Warum fragst du, ob wir gern lesen? Warum wohnst du nicht hier? Wieso willst du wissen, ob ich mich fremd fühle? Eine Woche zu Besuch bei Grundschülern in Anklam
Ich bin in Anklam. Eine Woche lang werde ich mit Grundschulkindern arbeiten. Das Thema: Wann fühle ich mich fremd. Weiter„Das Leben der Kinder“
Mit Egoismus, Panik oder Wut reagieren viele auf die Unsicherheit der Gegenwart. Ist eine Utopie möglich, die dem Einzelnen wieder Halt und eine geistige Behausung gibt?
Mein Onkel erkrankte als Kind schwer an der Lunge. Er wurde von Opole in ein Krankenhaus in Głuchołasy gebracht, wo er über mehrere Monate in einem Bett lag und mit dem Tod rang. In den 1960ern herrschten in Polen die kommunistischen Kader, durch die Planwirtschaft war das Land stark verarmt, die Krankenhäuser waren schlecht ausgerüstet. Weiter„Humanismus darf keine Illusion sein“
Suizid ist eine erschreckend häufige Todesursache. Dennoch oder gerade deshalb wird das Thema tabuisiert und fetischisiert. Versuch einer Annäherung über zwei Filme
Als junger Mann zwischen 15 und 35 Jahren in Deutschland geht die größte Lebensgefahr für mich von mir selbst aus. In dieser sonst eher gesunden Bevölkerungsschicht ist jede sechste Todesursache der Suizid. Würde ich in Bayern leben, wäre es noch schlimmer. Würde ich in Sachsen-Anhalt leben, etwas weniger. Die Statistiken sind furchteinflößend. Jährlich nehmen sich in diesem Land etwa 10.000 Menschen das Leben, was die Gesamtanzahl der Toten durch Verkehrsunfälle, Drogenmissbrauch und HIV-Erkrankung deutlich überschreitet. Weiter„Eine scheinbar unüberwindbare Schlucht“
Auch wir Nachgeborenen unterscheiden noch zwischen „wir Ossis“ und „ihr Wessis“. Aber das ist nicht schlimm. Warum wir uns vom Einheitsgedanken verabschieden sollten.
Es ist wieder Herbst in Deutschland, und seit ich denken kann, bedeutet das, dass der Osten zum medial umsorgten Problemkind wird. Irgendwo zwischen der Veröffentlichung des Jahresberichts zum Stand der Deutschen Einheit im September und den Jubiläen von Einheitsvertrag und Mauerfall im Oktober und November, dieses Jahr zusätzlich befeuert durch die Wahlerfolge der AfD, fragt sich das Land rituell, wie es eigentlich den Ossis geht. Weiter„Wir brauchen die Einheit nicht“
Sie ist eine aufgeschlossene, kontaktfreudige Frau. Aber keiner ihrer Nachbarn spricht mehr als ein paar Worte mit ihr, niemand lädt sie ein. Weshalb nur?
Meine Freundin Susanna lebt in einem glücklichen Staat. Ich will jetzt keinen Namen nennen, aber in diesem Staat sind die Kühe zufrieden, die Schweine glücklich und die Eier einwandfrei. Weiter„Susanna bleibt einsam“
Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien will unbedingt leiden. Und zur Not sorgt sie eben selbst dafür, dass die eigene Demontage vorangetrieben wird.
Immer gut: Wenn man im Moment der höchsten Bedrängnis noch einen Trumpf ziehen kann, mit dem man sich nicht nur aus der Klemme rettet, sondern die Partie sogar gewinnt. Schlecht dagegen, wenn man den Trumpf nicht zieht und stattdessen mit voller Wucht gegen die Wand rennt. Weiter„Der katalanische Masochismus“
Seit einigen Monaten können EU-Bürger ohne Visum nach Minsk reisen. Sind Ausländer etwa doch nicht allesamt Staatsfeinde und Spione? Über den langsamen Wandel in Belarus
In meiner Erinnerung sehe ich meine Mutter 1980 zum ersten Mal weinen. Ich war damals drei. Die Olympischen Spiele in Moskau gingen eben zu Ende, im Fernsehen lief die Schlussfeier. Da tauchte im Stadion nach festlichen Fanfarenstößen plötzlich ein riesiger Bär auf, das Maskottchen dieser Sommerspiele, und ein zutiefst ergreifendes Abschiedslied erklang. Die Kamera zeigte Gesichter auf den Rängen in Großaufnahme. Als der Bär abhob und unter einem Bündel Luftballons in den Himmel schwebte, weinten viele. Weiter„Der liebe Mischa kehrt zurück“
Wenn es draußen ungemütlich wird, sind Herbst- und Winterdepression nicht weit. Dabei könnte alles so schön sein. Man muss nur lernen, sich richtig zu erinnern.
Tagsüber ist alles noch okay. Machmal scheint die Sonne. Und man könnte denken: Vielleicht klappt es ja diesmal. Es ist alles fake und der Winter fällt aus. (Dank Klimawandel und globaler Erwärmung.) Wir haben es schon mal im Sommer versucht, in den Ferien. Wir haben mit Jimmy gesprochen. Wir haben ihm erklärt: „Der Herbst ist eine durch und durch deutsche Jahreszeit. Das gibt es sonst nirgendwo.“ (Das müssen nur wir ertragen.) „Ihr in Südfrankreich habt es echt leicht.“ Aber Jimmy hat nur den Kopf geschüttelt. Müde und ein bisschen traurig. Es fällt leichter, Abschied vom Sommer zu nehmen, wenn man an Jimmy denkt. An seine Karriere und dass sie jetzt langsam zu Ende geht. Weiter„Der Winter ist doch eh nur Bluff“
Das Beharren auf Eigenheit muss nicht zwangsläufig den Willen nach Abspaltung nach sich ziehen. In Finnland kann man sehen, wie Europa funktionieren könnte.
Sisu. Das muss man mit scharfem zweitem „s“ aussprechen. Betont auf der ersten Silbe: sisu. Klingt für deutsche Ohren zwar nach „Susi“, ist aber das finnische Geheimnis. Als solches natürlich unübersetzbar. Annäherungen sagen, es heiße Durchhaltekraft, Zähigkeit, eine Art Mut im Ertragen – sozusagen Stapfen durch Kälte und Schnee, bei karger Kost. Darauf ist man hier stolz. Darauf gründet man hier, erzählen mir die Finnen, die mich seit drei Wochen umgeben – ich bin in Helsinki – und blicken heiter-ernst. Eine bedeutende Sache, schließlich, so ein Nationalgefühl. Weiter„Das finnische Geheimnis“
Wenn irgendwo „Zukunft“ oder „Fortschritt“ draufsteht, hecheln alle brav hinterher. Ob die Ideologie dahinter aggressiv oder frauenfeindlich ist, dafür sind wir blind.
Stell dir vor, du wachst eines Morgens auf und weißt: Heute ist der Tag, der dein Leben endlich verändern wird. Und falls du männlich sein solltest, stell dir vor, du seist eine Frau, die sich von Geburt an als Frau fühlen musste, die, auch wenn sie es wollte, kein Mann sein wollen konnte, eine Frau in ihren besten Jahren, eine reife Frau in einer fabrikneuen Welt, in der sie als Weib eine Zumutung ist. Du verachtest dich jeden Tag dafür, dass du nicht als Junge geboren wurdest oder dich wenigstens als Junge fühlen konntest. Du verachtest deine Mutter dafür, dass sie dich nicht rechtzeitig abgetrieben hat. Und deinen anonymen Samenspender hasst du dafür, dass er ein ignorantes Arschloch war, dass er kein Interesse an deiner Geburt gezeigt hat, er hätte dich wenigstens noch totschlagen können. Weiter„Auf den Ferrari hätte ich gern geschissen!“