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Nach der Hölle kommt nichts mehr

Ja, die Pubertät in Österreich, was für eine Naturgewalt! Voller Todessehnsucht, Übermut und Sinnlosigkeit. Davor gab es leider nur eine Rettung.

© Photofusion / Getty Images

Als Heranwachsender suchte ich wie jeder andere Sicherheit und Orientierung, etwas, an dem man sich festhalten kann. Zumal diese Zeit meines Lebens gepflastert war mit Toten, fast wie bei Django: Der Bauer nördlich unseres Hauses erhängte sich, als ich sechs war. Der Sohn des Bauern westlich unseres Hauses erschoss sich wenig später. Die Mutter eines Freundes sprang in die Güllegrube und tauchte nicht mehr auf. Der Sohn eines Freundes meines Vaters, eines Gendarms, erschoss sich mit dessen Waffe. Es war ganz schön was los! Weiter„Nach der Hölle kommt nichts mehr“

 

Depression ist hier zu Hause

Die Frauenarztpraxis ist weiß und klinisch rein. Und sie riecht nach Scham und Verzweiflung. Es wird noch viele Bücher brauchen, damit Frauen ihre Körper anerkennen.

© Tim Kubach/plainpicture

Ich habe mir vorgenommen, mehr Bücher zu lesen. Um meine Motivation hochzuhalten, trage ich jedes gelesene Buch nummeriert in ein Notizheft ein. Der Einband des Notizheftes ist mit kleinen Eiffeltürmen gemustert. Bücher müssen bis zum Ende gelesen sein, sonst darf man sie nicht auflisten. Weiter„Depression ist hier zu Hause“

 

Achtung, Facebook ist jetzt sicher!

Na, wurden Ihnen auch mal wieder Daten geklaut? Wenn Sie diesen Ratschlägen gehorchen, ist Ihr Facebook-Profil geschützt. Endgültig, für immer, auf ewig. Kein Witz, echt.

© Unsplash.com/Thought Catalog

1. Entfreunden Sie alle Kontakte, denen Sie nicht hundertprozentig vertrauen. Also alle außer Ihrer Kindergartenfreundin Renate. Wenn Sie keine Kindergartenfreundin namens Renate haben, ist Ihnen ohnehin nicht mehr zu helfen.

2. Löschen Sie in der Rubrik „Meine Lieblingszitate“ den Eintrag: „Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung einnehmen sollen, die mir gesagt wird (Francis Picabia)“. Und wenn Sie schon dabei sind, dann gleich auch noch die Einträge: „Hören Sie bitte sofort auf, mich falsch zu zitieren (Francis Picabia)“ und „Wir setzen Ihnen dafür eine Frist von 14 Tagen (Francis Picabias Anwalt)“. Weiter„Achtung, Facebook ist jetzt sicher!“

 

Eine Meinung allein macht noch keinen klaren Kopf

Der Schriftsteller Uwe Tellkamp meint, viele Flüchtlinge kämen nur wegen der Sozialsysteme. Die meisten Deutschen sehen das anders. Woher ich das weiß? Ich bin das Volk.

© Sophia Kembowski/dpa

Der deutsche Schriftsteller Tellkamp aus Dresden behauptete kürzlich, einhundert minus fünf Prozent der Flüchtlinge kämen nicht deswegen zu uns, weil in ihren Heimatländern Krieg, Hunger und Zerstörung den Alltag bestimmten. Vielmehr wäre ihr Plan, in die deutschen Sozialsysteme einzuwandern. Ein Hammersatz. Zwar blöd, falsch, rassistisch und zynisch, aber superpraktisch, um die Leute, also uns, hinterm Ofen vorzulocken. Weiter„Eine Meinung allein macht noch keinen klaren Kopf“

 

„Mitten beim Sex is dit Bette einjekracht“

Unsere Autorin ist Schriftstellerin und arbeitet als Fußpflegerin in Marzahn. Hier trifft sie Menschen, deren Geschichten sonst selten gehört werden. So wie Frau Blumeier

© Sean Gallup/Getty Images

Dieser Text ist Teil unserer Mini-Serie „Fußpflege in Marzahn“. Alle Folgen finden Sie hier.

Die Vorurteile gegen die Plattenbausiedlung im Ostberliner Stadtbezirk Marzahn halten sich hartnäckig. Marzahn, heißt es, sei eine Betonwüste. In Wahrheit ist Marzahn quietschgrün, es gibt breite Straßen, genügend Parkplätze, intakte Gehwege und an Übergängen abgesenkte Bordsteinkanten, überall Rollpisten, und alles, was Räder hat, kommt bestens voran und ans Ziel.

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Eine fünf Zentimeter breite Leuchtaura

Aufgewachsen ist sie in einer Belgrader Arbeitersiedlung. Dann entstand der neue Turm, in dem sie nun lebt: Eagle Hills. Hier ist jede Frau schön und jedes Kind gesund.

Eagle Hills: Eine fünf Zentimeter breite Leuchtaura
(c) Julia Gaisbacher/Bildrecht Wien

1.

Preston-Fleck vom neunundzwanzigsten Stock liegt noch in ihrem frisch gemachten Bett. Seit dreieinhalb Jahren wohnt sie weit oben in den Eagle Hills. Sie ist in Belgrad aufgewachsen, in einer Arbeitersiedlung namens Labudovo brdo. Sie hatte ein heiteres Wesen, etwas Berufsglück und doppeltes Heiratsglück, zuerst mit Fleck, dann mit Preston. Sie konnte besser leben. Sie konnte hinauf, aber sie wusste nicht, wohin. Zufällig wuchs zur gleichen Zeit der neue Turm aus der niedergewalzten Armensiedlung vom Fluss hinauf und zum Himmel empor. Weiter„Eine fünf Zentimeter breite Leuchtaura“

 

ARSCH BOMBE im städtischen Amtshaus

Die neue österreichische Regierung ist im Amt und niemand muss sich fürchten – heißt es. Auf den Straßen Wiens kann man Beobachtungen machen, die anderes verheißen.

© Dominik Vanyi

Bei einem Spaziergang durch Wien kam mir ein Plakat unter, das ich zunächst für Wahlwerbung hielt (die neue Regierung war jedoch bereits im Amt, die Wahlkampfspuren beseitigt). Der Eindruck verdankte sich der rot-weiß-roten Fahne, die durch die linke obere Plakathälfte wallte, der Text dazu lautete: SÜD-TIROL DANKT ÖSTERREICH und darunter in kleinerer Schrift: „für die Möglichkeit, bald schon wieder den Pass unseres Vaterlandes zu bekommen!“ Weiter„ARSCH BOMBE im städtischen Amtshaus“

 

In der Reue liegt die Kraft

Im Minutentakt wird heute alles bilanziert. Aber was wir verlernt haben: unsere Fehler zu bedauern. Dabei ist diese Fähigkeit nicht nur der Ursprung aller Literatur.


Der russische Dichter Alexander Sergejewitsch Puschkin © Keystone / Getty Images

Neulich auf einem Fest unter Literaten, bei flackerndem Kerzenlicht, sprach man über große Themen, die früher ausgiebig behandelt, heute aber in der Literatur nahezu verschwunden sind. Zum Beispiel die Reue. Wo gibt es noch das seitenweise Klagen über die eigenen Verfehlungen, das Grübeln über die eigene Unzulänglichkeit, über Gut und Böse, und dann den Schrecken, dass es vielleicht zu spät ist für eine Wiedergutmachung? Weiter„In der Reue liegt die Kraft“

 

Bizeps oder Bücher

Ist ein echter Mann nur, wer Knöpfe annähen kann? Der Chef des Hanser-Verlags fährt Zug, gewinnt existenzielle Einsichten und lernt Henning Baum kennen. Beinahe.

KnoRke84/photocase.de

Im Zug nach Westen, seit einer Ewigkeit, womöglich seit mehreren. Würde die Zeit Bahn fahren, sie führe Regionalbahn. Es ist Nacht, wir rumpeln über den Rhein bei Köln, der Fluss sieht aus wie das Innere einer Achselhöhle. Schwere Sentimentalitätsausbrüche. Apropos Achsel: In meiner Heimatzeitschrift DB mobil steht das neue Interview („exklusiv“) mit dem Schauspieler Henning Baum. Weiter„Bizeps oder Bücher“

 

Das mit dem Paradies ist doch kein mieser Trick

Eine Reise nach Sri Lanka kann zur Erfüllung werden. Das Geheimnis: Man darf sich nicht vorbereiten. Und man muss sich die Kultur des Ausweichens eine Lehre sein lassen.

© [M] Dinuka Liyanawatte / Reuters
Ich weiß nicht, warum ich neuerdings so gerne reise. Offenbar durchlebe ich gerade eine heiter-optimistische Phase, bekomme die Gelegenheiten und nutze sie, folge dem Ruf des Goethe-Instituts und mache regelmäßig die Erfahrung, dass ich zu wenig weiß. Weiter„Das mit dem Paradies ist doch kein mieser Trick“