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Einmal quer durchs Leben

Im Zug kann man über die große Liebe stolpern. Unsere Autorin traf stattdessen eine 92-jährige Dame. Das Protokoll einer nicht ganz alltäglichen Begegnung.

© Ales Krivec/Unsplash

Wenn ich es einrichten kann, unternehme ich die etwa 60-minütige Zugfahrt von Bamberg nach Nürnberg, um dort am Abend noch eine Ausstellungseröffnung oder ähnlich Dienstbezogenes „mitzunehmen“. Diesmal entschied ich mich aus Dekadenz und Eigenliebe für den ICE auf der kurzen Strecke, was im Wesentlichen bedeutet: 40 Minuten Fahrtzeit, 1. Klasse, Steckdose, Wifi, Knöpfe im Ohr, Beschallung, Beschleunigung. Easy. An diesem Abend bin ich zum Gespräch aufgelegt, habe die Kopfhörer vergessen. Alles kann passieren, ich bin seltsam hoch gestimmt, stelle mir vor, das sei so ein Abend, von dem man später den drei angenommenen oder gar adoptierten Kindern erzählt: An genau diesem Abend traf ich euren Vater! Tatsächlich traf ich dort, direkt an der Spitze des Zuges, auf diesen Plätzen in diesem kleinen Abteil, das direkt hinter der nebligen Scheibe des Schnellzugcockpits liegt: Inge Schmitt. Weiter„Einmal quer durchs Leben“

 

Geht’s noch beschissener?

Der FC Bayern suhlt sich in Selbstmitleid. Der Ungar ist schuld! Prima Ausrede auch für kommende Bundesliga-Miseren. Da kann man selbst als Fan die Krise bekommen.

FC Bayern München: Geht's noch beschissener?
© Oscar del Pozo/AFP/Getty Images

Logisch ist der Ungar schuld. Der Ungar, der schon gesamteuropäisch im Zwielicht der Zivilisation steht, weil das Land seinen Beitrag zur Integration von Kriegsflüchtlingen eher mit Vidal-mäßigen Grätschen leistet. Der Ungar hat das Spiel verpfiffen, sagte der Vorstandschef des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, und der Subtext seiner Aussage leuchtete wie ein Flutlichtscheinwerfer in der iberischen Nacht: Beim nächsten entscheidenden Spiel wollen wir gefälligst einen Referee aus Katar, da wissen wir nämlich, dass alles mit rechten Dingen zugeht und wir auch noch Geschenke kriegen. Weiter„Geht’s noch beschissener?“

 

Ungeschützt im Raum Deutschland

Soll mal einer sagen, in der Provinz würde man nichts erleben! Unsere Autorin trifft im Zug auf die Misere der Bundeswehr und den späten Swing einer deutschen Vita.

Bundeswehr: Ungeschützt im Raum Deutschland
Copyright: Darren Bockman/Unsplash.com

„Wenn der Osten an einem Samstag einmarschiert wäre, sie hätten die ganze Republik erobert, alle waren ja im Wochenende.“

Ich habe den kleinen untersetzten Mann nichts gefragt, aber er will erzählen, was kann ich da machen?

Ich bin wieder auf Lesereise, also ungeschützt im „Raum Deutschland“ unterwegs, jetzt liegt die Strecke Regensburg-Nürnberg vor mir, eine Stunde wird der Herr Zeit haben, mir sein Leben zu erzählen, und ich bin sicher, er wird es tun. Weiter„Ungeschützt im Raum Deutschland“

 

Und plötzlich steht da Eva

Die Sehnsucht nach dem Paradies ist groß. Aber wo soll man es in unserer vollends vermessenen Welt noch finden? Das Geheimnis: Manchmal liegt es näher, als man denkt.

[M] ZEIT ONLINE/Bengelsdorf/photocase (https://www.photocase.de/Bengelsdorf)
Bei Dante, nicht dem sympathischen brasilianischen Fußballspieler, sondern beim größten italienischen Dichter, liegt das irdische Paradies auf dem Gipfel des Läuterungsberges. Dieser besteht aus der Erdmasse, die beim Höllensturz Luzifers auf der anderen Seite des Kraters herausgedrückt wurde. Der Krater geht von der Erdoberfläche bis zum Erdmittelpunkt, wo Luzifer kopfüber feststeckt. Nachdem Dante auf seiner beschwerlichen Reise zunächst die Höllenkreise hinabgestiegen ist und anschließend den Läuterungsberg erklommen und das irdische Paradies erreicht hat, geht es weiter durch die neun himmlischen Sphären, immer näher zu Gott, der sich im Empyreum befindet, wo Dante die himmlische Rose erblickt, eine etwas unklare Erscheinung. Weiter„Und plötzlich steht da Eva“

 

Das Leid der anderen, ach Gottchen!

Auf etlichen Bühnen werden gerade Geschichten von Flüchtlingen erzählt. Man will der Fremdenfeindlichkeit etwas entgegensetzen. Aber ist das nicht selbst ein Übergriff?

© Marco Longari/AFP/Getty Images

Fremdschämen: Das ist, wenn man sich für Fremde schämt. Ich bleibe sitzen, und ich schüttle meinen Kopf, und ich blicke auf meine Schuhe, und vielleicht laufe ich auch rot an, um das letzte Klischee zu erfüllen, aber später denke ich, vielleicht hätte ich aufstehen müssen, etwas sagen. Mit anderen Worten: Später kommt der Fremdscham das „Fremd“ abhanden. Ich saß da nur so, rutschte unangenehm berührt auf meinem Stuhl hin und her, blickte ungeduldig auf die Uhr, wieder zur Bühne. Suchte nach Spuren von Entrüstung in ihrem Blick. Weiter„Das Leid der anderen, ach Gottchen!“

 

Der Sommer der Liebe kann losgehen

Batik statt Yoga. Dutschke statt Höcke. Hipster zu Hippie. Feiern wir den Summer of Love, als wäre er nicht 50 Jahre alt. Dann klappt es auch mit der Bundestagswahl.

© Anthony Delanoix/unsplash.com

Auch ein Sommer der Liebe wird mal 50. Dieses Jahr ist es soweit. Also lasst uns feiern, wir haben es nötig. Das Feiern, klar. Aber erst recht haben wir ihn nötig: den Sommer der Liebe. Nie war er so wertvoll wie heute. Weiter„Der Sommer der Liebe kann losgehen“

 

Der zuverlässigste unter den Hippies

Harry Rowohlt war ein Paganini der Abschweifung. Auf neuen Hörbüchern kann man ihm noch einmal lauschen. Erinnerungen an einen Schriftstellerfreund. Und viele Getränke.

© Rolf Vennenbernd/dpa

15 Jahre ist es nun auch schon wieder her, dass in der Edition Tiamat In Schlucken-zwei-Spechte erschien; Untertitel: Harry Rowohlt erzählt Ralf Sotscheck sein Leben von der Wiege bis zur Biege. Connaisseuren muss man weder sagen, dass der Titel eine Anspielung auf Harrys Lieblingsbuch In-Schwimmen-zwei-Vögel des unvergessenen irischen Romanciers Flann O’Brien, noch dass Ralf Sotscheck Irland-Korrespondent der taz ist und mit Harry befreundet war. Bei ihm daheim in Ballyvaughan an der irischen Westküste quatschte Harry im Juli 2001 sage und schreibe acht Tonbandkassetten voll, um die Grundlage für das im Jahr darauf erschienene obige Buch zu schaffen. Weiter„Der zuverlässigste unter den Hippies“

 

Das Theater des Krieges

Gegen die Langeweile hilft das Basteln mit der Laubsäge. Bier gibt es zwischen 21 und 22 Uhr. Es gilt die Zwei-Dosen-Regel. Zu Besuch im Bundeswehrcamp in Afghanistan.

© Michael Disqué

 

Der Fotograf Michael Disqué und der Schriftsteller Roman Ehrlich reisten im Sommer 2015 in das Nato-Feldlager Camp Marmal bei Masar-i-Scharif in Afghanistan. Sie verbrachten drei Wochen innerhalb der Grenzen des Camps, sprachen mit den dort stationierten Soldaten und besuchten die verschiedenen Einrichtungen, Dienststellen und Arbeitsbereiche. Weiter„Das Theater des Krieges“

 

Feindschaft als letzte Freiheit

Recht hat, wer Erfolg hat. Gut ist, was laut ist. Die Werte unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens werden gerade zerstört. Wir schauen seelenruhig zu.

Populismus: Feindschaft als letzte Freiheit
© Riccardo Botta//EyeEm

Seit geraumer Zeit befinden wir uns in einer Phase enormer Zuspitzungen. Überall und ständig verhärten sich die Fronten. Als wären wir in eine Beschleunigungsspirale geraten, wird der Ton beinahe täglich schärfer. Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Man will einander nicht mehr zuhören, geschweige denn aufeinander eingehen. Reizwörter reichen, um dem Gegner das Wort abzuschneiden, während Einigkeit herrscht unter Gleichgesinnten. Sie befeuern einander mit den technischen Hilfsmitteln sogenannter Schwarmintelligenz. Im Übrigen schafft man Fakten, der Rede vom postfaktischen Zeitalter zum Trotz. Weiter„Feindschaft als letzte Freiheit“

 

Du sollst nicht duckmäusern

Osteuropa war ein Imperium der Feigheit. Der Schriftsteller Michail Bulgakow hat das Aufbegehren dagegen gelehrt. Nun erlebt man in Belarus das Aufblühen des Mutes.

© Maxim Malinovsky/AFP/Getty Images

Meine erste Begegnung mit Michail Bulgakows Roman Der Meister und Margarita hatte ich Anfang der Neunziger, als mein Vater einen Samisdat-Matrizenabzug mit blassen Buchstaben und improvisiertem Wachstucheinband mit nach Hause brachte. Schon auf den ersten Seiten, auf denen zwei sowjetische Schriftsteller, die an Patriarchenteichen Aprikosenlimonade trinken, dem als Ausländer verkleideten Satan einreden wollen, er existiere in Wirklichkeit gar nicht, war mir klar, dass dieser Text mit großer Vorsicht zu genießen ist. Weiter„Du sollst nicht duckmäusern“