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Der Affe entscheidet

James Bond war schon da. John Lennon und Yoko Ono haben hier geheiratet. Das Schicksal Gibraltars aber hängt von 240 Affen ab. Unser Glück ebenfalls.

© [M] ZEIT ONLINE/Jorge Gueferrero/AFP/Getty Images
© Jorge Gueferrero/AFP/Getty Images
Als würde sie nichts wollen, nichts dürfen, als würde nichts von ihr gewollt. Die Landschaft ist da wie ein Gegenstand, der herumliegt. Gibraltar ist nicht ausgeschildert, wir halten uns Richtung Westen. Die spanischen Radiosender sind nicht mehr zu empfangen. Der Suchlauf des Autoradios findet drei englischsprachige Sender. Auf Radio Gibraltar werden die Nachrichten im gestochen britischen Akzent verlesen, dann die Beatles, danach zwei triefende Stücke aus einem Musical. Dann sehen wir den Fels, ein gewaltiger Stein, ein absurdes Etwas, auf der südöstlichen Seite mit Grün überzogen, als wäre es ein riesiges Meerestier, auf dem Moos gewachsen ist. Wir erreichen die spanische Grenzstadt La Línea de la Concepción und brauchen eine Weile, bis wir das Hotel gefunden haben. Weiter„Der Affe entscheidet“

 

An die Ungläubigen

Leer und beliebig sei die offene Gesellschaft, lautet der Vorwurf der Fundamentalisten. Was für ein Irrtum! Tatsächlich ist unser Glaube stärker als ihrer.

© Unsplash/Yvette de Wit (https://unsplash.com/)
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Der Hauptvorwurf der Feinde der offenen Gesellschaft an die säkularen Verfassungsstaaten und ihr Ideal der Freiheit und Toleranz ist der der Beliebigkeit und Leere.

Für sie sind individuelle Rechte keine Errungenschaften, sondern zerstörerische, gefährliche Risse im Kollektiv, die den Blick freilegen auf eine unübersichtliche Welt, verwirrend und im Wandel, eine Weite, in der jeder allein ist, hoffnungslos und klein, abgeschnitten von Gemeinschaft und Geschichte. Weiter„An die Ungläubigen“

 

Das Geheimnis sind die lasierten Eisstiele

Der bastelnde Mann ist der wahre Philosoph unserer Zeit. Wenn nur die lästigen Kinder nicht ständig mithelfen wollen würden!

Kein Witz: Diese Puppenstube hat unser Autor selbst gebastelt. © Jochen Schmidt
Kein Witz: Diese Puppenstube hat unser Autor selbst gebastelt. © Jochen Schmidt

Ich habe eine unerwartete Leidenschaft fürs Basteln entdeckt, die mich von allem anderen abhält. Wie sinnlos scheinen sinnvolle Tätigkeiten, wenn man stattdessen basteln kann! Es hat mit einem Fach in meinem Manuskriptschrank begonnen, das ich für meine Tochter als Puppenstube freigeräumt habe, dann kam ein Fach für ein Wohnzimmer dazu, eins fürs Badezimmer, und inzwischen sind es mit Dachgarten, Garage und Küche acht Fächer. Und das, wo ich so ungern an meiner richtigen Wohnung bastele, weil ich den Aufwand scheue, die Bohrmaschine vom Zwischenboden zu holen oder die Malerrolle auszuwaschen. Weiter„Das Geheimnis sind die lasierten Eisstiele“

 

Crashkurs in totalitärer Linguistik

Der Westen unterstellt gern, Wahlen in Osteuropa würden undemokratisch ablaufen. Das ist natürlich Unsinn. Man meint nur etwas anderes, wenn man von Demokratie spricht.

© STR/Getty Images
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Im belarussischen Parlament wurden zum ersten Mal seit zwölf Jahren zwei Oppositionelle gesichtet. Trotzdem entsprach die Parlamentswahl nach Einschätzung des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte nicht den internationalen Standards. Vorausgegangen waren komplizierte Hintergrundgespräche. Nun fühlen sich beide Seiten an der Nase herumgeführt und zeigen sich verärgert: sowohl diejenigen, die angeordnet haben, die Opposition ins Parlament zu lassen und denen jetzt die Anerkennung aus Europa verweigert wird, als auch diejenigen, die einen ehrlichen Wettstreit erwartet hatten und denen die Verkündung der Ergebnisse nun sauer aufstößt. Weiter„Crashkurs in totalitärer Linguistik“

 

Wer spricht da, bitte?

Früher wurden auf Wahlplakate, egal welcher Partei, Hitler-Bärtchen gemalt. Diesen Witz hat die Realität eingeholt. Besser wäre ohnehin: die Plakate gar nicht erst lesen.

© dpa
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Wer meint, Stimmen seien unsichtbar, der war noch nie in der Fos Bar in Berlin Gesundbrunnen. Im Zeichengewusel auf einer Toilettenwand findet sich nämlich der Satz: Ich sehe Stimmen. Wo doch Stimmen in Wahrheit nur zu hören sind. Auch wer seinem Fernseher zum Test den Ton abdreht, um, sagen wir, die rot gebrüllten Gesichter einer durchgedrehten Anne-Will-Runde zu studieren, der sieht nichts, zumindest keine Stimmen. Weiter„Wer spricht da, bitte?“

 

Wahlslogan: Hmpf!

Alle Meinungsforschungsinstitute (forsa, infratest dimap, Bauchgefühl) sagen einen denkbar knappen Ausgang der Berlin-Wahl am 18. September voraus. Eine umso größere Rolle könnten die zahlreichen Splitterparteien spielen, von denen manchen der Sprung ins Abgeordnetenhaus zugetraut wird. Hier stellen wir Ihnen die wichtigsten davon vor.

 

Vermieter-Partei

Wahlslogan: „Wir ziehen Sie aus!“

Forderungen:

  • Anhebung des Mietspiegels auf Fernsehturmhöhe (zzgl. Provision)
  • Vermieter müssen ab sofort mit „Eure Durchlaucht“ angesprochen werden und erhalten das Recht der ersten Nacht.
  • Stündliches Stoßlüften

 

Stadtschlosspartei

Wahlslogan: „Mehr Vergangenheit wagen“

Forderungen:

  • Vollständiger Wiederaufbau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
  • Wiedereinrichtung der Droschkenstation Unter den Linden
  • Wiederaufbau der jungsteinzeitlichen Dorfanlagen in Britz
  • Vernichtung sämtlicher Zivilisationsspuren und Wiederbesumpfung des Großraums Berlin


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Halb taub? Ich sehe noch gut!

Immer mehr alte Menschen sitzen am Steuer. Ob sie ihr Auto und den Verkehr noch beherrschen, fragt niemand. Übernehmen wir endlich die Verantwortung.

© Photobac/shutterstock.com
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Im August fuhr ich durch Deutschland. Ich fuhr vor allem durch den Süden. So viele dicke Autos, die so langsam unterwegs waren, hatte ich noch nie gesehen. Was war während meines Jahres in England passiert? Einbruch der Autoindustrie in der Folge der VW-Krise, generelle Geschwindigkeitsbeschränkung nun auch auf der deutschen Autobahn? Die Schweizer Bekannten einer Bekannten mit dem 370-PS-Zweitwagen in der Zürcher Tiefgarage, den sie nur für Nachtfahrten auf der deutschen Autobahn von seiner samtschwarzen Haube befreien, taten mir nicht leid. Weiter„Halb taub? Ich sehe noch gut!“

 

Schuld ist nicht die Digitalisierung

In Bibliotheken ging man früher ähnlich wie in die Kirche. Heute sind diese Orte der Besinnung verschwunden oder zu lärmenden Bücherhallen geworden. Ein Abschiedsbrief

© Dean Mouhtaropoulos/Getty Images
© Dean Mouhtaropoulos/Getty Images

Die Bibliothek ist, schon seit ich denken kann, immer ein zentraler Ort in meinem Leben gewesen. Lange Zeit glaubte ich, dass die Bibliothek für mich vielleicht das ist, was für meine spanische Großmutter früher die Kirche war. Genau wie meine Großmutter ging ich mindestens einmal die Woche hin, schmökerte, stöberte und fand – wenn es mir einmal nicht so gut ging – in der Stille und dem vertrauten Geruch von altem oder druckfrischem Papier häufig Trost. Weiter„Schuld ist nicht die Digitalisierung“

 

Ihr nervt nur noch!

Kaum ist die Sommerpause um, trumpfen die neurechten Polittrolle wieder auf. Brauchen wir als Gegengewicht eine vereinigte Linke?

Teilnehmer einer Demonstration von AfD-Befürwortern in Berlin im November 2015 © Carsten Koall/Getty Images
Teilnehmer einer Demonstration von AfD-Befürwortern in Berlin im November 2015 © Carsten Koall/Getty Images

Ende Juli begann ich diesen Freitext zu schreiben. Ich wollte ihn „Ringelpiez mit Restlinken“ nennen. Aufhänger sollte der Facebook-Stoßseufzer eines sehr linken und sonst nicht für Stoßseufzer bekannten Autoren sein. Er appellierte an alle, die sich noch irgendwie als links begriffen, ihre internen Streitigkeiten bis auf weiteres beizulegen und sich zusammenzuschließen. Denn ebendies – sich zusammengeschlossen – hätten „die Faschisten“ längst. Und so, wie die Dinge nun stünden, gebiete niemand ihnen Einhalt. Weiter„Ihr nervt nur noch!“

 

Benjamin Blümchen ist nicht weiß

Minderheiten werden in der Unterhaltungskultur kaum repräsentiert. Das fängt schon bei Kinderserien an. Gerade an ihnen könnte man lernen, wie Ausgrenzung entsteht.

© Sanjay Kanojia/AFP/Getty Images
© Sanjay Kanojia/AFP/Getty Images

Von der Generation der „Kassettenkinder“ spricht man bei Kindern mit den Geburtsjahrgängen der 1970er und 1980er Jahre, deren eigener Ermächtigungsraum das Kinderzimmer war und deren Autonomie darin bestand, sich selbst aussuchen zu dürfen, welche Episode welcher Hörspielheld*innen sie als nächstes hören wollen. Und die von den Eltern dabei in Ruhe gelassen wurden. Klassiker dieser deutschen Kinderhörspiele sind zweifelsohne Benjamin Blümchen, Bibi Blocksberg und TKKG. Weiter„Benjamin Blümchen ist nicht weiß“