Lesezeichen
 

Datscha auf der MS Hedi

Balkan Musik deluxe auf der Frau Hedi: Die Jungs und Mädels vom „Datscha-Projekt“ versüßen den Abend mit osteuropäischer Lebensfreude.

Ob ihr nun selbst aus Russland oder vom Balkan kommt: Das Datscha-Projekt sorgt dafür, dass ihr euch bei ihrer Party wie zu Hause fühlt. Mit russischer Kneipenmucke, Balkan-Beats, Franzosenpolkas und Swing verursachen sie ein heimeliges Gefühl, das außerdem zum Tanzen anregt. Hinzu kommt ein Kuriositätenkabinett in Form von Live-Video-Mixes mit Schnipseln aus russischen Filmen von 1920 bis in die Achtziger. Da schweben gerne mal schimmelreitende Schönheiten, singende Hasen und fliegende Bauarbeiter über die Leinwand. Nach eigener Aussage haben die DJs und VJs aus Hamburg, St. Petersburg und Moskau bisher jeden Ort in ein osteuropäisches Kleinod verwandelt. Ob sie es auch diesmal wieder durch den Hafen schippernd auf der MS Hedi schaffen?

Text: Andra Wöllert

 

EcoFavela & Kante

Kampnagel, Kante, Konzert: Bei der Soliparty für Lampedusa-Flüchtlinge kommt viel Gutes zusammen, für das wir Gutes tun können.

„Welcome, weiterhin alle Welcome!“ lautet das Motto, unter dem Kampnagel das zweite Benefiz-Event für die EcoFavela und ihre beheimateten Lampedusa-Geflüchteten schmeißt. Die Soliparty wird organisiert vom EcoArts Club und Boy Division. Sie besticht vor allem durch gute Live-Musiker.

Allen voran melden sich Kante zum Soli-Singen an. Die 1988 gegründete Band wurde bald zum Kritiker-Liebling und setzte mit Zombie und Die Tiere sind unruhig zwei Meilensteine des Deutsch-Indies. Die Herren rund um Sänger Peter Thiessen sind mittlerweile öfter auf der Theater- als auf der Rockbühne anzutreffen und passen damit vortrefflich nach Kampnagel. Auch Kristof Schreuf, der die sogenannte Hamburger Schule maßgeblich mitprägte, und Potato Fritz mit ihrer selbstbetitelten „schmutzigen Musik“ geben sich die Ehre.

Der Eintritt an der Abendkasse ist auf Spendenbasis, „Pay as much as you can and want“ die Devise. Wer sich sein Ticket aber vorab sichern möchte, kann es für 12 Euro im Vorverkauf erwerben. Jeder Euro geht dann an das EcoFavela-Projekt.

Text: Andra Wöllert

 

Clubkinder Festival

Der gemeinnützige Verein lädt in acht Hamburger Clubs mit einem ausgewählten Line-up zu einer dreitägigen Party für den guten Zweck.

Zum dritten Mal lädt der gemeinnützige Verein Clubkinder e.V. zu seinem jährlichen Festival. Beim Clubkinder Festival wird mit acht ausgewählten Partnern gesammelt: Jeder Club übernimmt eine Patenschaft für einen Jugendlichen, der aus einem der zahlreichen Krisen- und Kriegsgebiete den Weg nach Hamburg gefunden hat. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinderschutzbund Hamburg bekommen die „Patenkinder“ dann die Unterstützung, die sie brauchen: Bewerbungstraining, Therapie oder andere Hilfestellungen, die sie zusammen mit ehrenamtlichen Vormündern angehen.

Die Geldmittel dafür werden zum Beispiel über Eintrittsgelder generiert. Zum Auftakt gibt es einen clubbigen Paukenschlag: die “Jeudi-Nacht” im Baalsaal mit Tobi Tob (Moonbootica, Fünf Sterne Deluxe), Tony Casanova (kiddazfm, Play With Us / Berlin ) und Marc Dirty Deal (Dirty Trip). Die Party geht dann bis zum 23. Mai in handverlesenen Locations weiter, vom Uebel & Gefährlich über die MS Stubnitz bis zum Hafenklang.

 

 

Spiders

Garage-Rock aus Schweden: Die Göteborger Band um Ann-Sofie Hoyles mischen The Rock Café St. Pauli auf.

Optisch erinnert Frontfrau Ann-Sofie Hoyles ein wenig an die junge Suzi Quatro. Musikalisch trifft das allerdings weniger zu. Die Referenz der schwedischen Band Spiders liegt zwar in den Siebzigern, aber nicht im Glamrock, eher bei Rockern wie Girlschool oder den späten MC5. Bekanntheit erlangten die Göteborger um Hoyles als Support für Metallica, Kvelertak und Graveyard. Auf den frühen Aufnahmen wie der EP Spiders (2011) und dem Debütalbum Flash Point (2012) betätigte sich Hoyles noch allein als Songschreiberin. Auf dem aktuellen Album Shake Electric waren dann aber alle Bandmitglieder – einschließlich der Gitarrist und Ehemann von Ann-Sofie, John Hoyles – in den kreativen Prozess mit eingebunden. Entstanden ist ein außergewöhnlich vielfältiges Rock-’n’-Roll-Monster, das im Rock Café St. Pauli aus dem Käfig gelassen wird.

 

„Dora“

Das Zeise zeigt die wunderbare und verstörende Verfilmung des Theaterstücks „Die sexuellen Neurosen unserer Eltern“.

Dora ist 18 Jahre alt und geistig behindert. Eben erst hat ihre Mutter beschlossen, die Medikamente abzusetzen, die ihre Wahrnehmung stark beeinträchtigen. Womit sie nicht gerechnet hat: Doras Sexualität erwacht explosionsartig. Als die Tochter mit dem zwielichtigen Apotheker Peter ein Verhältnis beginnt und schließlich schwanger wird, sieht sich die Mutter mit eigenen ungelebten Wünschen konfrontiert. Das familiäre Leben gerät aus den Fugen. Der Film Dora oder Die sexuellen Neurosen unserer Eltern, den Stina Werenfels nach dem bekannten Theaterstück von Lukas Bärfuss drehte und der unter anderem im Abaton Kino gezeigt wird, löst von Anfang an ambivalente Gefühle aus. Was ist moralisch richtig, was falsch? Wo beginnt Missbrauch? Wie verhält sich eine gute Mutter? Weder für die Protagonisten noch für die Zuschauer gibt es klare Antworten. Das ist wunderbar und verstörend zugleich.

Text: Katharina Manzke

 

„Mädchen im Eis“

Im Abaton läuft Stefan Krohmers neuer Film über Liebe, spontane Morde und andere Katastrophen am nördlichen Polarkreis an.

Pinguine am Nordpol? Eine gelungene Überraschung bietet am Anfang dieses Mädchen im Eis. Da verbindet ein Schnitt – ebenso tollkühn wie jener in Kubricks 2001, der aus der Vorzeit in die Zukunft führte – scheinbar die entferntesten Sphären. Doch rasch entpuppt sich der Lebensraum der antarktischen Schar als das schnöde Areal eines nördlichen Zoos, in dem der Pinguinwärter Yegor den Besuchern seine Geschichte erzählt.

Sie handelt von unglücklicheren Vertretern der Gattung, die er einem russischen Mogul als Komparsen für einen aufrüttelnden Öko-Clip geliefert hat, der am nördlichen Polarkreis entstehen sollte; von dessen Treffen mit der deutschen Musikerin Winja und einem Mord, den er ihr zuliebe ganz spontan beging; von Winjas Suche nach ihrem russischen Geliebten Andrei sowie von dessen unerwarteter Vaterschaft an der Seite einer Eisschnellläuferin, der er die Windeln zum Training ins nordpolnahe Wintersporthotel hinterhertrug.

Nach dem Babuschka-Prinzip schält sich aus jeder Geschichte die nächste heraus, die sich am Ende zusammen zu einem wunderbaren Ganzen fügen. Zur Hamburg-Premiere kommen Regisseur Stefan Krohmer, Drehbuchautor Daniel Nocke, Produzent Stefan Arndt und Schauspielerin Lucie Heinze ins Abaton.

 

ADC Festival 2015

Hyper, hyper: Der Art Directors Club kapert mit seinem diesjährigen Festival das „kreative Gefahrengebiet“ St. Pauli.

Natürlich wissen Werber, wie man sich in Pose wirft. Ist schließlich ihr Job. Doch belächelt wurde selbst in ihren eigenen Kreisen, wie sehr sich der Kreativenverband ADC mit seinem diesjährigen Festival an die St. Paulianer heranschmeißt. Nicht nur findet das Branchenevent jetzt im Millerntor-Stadion statt, sondern gleichzeitig kapern die Werber auch das Lebensgefühl und den anarchistischen Unterton, der dort herrscht, unverfroren mit.

Denn auch wenn Werber und St. Paulianer eigentlich nur die Gentrifizierung gemeinsam haben, für die die einen sorgen und die anderen bluten, hat der Art Directors Club vom 21. bis 23. Mai das Kreative Gefahrengebiet ausgerufen und darüber hinaus Viral-Videos drehen lassen, in denen der Greenkeeper aus dem St.-Pauli-Stadion über Außenwerbung spricht oder Rotlicht-Legende Kalle Schwensen über Storytelling.

Creating The Digital Hype heißt das diesjährige Motto, eingeladen sind Speaker wie Kevon Allocca von YouTube oder Robert Newlan von Facebook. Zum Auftakt werden am 21. Mai im Operettenhaus die Nägel, wie die ADC-Awards heißen, an die besten Arbeiten des letzten Jahres verliehen und das Ganze dann bei der After-Show-Party gebührend gefeiert.

Text: Sabine Danek

 

„Magical Mystery“

Technojünger wollen auf „Magical Mystery“-Tour gehen: Im Altonaer Theater wird der neuste Roman von Sven Regener inszeniert.

Karl Schmidt, der beste Freund von Frank Lehmann, kehrt aus dem Untergrund Hamburg-Altonas zurück. Die bekannte Figur aus Sven Regeners gleichnamigen Roman ist seit dem Mauerfall in psychischer Behandlung und bricht als Tourbus-Fahrer und Betreuer einer Technogruppe zu einem Roadtrip auf, um seinem Hilfshausmeisterjob zu entkommen. Der Frontmann der Band Element of Crime, der durch sein Romandebüt Herr Lehmann und den gleichnamigen Film bekannt wurde, lieferte die unterhaltsame und melancholische Romanvorlage. Die Bände Neue Vahr Süd und Der kleine Bruder wurden ebenfalls bereits als Film oder Theaterstück verarbeitet. Die Bühnenfassung zu seinem neuesten Roman Magical Mystery entstand in Zusammenarbeit mit Anja Del Caro und Regisseurin Mona Kraushaar, die 2014 den Rolf-Mares-Preis erhielt. Aufgeführt wird das Stück im Altonaer Theater.

Text: Aaltje Anhalt

 

Nadine Shah

Anmutig sind ihre Songs, obwohl sie oft düster daher kommen: Die Sängerin stellt ihr neues Album „Fast Food“ in der Prinzenbar vor.

„Hau doch ab zu deiner Hure“, beschimpft Nadine Shah in Runaway ihren (nun Ex-)Typen. Sie selbst nimmt in dem Song die Rolle einer verlassenen Mutter ein. Die in London lebende Sängerin gibt sich in ihrem neuen Album Fast Food gern mal kaltschnäuzig – und bleibt doch immer sehr bedrückend. Mit dem neuen Werk geht die Tochter einer Norwegerin und eines Pakistaners derzeit auf Tournee und macht an einem Mittwoch in Hamburg Halt in der Prinzenbar. 2013 brachte sie ihr Debüt Love Your Dum and Mad heraus und besang schon damals eher das Scheitern als die heile Welt. Und so nimmt sie diese auch im zweiten Werk schonungslos und fast stoisch auseinander. Ob einem die Lieder live noch mehr unter die Haut gehen?

Text: Andra Wöllert

 

Vierkanttretlager

Bevor die Husumer Band im Molotow spielt, steht sie noch schnell Frage und Antwort zu ihrem neuen Album „Krieg & Krieg“.

Auf dem neuen Album „Krieg & Krieg“ von Vierkanttretlager hört man Texte, die in den Abgrund der Menschheit blicken. Wie die zu lesen sind, erklären Max (Gesang), Christian (Gitarre) und Leif (Schlagzeug) im Interview.

Das übergreifende Thema auf Krieg & Krieg ist die Einsicht, dass der Mensch schlecht ist. Was wollt ihr damit erzeugen?

Christian: Wenn man davon ausgeht, dass der Mensch wirklich schlecht ist – was viele öfter mal denken –, und das einfach mal zu Ende denkt, unser Album hört, dann steht man vor einem Nichts. Quasi, als hätte man einen Acker umgepflügt, den man dann aber neu bepflanzen kann.
Max: Genau! Wir wollen die Leute dazu bringen, zu sagen: „Das will ich aber nicht! Lass es uns doch anders machen.“

Es gibt aber auch fröhliche Elemente: die bunte Girlande mit dem Schriftzug Krieg & Krieg in der Album-Box oder das skurrile Video zu Kaktusblüte. Wozu diese Brüche?

Leif: Um uns als Künstler nicht ganz so ernst zu nehmen. Max schließt in seinen Texten sich und uns ja oftmals mit ein. Eben um nicht nur zu sagen: „Das und das ist schlecht.“ Sondern: „Wir machen es ja genauso. Wir sind ja auch Menschen.“

Interview: Theresa Huth