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Ein neuer Anschlag und neue Hintermänner – Das Medienlog vom Donnerstag, 18. Dezember 2014

Der 172. Verhandlungstag war der letzte vor der Weihnachtspause – und brachte noch einmal spannende Neuigkeiten zum NSU-Komplex: Erst befasste sich das Gericht mit einem Anschlag, den Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1999 in Nürnberg verübt haben sollen. Im Anschluss schien durch, dass ein wichtiger Unterstützer der Terrorzelle geladen werden soll.

Der Bombenanschlag kam erst durch die Aussage des Mitangeklagten Carsten S. auf die Agenda des Gerichts.
„Dennoch gibt es auch im Fall Nürnberg wieder die fast schon typischen Merkwürdigkeiten bei den Ermittlungen zu Verbrechen der Terrorzelle“, kommentiert Frank Jansen im Tagesspiegel – so wurde ein fremdenfeindliches Motiv von Beginn an ausgeschlossen.

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Noch ein weiterer NSU-Anschlag?

Schon vor dem ersten Mord verübte der NSU möglicherweise einen Bombenanschlag in Nürnberg. Ein ausländerfeindliches Motiv schlossen die Ermittler aus.

Der Knall hat ein Loch in die Decke gesprengt. Auf dem Boden der Herrentoilette liegen Kunststoffteile, auch den Handtuchhalter hat es zerrissen. In der Luft liegt der strenge Geruch gezündeter Chinaböller.

In einer Nürnberger Kneipe namens Sonnenschein übernimmt der Polizist Peter O. am 23. Juni 1999 einen Fall, den er nicht aufklären wird: Es geht um eine Bombe, die im Tubus einer Taschenlampe versteckt war und den 18-jährigen Putzmann Serkan Y. verletzt hat. Nach einigen Monaten wird die Akte geschlossen.

Mehr als ein Jahrzehnt später gibt es ein deutliches Indiz auf die Urheber des Sprengsatzes: Die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt könnten ihn damals im Sonnenschein abgelegt haben. Stimmt das, wäre der Nürnberger Fall der erste terroristische Anschlag des NSU und nicht mehr der Mord an dem Blumenverkäufer Enver Simsek vom September 2000. Polizist O., damals tätig als Ermittler des bayerischen Landeskriminalamts, sagt darum am letzten Tag vor der Weihnachtspause als Zeuge im Münchner Prozess aus.

Den Hinweis auf die möglichen Täter hatte der Mitangeklagte Carsten S. in seiner Aussage zu Prozessbeginn geliefert. S. gestand, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei einem Treffen um die Jahrtausendwende die Pistole übergeben zu haben, mit der die beiden mutmaßlich neun Menschen erschossen. Unter Tränen erzählte er, bei der Verabredung in Chemnitz hätten die beiden Uwes ihm erzählt, sie hätten in Nürnberg „eine Taschenlampe hingestellt“. Er habe sich erst keinen Reim darauf machen können – später sei ihm der Gedanke gekommen, Mundlos und Böhnhardt könnten Sprengstoff in die Lampe eingebaut haben.

Serkan Y., das Opfer des bis heute nicht aufgeklärten Anschlags, putzte damals gelegentlich im Sonnenschein, manchmal schenkte er auch Getränke aus. Am Nachmittag des 23. Juni fand er im Vorraum der Herrentoilette eine Taschenlampe hinter dem Abfalleimer. Er konnte sich nicht erklären, wie sie dorthin gekommen war und schaltete sie ein. Kurz hörte er ein Surren, als ein Glühdraht das Schwarzpulver entzündet, das in ein Rohr im Inneren gefüllt ist. Y. sah einen blauen Blitz, dann schleuderte ihn die Wucht der Explosion an die Wand.

Seine Mutter fuhr den Verletzten ins Krankenhaus, er hatte blutende Schnittwunden im Gesicht, am Oberkörper und den Armen. Möglicherweise lebensrettend war für ihn, dass nicht das gesamte Schwarzpulver zündete. Andernfalls wäre die Sprengkraft wesentlich höher gewesen: „Das Rohr wäre zerlegt worden, was schwerwiegende Verletzungen bis zur Todesfolge hätte verursachen können“, mutmaßt Polizist O.

Nun, da der Fall im Gerichtssaal geschildert wird, werden auch die Parallelen zu einer anderen NSU-Tat offensichtlich: dem Anschlag in der Kölner Probsteigasse von 2001. Opfer wurde damals die Tochter eines iranischen Geschäftsinhabers. Auch damals war die Bombe getarnt, nämlich in einer Stollendose versteckt. Das Funktionsprinzip war analog: Ein Glühdraht zündete Schwarzpulver, dessen Explosion dem Opfer schwerste Brandverletzungen zufügte.

Auch die Ermittlungen in Nürnberg verliefen so, wie es praktisch immer im Anschluss an die rassistischen Taten der Fall war: Ein ausländerfeindliches Motiv schloss der Staatsschutz aus. Tatsächlich schrieben die Polizisten vor Ort bereits in ihrer ersten Meldung an das Landeskriminalamt, ein politischer Hintergrund der Tat sei ausgeschlossen. Stattdessen hörten sich die Ermittler sehr genau an, was etwa Y.s Arbeitgeber vermutete: Dass das Opfer eine Mitschuld trage, weil er in irgendetwas verwickelt sei oder die Bombe gar selbst gebaut habe. Nachteilig war für Y., dass er der Polizei wegen kleinerer Drogendelikte auffällig geworden war.

„Auf den vagen Hinweis hin wurde das Opfer selbst verdächtigt“, kritisiert der Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler. Alle anderen Hinweise hätten die Ermittler ignoriert – etwa, dass die Zeugen überhaupt keine möglichen Feinde von Y. oder dem Pächter der Gaststätte benannten.

Die Opferanwälte sehen im Taschenlampen-Komplex zudem einen weiteren Beweis für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten S. Ohne seine Angaben wäre der Fall wohl nie dem NSU zugeordnet worden, gibt Daimagüler zu bedenken. „Das macht mich unruhig, weil es vor Eröffnung des Prozesses hieß, die Sache sei ausermittelt.“

Bisher ist das Sprengstoffdelikt nicht Teil der Anklage. Die Bundesanwaltschaft prüft noch immer, ob die Liste der Vorwürfe gegen Zschäpe wegen Mittäterschaft erweitert werden soll.

Dennoch ist völlig unklar, wie verfänglich der Fall für die Hauptangeklagte ist. Denn Carsten S. hatte in seiner Aussage noch mehr vom geheimen Treffen erzählt, bei dem er von der Taschenlampe erfuhr: Kurz darauf sei Zschäpe mit an den Tisch gekommen. Die Uwes hätten daraufhin etwas wie „Psst, die darf das nicht hören“ gesagt. Wenn die beiden Männer die Bombe platziert hatten – hielten sie Zschäpe daraufhin aus der Sache heraus? Oder sollte die lediglich nicht merken, dass die Uwes über eine Tat des Trios plauderten?

 

Rechtsextremer spielt seine Rolle herunter – Das Medienlog vom Mittwoch, 17. Dezember 2014

Das Wort des Tages in der 171. Sitzung lautete „Patriotismus“. Mit diesem Begriff verbrämte der rechtsextreme Zeuge Michael P. die Arbeit des militanten Netzwerks Blood & Honour. Wie in seiner ersten Vernehmung von Anfang Dezember verharmloste er die Ziele der radikalen Organisation. Das Wort „scheinen die Rechten inzwischen offenbar nicht nur bei den Pegida-Demonstrationen als Deckmäntelchen für ihre wahren Absichten entdeckt zu haben“, kommentiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

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172. Prozesstag – Der Taschenlampenanschlag von Nürnberg

Es ist ein weiteres rätselhaftes Puzzlestück im NSU-Komplex: Verübten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1999 einen Anschlag auf eine Kneipe? Darauf hatte der Mitangeklagte Carsten S. zu Beginn des Prozesses einen Hinweis gegeben. Prozesbeteiligte bringen die Aussage in Zusammenhang mit einer Tat, bei der ein Putzmann im Juni 1999 unwissentlich eine als Taschenlampe getarnte Rohrbombe auf der Toilette einer Gaststätte gezündet hatte. Am Mittwoch sagt dazu ein Polizist des Münchner Polizeipräsidiums aus, der den Vorfall damals untersucht hatte.

S. hatte ausgesagt, dass Mundlos und Böhnhardt ihm zugeraunt hätten, sie hätten in Nürnberg „eine Taschenlampe hingestellt“. Er habe sich darauf keinen Reim machen können. Das Opfer wurde bei der Tat schwer verletzt. Die Tat gilt bis heute als unaufgeklärt, auch durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde sie vor S.‘ Aussage nicht in Zusammenhang mit dem NSU gebracht.

Bei der Sitzung handelt es sich um den letzten Gerichtstermin vor der Weihnachtspause. Der Prozess wird am 12. Januar 2015 fortgesetzt.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Verliert sich der Prozess in Details? – Das Medienlog vom Dienstag, 16. Dezember 2014

Bis zur Weihnachtspause Ende dieser Woche wird das Münchner Oberlandesgericht 173 Prozesstage im NSU-Verfahren verhandelt haben. Wie ist der Prozess bis hierher verlaufen? Vor allem die durch neue Zeugen aufgeworfenen Fragen bestimmen das Geschehen, resümiert SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt beim Deutschlandradio: „Ufert das Verfahren durch Anträge der Nebenklage ins Endlose aus? Wird das Gericht dem Verfahrensstoff Herr oder verzettelt es sich?“ Der Zwist von Beate Zschäpe mit ihren Anwälten habe sich indes gelegt. Daher gelte nach wie vor, dass eine Aussage der Hauptangeklagten „utopisch“ sei.

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171. Prozesstag – V-Mann-Unterstützer erneut im Zeugenstand

Zum zweiten Mal sagt am Dienstag der mutmaßliche Blood-&-Honour-Aktivist Michael P. aus. Er hatte im Jahr 1999 dem V-Mann Carsten Ri. alias Piatto geholfen, aus dem Gefängnis freizukommen, indem er ihm eine Stelle in seinem Szenegeschäft gab. Ri. hatte dem Verfassungsschutz Hinweise auf Waffenlieferungen der militanten Organisation Blood & Honour an den NSU gegeben. In seiner Vernehmung äußerte sich Piatto zwar zu dem Netzwerk, gab sich ansonsten aber vage und bedeckt.

Außerdem geladen ist ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs, der den Mitangeklagten Carsten S. nach dessen Festnahme im Februar 2012 vernommen hatte. S. hatte im Prozess Hinweise auf einen weiteren Anschlag geliefert, an die er sich bei der Befragung vor dem Haftrichter offenbar noch nicht erinnern konnte.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Zschäpe bekommt eine Zellengenossin – Das Medienlog vom Montag, 15. Dezember 2014

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, muss nicht länger in einer Einzelzelle sitzen: Sie darf zusammen mit einer anderen Gefangenen einen Haftraum bewohnen, entschied das Münchner Oberlandesgericht nach Informationen des Focus bereits Anfang November. Zschäpe, die im Gefängnis Stadelheim in Untersuchungshaft sitzt, hatte demnach Ende Oktober beantragt, ihre Zelle teilen zu dürfen. Als Grund hatte sie angeführt, dass die Einzelunterbringung für sie zu einer „zunehmenden Belastung“ werde.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 16. Dezember 2014.

 

Plante Zschäpe die NSU-Anschläge mit? – Das Medienlog vom Freitag, 12. Dezember 2014

Zehn Fotos nahm das Gericht am Donnerstag in Augenschein. Die Fotos zeigen offenbar, wie der NSU mögliche Anschlagsziele in Stuttgart und im fränkischen Hof ausspionierte. Nebenklageanwalt Reinhard Schön sah durch die Fotos belegt, dass Beate Zschäpe an der Planung beteiligt war – dem widersprach deren Verteidiger Wolfgang Stahl. Wie wertvoll sind die Bilder? Sie seien „wohl eher ein weiterer Beleg dafür, dass es schwierig bleibt“, den Anklagevorwurf zu beweisen, vermutet Frank Jansen im Tagesspiegel. So sei der Vorwurf zwar nicht auszuschließen. „Doch eine lückenlose Beweiskette ergibt sich nicht.“

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Unterwegs auf Opfersuche

Fotos zeigen, wie der NSU mögliche Opfer ausspähte. Doch rätselhaft bleibt: Wie entschieden die Terroristen, wen sie wirklich töten wollten?

Auf den ersten Blick wirkt es fast wie ein Urlaubsfoto: Ein Mann in Dreiviertelhose und mit Sonnenbrille, die Hand lässig auf den Sattel des Mountainbikes gelehnt, im Hintergrund ein Café. Doch die Bilder, die am Donnerstag im NSU-Prozess gezeigt werden, sind keine Ferienerinnerungen – sondern Beweisstücke aus dem Fundus mutmaßlicher Terroristen.

Ermittler bargen eine CD aus dem Schutt des Hauses in Zwickau, das Beate Zschäpe am 4. November 2011 in Brand gesteckt haben soll. Auf dem Datenträger mit der Aufschrift „Stuttgart“ und „PDS Hoff“ entdeckten sie zehn Fotos, darunter die sommerlichen Motive. Bald wurde ihnen klar: Die Dateien zeigen offenbar, wie der NSU mögliche Opfer ausspähte. Denn bei dem Mann auf dem Bild handelt es sich anscheinend um Uwe Böhnhardt, aufgenommen wurde es in der Nähe des Stuttgarter Nordbahnhofs.

Ausgewertet hat das Material der Ermittler Gerhard Z. aus Baden-Württemberg, der dafür zum Bundeskriminalamt abgeordnet worden war. „Ich hatte die Vermutung, dass es um ein Ausbaldowern des Objekts ging“, sagt Z. In der Straße lagen Objekte, wie sie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei jedem der neun Migrantenmorde und der zwei Terroranschläge der NSU-Serie wählten: ein türkisches Lebensmittelgeschäft, eine italienische Bar, ein Grillimbiss.

Sieben Bilder wurden in Stuttgart gemacht – möglicherweise von Mundlos. Er selbst ist nicht darauf zu sehen. Laut dem Zeitstempel in der Datei stammen sie vom 25. Juni 2003. Zu diesem Zeitpunkt waren der Mordserie bereits vier Menschen zum Opfer gefallen. Das letzte, die Polizistin Michèle Kiesewetter, starb im April 2007 in Heilbronn – rund 50 Kilometer von Stuttgart entfernt.

Auch nach langen Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des NSU ist kaum bekannt, wie das NSU-Trio seine Opfer aussuchte. Auffällig ist jedoch, dass die Tatorte immer sorgfältig gewählt waren: kleine Geschäfte oder Imbisse, die von außen nicht vollständig einsehbar waren und von denen aus es sich leicht flüchten ließ. Die Vermutung liegt nahe, dass die Täter sich auf Insiderwissen von Unterstützern vor Ort verlassen konnten. Bewiesen ist das jedoch nicht.

Unklar ist zudem: Wie fiel die Wahl auf die jeweiligen Opfer? Wer entschied, wieso ausgerechnet die Menschen sterben mussten, deren Namen heute als zehn NSU-Opfer auf Gedenkplaketten geschrieben stehen? Eine Antwort könnte Beate Zschäpe liefern – doch die schweigt weiterhin.

In der Zwickauer Brandruine stellten die Ermittler Material sicher, aus dem hervorgeht, wie viel Zeit die mutmaßlichen Mörder auf die Planung ihrer Anschläge verwendeten. Dazu gehört eine Adresssammlung mit mehr als 10.000 Einträgen, außerdem unzählige Stadtpläne mit Markierungen. So waren auf einer Karte von Stuttgart vier Polizeireviere eingezeichnet. Für die Stadt Nürnberg, wo drei Migranten ermordet wurden, existierte eine Liste, auf der in Maschinenschrift sechs Adressen von Asylbewerberheimen, Kneipen und Imbissen eingetragen waren. Darunter ein handschriftlicher Eintrag zum Imbiss in der Scharrerstraße – dort starb 2005 der Betreiber Ismail Yasar.

Die Fotos, die am Donnerstag an die Wand des Schwurgerichtssaals projiziert werden, zeigen jedenfalls, dass die Täter auch selbst Opfer recherchierten. Es scheint, als hätten sie sich eigens zu Spionagezwecken auf Reisen begeben. Einen Tag nach dem Aufenthalt in Stuttgart, am 26. Juni 2003, entstanden zwei weitere Fotos in der fränkischen Stadt Hof. Sie zeigen ein Kupferschild, das auf die Geschäftsstelle der örtlichen SPD hinweist. Darüber ist ein Straßenschild zu sehen. Planten die Rechtsextremen, auch hier zuzuschlagen?

Der NSU sammelte auch Adressen von Parteibüros. Als Zschäpe nach der mutmaßlichen Brandstiftung 2011 quer durch Deutschland flüchtete, verschickte sie 15 Exemplare des NSU-Bekennervideos auf DVD. Eins davon ging ebenfalls an eine Partei: die PDS-Geschäftsstelle in Halle. Mit den Bezeichnungen kam das Trio bisweilen durcheinander – so erklärt sich Ermittler Z. die Aufschrift „PDS Hoff“ auf der CD: Gemeint war vermutlich „SPD Hof“. Die Bilder waren ihnen offenbar so wichtig, dass sie eigens dafür einen Datenträger anlegten.

Die Motive in Hof wurden kurz nach 16 Uhr aufgenommen. Rund zwei Stunden später entstand das letzte der zehn Bilder auf der CD: Es zeigt Uwe Böhnhardt, wie er neben Beate Zschäpe auf einem blauen Sofa sitzt. Als es im Saal gezeigt wird, betrachtet es Zschäpe intensiv von der Anklagebank aus. Vermutlich entstand es in der Wohnung des Trios in Zwickau, das rund eine Dreiviertelstunde von Hof entfernt ist.

Für den Nebenklageanwalt Reinhard Schön ist mit den Fotos bewiesen, dass Zschäpe „an der Ausspähung von Anschlagsorten beteiligt war“, wie er nach der Aussage von Z. erklärt. Dieser Ansicht dürfte das Gericht jedoch nicht folgen: Auf den anderen Bildern ist sie nicht zu sehen. Klar ist nach diesem Verhandlungstag, dass die Beweisführung in diesem Prozess nur funktionieren kann, wenn sie ein stimmiges Gesamtbild ergibt.

 

Ein gelähmtes Verfahren – Das Medienlog vom Donnerstag, 11. Dezember 2014

Am 169. Prozesstag lagen die Nerven im NSU-Prozess blank. Streit entbrannte zwischen Nebenklägern auf der einen, Verteidigung und Anklage auf der anderen Seite um die Frage, wie ausführlich das Unterstützernetz des NSU ausgeleuchtet werden muss. Anlass war die Vernehmung des mutmaßlichen früheren Blood-&-Honour-Mitglieds Antje B. Bundesanwalt Herbert Diemer kritisierte, dass zu viele sachfremde Fragen gestellt würden. „Dass Staatsanwälte und Verteidiger am selben Strang ziehen, ist nicht selbstverständlich“, bemerkt Tanjev Schultz in der Süddeutschen. Partei ergriff schließlich Richter Manfred Götzl und ließ die Fragen zu: „Götzl ist offenbar nicht dazu bereit, die Themen des Prozesses so eng zu definieren wie die Ankläger.“

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