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ePhil: Oval

Pioniere des „Glitch“. Der experimentelle Musiker Markus Popp kombiniert abstrakte Geräuschwelten mit instrumentalen Klängen.

Gemeinsam mit Sebastian Oschatz und Frank Metzger zerkratze Markus Popp in den 1990er Jahren CDs, bemalte sie mit Filzstiften und komponierte aus den entstandenen Störgeräuschen mithilfe von Klangsynthese-Software Soundwelten, die unter dem Genrebegriff „glitch“ folgend ihre Einordnung fanden. Aus dem Trio ist in der Zwischenzeit ein Soloprojekt geworden, die Produktionsmethoden haben eine Öffnung in verschiedene Richtungen hinter sich, Instrumentalklänge werden nicht mehr ausgespart, sondern verschiedenartig in das Werk integriert. Das, was am Ende den Zuhörer erwartet, schwebt im Klangfeld zwischen elektronischer Musik und akustischem Design und lässt Raum für Neugier, Fragen, Staunen und eigenes Experimentieren – denn Popp arbeitet zudem auch an einer Software und stellt der Welt mit seiner OvalDNA ein besonderes Klangarchiv zur Verfügung. Mit dem bereits um 20 Uhr beginnenden Foyer der Zukunft laden Studenten der HAW vorab zur Auseinandersetzung mit dem Künstler ein und präsentieren eigene Interpretationen und Anknüpfungspunkte.

 

„Dort liegt der Hund begraben“

Design-Studierende der HAW stellen ihre Zeichnungen, Animationen und Collagen im Projektor aus. Dazu wird der Film „Der Lauf der Dinge“ gezeigt.

Mit Redewendungen ist das so eine Sache. Sie werden manchmal falsch angewendet. Nehmen wir den Ausspruch „Dort liegt der Hund begraben“. Manch einer benutzt diese Phrase, um zu betonen, dass ein Ort sterbenslangweilig sei. In Wirklichkeit markiert dieser Satz jedoch den Ursprung eines Übels oder einer Schwierigkeit. Sinngemäß: „Da ist der Haken!“

Welche Bedeutung auch immer die Design-Studierenden der HAW meinen, der Titel ihrer Ausstellung Dort liegt der Hund begraben macht neugierig. In Kooperation mit dem mobilen Kino Flexibles Flimmern zeigen sie freie Arbeiten aus den Bereichen Installation, Objekt, Zeichnung, Animation und Collage. Zusammen mit Filmvorführungen, Lesungen und Livemusik bildet der Event ein siebentägiges „Microfestival“. Nach der Eröffnung am 28. Januar, wird am 29. Januar um 20 Uhr der Film Der Lauf der Dinge gezeigt, eine Arbeit des Schweizer Künstlerduos Fischli/Weiss, der eine halbstündige Kettenreaktion dokumentiert. Vor der Vorführung serviert das Team Speisen aus der Schweiz. Ticket-Reservierungen sind per E-Mail möglich.

Am Samstag stehen die Musiker Mint Mind (Garage-Fuzz-Rock) und Mawinski (Theremin) auf der Bühne. Am Mittwoch liest Mascha Mandel Zwei halbe Hunde – Geschichten zwischen Mümmelmannsberg und St. Pauli.

Text: Lena Frommeyer

 

Laing

Mit kruder Mischung zum Erfolg: Das Berliner Quartett um Songschreiberin und Produzentin Nicola Rost präsentiert sein neues Album live im Gruenspan.

Mit dem Song Morgens immer müde wurden Laing über Nacht berühmt: einer Elektropopnummer, die den alten Trude-Herr-Schlager gewissermaßen als Chicks-On-Speed-Stück neu dachte. Das Trio klingt auf Platte eher minimalistisch, live überrascht das Ganze als durchdachtes Girlgroup-Konzept: mit Choreographie, Bühnenoutfit und sehr spezieller Lightshow – die Retro-Schreibtischlampen am Mikrofon sind zum Markenzeichen der Band geworden. Dieses Jahr erschien das zweite Album Wechselt die Beleuchtung, mit erfreulich deutlichen Texten („Ich weiß, wie du beim Ficken klingst“), die im Gemütsblabla deutschsprachiger Popmusik ein, nun ja, Lichtblick sind. Nicola Rost, Leadsängerin, Songschreiberin und Produzentin in Personalunion, hat ihren Laden im Griff: ein bisschen NDW, ein bisschen Kraftwerk, ein bisschen Ronettes. Krude Mischung, und darum so zukunftsfähig.

Text: Michael Weiland

 

Gazelle Twin

Elizabeth Bernholz geht dorthin, wo es weh tut. Mit ihrer Musik und Performance rüttelt sie Ängste wach, um sie darauf wieder zu zerschmettern.

Angst kann ein sehr unkonkretes Gefühl sein. Manchmal sehen wir ein Bild, eine Bewegung oder einen Umriss und können uns nicht gegen die Gänsehaut wehren, die es auslöst, ohne sagen zu können, was für Befürchtungen dahinter stecken. Die Britin Elizabeth Bernholz alias Gazelle Twin spielt mit diesen Auswirkungen, verhüllt sich mit einer großen Kapuze, lässt das Licht flackern und Töne flirren und flüstern. Ihre Musik ist eine Reise in unwohlige Traumlandschaften, die den Alltag infrage stellen und sich einem großen übermächtigen Gefühl entgegenstellen. Das Studium der zeitgenössischen Klassik im Hintergrund, nutzt sie ihr Talent, um mit Schreien, Synthies und Rumoren Kompositionen zu erschaffen, die sich Normen widersetzen und eigene Ängste überwinden. Performative Beengung und Befreiung, zur gleichen Zeit!

 

Lasse Matthiessen

Der junge Däne ballt ganze Emotionsstrudel in seinen Songs zusammen und entknotet sie wieder leichtfüßig spielend mit seiner Akustikgitarre.

Man sollte sich nicht täuschen lassen, von diesem jungen Dänen und neuerdings Wahlberliner, dessen Songs oft so leise und vorsichtig anfangen. Denn so manches Mal folgt auf den eben noch so lieblich gezupften Akustikgitarrenmoment just im Anschluss der Ausbruch. Und zwar ein solcher Ausbruch, bei dem einem schon mal ein Schauer den Rücken runterkriechen kann. Lasse Matthiessen steckt schlichtweg jeden Funken Emotion in seine Lieder. Man könnte mutmaßen, dass er nach einem Konzertabend völlig leergespielt von der Bühne kommt, vielleicht ist sein Vorrat aber auch schier unerschöpflich. Sein letztes Album finanzierte er mit Rückendeckung von TV Noir per Crowdfunding. Ein Plan, der nur funktionieren kann, gibt es doch wenig bessere Geldanlagen als einem Musiker wie ihm zu einer neuen Platte zu verhelfen. Ein Konzertbesuch in der Prinzenbar schließt sich da nur logisch an.

 

Austin Lucas

Folk, Punk und eine große Portion Talent gibt es mit Austin Lucas am Mittwoch im Hafenklang zu erleben. Plus Special Guest: Aaron „Cuz“ Persinger.

Das Video zu Someboy Loves You lässt sich als einer dieser Beweise einsetzen, dass von Herzen kommende Musik nicht viel braucht. Austin Lucas sitzt auf der Rückbank eines Autos, fährt durch eine vermeintlich amerikanische Wohngegend und spielt seinen Song auf der Gitarre. Und auch wenn es nur gewöhnliche Straßenzüge sind, die im Rückfenster vorbeistreifen, vermittelt es einem das Gefühl, das man wohl hat, wenn man durch unendliche Prärien streift und über die Möglichkeit einer großen Liebe jubelt. Möglicherweise findet sein natürliches Talent in der Tatsache seinen Ursprung, dass bereits sein Vater, Bob Lucas, ein passionierter und erfolgreicher Musiker war und dem jungen Austin das harmonische Zusammenspiel von Tönen noch vor den ersten Wörtern vermittelte. Vielleicht ist es einfach Austin Lucas großer Glaube an die Musik, an Folk und Punk. Völlig egal, lasst den Mann auf die Bühne.

 

Sci-Fi von gestern

Mit „German Homerecording Tape Music of the early 80s“ erwarten uns gehobene Keller-Schätze, handverlesen von Felix Kubin.

Anfang der achtziger Jahre durfte so manch ein Vierspur-Kassettenrekorder Zeuge eines neuen Musikgenres werden. Die Unstetigkeiten und Dunstwolken einer angespannten Weltpolitik im Nacken verzog sich eine Generation mit neuerdings günstig zu erwerbenden Casio-Keyboards, Ofenblechen, großen Ideen und anderen Geräuschemachern in ihre Keller, um Projekte wie Neros Tanzende Elektropäpste oder Kleines Schwingvergnügen zu gebären. Viele in diesem Kassettenuntergrund entstandene Werke wären fast in Vergessenheit geraten, wenn sich nicht Elektro-Futurist Felix Kubin ihrer angenommen hätte und mit der über das ZickZack-Label veröffentlichten Compliation German Homerecording Tape Music of the early 80s nun zurück ins Bewusstsein einer neuen Hörerschaft bringen würde. Im Pudel stellt Kubin das Werk gemeinsam mit Doug Shipton und Booty Carell am Sonntag vor, begleitet von DJ-Sets, Live-Musik und einem Film-Screening. Eine Reise in die Keller einer längst vergangenen Zeit.

 

Alex Clare

Der bärtige Brite hat zwei musikalische Gesichter – bei dem einen spielt Dubstep, beim anderen die Akustikgitarre eine Hauptrolle.

Soul trifft Dubstep trifft gesellschaftskritische Texte. Hört sich interessant an und funktioniert auch ziemlich gut. Auf seinem neuen Album Three Hearts singt Alex Clare stimmgewaltig zur gut geölten Beatmaschine über die Sinnlosigkeit des Krieges. War Rages On heißt diese Single. Durch die visuell aufwendig arrangierte Gewalt im dazugehörigen Musikvideo erhält die Message des bärtigen Sängers ein Ausrufezeichen. Ganz anders klingt dieser Song, wenn der 28-jährige Brite ihn mit einer Akustikgitarre bewaffnet und ohne elektronischen Schnickschnack auf der Bühne performt. Beim Konzert am 28. Januar im Docks möchten wir dann bitte beide Versionen hintereinander weg hören – erst in der Abgeh-Dubstep-Variante und hinterher zum Abkühlen mit ruhigem Gitarrengezupfe.

Text: Lena Frommeyer

Alex Clare from Hammond Cox Casting on Vimeo.

 

Bertini-Preis

Ralph Giordanos Roman „Die Bertinis“ war Namensgeber des Hamburger Vereins, der seit 17 Jahren junge Menschen mit Zivilcourage auszeichnet.

„Lasst euch nicht einschüchtern“, ist die Kernbotschaft des Bertini-Preises, der Zivilcourage ehrt. Jährlich wird er in Hamburg an Jugendliche vergeben. Sich einzumischen, wenn man Unrecht beobachtet, aufzustehen gegen Unrecht, Ausgrenzung oder Gewalt ist unheimlich wichtig aber auch eine heikle Angelegenheit. Denn wenn man Täter konfrontiert, wird man womöglich selbst zum Opfer. Ein tragischer Umstand, der jedoch viele Menschen nicht abschrecken kann. Die Schülerinnen und Schüler, die am 27. Januar im Ernst Deutsch Theater mit dem Bertini-Preis ausgezeichnet werden, haben sich hauptsächlich in (schulischen) Projekten gegen „Vergessen, Verdrängen, Verleugnen von Unrecht, Ausgrenzung und Gewalt“ eingesetzt. Im letzten Jahr stand beispielsweise die Abiturientin Jessica Köster auf der Bühne. Sie folgte den Spuren des Kolonialismus in Hamburg. In einem fiktiven Tagebuch schrieb sie die Erlebnisse des Kameruners Samson Dido auf. Dieser trat 1886 in einer der Völkerschauen des Zoobetreibers Carl Hagenbeck auf. Die Preisverleihung findet am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus statt.

Text: Lena Frommeyer

 

„Kindeswohl“

Bestsellerautor Ian McEwan („Abbitte“) stellt im Gespräch mit Redakteur Daniel Haas (ZEIT:Hamburg) seinen neuen Roman „Kindeswohl“ vor.

Was für ein Timing: Kurz nachdem ihr Mann gesteht, mit einer außerehelichen Affäre zu liebäugeln, wird der Londoner Richterin Fiona Maye ein dringender Fall vorgelegt: Ihr bleiben 24 Stunden, um zu entscheiden, ob ein an Leukämie erkrankter Junge gegen den Willen seiner Eltern eine lebensrettende Bluttransfusion erhält. Diese sind Zeugen Jehovas und lehnen den Eingriff aus religiösen Gründen ab…

So viel zur Handlung des neuen Romans Kindeswohl von Ian McEwan. Der britische Autor stellt im Gespräch mit ZEIT:Hamburg-Redakteur Daniel Haas sein neues Buch vor. Bekannt ist McEwan dem breiten Publikum seit der Verfilmung seines Bestsellers Abbitte (engl. Atonement) mit Keira Knightley und James McAvoy in den Hauptrollen.

Was wird der Schriftsteller diesmal mit seiner Heldin anstellen: Geht die Richterin im emotionalen Tumult unter oder bewahrt sie sich ihre Professionalität? Falls McEwan das verraten sollte, verstehen eh es nur diejenigen, die seiner Sprache mächtig sind – der Talk in den Kammerspielen findet auf Englisch statt.

Text: Lena Frommeyer