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Noch ein Schiff für Gaza? Teheran und Ankara, die neue Achse?

Da braut sich etwas zusammen. Der Iranische Rote Halbmond hat angekündigt, zwei Schiffe zwecks „humanitärer Hilfe“ nach Gaza zu schicken. Eines soll mit Hilfsgütern, das andere mit „Experten“ bestückt sein. Freiwillige werden auf der Homepage des Roten Halbmonds noch gesucht.

Die Revolutionsgarden waren von der Idee so begeistert, dass sie gleich anboten, die Schiffe gegebenenfalls zu begleiten, falls der Revolutionsführer Khamenei dazu einen Befehl erteile.  (Dass die Garden sich mit ihren vergleichsweise leichten Booten besser nicht mit der israelischen Marine anlegen sollten, steht auf einen anderen Blatt. Andererseits: Noch ein paar Opfer wären dem Teheraner Regime ganz recht. Offenbar gibt es gegenüber der Türkei schon so etwas wie einen Märtyrer-Neid.)

Natürlich ist es kein Zufall, dass Teheran die Gaza-Angelegenheit jetzt hochspielt. Soeben sind Sanktionen gegen Iran beschlossen worden. Der UN-Sicherheitsrat hat mit 12 von 15 Stimmen dafür gestimmt. Betroffen werden vor allem Firmen der Revolutionsgardisten sein, die am Nuklearprogramm beteiligt sind. Auch Banken werden zusätzlich zum Ziel dieser vierten Runde von Sanktionen. Und ein Waffenembargo trifft die Streitkräfte hart. Man möchte so davon ablenken, dass Teheran noch nie so weitgehend politisch isoliert dastand wie heute. Russen und Chinesen tragen die Sanktionen nämlich mit. Um diese beiden an Bord zu haben, waren zwar keine „lähmenden (crippling) Sanktionen“ möglich. Aber die Amerikaner und die Europäer werden nun noch einmal bilateral drauflegen, um die Wirkung zu verstärken. Die Kosten für Irans Atomprogramm steigen enorm.

Da passt es gut, wenn das Regime sich als Schutzmacht der Palästinenser aufführt. Es beobachtet misstrauisch, wie die Türken sich in letzter Zeit zum Hauptsponsor der palästinensischen Sache – und auch des Schützlings der Iraner, der Hamas – aufschwingen. Natürlich will man sich von Ankara nicht den Schneid abkaufen lassen. Darum ist es gut möglich, dass die Boote tatsächlich auslaufen werden.

Es ist schon mal passiert. Im Dezember 2008 versuchte ein iranisches Schiff, die Blockade Gazas zu unterbrechen. Die Israelis haben es ohne Verluste von Menschenleben abgefangen. Dass es diesmal so friedlich abgehen wird, ist nicht ausgemacht.

Noch einen Grund gibt es, warum derzeit die Gaza-Aufregung so gut in die Teheraner Agenda passt: Dieser Tage jährt sich der Wahlbetrug Achmadinedschads und die blutige Niederschlagung des Volksaufstandes. Nur zu gerne würde das Teheraner Regime vergessen machen, was damals geschah: Die Herrschaft stellte sich gegen das Volk, und die Welt wurde Zeuge eines blutigen Putsches, bei dem Dutzende Menschen starben.

Das sollen wir vergessen, wenn ein iranisches Hilfsboot von Israelis aufgebracht wird. Aber die Welt ist nicht so vergesslich.

Zum Fürchten ist an dieser Farce der neue Wettlauf von Teheran und Ankara um die Volksmeinung in den islamischen Ländern. Erdogans Regierung hat gegen die Sanktionen gestimmt, genau wie Brasilien. Man bedenke: Der Libanon hingegen, in dem die (iranhörige) Hisbollah mitregiert, hat sich immerhin der Stimme enthalten. Die Türkei aber stimmt gegen die vitalen Interessen ihrer Nato-Partner.

Natürlich wird jetzt offiziell gesagt werden, es gebe keine Beziehung dieser Handlungsweise zum EU-Beitrittsprozess. Aber der Moment, in dem die EU in einer der wichtigsten Fragen außenpolitisch mehr mit China und Russland gemein hat als mit dem türkischen Aspiranten auf Mitgliedschaft, ist ein entscheidender auch für das Erweiterungsprojekt.

Mag sein, es ist am 9. Juni 2010 gestorben.

 

Worum es beim Krieg Israels gegen die Hamas geht

Der Schweizer Publizist Frank A. Meyer versucht, Ordnung in die Ereignisse der vergangenen Woche zu bringen. Ein hilfreicher Artikel im „Blick“:

„Erstens: Im Gaza-Streifen, eine Autostunde von Tel Aviv entfernt, errichtet die islamistische Organisation Hamas ein Terrorregime, das jede Opposition und jede Kritik gewalttätig unterdrückt, das die palästinensischen Frauen, die zu den emanzipiertesten der arabischen Welt gehörten, wieder brutaler Männerherrschaft unterwirft.
Zweitens: Die Hamas baut ihr «Staatsgebiet», den Gaza-Streifen, im strategischen Interesse des Irans zur Raketenbasis gegen Israel aus. Mit Kassam-Raketen beschiesst sie täglich israelisches Gebiet, am letzten Donnerstag mit vier Raketen, am Freitag mit zwei, am Samstag ebenfalls mit zwei.
Drittens: Die Hamas erkennt weder das Existenzrecht Israels an, noch respektiert sie bestehende Verträge zwischen Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten. Sie bekennt sich dazu, Feind des Judenstaates zu sein.
Viertens: Israel befindet sich mit dem Hamas-Staat im Krieg.
Fünftens: Mit dem Kriegsinstrument einer Blockade will Israel die Hamas an der Einfuhr von Waffen, insbesondere von Raketen hindern. Das Land hat dabei immer das Beispiel Libanon vor Augen, wo die Hisbollah trotz Uno-Truppenpräsenz heute im Besitz von 40 000 modernen Raketen sein soll. Nach Berechnungen des amerikanischen Verteidigungsministeriums verfügt die schiitische Terror-Organisation damit über mehr Raketen als die meisten souveränen Staaten der Welt …“

Alles lesen.

 

Israels Friedens-Flotillen-Desaster

Ich könnte es nicht besser beschreiben als Gideon Lévy in Ha’aretz. In den letzen Tagen hat die israelische Propaganda in erfrischendem Zynismus kundgetan, was sie von den Menschen in Gaza hält. Es wurden Broschüren verteilt, in denen die exzellenten Menus von Restaurants in Gaza aufgezählt wurden – „besonders zu empfehlen: Boeuf Stroganoff“. Die vermeintlich israelfreundlichen Blogger hierzulande reproduzierten diesen fiesen Mist auch noch und suggerierten, es geben überhaupt keine humanitäre Krise in Gaza. Ein Israel, das auf dieses Niveau herabsteigt, ist eine Schande (gerade im Licht der zionistischen Ideale).

Und nun auch noch eine Schießerei mit mindestens 10 Toten in internationalen Gewässern! Israel ist dabei, sich moralisch zu diskreditieren, selbst bei denen, die für sein Recht auf Selbstverteidigung eintreten.

Gideon Lévy schreibt:

„The chorus has been singing songs of falsehood and lies. We are all in the chorus saying there is no humanitarian crisis in Gaza. We are all part of the chorus claiming the occupation of Gaza has ended, and that the flotilla is a violent attack on Israeli sovereignty – the cement is for building bunkers and the convoy is being funded by the Turkish Muslim Brotherhood. The Israeli siege of Gaza will topple Hamas and free Gilad Shalit. Foreign Ministry spokesman Yossi Levy, one of the most ridiculous of the propagandists, outdid himself when he unblinkingly proclaimed that the aid convoy headed toward Gaza was a violation of international law. Right. Exactly.

It’s not the siege that is illegal, but rather the flotilla. It wasn’t enough to distribute menus from Gaza restaurants through the Prime Minister’s Office, (including the highly recommended beef Stroganoff and cream of spinach soup ) and flaunt the quantities of fuel that the Israeli army spokesman says Israel is shipping in. The propaganda operation has tried to sell us and the world the idea that the occupation of Gaza is over, but in any case, Israel has legal authority to bar humanitarian aid. All one pack of lies.

Only one voice spoiled the illusory celebration a little: an Amnesty International report on the situation in Gaza. Four out of five Gaza residents need humanitarian assistance. Hundreds are waiting to the point of embarrassment to be allowed out for medical treatment, and 28 already have died. This is despite all the Israeli army spokesman’s briefings on the absence of a siege and the presence of assistance, but who cares?

And the preparations for the operation are also reminiscent of a particularly amusing farce: the feverish debate among the septet of ministers; the deployment of the Masada unit, the prison service’s commando unit that specializes in penetrating prison cells; naval commando fighters with backup from the special police anti-terror unit and the army’s Oketz canine unit; a special detention facility set up at the Ashdod port; and the electronic shield that was supposed to block broadcast of the ship’s capture and the detention of those on board.

And all of this in the face of what? A few hundred international activists, mostly people of conscience whose reputation Israeli propaganda has sought to besmirch. They are really mostly people who care, which is their right and obligation, even if the siege doesn’t concern us at all. Yes, this flotilla is indeed a political provocation, and what is protest action if not political provocation?

Again we will be portrayed not only as the ones that have blocked assistance, but also as fools who do everything to even further undermine our own standing. If that was one of the goals of the peace flotilla’s organizers, they won big yesterday.“


 

In der Piratengrotte – Angela Merkel am Golf

Angela Merkel steht am Montagabend dieser Woche unter einer Golddecke mit prächtigem Kandelaber in einem Saal des Emirates Palace in Abu Dhabi. Das wahrscheinlich protzigste Hotel der Welt und die manchmal bis zur Schnoddrigkeit nüchternste Regierungschefin der Welt bilden einen schönenn Kontrast. Im taubenblauen Blazer mit wüstensandfarbener Hose hebt sie sich auch dezent vom Weiß der traditionellen Dishdasha des Kronprinzen der Emirate ab, Scheich Mohammed bin Zayed al Nahyan. Die beiden scherzen im Hintergrund, während am Tisch vor den beiden ein Abkommen nach dem anderen unterzeichnet wird. Immer wieder aufs Neue treten je ein deutscher Wirtschaftsführer und ein Scheich in Dishdasha mit beduinischem Kopftuch an den Tisch, öffnen die Ledermappen mit den Verträgen und paraphieren. Chemieanlagen, Renommierbauten, Kompressortechnik – was die deutsche Wirtschaft eben zu bieten hat, geht hier über den Tisch.
Eine tolle Inszenierung, die den Hauptsinn dieser Reise unterstreichen soll: die deutsche Wirtschaft am Golf zu fördern und Deutschland mit den moderaten arabischen Ländern enger zu verknüpfen. Doch: Die Reise hat eben erst begonnen, da ist sie auch schon angeknockt.
Denn während Angela Merkel noch mit dem Scheich schäkert, wartet der Parteifreund Koch aus Hessen bereits auf einen Rückruf. Sie mag zunächst gedacht haben, er wolle ihr vielleicht neue Debattenbeiträge zur Spar-Debatte ankündigen. Als Roland Koch ihr aber noch an diesem Montagabend mitteilt, von allen politischen Ämtern zurücktreten zu wollen, wird Angela Merkel schlagartig klar geworden sein:  Sie ist als Kanzlerin in Tegel gestartet, aber als Parteivorsitzende in Abu Dhabi gelandet.
Am nächsten Tag werden es alle wissen. Merkel hatte angekündigt, es werde eine „politische Reise“ werden. Es sollte um den Nahostkonflikt und um das iranische Atomprogramm gehen. Und natürlich würden Fragen über die Stabilität des Euros aufkommen, in den viele Scheichs und Prinzen einen großen Teil ihrer Dirhams und Rials angelegt haben. Jetzt aber ist es eine innenpolitische Reise geworden.
Die Kanzlerin darf sich das aber erst einmal nicht anmerken lassen. Noch ist Koch nicht vor die Kameras getreten. Und so verbringt sie mehr als einen halben Tag damit, tapfer Renommierprojekte zu besuchen – die Ökostadt Masdar bei Abu Dhabi etwa, und dann eine hochmoderne Gastankstelle des deutschen Mittelständlers Bauer Group. Dort nimmt sie am Ende gar die Zapfpistole selbst in die Hand und betankt einen Mercedes. Ziemlich genau zu diesem Zeitpunkt beginnen 2800 Kilometer entfernt erste Gerüchte über Koch zu zirkulieren.
Soll sie das etwa hier, unter Palmen, kommentieren? Sie will nicht vor die Kameras. Das wäre zu viel der Ehre für Koch, und ein Affront für die Gastgeber.
Im Flugzeug zwischen Abu Dhabi und Dschidda, hoch über den Wüsten Arabiens, wirkt sie gefaßt. Sie bedauere den Rückzug von Roland Koch aus der Politik, sagt sie. Aber sie habe auch Respekt davor. Und sie spricht sogar von freundschaftlichen Ratschlägen, die sie vermissen werde. Koch war ein klarer, rationaler Wettbewerber, der irgendwann eingesehen hatte, dass er an Merkel nicht vorbeikam. Die Parteivorsitzende Merkel scheint den Konservativen, der sie oft nervte, schon ein wenig zu vermissen. Das Kräftefeld, in dem sie agiert, ist jetzt noch ein wenig unberechenbarer geworden.
Aber erst einmal muss sie jetzt glücklicherweise zu einem weiteren Prestigeprojekt – zur neuen Universität KAUST bei Dschidda am Roten Meer.
Der saudische König Abdullah wollte unbedingt, dass Angela Merkel sein Renommierprojekt besucht, die KAUST (King Abdullah University for Science and Technology), eine Autostunde nördlich von Dschidda, direkt am Ufer des Roten Meeres gelegen.
Der saudische König lässt hier internationale Koryphäen forschen, und zwar – revolutionärer Schritt – Männer und Frauen zusammen. Er wollte unbedingt, dass die Physikerin Merkel sich das ansieht und es mit ihrer Anwesenheit adelt. Die Konservativen im Land rebellieren dagegen und schäumen vor Wut. Die Königliche Univerität mit ihrem noblen Hochsicherheitscampus, sagt Merkel, steht pars pro toto für das Modernisierungsprojekt des Königs. Der König, das weiß sie, ist sehr geschickt und vorsichtig darin, die Gegner seines Kurses nicht zu unterschätzen. Er weiß, dass er mit ihnen arbeiten muss und allzu schnelle Schritte den ganzen Öffnunsgprozeß gefärden könnten. Später wird sie mit ihm zu Abend essen. Man darf wetten, dass die beiden skeptischen Modernisierer sich dieser Tage etwas zu erzählen haben.

Beim Essen fragt der König, erzählt sie später, wieviel nach ihrer Schätzung die Erschließung eines Bohrloches koste. Die Antwort: 2 Milliarden Dollar. Merkel lag, sagt sie „um eine Größenordnung daneben“. Der König wollte damit auf die steigenden Kosten des Ölreichtums hinaus – und auf dessen Endlichkeit.

Die 13 Millarden Dollar teure Neugründung ist das Lieblingskind des Herrschers. Auf dem Campus dürfen erstmals im Königreich Männer und Frauen zusammen studieren. Die Rekrutierer des Königs waren in den letzten Jahren an allen Eliteuniversitäten weltweit unterwegs, um Spitzenwissenschaftler hierher zu locken. Meeresbiologen, Geowissenschaftler, Genetiker, Chemiker und Physiker sollen hier Grundlagenforschung in bestausgestatteten Laboren betreiben.
Seit dem letzten Herbst sind nun die ersten Professoren am Werk. Die Studenten haben viele von ihnen gleich mitgebracht. Die größte Zahl von Studenten kommt aus China, an zweiter Stelle sind Südamerikaner, der Uni-Präsident Choo Fong Shih ist Chinese. Die Akademiker – es sind erst ein paar Hundert auf einem Campus, der locker Zehntausend beherbergen kann, können hier in eingespielten Teams zu optimalen Bedingungen arbeiten. Der Meeresbiologe Christian Voolstra kam aus Berkeley an die KAUST und spricht begeistert von der Möglichkeit, im Roten Meer zu forschen. Er arbeitet an der Sequenzierung von Korallengenomen. Alice Gabriel, eine junge Deutsche aus Dresden, kam über ihr Studium der Geowissenschaften an der ETH Zürich nach Saudi-Arabien. Der Erdbebenforscherin, die erst seit zwei Monaten übergesiedelt ist, merkt man noch die Verwunderung über die fremde Umgebung an. Man lebt in der abgeschlossenen Welt der KAUST fast wie daheim. Es gibt Cafés, die Frauen tragen ihr Haar offen und zeigen Haut. Auch ein Kino ist vorhanden, das einzige überhaupt in Saudiarabien. Frauen dürfen auf dem Campus Auto fahren.

Aber jenseits des wohl bewachten Geländes beginnt eine andere Welt, in der das immer noch nicht möglich ist. Alice und ihre Studienkollegen nehmen den Shuttlebus nach Dschidda, wenn sie einkaufen gehen wollen. Doch in den Malls gibt es in Bekleidungsgeschäften keine Umkleiden für Frauen. Man muss also die Kleidung zuhause anprobieren und gegebenenfalls zurückbringen.
Das sind noch die kleinsten Irritationen in der hermetischen Welt Saudiarabiens. Die meisten der Forscher und Studenten, die bisher an der KAUST tätig sind, haben sich damit abgefunden, dass ihre guten Arbeitsbedingungen um den Preis eines normalen westlichen Lebens erkauft sind.

Für den König ist das Experiment KAUST von enormer Bedeutung. Es geht hier darum, ob der Geist wissenschaftlicher Forschung auf dem widrigen Boden der arabischen Halbinsel verankert werden kann. Werden die Familien der Elite, die ihre Kinder heute noch nach Cambridge, Oxford, Harvard oder an die LSE schicken, eines Tages die KAUST wählen? Wird es einen Platz in der saudiarabischen Gesellschaft geben für die selbstbewußten jungen Männer – und vor allem für die jungen Frauen –, die hier lernen sollen, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen? Das ist alles andere als gewiß, auch wenn es zarte Ansätze gibt, wie Merkel später beim Besuch der Handelskammer von Dschidda erfahren wird.

Zur KAUST sollte sie zunächst überhaupt keine Journalisten mitbringen dürfen. Nach langem Bohren der deutschen Seite wurde dann fünf (ausgelosten) Teilnehmern der Delegation doch ermöglicht, mitzukommen. Allerdings unter der Bedingung, dass keine Bilder entstehen. Der Hintergrund: Man fürchtet, dass Bilder von der Koedukation über ausländische Medien in die saudische Gesellschaft zurückfließen und zum Futter für die radikalen Feinde der Öffnungspolitik des Königs würden. Man will an der KAUST erst einmal unterhalb der Wahrnehmungsschwelle aufbauen und dann mit ersten Ergebnissen den Schritt in die Öffentlichkeit wagen.

Angela Merkel unterstützt dieses Projekt mit ihren Besuch, aber sie lässt sich nicht vereinnahmen. Sie stellt den Studierenden freundlich-skeptische Fragen über ihre Rekrutierung, über ihr Alltagsleben, über ihre Motive. Eine promovierte Physikerin präsentieren zu können, die es zur Bundeskanzlerin gebracht hat, ist für Choo Fong Shih eine tolle Motivationshilfe in diesem Teil der Welt, in dem die Ausbildung von Frauen als Forscherinnen immer noch wie ein verrücktes kulturrevolutionäres Experiment wirkt.
Und es ist ja auch verrückt: Eine schariafreie Zone, mitten in einem Land, in dem Frauen keinen Führerschein erwerben können. Ob an der KAUST die saudische Zukunft entsteht – oder ob sie am Ende die teuerste Sandburg der Welt sein wird, wenn die Feinde der Modernisierung gewinnen sollten, wird sich weisen müssen. Der König ist kein Feminist. Er hat nur verstanden, dass die Uhr läuft. Die Tage nach dem Öl werden kommen. Und ein Land, dass keinen Anteil an der weltweiten Wissensgesellschaft hat, ist dann zum Abstieg verdammt.
Am kommenden Morgen trifft Angela Merkel im Glaspalast der Handelskammer von Dschidda eine Gruppe von Unternehmerinnen. Während die mitreisenden Herren (Deutschland hat keine Managerin von bedeutung aufzubieten – ein Delegationsmitglied scherzt: „Ohne die Kanzlerin könnten unsere Delegation auch saudisch sein…“) von Siemens, EADS, Bahn und Co die Gelegenheit nutzen, Geschäftskontakte aufzufrischen, zieht sich die Kanzlerin mit 11 saudischen Business-Ladies in ein Hinterzimmer zurück. Der Handelsminister Saleh Abdulaah Kamel ist ganz hin- und hergerissen. Einerseits will er gerne zeigen, dass sein Land gar  nicht so rückständig und frauenfeindlich ist wie immer behauptet. Andererseits macht ihn offenbar die Vorstellung nervös, die Damen einfach so mit der Kanzlerin alleine zu lassen: „Glauben Sie bloss nicht alles, was die Ihnen sagen!“ ruft er Merkel nur halb im Scherz hinterher. Es sind Medzinerinnen, Bankerinnen und Medienunternehmerinnen dabei. Aus Teilnehmerkreisen kann man nachher erfahren, dass die Frauen Merkel über ihre Erfahrungen ausquetschen und sie sich gar nicht einkriegen können darüber, welchen Mut ihr Beispiel ihnen mache. Einfach schon als lebender Beweis dafür, dass  so etwas möglich ist, wird Merkel hier für die Frauen eine Sensation– eine Kanzlerin, deren innerparteiliche Gegner als politische Leichen ihren Weg säumen (nun auch Roland Koch unter ihnen), und die wehenden Haars mit einer Delegation durch Dschidda reist, in der keine einzige Frau ein Kopftuch trägt, ja nicht einmal eine der schwarzen Abbayas, die sonst Pflicht sind.
In Saudiarabien ist die Wirtschaft derzeit der wichtigste Motor für Emanzipation. Weil es keine Zivilgesellschaft mit NGOs gibt, findet der Wandel unter dem Dach der Handelskammern statt. Hier können Frauen mit Einfluß sich zusammenschließen, ohne dass die Religionspolizei sofort dazwischen geht. In vielen Familien der Elite sind die Mädchen gut ausgebildet worden. Sie haben Uniabschlüsse erworben und konnten Talente zeigen, die man ihnen nicht zugetraut hatte. Nun sehen viele Eltern es nicht ein, dass dieses Investment in ihre Kinder einfach für die Katz gewesen sein soll. Und so kommt es immer häufiger vor, dass die Mädchen die Familienfirmen weiterführen oder mindestens dabei mitmachen. Diese Form der Emanzipation, erfuhr Merkel, sei erfolgreicher als der direkte Kampf für Frauenrechte sein könnte – er führt direkt zur Partizipation an der gesellschaftlichen Macht. Merkel erzählt den Frauen von den verschiedenen Stufen der Emanzipation in Deutschland – von Alice Schwarzer und ihren notwendigen Provokationen bis zu ihrer eigenen Laufbahn, die von den erkämpften Freiheiten bereits profitieren konnte.
Angela Merkel wird von den Frauen auch auf die Minarettdebatte in Europa angesprochen. Offenbar war der Eindruck entstanden, in Europa mache sich Islamfeindlichkeit breit. Merkel konterte, in Deutschland werde es kein Minarettverbot geben. Dass man allerdings über eine neuerdings sichtbar werdende neue Religion debattiere, sei legitim. Ob es nicht auch eine Debatte geben würde, wenn in Dschidda Kirchen gebaut würden?
Zur Unterstützung der Frauen möchte Merkel gerne den Austausch mit Deutschland intensivieren, vielleicht eine Gruppe in den Bundestag einladen, Studienmöglichkeiten in Deutschland erleichtern, Wirtschaftskontakte fördern.
Im ultrareichen Emirat Katar, das gesellschaftlich schon sehr viel weiter modernisiert ist – Sitz des Senders Al-Jazeera und des World Economic Forum -, fällt Merkel eine andere Rolle zu. Hier ist sie nicht die Repräsentantin der europäischen Moderne, sondern der europäischen Misere. „Was unsere Schulden sind, ihr ihr Guthaben“, sagt sie in einer Rede unter großem Gelächter. Doch die Lage ist bitter ernst. Die Eurokrise wird in Doha mit Argusaugen beobachtet. Wegen der bereits getätigten Inverstments – und wegen weiterer Chancen, die sich vielleicht noch aus der Krise ergeben. Der Ministerpräsident des Landes, Scheich Hamad bin Jasim Al Thani, empfängt Merkel mit militärischen Ehren im Emiri Diwan, dem Staatspalast. Der Palast ist von geschmackvollem, aber dennoch erdrückendem Prunk,  eine riesige Sahnetorte mit goldenen Ornamenten.  Während er Pressekonferenz wird der Scheich gefragt, ob Katar sich weiter in Europa zu engagieren gedenkt. Er sagt: „Wie Sie wissen, haben wir soeben Harrods gekauft…“ Dabei schmunzelt er genießerisch in Gedanken an die 1,7 Milliarden Euro, die das Emirat mal eben für das Londoner Luxuskaufhaus berappt hat. Man prüfe weitere Investments.

Die Kanzlerin ist beeindruckt davon, wie Deutschland – und damit sie –  in den Emiraten, besonders aber im finanzstarken Katar, permanent gemustert und  gerated wird. Kühl kalkulieren die Scheichs alle Faktoren durch – die Demografie, die wirtschaftliche Struktur, die politische Stabiltät, die Gesundheit des Bankensystems. Das ist eine wichtige Funktion ihres Besuchs am Golf: Das Vertrauen in Deutschland und den Euro zu stärken. Und so spricht sie leider hier offensiver über die Vorteile des Euro für Deutschland, als sie das in Deutschland tut. Das ist die neue Welt: Die deutsche Bundeskanzlerin muss einen guten Eindruck machen bei den Herren Scheichs, deren Kriegskassen gut gefüllt sind. Der Scheich hat 2009 als Aufsichtsratsvorsitzender der Qatar Holding schon 10 Prozent von Porsche gekauft. Wer ihn an  hat lächeln sehen weiß, dass das erst der Anfang war.

Lange sitzt Merkel später am Abend noch in der Pirate’s Cove (Piratengrotte – irgendwie passend!) des Sheraton in Doha und plaudert mit deutschen Wirtschaftsführern über die Begegnungen am Golf. Der Abend ist mild, vom Persischen Golf  weht ein Lüftchen. Jetzt kommen Sparklausuren und Verteilungsdebatten auf die zu, so hart wie lange nicht mehr. Es könnte für lange Zeit der letzte schöne Abend gewesen sein für die Kanzlerin.

 

Mit Merkel in Katar und Bahrain

Das Museum für Islamische Kunst in Doha (Katar). Merkel hält hier heute eine Grundsatzrede.

Deckendetail in der großen Halle des Museums.

Die Kanzlerin redet über den Dialog  mit der islamischen Welt.

Hinterher: Zur Entspannung erst mal die SMS checken. Neues von Koch? Oder Köhler?

Kolonnenfahrt durch Bahrains Hauptstadt Manama.

Vorbei an Manamas großer Moschee (Grand Masjid) für 7.000 Beter.

 

Mit Merkel in Dschidda

An Stelle eines regelrechten Berichts (keine Zeit, keine Zeit) ein paar Fotos vom heutigen Tag aus Dschidda am Roten Meer:

Das Gästehaus des saudischen Königs, in dem die Bundeskanzlerin gestern empfangen wurde.

Na ja, das musste dann einfach dokumentiert werden. Schließlich kann man die Residenz nicht als Pauschalurlaub buchen.

Im Empfangssaal des königlichen Gästehauses.

Da hinten sitzt die Bundeskanzlerin mit ihrem außenpolitischen Berater Christoph Heusgen beim Frühstück.

Und in der Handelskammer von Dschidda checkt ein Scheich seinen Blackberry.

Ehrenspalier am VIP-Terminal in Dschidda.

Alle Fotos: Jörg Lau

 

Kamelfleisch in Abu Dhabi

Werte Mitblogger, eine Reise mit der Bundeskanzlerin durch die Golfstaaten hält mich vom regulären Posten ab. Es folgt ein Bericht, vielleicht auch Gelegenheitsnachrichten, falls logistisch möglich.

Heute Abend konnte ich in Abu Dhabi feststellen, dass Kamelfleisch wie eine etwas trockene Haxn schmeckt.

Bis bald…

 

Achmadinedschads Stabschef: „Wir werden gegen Israel nichts unternehmen.“

Die hervorragende Iran-Expertin des New Yorker, Laura Secor, hatte in der letzten Woche Gelegenheit, mit Machmud Achmadinedschads engstem politischem Vertrauten, seinem Stabschef Esfandiar Rahim Maschaie, zu sprechen. Maschaie war mit dem Präsidenten bei der UN-Konferenz zur Überprüfung des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages (NPT), wo jener eine seiner fulminanten Reden hielt.

Maschaie, der mit seinem Chef auf familiär verbunden ist (seine Tochter ist mit A.’s Sohn verheiratet), zeigt sich in seinen Äußerungen zur Menschenrechtslage im Iran von stalinistischer Härte. Und auch seine Einlassungen zur Frage der Nichtverbreitung von Atomwaffen sind von ernüchternder Klarheit. Es kann keine Rede davon sein, dass hier ein Gesprächsfaden aufgenommen werden soll:

„They always talk about proliferation. You know the meaning of proliferation? What we have now, that’s all right, but let’s not increase the number of arms. They are the biggest liars of the world, since the creation of Adam until now, and they are living in the United States. They are unique. And unfair. The policymakers in the United States. You cannot find people to be compared with them in history. We in Iran and the United States in Washington, we had meetings about nuclear disarmament at the same time. Our motto in Tehran was nuclear weapons for none. But in the United States, President Obama said, we should maintain our arsenal of nuclear weapons. They are like cowboys. They just play with their guns and they want to bring peace by doing so. Can they offer peace to the world with a knife? The West is a big liar. Nobody trusts the Western countries in the East.

Schön, dass man es mal so klar gehört hat.

Interessant allerdings die Aussagen zu Israel – Maschaie war schon einmal durch (im iranischen Kontext) gemäßigte Äußerungen zu Israel aufgefallen:

„Iran does not consider the Israeli government legitimate. This does not mean we are going to take any steps against Israel. It’s just our thoughts. The Iranian Islamic government has a democratic solution toward resolving the issue of Palestine and Israel. We believe that if the Palestinians, the people who actually reside on that land, are given the right to determine their own regime, then obviously, naturally, the Israeli regime would not be governing those people. A lot of people are making this propaganda and publicity that Iran has the intention of attacking and invading Israel. That’s just negative publicity. It is baseless and not correct.“

In anderen Worten: Man wird Israel nicht angreifen, sondern setzt auf seine Delegitimation und sein Verschwinden auf „demokratischem“ Wege.

(Dank an AK für den Hinweis.)

 

Angela Merkel und die „jüdische Weltverschwörung“

„Von wem auch immer ich Beifall bekomme, ändert nichts daran, dass ich immer gegen Antisemitismus eintreten werde und das führt meist zu Briefen mit Beschimpfungen ‚Marionette der jüdischen Weltverschwörung‘ und anderes mehr. Das ist trauriger Alltag in diesen Diskussionen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem bemerkenswerten Interview der Süddeutschen über fortdauernden Antisemitismus und ihren ersten Israelbesuch (leider gegenüber der Druckfassung gekürzt)

 

Worum es bei der Rivalität USA vs. China wirklich geht

Hat wieder einmal die Satirezeitschrift The Onion am besten erfasst:

Zitat aus dem Artikel:

„We are seeing a changing of the asshole guard,“ said Andrew Freireich, noted economist and lead author of the article. „Although the U.S. will remain among the world’s two or three biggest cocks through much of this century, we can now confidently project that China, with its soaring economic growth, ever-expanding cultural influence, and total disregard for basic human rights, will overtake America as King Prick Numero Uno within the next 10 years.“

Alles lesen.