu den Informationen, die die Brüder lieferten: „Wurden sie in Polizeiakten dokumentiert und wenn ja, wo lagern diese Akten?“ Das Landeskriminalamt müsse auch klären, ob einer der beiden das Treffen mit Mundlos und Böhnhardt an seinen Quellenführer gemeldet hatte.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 30. Mai 2016.

 

Zschäpe-Verteidiger könnte Prozess platzen lassen – Das Medienlog vom Freitag, 29. April 2016

Aufsehen im NSU-Prozess: Beate Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert nahm an der Sitzung teil – was üblicherweise für interessante Entwicklungen im Verfahren sorgt. Diesmal war es ein Antrag des Anwalts: Er forderte, Zeit zu bekommen, um die digitalisierten Gerichtsakten mit den Originaldokumenten abzugleichen – wofür er rund zwei Jahre Zeit veranschlagte. Der Prozess solle zwischenzeitlich ausgesetzt werden. „Die Chancen, dass Hermann Borchert mit seinem Aussetzungsantrag beim Gericht durchkommt, tendieren gen null“, analysiert Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk.

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