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Animal Farm

Das Theater- und Performance-Ensemble Showcase Beat Le Mot inszeniert den Klassiker des englischen Schriftstellers George Orwell.

Das wird Hamburgs Englischlehrern gefallen: George Orwells Klassiker Animal Farm als unterhaltsames Theater auf Kampnagel, von dem sie sich gewiss einen Motivationsschub für den Unterricht erhoffen. Das wird ihnen nicht gefallen: Die anarchischen Inszenierungen des Performancekollektivs Showcase Beat Le Mot sind pädagogisch wenig wertvoll und nutzen mitunter halblegale Mittel für einen dienlichen Zweck. Zum ersten Mal nehmen sie die Zielgruppe der ab 14-Jährigen ins Visier, die berüchtigt ist für ihre Theatermüdigkeit. Aber vielleicht lockt ja die Tatsache, dass die weltbekannte Fabel in Englisch und Deutsch erzählt wird? Oder dass die vier männlichen Spieler dem Publikum nichts ersparen, aber viel bieten? Und sogar an ein Worst-Case-Szenario gedacht haben: Wem die Sauerei mit der Herrschaft der Schweine zu viel wird, kann sich während der tierischen Nummer in einen Dark Room zurückziehen und Panik überwinden.

Text: Dagmar Ellen Fischer

 

Lambert

Entrückend schönes Klavierspiel, düsterer Maskenzauber – der Auftritt von Lambert am 22. Januar in der Hamburger Kammeroper wird ein Spektakel.

Das Rätselraten bringt nichts: Wer den maskierten Pianisten kennenlernen will, muss seine Musik hören. Masken haben einen festen Platz in der Popkultur: Von den Residents über Gwar zu Daft Punk und Cro. Der jüngste, aber sicher nicht der letzte in der Reihe der kunstvoll Vermummten ist Lambert, ein Pianist, über den wenig in Erfahrung zu bringen ist. Beim geschmackssicheren Label Staatsakt unter Vertrag, hat er bislang Werke von Kollegen wie Boy oder Ja, Panik als Reworks neu bearbeitet, dieses Jahr erschien sein schlicht Lambert benanntes Debütalbum: Darauf zu hören sind kunstvolle Klavierstücke, die nicht gerade gegen die Vergangenheit aufbegehren: Hier ist (neo-)klassischer Schönklang zu bewundern, dabei so reduziert, dass der Kitschvorwurf ins Leere läuft – und so songorientiert, dass die Platte nicht zur Leistungsschau gerät. Am Mischpult saß der Kollege Nils Frahm, dessen eigene Klaviermusik oft wagemutiger in andere, elektronischere Klangsphären streift. Könnte der nicht hinter der Maske…? Glaubt man denen, die ihn getroffen haben, versteckt sich hinter der Maske niemand Berühmtes. Lambert will einfach seine Musik sprechen lassen. Und die ist so hörenswert, dass sie auch keinen großen Namen braucht.

Text: Michael Weiland

 

Gute Aussichten 2014/2015

Aus dem Leben, in die Dunkelkammer: Der Wettbewerb für junge Fotografen zeigt die Gegenwart in immer neuen Perspektiven.

Nur weil‘s jeder macht, heißt das nicht, dass es jeder kann: Die ausgestellten Arbeiten bei Gute Aussichten demonstrieren die Kraft, die nach wie vor in der Fotografie steckt, wenn sie mit Haltung und Neugier, Detailversessenheit und Geschichtsbewusstsein betrieben wird. Der Alltag ist in den Bildern mal zum Greifen nah, dann sehr weit weg, die abgelichteten Szenen erzählen dem Betrachter große und kleine Geschichten. Die Jury wählte im elften Jahr des renommierten Wettbewerbs acht Preisträger aus, eingereicht wurden 115 Arbeiten aus ganz Deutschland. Unter den Gewinnern ist Jannis Schulzes fotografischer Reisebericht Quisqueya von einer geteilten Insel, die halb zu Haiti, halb zur Dominikanischen Republik gehört. In ihrer Serie Ein Bild abgeben dokumentiert Stefanie Schroeder die Jobs, die sie neben ihrem Kunststudium ausgeübt hat, beklemmend und komisch. Die diesjährige Ausstellung der Preisträger umfasst über 300 Motive, zwei Videoprojektionen und drei Künstlerbücher. Wer wissen will, wo die junge Fotografie in Deutschland derzeit steht, wird in den Deichtorhallen auf den aktuellen Stand gebracht.

 

Mach 3

Das Molotow lädt zu einer dreitägigen Live-Sause. Mit dabei: Die Sterne, Schnipo Schranke, Ira Atari, Lafote, Frank Spilker, Gereon Klug und andere.

Auch wenn wir das alte Molotow auf immer vermissen werden, die neue (Zwischen-)Unterkunft am Nobistor hat auch ihre guten Seiten: Hier ist viel Platz! Und weil man Feste feiern soll, wie sie fallen und Plätzchen essen, solange sie da sind, ist es nur logisch, dass die Molotow-Betreiber ein eigenes Festival ins Leben gerufen haben. Mach 3 heißt es, denn es findet an drei aufeinander folgenden Tagen statt. Und das Programm kann sich sehen lassen: Mit dabei sind zum Beispiel Schnipo Schranke, die uns 2014 gelehrt haben, wie eng Liebe, Freundschaft und Körperflüssigkeiten verknüpft sind, und Die Sterne, die schon immer unsere Gedanken vertont haben. Außerdem auf der Bühne: I Heart Sharks, Oscar & The Wolf, Der Ringer und Ira Atari und Frank Spilker (allesamt am 22.); Roosevelt, The Last Things und Fluten (am 23.); Lafote, Abramowicz, Snøffeltøffs, Garl & Die Geräte sowie Gereon Klug (am 24.).

Text: Miriam Mentz

 

„Rocky Horror Show“

„It’s just a jump to the left, and then a step to the right…“: Richard O‘Briens bizarres Kult-Musical läuft vom 20. bis 25. Januar im CCH Saal 1.

Einen Kult-Hit kann man nicht planen. Als Richard O‘Brien Anfang der Siebziger begann, sein eigenes Musical zu schreiben, packte er einfach alles hinein, was ihm gefiel: Trashige Horror-, Science-Fiction- und Muskelmännerfilme, Fünfziger-Jahre-Rock ’n’ Roll und eine Menge Komik. Ein Erfolgsrezept klingt anders: Trotzdem ist seine „Rocky Horror Show“ zu einem weltweiten Phänomen geworden. Die Story von Janet und Brad, die nach einer Reifenpanne im Gruselschloss des transsexuellen außerirdischen Wissenschaftlers Frank N. Furter landen, begeistert dank Songs wie Time Warp oder Science Fiction/Double Feature nach wie vor. Als Erzähler in Hamburg ist Schauspieler Sky du Mont dabei, der den ausrastenden Fans schon sehnsüchtig entgegenfiebert: „Wirklich, die geilste Show, die ich je gemacht habe.“ Text: Thorsten Moor

 

„Siegfried / Götterdämmerung“

Nach dem Nebel nun das Gewitter: Die B-Premiere des zweiten Teils des Thalia-„Rings“ von Antú Romero Nunes findet am 18. Januar statt.

Wer Rheingold/Walküre, den ersten Teil von Antú Romero Nunes’ Ring-Adaption am Thalia Theater gesehen hat, weiß, wie sich fast zeitgleich eine neue Welt öffnen und wieder verschließen kann. Die Nebelmaschine lief auf Hochtouren. Nachdem man das Beziehungsgeflecht zwischen Menschen und Göttern allmählich kannte, versank am Ende alles in weißem Dunst, der bis in die letzten Zuschauerbänke hineinwaberte. Im Januar kommt nun endlich die Fortsetzung des Sprechtheaters nach Richard Wagner und Altvätern, in dem Wagners Ring-Libretto mit Texten von Friedrich Hebbel und alten Nibelungenstoffen verwoben wird, auf die Bühne. In Siegfried/Götterdämmerung wird die Geschichte durch die Siegfried-Sage erweitert und führt damit ins Politische. Eine perfide Intrige löst die absolute Katastrophe aus: Verrat! Betrug! Mord! Vergeltung! Statt in Nebeldunst zu verschwimmen, entwickelt sich das Bühnengeschehen diesmal zu einem gewaltigen Gewitter. Die Welt der Menschen und Götter wird krachend und tosend untergehen und die Zuschauer auf ihren gemütlichen Theatersitzen werden nichts dagegen tun können.

Text: Katharina Manzke

 

„Winterreise“

Schuberts Liederzyklus in der Hand von Elfriede Jelinek – die Premiere am 18. Januar ist ausverkauft, weitere Vorstellungen finden am 20. und 23. Januar statt.

Elfriede Jelineks Winterreise liegt Schuberts gleichnamiger Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller zugrunde: ein Werk, das die Autorin ihr Leben lang bewundert hat, wie sie sagt. Wie der Wanderer in Schuberts Liedern streift das lyrische Ich Jelineks durch die Welt, ihre eigene Biografie mit Motiven der Vorlage vermischend. „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“, beginnt die Winterreise von 1827, das Nichtzuhausesein in der Welt ist auch Thema des Theaterstücks. Am Ende wartet der Leiermann, bei Schubert Symbol des Todes, der die Autorin hart ins Gericht nimmt: „Und was haben Sie zu verbuchen? Fremd eingezogen, fremd ausgezogen, die Leier drehend, immer dieselbe Leier, immer dasselbe?“ Das selbstreflexive Stück verquickt Innen- und Außenwelt, Vergangenheit und Gegenwart in einem sprachgewaltigen Text.

Text: Michael Weiland

 

Max Beckmann

Die Kuratorinnen Karin Schick und Anna Heinze führen ein letztes Mal durch die Ausstellung mit Stillleben von Max Beckmann in der Hamburger Kunsthalle.

Mal ehrlich, muss das jetzt sein? Eine Ausstellung mit Stillleben von Max Beckmann (1884-1950)? Was können sie einem heute noch zeigen oder sagen? Jede Menge und sicher mehr, als man im ersten Moment annehmen möchte. Das beweist jedenfalls die Ausstellung in der Kunsthalle, die am 5. September 2014 startete und heute, am 18. Januar, zu Ende geht. Denn die Stillleben des Malers, Bildhauers und Autoren aus Leipzig (Abbildung: Totenkopfstillleben aus dem Jahr 1945) haben teils nur wenig mit den üblichen Arrangements toter Gegenstände zu tun, sondern pulsieren in satten Farben, sie sind Porträts und manchmal fast schon Landschaftsmalerei. Interesse geweckt? Dann nichts wie ab in die Hamburger Kunsthalle, wo die Kuratorinnen der Schau, Karin Schick und Anna Heinze, ein letztes Mal durch die Ausstellung führen.

 

Zoot Woman

Vergangenheitsbewusst, aber nicht von gestern: Johnny und Adam Blake spielen ihre stylischen Elektroniklieder am 18. Januar im Uebel & Gefährlich.

Mit Single und Album Living In A Magazine trafen Zoot Woman Anfang der 2000er zielsicher den Zeitgeist. Erstaunlicherweise las man damals sogar noch Zeitschriften. (Von allerlei Musikmagazinen wurde das britische Trio in der Folge auch wortreich abgefeiert – der Titel war eine selbsterfüllende Prophezeiung.) Die stylischen Elektroniklieder waren weniger retrofuturisch als retro-gegenwärtig: Die Musik von Johnny und Adam Blake mit Stuart Price (als Solokünstler auch als Les Rhythmes Digitales bekannt) bekannte hörbar ihre Liebe zum Achtziger-Pop, als Hinz und Kunz sie noch leugnete, hatte das zweite Standbein aber im Hier und Jetzt. Das mittlerweile vierte Album der Band beweist, dass der Ansatz ganz anständig altert: Star Climbing ist vergangenheitsbewusst, aber nicht von gestern. Da geht es Zoot Woman immerhin deutlich besser als den damals von ihnen besungenen Printmedien.

Text: Michael Weiland

 

Jens Friebe

Der Singer-Songwriter präsentiert die Stücke seines aktuellen Albums „Nackte Angst zieh dich an wir gehen aus“ live im Hafenklang.

Man hört Jens Friebe gerne zu. Nicht nur, weil seine Stimme ein schönes, undramatisches Tremolo hat, sondern weil der mittlerweile fast 40-Jährige damit so gute Texte singt. Der Albumtitel des Jahres 2014, Nackte Angst zieh dich an wir gehen aus, ist da nur der Anfang. Die elektrifizierte Popmusik des Kölner Wahl-Berliners hat viele dunkle Ecken (etwa das wunderbar nachgetextete What Death Will Be Like, im Original vom schottischen Pop-Musiker Momus), birgt aber auch ebenso viele Lichtquellen (zum Beispiel den Komm-ins-Bett-Indiekracher (I Am Not Born For) Plot Driven Porn). Fast wie das richtige Leben. Wie es ihm gelingen wird, die Vielfalt seines aktuellen Albums live umzusetzen, darauf darf man gespannt sein. „Laut gut informierten Kreisen“ sei Friebe selbst „ebenfalls gespannt“, lässt uns das Veranstaltungsinfo wissen. Damit nichts schiefgeht, hat er seinen angestammten Partner Chris Imler dabei.