Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Wie Neonazis den Tag der Arbeit missbrauchen

 

Neonazis nutzen den 1. Mai für Demonstrationen mit ausländerfeindlicher Hetze. In Plauen marschierte der Dritte Weg, in Duisburg Die Rechte. Besonders beliebt: Parolen aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Von Hardy Krüger und Jennifer Marken

Rechtsextremismus: Anhänger des Dritten Wegs ziehen mit Fahnen und Fackel durch Plauen
Anhänger des Dritten Wegs ziehen mit Fahnen und Fackel durch Plauen. © Hardy Krüger

Beobachter der rechtsextremen Szene kennen die Kleinpartei Der Dritte Weg als Sammelbecken für Neonazis. Doch im sächsischen Plauen wollten deren Anhänger bei einer Demonstration zum 1. Mai ihr liebstes Selbstbild vermitteln: als warmherzige Kümmerer. Aktivisten hatten Stände aufgebaut, an denen sie gespendete Kleidung verschenkten. Doch von der gewünschten Zielgruppe – deutschen Bedürftigen – kamen weniger als erwartet.

Die braune Inszenierung ging trotzdem auf: 200 Teilnehmer waren für die Kundgebung angekündigt, tatsächlich wurden es um die 450. Es war der zahlenmäßig größte Neonaziaufmarsch zum Tag der Arbeit im Bundesgebiet.

Ideologie der Nationalsozialisten

Das Motto „Soziale Gerechtigkeit statt kriminelle Ausländer“ ließ keinen Zweifel an den Zielen des Dritten Wegs aufkommen. Klassische Rechtsextreme lassen sich vom radikalen und streng elitären Auftreten der Partei und ihrer pathetisch inszenierten Ästhetik anziehen – von der völkischen Tanzeinlage bis zum Slogan aus der NS-Zeit. „Arbeit adelt“, eine Wortgruppe, die am Mittwoch auf dutzenden Plakaten mit einem stilisierten Arbeiter gezeigt wurde, war beispielsweise die Parole des nationalsozialistischen Reichsarbeitsdienstes. Demonstranten in den ersten Reihen trugen gleichfarbige Shirts mit dem Schriftzug “Deutscher Sozialismus” – offenbar ein Ersatzwort für Nationalsozialismus.

Rechtsextremismus: Bedürftige bekommen gespendete Kleidung vom Dritten Weg - deutsche Herkunft vorausgesetzt
Bedürftige bekommen gespendete Kleidung vom Dritten Weg – deutsche Herkunft vorausgesetzt. © Hardy Krüger

Doch auch Flüchtlingsfeinden aus dem bürgerlichen Lager baut der Dritte Weg eine Brücke. Bereits bei einer Demonstration im September 2018 mit 800 Teilnehmern liefen die neonazistischen Parteikader zusammen mit Sympathisierenden von Gruppen, die ähnliche Ziele wie die rechtsgerichtete Initiative Pegida verfolgen. Der Marsch richtete sich gegen “kriminelle Ausländer” – wie jener am 1. Mai. Zu den zentralen Forderungen gehört die nach der Rückführung von Flüchtlingen. Andere Ansichten wurzeln tief in der Ideologie der Nationalsozialisten: Staatsangehörigkeit müsse an die biologische Abstammung gebunden sein, Arbeit soll es nur für Deutsche geben, Gewerkschaften sind ein Feindbild.

Schnittstelle zwischen West und Ost

Die Mittelstadt Plauen als Veranstaltungsort hat für den Dritten Weg eine besondere Anziehungskraft. Hier gibt es das einzige Büro der Partei, obwohl ihr Sitz formal in Rheinland-Pfalz liegt. Regelmäßig ist das Objekt Veranstaltungsort für rechtsextreme Schulungsveranstaltungen. Eine weitere Immobilie kam vor Kurzem dazu.

Zudem liegt Plauen in unmittelbarer Nähe zur Landesgrenze nach Bayern, dem Stammland der Partei. Hier entwickelte sich der Dritte Weg aus der 2014 verbotenen Kameradschaftsstruktur Freies Netz Süd. Da die Partei aber noch vor dem Verbot gegründet wurde, gilt sie formell nicht als Ersatzorganisation. Ein Verbot muss der Dritte Weg anders als normale Neonazi-Vereinigungen kaum fürchten: Der Status als Partei bietet Schutz. Und der Anlaufpunkt in Plauen, gelegen in Deutschlands Mitte, eine Schnittstelle zwischen den Neonazimilieus aus Ost und West.

Dadurch hat der Dritte Weg seinen Einfluss auf die regionalen Netzwerke erheblich verstärkt – auch zu Ungunsten des thüringischen Landesverbandes der konkurrierenden Neonazipartei Die Rechte. Führende und vor allem radikale Köpfe dieser Partei waren im vergangenen Jahr zum Dritten Weg gewechselt.

Die Rechte nur noch im Westen präsent

In den neuen Ländern hat sich Die Rechte stark zurückgezogen, eine bedeutende Basis hat die nur noch in Nordrhein-Westfalen. Im vergangenen Jahr gründete sie unter anderem in Duisburg einen eigenen Kreisverband. Prompt bestimmte die Partei die Ruhrgebietsstadt zum Veranstaltungsort ihres „Arbeiterkampftags“.

Rechtsextremismus: Anhänger der Partei die Rechte marschieren in Duisburg
Anhänger der Partei die Rechte marschieren in Duisburg. © Jennifer Marken

Dem Aufruf folgten allerdings kaum mehr als 150 Neonazis. Soziale Aspekte traten in den Hintergrund – stattdessen setzte die Partei auf unverhohlenen Judenhass. Vorab veröffentlichten Demonstranten ein rotes Plakat mit den Losungen „Deutsche heraus“ sowie „Antisemiten aus Tradition“ in sozialen Medien. Die großen Worte der Demonstration standen in krassem Kontrast zur überschaubaren Teilnehmerzahl. Weitaus größer war der Protest von Gegendemonstranten: Allein das Duisburger Bündnis RiseUp hatte knapp 1.000 Teilnehmer auf die Straße gebracht.

Antisemitische Kampfrede

Auch bei den Reden dominierten offen antisemitische und die Demokratie verächtlich machende Kampfansagen. Der Düsseldorfer Neonazi Manfred Breidbach sagte in einer Rede, das „deutsche Volk“ werde sich „aus dem Joch fremder Besatzer befreien“. Dem deutschen Arbeiter werde „das Gehalt vom Regime gestohlen“, sie blieben „von staatlicher Raffgier nicht verschont.“ Alle Zuhörer wüssten, „welcher alte Parasit gemeint sei“, der „ihr Land zerstöre“.

Ähnliche Töne schlug der Rechtsextreme Sven Skoda an. Das Volk sei nicht mehr bereit, den „Verfallserscheinungen“ tatenlos zuzuschauen, rief er. Die Republik gehöre „auf den Scheiterhaufen.“ Heute gäbe es „zu viele Fremde“, das sei ein „Treibstoff“. Die Gesinnung der Partei machte auch er unmissverständlich klar: „Wir sind keine Demokraten!“