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Iran nicht verteufeln, sondern fordern

Aus einem Text meines Kollegen Michael Thumann, Nahostkorrespondent der ZEIT:

Es ist deshalb entscheidend, dass sich der Westen nicht der neokonservativen Verteufelung Irans anschließt. Auch die deutsche Regierung ist darin schon viel zu weit gegangen. Im Gegenteil sollte Berlin die USA und Israel ermuntern, Irans reale Sicherheitsbedürfnisse und Einkreisungsängste ernst zu nehmen. Lange Listen von Vorbedingungen müssen einer neuen Offenheit weichen. Umfassende Gespräche der Amerikaner mit Teheran sollten Irans Rolle in Afghanistan und am Golf ebenso betreffen wie Bilaterales und das Palästina-Problem. Und natürlich das iranische Atomprogramm in Abstimmung mit den UN.

Iran muss den Eindruck gewinnen, ernst genommen zu werden und nicht verdammt. In diesen Gesprächen wird man dann schnell feststellen, woraus Teheran in den letzten Jahren seine größte Kraft zog: aus der Konfrontation.

Ich stimme zu.

 

Pakistan: Anschlag gegen den Sufismus

In Peshawar, der Hauptstadt der Nordwestprovinz, ist das Mausoleum des berühmten Sufi-Mystikers Rahman Baba einem Bombenanschlag zum Opfer gefallen.

Rahman Baba, der im 17. Jahrhundert lebte, gilt als ein Heiliger unter den Sufi-Poeten, die in Paschto schreiben. Paschto ist für weite Teile Afghanistans und Westpakistans die führende Sprache.

Der zerstörte Schrein in Peshawar. Foto: AP

Der Wächter des Mausoleums wurde drei Tage vor dem Anschlag gewarnt. Die Attentäter scheinen sich besonders daran zu stören, dass auch Frauen zu dem Wallfahrtsort dieses Heiligen pilgern.

Überall in Pakistan gibt es die Schreine der heiligen Männer, die von der lokalen Bevölerkung verehrt werden. Diese Orte eines populären Volksislam sind den Taliban und den wahhabitisch munitionierten Moscheen (finanziert mit arabischem Geld) ein Dorn im Auge. Sie stehen der „Reinigung“ des traditionellen Islam im Wege. 

Rahman Baba ist ein populärer Dichter, dessen Werke unter Paschtunen sehr verbreitet sind. Seine Gedichte handeln von Liebe (irdischer und göttlicher), vom menschlichen Streben nach Erleuchtung und Glück und Gott, von der Unterdückung der Paschtunen zu Zeiten der Mogul-Herrschaft.

Der Akt der Kulturbarbarei passt sich ein in Bild der Taliban-Offensive zur Destabilisierung und Terrorisierung Pakistans. Der menschenfreundliche und schwer kontrollierbare sufistische Volks-Islam soll zurückgedrängt werden zugunsten des Terrorregimes der Pakistanischen Taliban, die sich seit dem Deal über das Swat-Tal im Aufwind sehen.

Die New York Times berichtet, dass im Swat-Tal eine Terrorherrschaft begonnen hat, die bereits weitere Opfer gekostet hat. Rahmat Ali, ein Taliban-Gegner, hatte sich auf die Zusage der Regierung verlassen, es sei sicher, nach hause zurückzukehren. Er wurde von Militaten entführt, tagelang gefangen gehalten und ermordet. Seine Leiche hatte auf dem Rücken keine Haut mehr, als sie vorgestern gefunden wurde. 

Nach einem Deal der lokalen Regierung mit den Militanten ist nun Musik verboten, Geschäfte müssen während der Gebetszeiten schliessen, und es werden „Beschwerdekästen“ für unislamisches Verhalten eingerichtet (eine Aufforderung zur Denunziation). Für die Wiedereröffnung der Hunderte von durch die Taliban niedergebrannten Mädchenschulen in Swat sieht es schlecht aus.

Hier eine Kostprobe der Dichtung Rahman Babas („Sow Flowers“ aus seinem „Diwan“):

Sow flowers so your surroundings become a garden
Don’t sow thorns; for they will prick your feet

If you shoot arrows at others,
Know that the same arrow will come back to hit you.

Don’t dig a well in another’s path,
In case you come to the well’s edge

You look at everyone with hungry eyes
But you will be first to become mere dirt.

Humans are all one body,
Whoever tortures another, wounds himself.

 

Israel plant Tausende neuer Siedlungen

Ist das jetzt staatlich organisierter Irrsinn? Wie die israelische Friedensinitiative „Peace Now“ dokumentiert, liegen dem israelischen Bauministerium Pläne für Tausende neuer Wohneinheiten ausserhalb bestehender Siedlungen in der Westbank vor.

Schlimm genug, wenn die bestehenden Siedlungen immer stärker ausgebaut werden, doch hier geht es ganz offenbar um Landraub. Wenn dies umgesetzt wird, ist es das Ende der Zweistaatenlösung, und das programmierte Ende des Staates Israel in langer Sicht. Denn es macht eine effektive Trennung von Israelis und Palästinensern, und also die Zweistaatenlösung in den Grenzen von ’67 unmöglich.

Hier die Zusammenfassung der Befunde:

• Total number of housing units in the published plans – 73,302, out of which, 5,722 are in East Jerusalem
• Total number of housing units in approved plans – 15,156, approx. 8,950 of which have already been built.
• Total number of housing units in planning stages – 58,146.
• If all the plans are realized, the number of settlers in the Territories will be doubled (an addition of approx. 300,000 persons, based upon an average of 4 persons in each

housing unit).
• In Gush Etzion (Bethlehem area) 17,000 housing units are planned in areas outside the existing settlements.
• At least six (6) outposts are included in the Ministry of Housing plans (Magen Dan, Givat Hadagan, Givat Hatamar, Bnei Adam, Bat Ayin West, Hill 26).
• There are plans for huge construction to double the size of some settlements, including: Beitar Illit, Ariel, Givat Ze’ev, Maaleh Adumim, Efrat and Geva Binyamin.
• Approx. 19,000 housing units are planned in settlements that are beyond the constructed path of the Fence (Kiryat Arba, Karnei Shomron, Ariel, Geva Binyamin, Immanuel, Revava).
• The plans in the settlements constitute 22% of the total housing units that are in planning stages in the Ministry of Housing.

Das ist schlicht und einfach empörend. Ein Schlag ins Gesicht der Freunde Israels, die sich für eine Zweistaatenlösung einsetzen.

Hier beispielhaft eine der Karten, die den Griff der Siedlerbewegung nach der Westbank dokumentieren:

Rot sieht man die „Trennungsmauer“, die hier um Jerusalem herum verläuft. Gelb eingezeichnet sind weitere Bauprojekte innerhalb (links) und ausserhalb der Mauer (rechts)

 

Lernen, mit dem radikalen Islam zu leben

Ich habe heute eine Reihe von Texten gelesen, die mich zum Grübeln bringen. So viele, dass ich nocht lange nicht mit dem Grübeln fertig bin. Doch das Gute an diesem Medium hier ist ja, dass man die Begrübelungsgrundlage verbreitern kann, indem man andere dazu einlädt, an de eigenen unfertigen Gedanken teilzuhaben und mitzudenken.

Erstens stach mir dieser Bericht von Press TV ins Auge, in dem behauptet wird, das State Department betrachte sie russische Zusammenarbeit mit den Iranern am Atomkraftwerk Bushehr als im Rahmen des Nichtverbreitungsregimes erlaubte zivile Aktivität. Es wird der Sprecher des Aussenminsiteriums Robert Wood zitiert (den ich noch aus seiner Zeit als Sprecher der Berliner US-Botschaft kenne): 

Robert Wood said during a Wednesday press briefing that the trial start-up of the Bushehr nuclear plant in southern Iran is in the realm of peaceful use of nuclear energy. 

Und dann wird geschlußfolgert: Wood’s remarks indicated that Washington’s apparent approval was because fuel arrangements for the nuclear facility were made with Russia. 

Was bedeuten würde, dass die russische Kooperation mit Iran positiv gesehen wird, weil sie als Argument dazu herhalten kann, dass die Iraner keine eigene Anreicherung brauchen (ausser für Waffenzwecke, was Iran ja zu verfolgen bestreitet).

Das ist doch eine erstaunliche neue Position zu dem ganzen Iran-Russland-Atom-Komplex!

Zweitens las ich einen leidenschaftlichen Text von Roger Cohen in der Herald Tribune, in dem dieser sich wegen eines Reihe von Reportagen aus Iran gegen die Vorwürfe verteidigt, er habe sich von Regime  einseifen lassen, was seine milde Sicht des Landes beweise.

Unmittelbarer Anlass für diese Selbstverteidigung: Cohens Äusserungen zur Lage der Juden im Iran, die dort nach seiner Schilderung besser leben als in den meisten arabischen Ländern. (Läßt sich wohl kaum bestreiten.)  Nun geht Cohen in die Vollen und wendet sich in seiner neuen Kolumne gegen die Dämonisierung des Iran. Vor allem die dauernden Vergleiche des Iran mit dem Nazi-Staat weist er zurück, und zwar sehr zu Recht:

I was based in Berlin for three years; Germany’s confrontation with the Holocaust inhabited me. Let’s be clear: Iran’s Islamic Republic is no Third Reich redux. Nor is it a totalitarian state.

Munich allowed Hitler’s annexation of the Sudetenland. Iran has not waged an expansionary war in more than two centuries.

Totalitarian regimes require the complete subservience of the individual to the state and tolerate only one party to which all institutions are subordinated. Iran is an un-free society with a keen, intermittently brutal apparatus of repression, but it’s far from meeting these criteria. Significant margins of liberty, even democracy, exist. Anything but mad, the mullahs have proved malleable.

Das ist wichtig, bei aller Kritik an der iranischen Unterdrückung von Regime-Gegnern, Andersgläubigen und Frauen im Sinn zu behalten.

Und drittens beeindruckt mich ein neuer Essay von Fareed Zakaria in Newsweek mit dem Titel „Learning to live with radical Islam“. Zakaria sagt, wir müßten unterscheiden zwischen Islamisten, deren Agenda für die Durchsetzung der Scharia in ihren Gesellschaften wir zwar ablehnen mögen, die unsere Sicherheitsinteressen aber nicht gefährden, und denen, die sich als Teil eines globalen Dschihad gegen den Westen sehen.

In den letzten Jahren haben wir eine Perspektive eingeübt, in der diese Unterscheidung nicht gemacht wurde. Ja, es wurde geradezu zum Dogma, dass es unmöglich sei, zwischen verschiedenen Formen und Graden des Islamismus zu unterscheiden. Am Ende laufe alles aufs Gleiche hinaus.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der radikale Islamismus nicht verschwinden wird und nicht besiegt werden kann, wenn wir alle Islamisten in einen Topf werfen.

Wir müssen neue Prioritäten setzen: Unsere Hauptaufgabe ist es, den Bin-Ladenismus zu besiegen. Und in diesem Kampf sind nicht die moderaten Muslime (oder Ex-Muslime) unsere wichtigsten Verbündeten, sondern diejenigen Radikalen und Fundamentalisten, die sich nicht dem Dschihad gegen uns verschworen haben. 

Der „Surge“ im Irak hat aufgrund solcher Teufelspakte funktioniert, und in Afghanistan wird man ähnliche Koalitionen schmieden müssen, auch hier mit Gruppen, die uns zuwider sind. Es geht darum, die lokalen Militanten von den globalen Dschihadis abzuspalten und sie einzubinden in eine Lösung der Probleme des Landes. Zakaria zitiert David Kilcullen, den ich hier vorgestellt habe: 

„I’ve had tribal leaders and Afghan government officials at the province and district level tell me that 90 percent of the people we call the Taliban are actually tribal fighters or Pashtun nationalists or people pursuing their own agendas. Less than 10 percent are ideologically aligned with the Quetta Shura [Mullah Omar’s leadership group] or Al Qaeda.“ These people are, in his view, „almost certainly reconcilable under some circumstances.“ Kilcullen adds, „That’s very much what we did in Iraq. We negotiated with 90 percent of the people we were fighting.“

Für unsere einheimische Debatte über Islam und Radikalismus hat das auch Folgen: Wir müssen aufhören, auf Kopftücher und Burkinis zu starren, als sei erst dann Hoffnung in Sicht, wenn diese Markierungen religiöser und kultureller Differenz verschwunden sind.

Es wird ganz einfach nicht passieren, ob es einem passt oder nicht. 

Und wir müssen darum auch jede Form der Thematisierung vermeiden, die suggeriert, es gebe ein Kontinuum zwischen Kopftuch und Sprengstoffgürtel. 

Zakaria endet mit diesen Worten, die ich nur unterschreiben kann: 

We can better pursue our values if we recognize the local and cultural context, and appreciate that people want to find their own balance between freedom and order, liberty and license. In the end, time is on our side. Bin Ladenism has already lost ground in almost every Muslim country. Radical Islam will follow the same path. Wherever it is tried—in Afghanistan, in Iraq, in parts of Nigeria and Pakistan—people weary of its charms very quickly. The truth is that all Islamists, violent or not, lack answers to the problems of the modern world. They do not have a world view that can satisfy the aspirations of modern men and women. We do. That’s the most powerful weapon of all.

 

Der Einflussagent: Was Gerhard Schröder wirklich am Iran interessiert

Und noch etwas Kleines aus der Zeit von morgen:
Wollen jetzt nicht alle mit den Iranern reden? Sogar Obama? Warum regen sich dann alle über Gerhard Schröders Wochenendtrip nach Teheran auf? Oder distanzieren sich vorsichtig, wie das Auswärtige Amt: Nein, abgestimmt habe der Ex-Kanzler seinen Iranbesuch nicht. »Angezeigt« habe er seine Reiseabsichten bloß, wie üblich.
Gerhard Schröder sei »weder auf Wunsch noch auf Anregung, noch etwa mit Nachrichten« des Außenministers unterwegs gewesen, heißt es in Berlin. Er habe lediglich, wie alle Elder Statesmen auf heiklen Reisen, ein umfangreiches Briefing über den Stand der bilateralen Beziehungen zur Vorbereitung erhalten. Von einem Plausch mit Mahmud Ahmadineschad hat man ihn offenbar nicht abhalten können, wie die Fotos vom Sonntag zeigten.
Schröder hätte den notorischen Israelhasser nicht treffen sollen, grummelt es in Regierungskreisen. Doch immerhin hat er ja Klartext geredet: Es mache »keinen Sinn«, die historische Tatsache des Judenmords zu leugnen.
Aber Schröder war wohl nicht nach Teheran gekommen, um Ahmadineschad über die Schoah zu belehren. Russischen Medien war es eine Erwähnung wert, dass sein Besuch mit konkurrierenden Gesprächen zwischen der EU und Iran über die geplante Nabucco-Pipeline zusammenfiel, die an Russland vorbei Gas aus Zentralasien (und eines Tages vielleicht aus Iran) nach Europa bringen soll. Die Zeitung Kommersant kommentiert seine Iranreise: »Gasproms Einflussagent in Teheran eingetroffen«. Einflussagent – kein schönes Wort, auch wenn es durchaus lobend gemeint ist: Schröder, vermutet Kommersant, könnte »als langjähriger Freund Russlands« versuchen, die Iraner von Gasproms Südpipeline (South Stream) zu überzeugen, der Konkurrenz zu Europas Nabucco-Projekt. Die Russen sind von Letzterem nicht begeistert, weil es Europa unabhängiger vom Monopolisten Gasprom machen würde. Iran müsste freilich aufhören, an der Bombe zu basteln und Israel zu bedrohen, damit es Gas nach Europa liefern könnte – ganz egal, durch welche Pipeline.

 

Das erste Opfer des Deals mit den Taliban

Der journalistische Kollege Musa Khankhel arbeitete für THE NEWS und Geo TV. Er hat versucht, den „Friedensmarsch“ von Sufi Mohammed zu filmen, als der mit seinen Anhängern im Swat-Tal einzog, um den Deal mit der pakistanischen Regierung zu feiern.
Am Rand des Marsches wurde Khankhel entführt. Seine Leiche wurde unterdessen – durchsiebt von 32 Schüssen und enthauptet – aufgefunden.
Khankhel wird als mutiger Vollblutreporter geschildert, der sich nicht einschüchtern ließ. Er hat immer wieder kritisch über die Talibanisierung seines Landes berichtet. Er wußte, dass sein Job extrem gefährlich war und hat seine Ermordung gegenüber Kollegen antizipiert.

Musa Khankhel, mit 28 Jahren von den pakistanischen Taliban ermordet

Dieser barbarische Akt läßt das Wort „Teufelspakt“ in einem neuen Licht erscheinen. Der pakistanische Staat hat sich mit dem Deal mit Sufi Mohammed auf ein gefährliches Terrain begeben.

 

Kilcullen über Afghanistan (und Pakistan)

David Kilcullen ist der intellektuelle Kopf hinter der „Surge“-Strategie im Irak. Der australische Offizier und Antiterror-Spezialist, der die „Counterinsurgency“-Planung (Bekämpfung von Aufständen) modernisiert hat, wird nun auch zum Fall Afghanistan gerne angehört. kürzlich hat er vor dem Auswärtigen Ausschuss des Senats ein Statement abgegeben, das nun vom „Small Wars Journal“ publiziert wurde. Hier die wichtigste Passage:

Afghanistan is on the brink of failure. Violence is up 40% on last year and 543% on 2005. Large parts of the country, perhaps 70% of Afghan territory, are no-go areas for security forces and government officials. Narcotics production has coalesced into enormous tracts of poppy in Taliban-controlled areas, heroin production has spiked, government legitimacy is collapsing, food and water are critically short, the insurgency is spreading and intensifying, and the Afghan Presidential elections – scheduled for 23rd August, at the end of what promises to be a fighting season of unprecedented intensity – will bring everything to a head.

Kilcullen im Irak

Whatever our long-term strategy, if we don’t now stabilize the situation, stop the rot and regain the initiative, there will be no long-term. Once the situation is stabilized there will be time for the new administration to work through its strategic choices in concert with allies and the Afghan government. If we fail to stabilize Afghanistan this year, there will be no future.

To stabilize Afghanistan, we need a surge of political effort, we need a surge of civilian expertise and financial resources, and we need to re-focus the military and police on a single critical task: protecting the population ahead of the elections. The strategic aim for 2009 should be to deliver an election result that restores the government’s legitimacy, and with it the credibility of the international effort. Which candidate gets elected matters less than ensuring the outcome meets international standards for transparency and fairness. This is a huge task. To do it we need to stop chasing the Taliban around, and focus instead on protecting Afghans where they live, partnering with the Afghan people in a close and genuine way that gives them a well-founded feeling of security, and ensuring fair elections that restore hope for a better future.

This is the critical task for 2009.

Hier ein Interview mit Kilcullen über Irak aus dem Winter 2007.

 

Wie erkenne ich einen islamistischen Extremisten?

In England ist ein neuer Kriterienkatalog in Vorbereitung, der es ermöglichen soll zu bestimmen, was ein „islamistischer Extremist“ ist. 

Der Name des durchgesickerten Dokuments ist „Contest 2“.

Extremisten, heisst es darin

– propagieren ein Kalifat, einen pan-islamischen Staat, der viele Länder umfassen solle,

– sie vertreten das Schariarecht,

– sie glauben an die Berechtigung des Dschihad, oder bewaffneten Widerstands, überall auf der Welt, inklusive des bewaffneten Widerstands gegen das israelische Militär,

– sie behaupten, dass der Islam die Homosexualität verbiete, weil sie eine Sünde gegen Gott darstelle,

– sie verurteilen nicht die Tötung britischer Soldaten in Irak oder Afghanistan.

Das ist ein problematischer Katalog. Das Scharia-Recht wird vom britischen Staat als zivilrechtliche Schlichtungsinstanz geduldet, ebenso wie das religiöse Recht der Juden in den Beth-Din-Instanzen.

Will man von Muslimen etwa die Ablehung jeglichen bewaffneten Widerstands in jedem Fall verlangen? Das wäre eine bizarre Forderung in einem Land, das selber in Anspruch nimmt, in Irak und Afghanistan sein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Dschihadis wahrzunehmen. Kriterium sollte die aktive Unterstützung einer Terrororganisation sein, nicht die absolute Absage an „bewaffnetem Widerstand“ in jedem Fall.

Die Ablehung der Homosexualität empfinde ich persönlich als falsch und abstoßend und gegen Gottes Liebesgebot gerichtet. Aber ich möchte nicht in einem Staat leben, der religiösen Minderheiten (gleich welcher Couleur) vorschreibt, wie liberal sie zu sein haben. Bizarr.

Und auch die Verurteilung der Tötung britischer Soldaten in Irak und Afghanistan kann man nicht verlangen. Die Meinung, es sei Afghanen erlaubt, sich gegen eine Besatzungsmacht zu wehren, ist nicht zu zensieren, sondern zu widerlegen: Indem man auf das Mandat hinweist, unter dem die internationelen Truppen agieren – und indem man darauf achtet, dass die Vorgehensweise der Truppen dort ihren Auftrag nicht delegitimiert.

Grossbritannien macht beängstignde Schritte in die Unfreiheit: Erst Wilders nicht einreisen lassen, jetzt die politische Debatte unter Muslimen durch einen Islamistenkodex regulieren – das sind alles keine zielführenden Massnahmen.

Gegen die Terroristen und ihre Unterstützer brauchen unsere Gesellschaften auch die konservativen Muslime auf unserer Seite – also auch Vertreter des Schariarechts und solche, die Homosexualität ablehnen.

Es wäre falsch und kontraproduktiv zu suggerieren, dass es hier ein Kontinuum zum internationalen Terrorismus gebe. Man kann illiberale Ansichten zur Homosexualität haben und das Schariarecht befürworten und dennoch Terrorismus ablehnen.

 

Unser Mann für AFPAK

Aus der ZEIT von morgen mein Text zur Benennung Bernd Mützelburgs als Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes:

 

Dies Wort muss man sich merken: AFPAK. Das ist Diplomatenjargon für das schlimmste Sicherheitsproblem der Welt. AFPAK steht für die Problemzone -Afghanistan und Pakistan. Sie besteht aus einem Rumpfstaat um Kabul, dessen Aufbau nicht vorankommt, während bei seinem atomar bewaffneten Nachbarn ein beängstigender Staatszerfall stattfindet. Und weil beide Entwicklungen unauflöslich miteinander zusammenhängen, hat AFPAK jetzt auch einen Sonderbeauftragten in der Bundesregierung – den Karrierediplomaten Bernd Mützelburg, der bis zum Wochenende Botschafter in Indien war. 

Bernd Mützelburg    Foto: AA

Noch ein Sonderbeauftragter hätte kaum jemanden gekümmert. Doch der Krach in der Regierung, der sofort losbrach, als Außenminister Steinmeier seine Wahl Mützelburgs am Wochenende bekannt machte, bezeugt: Dies hier ist etwas anderes. Es geht nämlich um nicht weniger als die Personifizierung eines Politikwechsels. Und Steinmeier war diesmal schneller. Er hat das Kanzleramt nicht einbezogen und auch nicht die anderen mit Afghanistan befassten Ministerien – Verteidigungs-, Innen- und Entwicklungsministerium. Der Außenminister und Kanzlerkandidat tut dieser Tage viel, um dem Publikum einen Eindruck davon zu geben, wie es wäre, wenn er schon an Merkels Stelle regierte. Während das Kanzleramt sich noch über Steinmeiers eigenmächtige Kür des AFPAK-Gesandten ärgerte, war der Minister bereits am Dienstag in Bagdad und eröffnete vor den Kameras gleich noch ein weiteres Kapitel deutscher Diplomatie.

Der Ärger über Steinmeiers Tour de Force kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass weder die Kanzlerin noch die Ministerkollegen ernsthaft dem neuen Ansatz widersprechen möchten, für den mit Bernd Mützelburg jetzt auch endlich einer der besten Diplomaten des Landes steht. Es ist ein Gemeinplatz geworden, dass der Schlüssel zum afghanischen Problem in Pakistan liegt – wo Taliban und al-Qaida Rückzugsräume finden – und umgekehrt Pakistan nicht zur Ruhe kommen kann, solange es einen failed state zum Nachbarn hat.

Es besteht Hoffnung, dass nach dieser Erkenntnis nun auch gehandelt wird. Präsident Obama hat gleich nach Amtsantritt Richard Holbrooke als seinen Emissär für die Region benannt. Nicht zuletzt auf Holbrookes Drängen bei der Münchner Sicherheitskonferenz kürte Steinmeier Mützelburg. 

Bernd Mützelburg kennt Holbrooke lange. Er war im Auswärtigen Amt an der Vorbereitung der Petersberg-Konferenz für den afghanischen Wiederaufbau beteiligt, später als Ministerialdirektor im Kanzleramt in den deutschen Militäreinsatz am Hindukusch eingeweiht und hat nun drei Jahre in Indien die Region kennengelernt. Kompetenter geht es nicht, und darum wird der ehrpusselige Streit um die Benennung wohl bald vergessen sein.

Im Auswärtigen Amt hofft man, dass Holbrooke und Mützelburg aus der informellen »Freundesgruppe« Pakistans bei den Vereinten Nationen eine regionale Friedenskonferenz entwickeln können – mit möglichst starker Beteiligung islamischer Staaten. Auf dem Balkan ist es schon mal gelungen, eine »Kontaktgruppe« friedenswilliger Staaten zu bilden. Auch da war Holbrooke federführend. 

Doch AFPAK ist eine Problemzone unvergleichlicher Art, wie zwei Nachrichten zeigen, die am Tag von Mützelburgs Ernennung publik wurde: Im letzten Jahr sind in Afghanistan nach UN-Angaben über 2000 Zivilisten getötet worden – 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Jeder zweite Tote starb durch das Feuer der afghanischen oder internationalen Truppen. Währenddessen verliert die pakistanische Regierung immer mehr den Zugriff auf die nordwestliche Grenzregion zu Pakistan. Islamabad verkündete am Montag, man werde ein System islamischer Gerichtsbarkeit im Gegenzug für einen Waffenstillstand mit den Taliban im Swat-Tal akzeptieren. Im Klartext: Der pakistanische Staat, der die Taliban militärisch nicht besiegen kann, überlässt die Kontrolle über die Stammesgebiete den -Islamisten und den ihnen genehmen Rechtsgelehrten – in der Hoffnung auf deren Entgegenkommen. Die pakistanische Regierung versucht, die Frommen von den militanten Taliban zu spalten, indem man ihnen die ersehnten Scharia-Gerichte zugesteht. Ein Sprecher der säkularen Anwälte nennt dies »Selbstaufgabe im Angesicht der Feinde unseres Staates«.

Die westlichen Regierungen sehen diese Entwicklung mit Schrecken und haben doch auffällig wenig Neigung, Pakistan für den Deal mit ebenjenen Kräften zu kritisieren, deren Brüder im Geiste man im Nachbarland Afghanistan immer brutaler bekämpft. Das kommt nicht nur daher, dass niemand ein Interesse daran hat, Islamabad in seiner ganzen Schwäche auf der Weltbühne vorzuführen. Die Wahrheit ist: Jeder neue Ansatz zur regionalen Lösung wird Teufelspakte mit jenen Taliban beinhalten, die »nur« die Scharia wollen und nicht die pakistanische Atombombe.

Bernd Mützelburg, der dieser Tage in Berlin sein Team aufbaut, sagt nicht ohne Grund, dass nun die »schwerste Aufgabe meines Lebens« vor ihm liege.