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Hossein Derakhshan in Israel

Hossein Derakhshan sitzt immer noch im Iran ein, ohne offizielle Anklage. Wer diesen Bericht des israelischen Fernsehens über seinen Besuch im Land sieht, kann sich ungefähr denken, warum. So einen unberechenbaren Freigeist erträgt das regime nicht, selbst wenn er am Ende sehr freundlich schrieb.

 

Israel plant Tausende neuer Siedlungen

Ist das jetzt staatlich organisierter Irrsinn? Wie die israelische Friedensinitiative „Peace Now“ dokumentiert, liegen dem israelischen Bauministerium Pläne für Tausende neuer Wohneinheiten ausserhalb bestehender Siedlungen in der Westbank vor.

Schlimm genug, wenn die bestehenden Siedlungen immer stärker ausgebaut werden, doch hier geht es ganz offenbar um Landraub. Wenn dies umgesetzt wird, ist es das Ende der Zweistaatenlösung, und das programmierte Ende des Staates Israel in langer Sicht. Denn es macht eine effektive Trennung von Israelis und Palästinensern, und also die Zweistaatenlösung in den Grenzen von ’67 unmöglich.

Hier die Zusammenfassung der Befunde:

• Total number of housing units in the published plans – 73,302, out of which, 5,722 are in East Jerusalem
• Total number of housing units in approved plans – 15,156, approx. 8,950 of which have already been built.
• Total number of housing units in planning stages – 58,146.
• If all the plans are realized, the number of settlers in the Territories will be doubled (an addition of approx. 300,000 persons, based upon an average of 4 persons in each

housing unit).
• In Gush Etzion (Bethlehem area) 17,000 housing units are planned in areas outside the existing settlements.
• At least six (6) outposts are included in the Ministry of Housing plans (Magen Dan, Givat Hadagan, Givat Hatamar, Bnei Adam, Bat Ayin West, Hill 26).
• There are plans for huge construction to double the size of some settlements, including: Beitar Illit, Ariel, Givat Ze’ev, Maaleh Adumim, Efrat and Geva Binyamin.
• Approx. 19,000 housing units are planned in settlements that are beyond the constructed path of the Fence (Kiryat Arba, Karnei Shomron, Ariel, Geva Binyamin, Immanuel, Revava).
• The plans in the settlements constitute 22% of the total housing units that are in planning stages in the Ministry of Housing.

Das ist schlicht und einfach empörend. Ein Schlag ins Gesicht der Freunde Israels, die sich für eine Zweistaatenlösung einsetzen.

Hier beispielhaft eine der Karten, die den Griff der Siedlerbewegung nach der Westbank dokumentieren:

Rot sieht man die „Trennungsmauer“, die hier um Jerusalem herum verläuft. Gelb eingezeichnet sind weitere Bauprojekte innerhalb (links) und ausserhalb der Mauer (rechts)

 

Lernen, mit dem radikalen Islam zu leben

Ich habe heute eine Reihe von Texten gelesen, die mich zum Grübeln bringen. So viele, dass ich nocht lange nicht mit dem Grübeln fertig bin. Doch das Gute an diesem Medium hier ist ja, dass man die Begrübelungsgrundlage verbreitern kann, indem man andere dazu einlädt, an de eigenen unfertigen Gedanken teilzuhaben und mitzudenken.

Erstens stach mir dieser Bericht von Press TV ins Auge, in dem behauptet wird, das State Department betrachte sie russische Zusammenarbeit mit den Iranern am Atomkraftwerk Bushehr als im Rahmen des Nichtverbreitungsregimes erlaubte zivile Aktivität. Es wird der Sprecher des Aussenminsiteriums Robert Wood zitiert (den ich noch aus seiner Zeit als Sprecher der Berliner US-Botschaft kenne): 

Robert Wood said during a Wednesday press briefing that the trial start-up of the Bushehr nuclear plant in southern Iran is in the realm of peaceful use of nuclear energy. 

Und dann wird geschlußfolgert: Wood’s remarks indicated that Washington’s apparent approval was because fuel arrangements for the nuclear facility were made with Russia. 

Was bedeuten würde, dass die russische Kooperation mit Iran positiv gesehen wird, weil sie als Argument dazu herhalten kann, dass die Iraner keine eigene Anreicherung brauchen (ausser für Waffenzwecke, was Iran ja zu verfolgen bestreitet).

Das ist doch eine erstaunliche neue Position zu dem ganzen Iran-Russland-Atom-Komplex!

Zweitens las ich einen leidenschaftlichen Text von Roger Cohen in der Herald Tribune, in dem dieser sich wegen eines Reihe von Reportagen aus Iran gegen die Vorwürfe verteidigt, er habe sich von Regime  einseifen lassen, was seine milde Sicht des Landes beweise.

Unmittelbarer Anlass für diese Selbstverteidigung: Cohens Äusserungen zur Lage der Juden im Iran, die dort nach seiner Schilderung besser leben als in den meisten arabischen Ländern. (Läßt sich wohl kaum bestreiten.)  Nun geht Cohen in die Vollen und wendet sich in seiner neuen Kolumne gegen die Dämonisierung des Iran. Vor allem die dauernden Vergleiche des Iran mit dem Nazi-Staat weist er zurück, und zwar sehr zu Recht:

I was based in Berlin for three years; Germany’s confrontation with the Holocaust inhabited me. Let’s be clear: Iran’s Islamic Republic is no Third Reich redux. Nor is it a totalitarian state.

Munich allowed Hitler’s annexation of the Sudetenland. Iran has not waged an expansionary war in more than two centuries.

Totalitarian regimes require the complete subservience of the individual to the state and tolerate only one party to which all institutions are subordinated. Iran is an un-free society with a keen, intermittently brutal apparatus of repression, but it’s far from meeting these criteria. Significant margins of liberty, even democracy, exist. Anything but mad, the mullahs have proved malleable.

Das ist wichtig, bei aller Kritik an der iranischen Unterdrückung von Regime-Gegnern, Andersgläubigen und Frauen im Sinn zu behalten.

Und drittens beeindruckt mich ein neuer Essay von Fareed Zakaria in Newsweek mit dem Titel „Learning to live with radical Islam“. Zakaria sagt, wir müßten unterscheiden zwischen Islamisten, deren Agenda für die Durchsetzung der Scharia in ihren Gesellschaften wir zwar ablehnen mögen, die unsere Sicherheitsinteressen aber nicht gefährden, und denen, die sich als Teil eines globalen Dschihad gegen den Westen sehen.

In den letzten Jahren haben wir eine Perspektive eingeübt, in der diese Unterscheidung nicht gemacht wurde. Ja, es wurde geradezu zum Dogma, dass es unmöglich sei, zwischen verschiedenen Formen und Graden des Islamismus zu unterscheiden. Am Ende laufe alles aufs Gleiche hinaus.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der radikale Islamismus nicht verschwinden wird und nicht besiegt werden kann, wenn wir alle Islamisten in einen Topf werfen.

Wir müssen neue Prioritäten setzen: Unsere Hauptaufgabe ist es, den Bin-Ladenismus zu besiegen. Und in diesem Kampf sind nicht die moderaten Muslime (oder Ex-Muslime) unsere wichtigsten Verbündeten, sondern diejenigen Radikalen und Fundamentalisten, die sich nicht dem Dschihad gegen uns verschworen haben. 

Der „Surge“ im Irak hat aufgrund solcher Teufelspakte funktioniert, und in Afghanistan wird man ähnliche Koalitionen schmieden müssen, auch hier mit Gruppen, die uns zuwider sind. Es geht darum, die lokalen Militanten von den globalen Dschihadis abzuspalten und sie einzubinden in eine Lösung der Probleme des Landes. Zakaria zitiert David Kilcullen, den ich hier vorgestellt habe: 

„I’ve had tribal leaders and Afghan government officials at the province and district level tell me that 90 percent of the people we call the Taliban are actually tribal fighters or Pashtun nationalists or people pursuing their own agendas. Less than 10 percent are ideologically aligned with the Quetta Shura [Mullah Omar’s leadership group] or Al Qaeda.“ These people are, in his view, „almost certainly reconcilable under some circumstances.“ Kilcullen adds, „That’s very much what we did in Iraq. We negotiated with 90 percent of the people we were fighting.“

Für unsere einheimische Debatte über Islam und Radikalismus hat das auch Folgen: Wir müssen aufhören, auf Kopftücher und Burkinis zu starren, als sei erst dann Hoffnung in Sicht, wenn diese Markierungen religiöser und kultureller Differenz verschwunden sind.

Es wird ganz einfach nicht passieren, ob es einem passt oder nicht. 

Und wir müssen darum auch jede Form der Thematisierung vermeiden, die suggeriert, es gebe ein Kontinuum zwischen Kopftuch und Sprengstoffgürtel. 

Zakaria endet mit diesen Worten, die ich nur unterschreiben kann: 

We can better pursue our values if we recognize the local and cultural context, and appreciate that people want to find their own balance between freedom and order, liberty and license. In the end, time is on our side. Bin Ladenism has already lost ground in almost every Muslim country. Radical Islam will follow the same path. Wherever it is tried—in Afghanistan, in Iraq, in parts of Nigeria and Pakistan—people weary of its charms very quickly. The truth is that all Islamists, violent or not, lack answers to the problems of the modern world. They do not have a world view that can satisfy the aspirations of modern men and women. We do. That’s the most powerful weapon of all.

 

„Israeler super super super gemein“ – Gaza im islamischen Religionsunterricht

In Berlin unterrichtet die „Islamische Föderation“ muslimische Kinder im freiwilligen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen – so wie die Kirchen und die Jüdische Gemeinde.

Die Föderation – eine Briefkastenfirma von Milli Görüs – hat nun Briefe ins Netz gestellt, auf denen Kinder ihre Gefühle und Wünsche zum Gaza-Krieg ausdrücken. Teilweise ist das einfach nur das Übliche, was Kinder so sagen, wenn man sie zu irgendeinem Krieg befragt. Doch teilweise schaut auch eine problematische religiöse Aufladung des Konflikts durch, der man im Religionsunterricht offenbar nicht entgegenwirkt. Die israelischen „Kindermörder“ sind omnipräsent in den Briefen. Wie darf man sich wohl die Unterrichtseinheit vorstellen, die zu dieser Sicht geführt hat?

Zwei Beispiele, mehr hier.

 

(Mehr) Bittere Wahrheiten über die Nichtintegration der Migranten

Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft veröffentlich dieser Tage seinen Integrationsmonitor.  Die Zahlen sind alarmierend (für diejenigen, die noch nicht alarmiert sind, also nicht die regelmässigen Leser dieses Blogs).

Fazit: „Alle 16 Bundesländer weisen einen unzureichenden Integrationsstand in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt und Soziales auf – ob in einem Bundesland relativ viele oder wenige Ausländer leben, spielt dabei keine Rolle für den Grad der Eingliederung.“

Es gibt einen erheblichen Unterschied beim Zugang zu Bildung in Deutschland. „Migrantenkinder haben beim Lesen einen  Wissensrückstand von bis zu zwei Schuljahren, ausländische Jugendliche brechen mehr als doppelt so häufig die Schule ab und machen seltener das Abitur als ihre deutschen Mitschüler; außerdem ergattern sie deutlich seltener einen Ausbildungsplatz und fangen auch nicht so oft ein Hochschulstudium an wie Schulabgänger mit deutschem Pass.“

Zwei interessante Fakten aus der Vorabinformation zu der Studie:

Berlin liegt weit abgeschlagen bei 20,3 Punkten, was die Integration der Ausländer in das Bildungssystem angeht. Bayern erzielt doppelt so hohe Punktzahlen, NRW dreimal so hohe. Das ist ein Alptraum, wenn man an die schiere Zahl der Betroffenen in der Hauptstadt denkt.*

Was die Berufschancen ausländischer Akademiker angeht, sieht es düster aus: Deutsche Hochschulabgänger haben bis zu dreimal höhere Chancen auf einen Job als als Hochqualifizierte mit einem ausländischen Pass. Warum? Reden wir nicht seit Jahren davon, dass wir als Exporteur und globalisierte Wirtschaft unbedingt Hochqualifizierte aus aller Welt brauchen?  Und dann stellen wir doch lieber Kerndeutsche ein? Übrigens: Nur in Hessen und Baden-Württemberg gibt es annähernd Chancengleichheit für nichtdeutsche Akademiker.

 

Grafik: IW Köln

* Zahlen aus Berlin: Laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg leben in Berlin 470.000 registrierte Ausländer plus 393.000 Deutsche mit Migrationshintergrund. 

 
Von den 3.405.300 Einwohnern Berlins hätten somit 863.500 einen Migrationshintergrund.

 

Der Einflussagent: Was Gerhard Schröder wirklich am Iran interessiert

Und noch etwas Kleines aus der Zeit von morgen:
Wollen jetzt nicht alle mit den Iranern reden? Sogar Obama? Warum regen sich dann alle über Gerhard Schröders Wochenendtrip nach Teheran auf? Oder distanzieren sich vorsichtig, wie das Auswärtige Amt: Nein, abgestimmt habe der Ex-Kanzler seinen Iranbesuch nicht. »Angezeigt« habe er seine Reiseabsichten bloß, wie üblich.
Gerhard Schröder sei »weder auf Wunsch noch auf Anregung, noch etwa mit Nachrichten« des Außenministers unterwegs gewesen, heißt es in Berlin. Er habe lediglich, wie alle Elder Statesmen auf heiklen Reisen, ein umfangreiches Briefing über den Stand der bilateralen Beziehungen zur Vorbereitung erhalten. Von einem Plausch mit Mahmud Ahmadineschad hat man ihn offenbar nicht abhalten können, wie die Fotos vom Sonntag zeigten.
Schröder hätte den notorischen Israelhasser nicht treffen sollen, grummelt es in Regierungskreisen. Doch immerhin hat er ja Klartext geredet: Es mache »keinen Sinn«, die historische Tatsache des Judenmords zu leugnen.
Aber Schröder war wohl nicht nach Teheran gekommen, um Ahmadineschad über die Schoah zu belehren. Russischen Medien war es eine Erwähnung wert, dass sein Besuch mit konkurrierenden Gesprächen zwischen der EU und Iran über die geplante Nabucco-Pipeline zusammenfiel, die an Russland vorbei Gas aus Zentralasien (und eines Tages vielleicht aus Iran) nach Europa bringen soll. Die Zeitung Kommersant kommentiert seine Iranreise: »Gasproms Einflussagent in Teheran eingetroffen«. Einflussagent – kein schönes Wort, auch wenn es durchaus lobend gemeint ist: Schröder, vermutet Kommersant, könnte »als langjähriger Freund Russlands« versuchen, die Iraner von Gasproms Südpipeline (South Stream) zu überzeugen, der Konkurrenz zu Europas Nabucco-Projekt. Die Russen sind von Letzterem nicht begeistert, weil es Europa unabhängiger vom Monopolisten Gasprom machen würde. Iran müsste freilich aufhören, an der Bombe zu basteln und Israel zu bedrohen, damit es Gas nach Europa liefern könnte – ganz egal, durch welche Pipeline.

 

Bahai im Iran vor Verurteilung

Aus der ZEIT von morgen.
Wer eine religiöse Minderheit demütigen will, schändet ihre Friedhöfe. Jeder solcher Akt ist barbarisch. Doch innerhalb der letzten Monate haben die Bahai im nordiranischen Qaimshahr gleich viermal zusehen müssen, wie die Gräber ihrer Vorfahren beschädigt wurden. Zuletzt, Ende Januar, kamen Bulldozer und vollendeten das Zerstörungswerk – von offiziellen Stellen geduldet, wenn nicht gar geschickt. Im Schatten der westlichen Sorge um sein Atomprogramm betreibt das Teheraner Regime eine zunehmend radikale Repression gegen die größte religiöse Minderheit im Lande – die etwa 350 000 Anhänger des Bahai-Glaubens. Das Kalkül: Die Welt hat andere Sorgen und wird sich darum nicht für die Rechte einer kleinen Religion verkämpfen.
Vielleicht wird dieses Spiel nicht aufgehen: Letzte Woche hat das Bundeskanzleramt den Geschäftsträger der iranischen Botschaft in Berlin einbestellt und ihm die Sorge der Kanzlerin über einen in Teheran drohenden Prozess gegen Bahai verdeutlicht. Und auch das Auswärtige Amt nutzt jeden Kontakt mit iranischen Stellen, um das Schicksal der Bahai zu beklagen.
Sieben führende Mitglieder des Bahai-Glaubens sollen dieser Tage vor Gericht gestellt werden. Man wirft ihnen »Spionage für Israel« und »Propaganda gegen den iranischen Staat« vor. Seit Monaten wurden die sieben ohne formelle Anklage festgehalten und ihre Anwälte schikaniert. Selbst die Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi wird unter den Augen der Behörden drangsaliert und denunziert, seit sie die Aufgabe übernommen hat, die Angeklagten zu verteidigen. Es wurden gar Gerüchte lanciert, Ebadis Tochter sei zum Bahai-Glauben übergetreten. Sollte es zu einer Verurteilung kommen, droht den geistigen Führern der Bahai die Todesstrafe.
Was reizt die Mullahs so an dieser Religion? Ursprünglich als islamische Reformbewegung in Iran entstanden, hat sich die Gemeinde des Stifters Bahaullah (»Herrlichkeit Gottes«) vom Islam losgesagt und eine Lehre entwickelt, die alle Weltreligionen beerben will. Die Bahai begreifen Mohammed nicht als »Siegel der Propheten«, sondern als eine Stimme der Offenbarung unter vielen. Keine Religion sei »falsch«, alle müssten aus ihrer Zeit heraus begriffen werden. Bahai lehren die Gleichberechtigung von Mann und Frau und lehnen jedes Priestertum ab. Statt der Überlegenheit des islamischen Glaubens über die anderen »Buchreligionen« und der Unantastbarkeit des Korans vertreten sie ein Ideal des religiösen Weltfriedens und glauben an eine unabgeschlossene Offenbarung des Göttlichen in der Geschichte.
In den Bahai begegnet dem schiitischen Klerus eine Form der religiösen Aufklärung, die umso provokanter ist, als sie von innen kommt – aus der Mitte der iranischen Kultur. Von Beginn an wurden die Bahais eben darum als Einflussagenten des Auslands – der Briten, der Russen, der Amerikaner und nun eben Israels – verteufelt. Sie sind ein Ärgernis, weil in ihnen ein anderer Weg aus der islamischen Kultur in die Moderne aufscheint: ohne Ressentiment, ohne Dschihad, ohne Fundamentalismus.
Mit dem heutigen Israel verbindet die Bahai nur der historische Zufall, dass ihr Prophet ins Exil gedrängt wurde und im palästinensischen Akkon – nahe dem heutigen Haifa – starb. Dort befindet sich das Weltzentrum für sechs Millionen Gläubige weltweit – Vorwand für die Teheraner »Zionisten«-Verschwörungstheorie.
In den letzten Monaten haben die Drangsalierungen der Bahai in Iran zugenommen. Sie dürfen nicht studieren, keine Geschäfte führen und sich nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. Es scheint kaum übertrieben, von einer drohenden Vernichtung der Bahai in ihrem Ursprungsland zu sprechen. Es könnte freilich sein, dass die radikalen Kreise im Teheraner Regime, die diese Kampagne vorantreiben, sich verrechnet haben. Denn es wächst auch in der eigenen Öffentlichkeit der Widerstand gegen die Unterdrückung: Über 240 iranische Intellektuelle haben einen offenen Brief geschrieben, in dem sie sich »beschämt« darüber zeigen, dass die Bahai »seit anderthalb Jahrhunderten ihrer Rechte in Iran beraubt werden«.
Durch das beherzte – und diesmal geschlossene – Auftreten der Bundesregierung ist das Schicksal der Bahai zu einem Prüfstein für die Hoffnung geworden, der Westen könne mit Iran einen Neuanfang wagen. Das steckt hinter dem drohenden Satz der Kanzlerin, ohne korrektes Gerichtsverfahren drohe »eine Belastung der Beziehungen der Staatengemeinschaft mit Iran«.
Iran sucht nach internationaler Anerkennung. Das verträgt sich in einer von religiösen Konflikten zerrissenen Welt schlecht mit der Entrechtung einer Minderheit, deren einziges Verbrechen darin besteht, sich vom Islam gelöst zu haben. Im Teheraner Gerichtshof wird darum nicht nur über das Schicksal einer kleinen religiösen Minderheit entschieden werden – sondern auch über die Rolle, die das iranische Regime selbst künftig zu spielen gewillt ist.

 

Noch ein Holocaust-Oscar

Gegen meinen ausdrücklichen Wunsch hat die Academy Kate Winslet einen Oscar für ihre Darstellung der Hanna in „Der Vorleser“ verliehen. Das ist ein Witz. Hier ein Stück, in dem sich Winslet selber lustig macht über den Holocaust als Oscar-Garantie:

 

Teherans Vernichtungsfeldzug gegen die Baha’i

Ich beschäftige mich für die aktuelle Ausgabe mit der dramatischen Lage der Bahai im Iran. Es wird in den kommenden Tagen mit einem Urteil gegen die Mitglieder des Führungsgremiums gerechnet wegen „Spionage für Israel“.
Dies würde sich in eine zunehmend radikale Politik des Teheraner Regimes gegenüber dieser religiösen Minderheit fügen, die auf eine Vernichtung des Baha’i-Glaubens hinausläuft.
Hier ein Clip der großen Zeichnerin Marjane Satrapi zum Thema.
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