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Die Vorfahren aus Afrika, die Tochter semmelblond

Warum haben Menschen Angst vor Migration? Wir alle sind Geflüchtete. Eine Speichelprobe hat mir die Geschichte meiner Familie erzählt. Sie wird bei allen ähnlich sein.

Zugvögel nahe Rahat, Israel © REUTERS/Nir Elias

Es geschah im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts in einem kleinen Dorf in Westafrika, unweit der Atlantikküste, wo die Geschichte zwar längst nicht begonnen hatte, aber wo sie einen nächsten entscheidenden Wendepunkt nahm: Eine meiner Ur-Ur-Ur-Ahninnen ergriff die Flucht. An sich keine spektakuläre Sache in den Annalen meines Klans, aber diesmal sollte sie nicht nur interkontinentale Ausmaße haben, sondern derartige Konsequenzen, die die jüngsten genuinen Linien meines Geblüts im (für historische Verhältnisse) „Affentempo“ verbogen. Weiter„Die Vorfahren aus Afrika, die Tochter semmelblond“

 

Nicht Atmo, sondern Aufstand

Revolutionär sind heute Nassrasierer oder Autos. Was einmal politische Brisanz hatte, wird zur Hohlformel. Dabei wäre echter Widerstand gegen die Verhältnisse so wichtig.

© Christof Stache/AFP/Getty Images

Es ist bereits ein paar wenige Wochen her, dass der CSU-Politiker Alexander Dobrindt „eine konservative Revolution der Bürger“ eingefordert und angekündigt hat, die endlich mit einer vermeintlichen „linken Revolution der Eliten“ (gemeint ist die Achtundsechziger-Bewegung, deren letzte Vertreter heute längst im Rentenalter sind) aufräumt. Aber schon ist sie wieder vergessen. Das ist seltsam, hält man sich vor Augen, dass eine Revolution ein radikaler, abrupter, oft auch gewaltsam herbeigeführter struktureller Systemwandel ist. Aber so sind Revolutionen heute offenbar: Sie verpuffen, kaum dass sie ausgerufen sind. Weiter„Nicht Atmo, sondern Aufstand“

 

Eine lupenreine Miniperestroika

Belarus lockert die Verstaatlichung und öffnet sich der globalen Wirtschaft. Die Liberalisierung gilt aber ausschließlich für die IT-Branche. Ist das schon Revolution?

© [M] Dan Kitwood/Getty Images
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Belarus, bis vor Kurzem noch der am stärksten isolierte Staat Osteuropas, hat sich mit einer radikalen Liberalisierung seiner Gesetzgebung für die globale IT-Wirtschaft geöffnet. Allerdings nur in diesem einen Bereich. Weiter„Eine lupenreine Miniperestroika“

 

Was sagt ein Syrer über Israel?

Den aktuellen Antisemitismus vor allem mit Flüchtlingen in Verbindung zu bringen, ist falsch und gefährlich. Eine Erwiderung auf einen Text von Alexandra Berlin

© Adam Berry / Getty Images

Angst ist keine gute Grundlage für Debatten. Auch ich habe Angst, Angst vor Katzen und davor, dass, wenn ich Neukölln die U-Bahn nehmen muss, der Aufzug schon wieder nicht funktioniert und ich einen Kinderwagen mitsamt zwei Kindern hinuntertragen muss. Weiter„Was sagt ein Syrer über Israel?“

 

Erinnern kann auch cool sein

Wir brauchen eine Erinnerungskultur an den Holocaust, die einen emotional erreicht und nicht zur Abwehr zwingt. Sie muss das Alte mit dem Gegenwärtigen verbinden.

Copyright: Alex Grimm/Getty Images

Vor ein paar Monaten postete ich auf Facebook ein Gesuch, in dem ich nichtjüdische Deutsche fragte, ob sie an einem Workshop zur Nachkommenschaft der Täter des Nationalsozialismus teilnehmen möchten und deshalb sie darum bat, die Akten ihrer Großeltern und Urgroßeltern zu beantragen. Ich erhielt Hunderte von Nachrichten. Nachrichten, in denen diese nichtjüdischen Deutschen erzählten, sie wüssten gar nicht, dass sie überhaupt Akten beantragen können, dass sie es schmerzlich bedauern, nichts über ihre Großeltern und deren politische Verbindungen zu wissen, dass sie diese diffuse Schuld leid seien, und dass sie aufarbeiten möchten, was bis dato niemand aufgearbeitet hat. Das Deutsche Bundesarchiv war so genervt von den vielen Anrufen, dass man mir ausrichten ließ, ich solle aufhören, diese Deutschen auf ihre Großeltern anzusetzen. Es wäre alles nicht so leicht, wie ich behaupte, die Akten zu bekommen, dauere sowieso bis zu einem Jahr und überhaupt, ist das denn nicht alles ewig her? Wozu das Ganze? Weiter„Erinnern kann auch cool sein“

 

„Wenn’s wehtut, denn schrei ick“

Frau Guse aus Berlin-Marzahn, 85, hat fünf Kinder und ist seit Jahrzehnten Witwe. Alle sechs Wochen erzählt sie mir ihr Leben, während ich sie pediküre.

© [M] Andrew Ruiz / unsplash.com 
Dieser Text ist Teil unserer Mini-Serie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Mit der Straßenbahnlinie 6 fahre ich vierzehn Stationen, nach Osten, an den Berliner Rand. Die Reise dauert einundzwanzig Minuten. Ich steige aus und registriere den Temperaturunterschied. Wie immer kommt mir das Wetter in Marzahn, einst die größte Plattenbausiedlung der DDR, intensiver vor als in der Innenstadt. Die Jahreszeiten riechen stärker. Weiter„„Wenn’s wehtut, denn schrei ick““

 

Der Sex kommt zu kurz

Seit Sebastian Kurz Kanzler ist, wird das neoliberale Geschnatter in Österreich lauter. Im Bett aber herrscht Flaute. Vielleicht erledigt sich das Problem so von selbst.

© Nik MacMillan / unsplash.com (https://unsplash.com/@nikarthur)

Es ist schon etwas länger her, dass in Europa eine neue Regierung angetreten wäre mit einem Programm, das in etwa meinte: „Alle Menschen sind gleich an Rechten und Würde, und deswegen sind sie auch so zu behandeln.“ Europäische Grundsätze halt, nicht einmal links, sondern nur christliche Soziallehre. Möglicher Zusatz: „Also schauen wir erst mal, dass die himmelschreiende ökonomische Ungerechtigkeit beseitigt wird, die für die allermeisten unserer Probleme verantwortlich ist.“ Weiter„Der Sex kommt zu kurz“

 

Hauptstadt zu verschenken

Der Konsum, der Bauboom, das Dröhnen im Himmel, und hinter der Tür scharrt der Krieg: ein Spaziergang durch Beirut, auf der Straße der Verschwörungstheoretiker.

© Sally Hayde / Reuters

Was würde Tania wohl zu Jerusalem sagen? Ist das auch Wasis Schuld? Noch vor einem Monat waren wir in Beirut auf dem Weg zum Café Younes und fragten uns: „Was ist eigentlich mit Wasi, unserem saudi-arabischen Freund?“ Wir liefen die Hamra Road entlang, die Straße der Verschwörungstheoretiker. Die Frage tauchte zum ersten Mal auf, als Tony uns von dem neuen Bauprojekt seiner Familie in Hazmieh erzählte, und ob sie vielleicht jetzt statt der vier Stockwerke doch zehn bauen sollten und wie sie das genehmigt bekommen. (Sein Vater hat fast sein ganzes Geld in diesen Neubau investiert und je höher sie bauen können, desto mehr Geld kommt dabei für ihn heraus.) Tania machte unter der Hand die Bemerkung, sie könnten doch Wasi fragen, schließlich sei der in der Baubranche tätig. Der könnte das bestimmt regeln. So wie man eben jetzt denkt, dass Saudi-Arabien alles mögliche „regelt“. Und Freunde haben sie auch überall, selbst in Israel, wie man so hört. Tania hatte mal wieder ihre zynisch-idealistische Phase. Weiter„Hauptstadt zu verschenken“

 

Und woher kommst du eigentlich?

… diese Frage meint: „Kannst ruhig Deutsche sein. Du siehst aber nicht so aus. Also bist du es nicht.“ Das Wort „eigentlich“ sollte das Unwort des Jahres sein.

Und woher kommst du eigentlich? | Freitext
Copyright: Peyman Naderi/Unsplash

Eigentlich ist es unscheinbar. Keine Neuprägung. Eigentlich ist es auch nicht nur das Unwort dieses, sondern mehrerer Jahre. Das Wort hat Tradition. Gern wird es in einer Frage eingesetzt. Sie ist die „Unfrage“ des Jahres.

Mein Unwort lautet „eigentlich“.

Die Unfrage: „Woher kommen Sie/kommst du eigentlich?“ Weiter„Und woher kommst du eigentlich?“

 

Es lebe die Unsicherheit

Jede Menge Glück? Mehr Geld? Oder wird es anstrengend? Es ist ungewiss, was das neue Jahr bringt. Vielleicht kann man schnell selbst etwas tun, um 2018 zu beeinflussen.

Allef Vinicius/Unsplash

„Zwischen den Jahren treffen wir uns.“ Genau genommen wäre das dann die Minute zwischen dem 31. Dezember um 24 Uhr und dem 1. Januar um 0.01 Uhr. Gemeint sind natürlich die Tage zwischen Weihnachten und Silvester. Genauer bis zum 6. Januar. Aber zwischen den Jahren heißt natürlich viel, viel mehr. Es ist die schwebende Zeit zwischen Ende und Neuanfang, zwischen Resignation und Hoffnung, alt und neu usw., usw. Weiter„Es lebe die Unsicherheit“