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Eine handfeste Sirene

Brummende, kratzende, schabende Klänge von einem Ort ohne Schmerzen: Souverän nimmt die Sängerin Dillon ihren Platz zwischen Kunstlied und Electro-Chanson ein.

© BPitch Control/Rough Trade
© BPitch Control/Rough Trade

Wie ist das wohl, wenn man selbst nur noch eine Frage der Zeit ist? Wenn das Ende absehbar ist, der Tod vor der Tür steht? Wie ist das, die eigene Vergänglichkeit zu spüren? Was ist das für ein Gefühl? „I’m only a matter of time“, singt Dillon, und wenn man sie singen hört, dann kann man tatsächlich ein wenig besser verstehen, wie das sein könnte, wenn eines Tages der Tag kommen mag. Das liegt nicht so sehr an den Worten, die sie singt, nicht an den Regentropfen oder an den Bergen oder den steigenden Temperaturen, die im Text vorkommen. Sondern das liegt vor allem daran, wie sie singt.

Dillon, das ist Dominique Dillon de Byington, geboren 1988 in Brasilien, aufgewachsen in Köln, seit dem Abitur wohnhaft in Berlin und auch auf ihrem neuen Album The Unknown ausgestattet mit einer jener Stimmen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen kann und doch auch das Herz erwärmt, die einem mal an die Nieren und mal auf die Nerven geht. Klischees, die alle irgendwie stimmen, irgendwie aber auch nicht.

So wie Dillon eine Stimme besitzt, die einerseits Klischee ist, andererseits aber auch nicht: Das fragile Wesen mit der zerbrechlichen Stimme, die aber dann doch nichts Mädchenhaftes ausstrahlt. Die durch die Tonleitern irrlichternde Sirene, die aber nicht verführerisch, sondern eher handfest klingt.

Für The Unknown, ihr zweites Album, ist diese Stimme noch einmal mehr in den Mittelpunkt gerückt im Vergleich zu ihrem Debüt This Silence Kills. Als das 2011 erschien, hatte sie bereits einen kleinen Hype überlebt. Nach nur wenigen frühen Stücken, bei denen sich Dillon auf dem Klavier begleitete und die auf YouTube zu hören waren, kamen die ersten Vergleiche mit Björk, machte die Website des größten deutschen Nachrichtenmagazins hemmungslos begeistert Werbung für Dillon, und Tocotronic-Chef Dirk von Lowtzow nahm sie mit auf die Tournee seines Projektes Phantom/Ghost. Ihr Debüt erregte dann sogar im Ausland einige Aufmerksamkeit, denn die junge Frau, die sehr emotional über sperrigen Beats sang, passte damals gut in ein Zeit, in der Musikerinnen wie Zola Jesus, Lykke Li, Nina Kinert oder Lana Del Rey gefeiert wurden.

Dillon stand sich allerdings bisweilen selbst im Wege, ihr Talent zur Selbstvermarktung konnte kaum Schritt halten mit ihren musikalischen Fähigkeiten. Nun, nach einiger Aufmerksamkeit, aber auch einigen verpassten Chancen, folgt ein zweiter Anlauf. The Unknown ist wie schon der Erstling von Thies Mynther (Stella, Superpunk, Phantom/Ghost) und Tamer Fahri Özgönenc (MIT) produziert und setzt ganz auf die Faszination dieser Stimme, die scheinbar unbeteiligt klingt und einem doch so nahe geht.

Darunter liegt immer noch das Piano, das Dillon selbst spielt, und brummende, kratzende, schabende Klänge wie aus einer anderen Welt. Souverän nimmt Dillon ihren Platz zwischen Kunstlied und Electro-Chanson ein. Ihre Stimme setzt sich in die großen Abstände zwischen den Tönen, nistet sich ein, wo die Musik Platz lässt, aber klingt dann doch so, als wäre sie lieber ganz woanders. Nämlich an einem Ort, an dem es keine Schmerzen mehr gibt.

„The Unknown“ von Dillon ist erschienen auf BPitch Control/Rough Trade.

 

Ist er ein echtes Juwel?

Ryan Keen könnte ein wohlkalkuliertes Popprodukt sein, das sich in die Riege der dünnhäutigen Folksänger einreiht. Vielleicht ist er aber doch ein Meister des Understatements.

© Embassy of Music
© Embassy of Music

Understatement hat es gerade ziemlich schwer. Multitasking möglichst vieler Endgeräte dominiert unsere Mediennutzung. Dass die Kakofonie der Reizüberflutung immer wieder von stillen jungen Männern mit Gitarre durchdrungen wird Weiter„Ist er ein echtes Juwel?“

 

Wer ist Anna Aaron? Und wenn ja, wie viele?

Die Schweizerin klingt mal wie PJ Harveys Schwester, mal wie Kate Bushs Tochter oder die Wiedergeburt von Dusty Springfield. Doch wo auf ihrem auratischen Album „Neuro“ zeigt sie sich selbst?

© Germinal Roaux
© Germinal Roaux

Wer ist Anna Aaron? Die einfache Antwort wäre: eine Musikerin, die eigentlich Cécile Meyer heißt, 29 Jahre alt ist, aus der Schweiz stammt und heute ihr zweites Album Neuro herausbringt. Weiter„Wer ist Anna Aaron? Und wenn ja, wie viele?“

 

Mit erhobenem Discofinger

Kylie Minogue kann sich als Bezwingerin des Kaugummipop behaupten. Mit ihrem neuen Album „Kiss Me Once“ bleibt alles beim Alten. Auf zum Dancefloor!

© William Baker
© William Baker

Kylie Minogue veröffentlicht ein neues Album. So sagt man zumindest, meint aber, dass sie ein Album veröffentlicht, das genauso klingt wie alle elf zuvor. Weiter„Mit erhobenem Discofinger“

 

Größe in den kleinen Tönen

In einer besseren Welt stünde diese Berliner Folkpopband an der Spitze der Charts, nicht Wolfgang Petry. Das Quartett Fenster beschallt uns mit märchenhaften Wattebauschhymnen.

© S. Urzendowsky/J. Alsleben
© S. Urzendowsky/J. Alsleben

Es war mal eine Band, die hatte alles. Eine Geschichte, die zur Legendenbildung taugte. Das Aussehen, mit dem man den großen Erfolg erreichen kann. Und nicht zuletzt Songs, die einen nicht mehr loslassen, wenn man sie einmal gehört hat. Weiter„Größe in den kleinen Tönen“

 

Verliebt oder bekifft?

Früher hat Joan As Police Woman dem Pop den Marsch geblasen, jetzt wird’s behaglich. Auf ihrem neuen Album zeigt sie sich so gut gelaunt, dass sie ein bisschen ihrer Widerständigkeit einbüßt.

© Shervin Lainez
© Shervin Lainez

Allzu großes Wohlbehagen ist bekanntlich oft der erste Schritt zur Selbstgenügsamkeit. Als echte Zufriedenheit vernebelt es vielen schließlich die Sinne mit eitel Sonnenschein bis Trallala. Weiter„Verliebt oder bekifft?“

 

Vom Falsettschelm umgarnt

Der Pop stand 2013 im Zeichen von Pharrell Williams, und dieses Jahr könnte es so bleiben. Sein Soloalbum „Girl“ ist ein ganz großer, bestens gelaunter Wurf.

© Sony Music
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Vermutlich sind sich alle einig darüber, dass Pharrell Williams Smartness und Spitzbübigkeit wie kein zweiter vereint. Genauso wie über die Tatsache, dass der dauergrinsende, ewig junge, in Wahrheit aber schon 40-jährige Williams Weiter„Vom Falsettschelm umgarnt“