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Warum eine Moschee am Ground Zero legitim ist

Obamas Iftar-Rede finde ich wieder einmal bemerkenswert. Ich bewundere diesen Mann für seine Fähigkeit to cut through the bullshit, wie es so schön heißt. Klasse Mann, ein Präsident für Erwachsene.

Ist er unterdessen zurückgerudert, weil er ja später nachgeschoben hat, seine Bemerkungen haben nicht der Frage gegolten, ob es „weise“ sei, eine Moschee am Ground Zero zu errichten (nur ob es legitim sei)? Sehe ich nicht so. Er nimmt ja die Frage der Gefühle der New Yorker schon auf, wenn er von „heiligen Boden“ spricht, wo einmal die Türme waren.

Und dann gegen Ende seine Erinnerung daran, gegen wen „wir kämpfen“ (Muslime einbegriffen) – gegen die vor allem Muslime mordende Al-Kaida.

D a s  ist die moral clarity, von der sein Vorgänger und seine verrottete Partei immer nur reden.

(Unglücklich über Obamas Position ist auch der Religionskritiker Sam Harris, was allerdings nicht sehr überrascht. Aber in dessen Stück sind immerhin nicht nur fiese Unterstellungen drin.)

Hier der Text der Präsidentenrede:

„Hier im Weißen Haus ist die Einladung zum Fastenbrechen eine Tradition, die mehrere Jahre zurückreicht, ebenso wie unsere Feiern zu Weihnachten, zum Seder und zum Lichterfest. Mit diesen Veranstaltungen würdigen wir die Rolle, die der Glaube im Leben der Amerikaner spielt. Sie führen uns vor Augen, dass wir alle Kinder Gottes sind und dass unser Glaube uns Kraft und Sinnhaftigkeit gibt.

Diese Veranstaltungen sind auch eine Bestätigung dessen, wer wir Amerikaner sind. Unsere Gründerväter wussten, dass der Glaube am ehesten dann seinen Platz im Leben unserer Bürger haben würde, wenn die Freiheit der Religionsausübung geschützt wird. Im Gesetz von Virginia zur Religionsfreiheit (Virginia Act of Establishing Religious Freedom), schrieb Thomas Jefferson, dass „alle Menschen ihre religiösen Meinungen frei bekunden und durch Argumente behaupten sollen können“. Mit dem ersten Verfassungszusatz wurde Religionsfreiheit als Gesetz im ganzen Land verankert. Dieses Recht wurde seitdem gewahrt.

Innerhalb unserer Grenzen konnte Religion sich im Verlauf unserer Geschichte genau deshalb entfalten, weil die Amerikaner das Recht hatten, ihren Glauben so zu praktizieren, wie sie es wollten – und dazu zählt auch die Möglichkeit, keinem Glauben anzugehören. Es ist ein Zeugnis der Weisheit unserer Gründerväter, dass Amerika zutiefst religiös ist – eine Nation, in der Menschen unterschiedlichen Glaubens friedlich und in gegenseitigem Respekt miteinander leben ist ein scharfer Kontrast zu den religiösen Konflikten, die andernorts auf der Welt andauern.

Das heißt nicht, dass Religion frei von Kontroversen ist. Seit einiger Zeit erhält der Bau von Moscheen in einigen Gemeinden – insbesondere in New York – verstärkte Aufmerksamkeit. Wir müssen alle die Befindlichkeiten erkennen und respektieren, die mit der Entwicklung von Lower Manhattan einhergehen. Die Anschläge vom 11. September waren für unser Land zutiefst traumatisch. Der Schmerz und das Leid, das jene erfahren mussten, die Angehörige verloren haben, sind unvorstellbar. Ich bin mir also der Emotionen, die dieses Thema hervorruft, bewusst. Ground Zero ist zweifellos heiliger Boden. Weiter„Warum eine Moschee am Ground Zero legitim ist“

 

Die Aufklärung und der Islam

Anläßlich der von mir aufgeworfenen Frage, ob es eine Islamische Theologie an deutschen Universitäten geben soll, ist hier ein Streit um Wissenschaftlichkeit und Säkularismus entbrannt – zwei zentrale Begriffe der Aufklärung.

Es geht auch in unserer Debatte hier letztlich um den Begriff der Aufklärung: Läßt sich der Islam über sich selber aufklären? Passt er also in unser Wissenschaftssystem hinein wie die christlichen Theologien (obwohl eben auch letzteres einige hier heftig bestreiten).

Dabei ist mir eingefallen, dass ich kürzlich mit dem Kollegen Christian Staas von ZEIT Geschichte (unserem relemäßig erscheinenden Sonderheft) ein sehr munteres Streitgespräch zum Thema Aufklärung geführt habe. Unsere beiden Gesprächspartner waren Rüdiger Safranski und Mathias Greffrath. Das ganze Gespräch gibt es hier zu lesen. Unten zwei für unseren Zusammenhang relevante Ausschnitte:

ZEIT Geschichte: Religion ist aber mehr als nur ein Krisenphänomen. Sie ist auch ein weltpolitischer Faktor, den man lange Zeit nicht auf der Rechnung hatte. Religion ist offenbar etwas, das auch in säkularisierten Gesellschaften nicht einfach verschwindet, wie manche Aufklärer sich das vorgestellt haben.

Safranski: Die Aufklärer des 18. Jahrhunderts, besonders die französischen, hatten tatsächlich einen starken polemischen Impuls gegen Religion und Kirche. Das waren die Gegenkräfte, die entlarvt werden mussten. Kant hat die Religionsdebatte dann auf den Punkt gebracht: Religion ist schon in Ordnung, aber sie muss durch das Filter der Vernunft. Was durchgelassen wird, darf bleiben – die Moral. Insofern gab es für Kant eine Art aufklärungsverträglicher Religiosität. Schon sehr schnell, vor allem in Deutschland, wird jedoch moniert: Moment mal, wir haben also den Menschen, und da gibt es die Vernunft, für die hat Kant die Blaupause angefertigt, der war im Maschinenraum und weiß, wie das Ding funktioniert. Aber es gibt doch noch anderes, Gefühle, Ahnungen, alles Mögliche gibt es in uns! Das war die Romantik, die so sprach. Und so kommt am Ende des 18. Jahrhunderts, 16 Jahre nach Kants Was ist Aufklärung?, Friedrich Schleiermacher und hält die Religion hoch – ist dabei aber ganz Aufklärer. Keine Offenbarung, keine Orthodoxie, keine Fremdbestimmung: Schleiermacher ruft zur Autonomie im Glauben auf. Geht in euch, da werdet ihr das Religiöse erfahren. Die Bibel, sagt er, kann ein jeder selbst schreiben. Er klärte damit die Aufklärung über sich selbst auf. Er warnte: Wir dürfen nicht auf ein reduziertes, rationalistisches Menschenbild zurückgreifen.

Greffrath: Aber jetzt sind wir mehr als 200 Jahre weiter, und die neue Religiosität, mit der wir es heute in der westlichen Welt zu tun haben, lässt uns weit hinter die Möglichkeiten von Aufklärung zurückfallen. Schleiermacher hat die massive Religion zur Religiosität verdünnt, bei Hegel kommt sie noch als i-Punkt vor – so wie der Monarch als i-Punkt auf dem rationalen Staat –, letztlich aber besagt das alles nicht mehr als: Hinter der Endlichkeit liegt immer noch eine Unendlichkeit, auf die wir hinstreben; da gibt es etwas, das wir mit Vernunft und bloßem Denken nicht fassen können. Mir behagt das nicht, diese Art des Grenzen-Einziehens. Schauen Sie sich doch einmal an, was heute in den modernen Naturwissenschaften alles möglich ist, in der Molekularbiologie, der Gehirnforschung, der Astrophysik! Da wird für mich sichtbar, wovon die Aufklärer immer geträumt haben: eine Theorie des Ganzen, auf empirischer Basis, vernünftig begründet. Ich sympathisiere sehr mit Naturforschern, die nicht mehr sagen: Wo wir nicht weiterkommen, kommt Gott ins Spiel, sondern: Wir können – mit den Worten Schleiermachers – eine Bibel schreiben, in der alles empirisch belegt ist und die uns trotzdem zu mystischen Gefühlen der Verbundenheit, der Ehrfurcht, der Demut Anlass gibt. Wenn man zu früh auf Spiritualitäten zurückgreift, kommt man wieder ins Reich der Geisterseher.

Safranski: Da würde ich jetzt aber ein großes Fragezeichen setzen. Zumal es mir ja auch gar nicht darum geht, eine Art Reservat auszugrenzen, das vom Strom der Wissenschaft unberührt bleibt und wo man sagt: Geht hier bitte nicht ran, hier generieren wir unsere Gespenster. Ich möchte vielmehr sagen, dass wir nicht so tun dürfen, als sei das alte Wahrheitsprivileg der Religion auf die Wissenschaft übergegangen. Die Aufklärung der Aufklärung im Sinne Schleiermachers versucht uns zu warnen vor solchem Absolutismus. Natürlich sollen wir die Wissenschaft nutzen – aber im Horizont des Unendlichen, das wir selbst sind. In diesem Horizont müssen wir die Dinge beweglich halten. Ich sehe die moderne Hirnforschung daher keineswegs so positiv, ich sehe da eine Wiederkehr primitivster Naturalismen – etwa in der Debatte um die Willensfreiheit. Es ist doch wieder dieses berühmte Spiel, Freiheit wegzuerklären mit Theorien, die nichts anderes sind als Inanspruchnahme der Freiheit.

Greffrath: Also da möchte ich mich hier aber ganz klar als Fortschrittler bekennen! Die Debatte über die Willensfreiheit ist doch nicht von ungefähr vor etwa zwei Jahren verschwunden. Wenn man das aus der Nähe verfolgt, kann man an den modernen Wissenschaften wunderbar sehen, was Aufklärung ist – ein dialektisches Fortschreiten, eine fortlaufende Selbstkorrektur und Hypothesenprüfung. Die Willensfreiheitsdebatte hat sich als Scheinproblem erwiesen. Inzwischen befasst man sich mit der biologisch ermöglichten und sozial hergestellten Fähigkeit des Menschen, kommunikativ zu handeln. Ich glaube durchaus, dass die Wissenschaft den Welträtseln immer näher kommt.

(…)

ZEIT Geschichte: In der aktuellen Islam- und Islamismusdebatte gibt es zahlreiche Stimmen, die sagen: Wer zu sehr auf Pluralität setzt, gibt letztlich die Aufklärung preis. Die Folge sei ein gefährlicher Werterelativismus. Das nicht minder scharfe Gegenargument lautet: Ihr zerstört die Ideen der Aufklärung, wenn ihr sie verabsolutiert!

Safranski: Der radikale Islam und der Islamismus sind natürlich eine gewaltige Herausforderung. Sogar noch bei einer so elementaren Idee wie der Selbstbestimmung merken wir: Man kann sie auch bestreiten. Sogar die Menschenrechte kann man infrage stellen. Und dies macht deutlich: All diese Dinge gehen auf Entscheidungen zurück. Noch hinter dem Elementarsten steht eine Entscheidung. Aber wir alle haben natürlich die große Sehnsucht, dass die Entscheidungen irgendwo einmal aufhören und die Wahrheit beginnt, eine Sehnsucht danach, dass es endlich einmal Ruhe gibt, so wie der heilige Augustinus sie fand: bei Gott…

Greffrath: Man kann es nun aber auch mehr zuspitzen, als es der Sache guttut. Der Fall ist doch klar: Mit der türkischen orthodoxen Familie ist hierzulande genauso zu verfahren wie mit der deutschen evangelischen oder katholischen Familie. Wie das Familienleben organisiert wird, das ist deren Sache. Aber wenn Menschenrechte verletzt werden – bei Gewalt in der Ehe oder Misshandlung von Kindern –, dann ist das keine Privatangelegenheit mehr, sondern ein Verstoß gegen geltendes Recht. Mit einem forcierten Begriff von Republikanismus kommt man da weiter als mit philosophischen Argumenten.

Safranski: Dem kann ich mich nur anschließen. Denn wenn wir nun anfangen zu sagen, wir verbieten beispielsweise, dass Kinder geschlagen werden, weil das mit unserem Menschenbild nicht zu vereinbaren ist, dann kommen wir im Zweifelsfall in Schwierigkeiten. Wenn man aber sagt: Hier in unserem Land wird nicht geprügelt, weil das nicht mit Paragraf 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, dann ist das eine klare Entscheidung. Ich denke, man sollte sich so lange wie möglich im Bereich des Pragmatischen aufhalten und nur, wenn es unbedingt nötig ist, mit starken Begründungen kommen.

Greffrath: Letztlich geht es im Konflikt mit dem Islam doch um Fragen des Zusammenlebens. Aufklärung, sagen Horkheimer und Adorno, heißt auch, die Menschen heimisch auf der Erde zu machen. Betrachten wir einmal mit diesem Satz die türkischen Ghettos in Berlin: Die dort leben und die Nachbarn ringsum haben gemeinsame Interessen, etwa dass alle Arbeit haben. In solcher Richtung kann man konstruktiv denken. Dann braucht man gar nicht so viel übers Prinzipielle zu reden, sondern kann ganz konkret losarbeiten. Aufklärung ist auch und vor allem eine Form der Praxis.

 

Noch einmal: Warum Islamische Theologie an deutschen Unis?

Der Betreiber von „Nics Bloghaus“ mischt sich nun vermittelnd in den Streit zwischen Mina Ahadi und mir über die Notwendigkeit islamisch-theologischer Forschung an deutschen Unis ein:

„Letztlich geht es doch darum, dass sich der Staat sehr wohl in die Belange und Lehren der Religionsgemeinschaft einmischen möchte (oder muss). Und es geht um die Frage, ob überhaupt noch irgendeine Religion in eine plurale und säkulare Gesellschaft passt. Diese Frage umgeht Jörg Lau beflissentlich. Aber damit ist er nicht allein.

Solange es gläubige Menschen gibt, muss ihnen das Recht auf Religionsausübung gewährt sein. Da wir in einer pluralen (in einer säkularen ganz sicher nicht) Gesellschaft leben, bedarf es Mittel und Methoden, die Religionsfreiheit sowohl als positive als auch als negative Freiheit aufrecht zu erhalten. Ob dazu unbedingt eine “wissenschaftliche” theologische Ausbildung an deutschen Universitäten zählt, mag dahingestellt sein. Meiner Meinung nach kann das unter dem Dach einer Universität passieren; aber finanziert werden sollte das zu 100% von den Glaubensgemeinschaften und nicht von den Steuerzahlern.“

Die Frage, ob „noch irgendeine Religion“ in eine säkulare Gesellschaft passt, finde ich verwegen. Die säkularste Gesellschaft im Westen –  die USA – ist  die religiöseste. Religion ist auch in der Moderne eine Tatsache des sozialen Lebens, sie geht auch nicht weg, sie verändert sich bloß (wird einerseits radikaler, fundamentalistischer, andererseits diffundiert sie zu reiner Ethik).

Religionsfreiheit ist die bürgerliche Urfreiheit, und zwar positive wie negative, auch das ist eine amerikanische Lektion. In Amerika wurde die Religion so freigesetzt zur Entfaltung, der Kampf für Religionsfreiheit war ein Kampf der Kirchen, in Europa war der Kampf um Religionsfreiheit einer gegen die Kirchen.

Dieser Kampf ist gewonnen. Zum Wohl der Kirchen und der Gesellschaft. Es gibt keine Einschränkung der negativen Religionsfreiheit in Deutschland. Auch als Muslim kann man hier unbehelligt Atheist sein oder Agnostiker, oder man kann konvertieren. In Deutschland war die Kooperation von Kirchen und Staat ein Mittel zur Zivilisierung der christlichen Religion – die das allerdings auch bitter nötig hatte (->Religionskriege). Es handelt sich um ein erfolgreiches Modell zur Einhegung der Religion. Erfolgreicher in meinen Augen als das amerikanische (schrecklich viel Einfluss von Kirchen, Sekten etc auf den politischen Prozess, home schooling, „Schöpfungslehre“) und das französische (dort beneidet man uns um unsere politischen Mittel, mit den Kirchen und Religionen Deals zu machen).

Die Privatisierung der islamischen Theologie, die Nic und Ahadi vorschlagen, halte ich nicht für wünschenswert. Die haben wir schon, sie bedeutet endlosen Einfluss für ausländische Mächte (Türkei -> Ditib, Saudis, Ghom, Al-Azhar etc.).

Und dabei habe ich noch gar nicht über den kulturprägenden Einfluss der deutschen Theologie auf die Wissenschaften und die Universitäten hierzulande gesprochen: der deutsche Idealismus und die Romantik als Projekte von protestantischen Theologen, Schleiermachers Aufklärung des Christentums, die Leben-Jesu-Forschung, die historisch-kritische Bibellketüre, ja der ganze Orientalismus als Nebenprojekt der protestantischen Universitätstheologie – all das spricht für das deutsche Modell einer akademischen Theologie. Warum nicht die Muslime darin aufnehmen?

 

Warum Islamische Theologie? Antwort auf Mina Ahadi

Mina Ahadi hat offenbar meinen Blogpost von letzter Woche gelesen und sich geärgert. Ihre Antwort bestätigt leider meine Befürchtungen: So undifferenziert, panisch und voller Unterstellungen argumentiert Frau Ahadi, dass der „Islamkritik“ hier ein Bärendienst erwiesen wird.
Zitat:

„Über eine für ihn irgendwie anregende Begegnung mit einer Referentin aus Israel, Sarah Stroumsa, wusste Lau wiederzugeben, dass es für die Professorin in Israel und Indonesien nicht und in Marokko sowie in der Türkei nicht mehr nicht möglich sei, völlig frei über den Islam zu diskutieren. Warum das so ist, sagte Lau zwar nicht, ob sie als israelische Staatsbürgerin nicht einreisen darf oder ob sie befürchtet, als Islamkritikerin bedroht zu werden. Nur in Europa jedenfalls könne man noch diskutieren. Dass der organisierte Islam einer jeden Kritik gegenüber intolerant ist und den Gegner der Scharia bedroht oder ermordet, hat die Wissenschaftlerin aus Jerusalem vielleicht nicht verstanden und scheint Herrn Lau gar nicht erst zu interessieren.

Sehr geehrter Herr Lau, ich frage Sie, was ist in Köln beschlossen worden, was plant die Deutsche Bundesregierung? Wer war dort aktiv, welche Rolle haben die durchweg gegenmodern orientierten islamischen Organisationen dort in Köln am 13. und 14. Juli gespielt? Was sagt die Bundesregierung zur „ewigen“ Scharia und zur islamischen „auf Zeit und Raum bezogenen“ Rechtssprechung der frauenfeindlichen Scharia?
In Köln lag ein Buch der Organisatoren vom WR aus, in dem festgestellt wird, dass die Menschen in unserer Zeit wieder mehr Sehnsucht nach Religiosität und religiöser Rechtleitung haben. Damit will man der Bevölkerung klar machen, dass Islamische Studien an die Universitäten gehören, um religiöse Autoritäten kompetent auszubilden. Als ob ein Molla oder ein Pastor ‚Religion‘ propagieren und ‚erfolgreich‘ verbreiten könnte. Was die christliche oder islamische Geistlichkeit im Angebot hat, ist ein System der Macht und der Abhängigkeit. Die Toleranz oder inzwischen die Begeisterung für das Religiöse, auch für den Islam, wird weitergehen, bis die brutale Scharia vollumfänglich kommt. Wenn CDU und CSU die Einmischung der Religion in Politik und Schulpolitik fordern, dann erstarken auch die Islamisten. Eine ungehemmt proreligiöse Deutsche Regierung wird kein Problem damit haben, die rechtsspaltende Scharia auch hierzulande zu akzeptieren und wird Mustafa Ceric gerne als Gast einladen. Wenn dann noch Jörg Lau die Moderation übernimmt, haben sich die richtigen Akteure gesucht und gefunden, passt alles sehr harmonisch zusammen, nur von der Demokratie bleibt dann nicht mehr viel übrig.“

Dazu sage ich erstens, dass ich, indem ich Frau Stroumsas Schwierigkeiten beim Dialog mit Muslimen erwähne, natürlich implizit die mangelnde  Debattenkultur in der muslimisch-arabischen Welt anprangere. Natürlich bekommt sie als Israeli kein Visum oder ist gefährdet, so dass sie eben nicht zu Konferenzen reisen kann. Ist doch wohl evident! Dass Frau Stroumsa in Bonn aber ins Gespräch kommen konnte und wollte – das ist doch bemerkenswert und widerspricht der Vorstellung, der Wissenschaftsrat wolle hinter verschlossenen Türen irgendein Schariabefürworter-Komplott inszenieren.

Wie gedankenlos (sorry, Frau Ahadi!) aber diese Bemerkung:

dass „der organisierte Islam einer jeden Kritik gegenüber intolerant ist und den Gegner der Scharia bedroht oder ermordet, hat die Wissenschaftlerin aus Jerusalem vielleicht nicht verstanden“.

Ich fürchte, Jerusalem ist ein ganz guter Ort, um zu verstehen, wie gefährlich der Islamismus ist. Ein bisschen billig, vom sicheren deutschen Hafen so daherzuschwätzen. Und was ist „der organisierte Islam“? Hamas? IGMG? Ditib? Der „Verein liberaler Muslime“? Alles eins?

Welche Rolle haben die islamischen Verbände in Köln gespielt? Nun, sie waren nicht allzu glücklich. Denn zwar sollen sie eine Rolle spielen bei der Einrichtung von Lehrstühlen für Islamische Theologie. Aber es ist eindeutig, dass man ihnen dabei keine den Kirchen analoge Rolle zumessen will. Sie sollen in Form von Beiräten an den Lehrstühlen beteiligt werden, weil das deutsche Religionsverfassungsrecht dies aus Gründen der Religionsfreiheit vorsieht: Der Staat darf bei uns nicht die Inhalte der Theologien vorgeben. Und das ist gut so! Weil die Verbände aber weder repräsentativ genug sind noch die theologische Kompetenz besitzen, hier allein als das Gegenüber des Staates bei der Einrichtung von Lehrstühlen für islamische Theologie aufzutreten, werden sie in den Beiräten von anderen Mitspielern ergänzt werden. Wie das passieren soll, das wird eine interessante Debatte. In Bonn waren die Stimmen überwältigend, die für eine kleine Rolle der Verbände plädierten.

Im übrigen: Die Beiratskonstruktion selber war ein kontroverses Thema, und sie wird es bleiben. Eindeutig ist jedoch: Ziel der Einrichtung von Lehrstühlen für Islamische Theologie ist Wissenschaftlichkeit nach Maßgaben der deutschen Universität. Also: eine historisch-kritische Selbstreflexion des Islams. Ob das möglich ist, ob das wirklich gelingen kann, ist die Frage. Frau Stroumsa, die ich zitiert habe, ist zum Beispiel der Meinung, das könne nicht gelingen, und sie will darum lieber an der nicht bekenntnisgebundenen Islamwissenschaft festhalten. (Die soll ja auch nicht ersetzt werden.)

Mehrere anwesende Islamwissenschaftler plädierten ebenso gegen ein Fach „Islamische Theologie“, zum Beispiel Rainer Brunner aus Paris. Viel diskutiert war auch ein kritisches Papier von Patrick Franke aus Bamberg, in dem die Bedenken dargelegt werden. Ich selber bin mir noch nicht abschließend sicher. Aber die Suggestion von Frau Ahadi, „eine ungehemmt proreligiöse Deutsche Regierung wird kein Problem damit haben, die rechtsspaltende Scharia auch hierzulande zu akzeptieren“, ist einfach bizarr.

Warum nun „Islamische Theologie“ an deutschen Universitäten? Mina Ahadi sollte mit ihren iranischen Erfahrungen ein Motiv verstehen können: Es geht um die Unabhängigkeit der islamischen Diaspora von den Autoriäten daheim (Ghom, Al-Azhar, Ankara). Zweitens, und dieses Argument wird sie als überzeugte Atheistin nicht verstehen können (aber gesellschaftspolitisch könnte es ihr doch einleuchten): Es geht darum, eine religiöse Sprache des Islam (auf Deutsch!) zu entwickeln, die zum Leben hier und jetzt in einer religiös pluralen und säkularen Gesellschaft passt. Religion solle eine rein private Angelegenheit sein, fordert Frau Ahadi. Was die möglichen Ansprüche religiös begründeter Normen an die Bürger hier angeht, ist das doch so. Es gibt eine uneingeschränkte negative Religionsfreiheit in diesem Land. Wer kein Kruzifix in der Schule will, kann darauf bestehen, dass es abgehängt wird, und darf dabei auf das Bundesverfassungsgericht verweisen.

Warum dann Islamische Theologie an staatliche Unis? Die Ansprüche und Grundsätze des deutschen Wissenschaftssystems sollen eben dafür garantieren, dass die Standards gewahrt werden, was Kritikfähigkeit, Wissenschaftsfreiheit und Methodentransparenz angeht. Es geht, wie in den Empfehlungen des Wissenschaftsrats ausgeführt, um die „reflexive Selbstvergewisserung der pluralen islamischen Tradition im Dialog mit den anderen Universitätsdiziplinen“ – in anderen Worten um eine kritische islamische Theologie.

Wie gesagt: Man mag Zweifel daran haben, ob das Ziel sinnvoll ist, ob es erreichbar ist mit den vorgeschlagenen Strukturen – und sogar, ob es überhaupt ein erreichbares Ziel für die islamische Theologie ist. Es als Komplott einer „Elite von Islamverharmlosern“ abzutun, ist einfach nur borniert. Ich bleibe dabei: Diese Oberflächlichkeit einer so genannten „Islamkritik“ macht den Begriff zur Lachnummer.

 

Syrien: verschleierte Lehrerinnen unerwünscht

Interessante Parallele zum französischen Burkaverbot: Syrien geht unter der Hand massiv gegen Nikab tragende Lehrerinnen vor. Ein gesetzliches Verbot gibt es zwar nicht, denn man will die Konservativen im Land nicht gegen das baathistische Regime aufbringen.
Aber der Economist berichtet, dass bereits über 1200 (!) voll verschleierte Lehrerinnen in andere Tätigkeiten bugsiert worden seien, weil dass Assad-Regime die islamistische Unterwanderung des Schulsystems fürchtet:
„Ali Saad, the education minister, is reported to have told teachers that the niqab undermines the “objective, secular methodology” of Syria’s schools.“

Auch in Syrien gibt es, wie in Ägypten, einen Trend zur Verhüllung als Zeichen religiöser Observanz. Vor wenigen Jahren wäre das – vor allem in gebildeten städtischen Kreisen wie unter Lehrerinnen – noch undenkbar gewesen.

Syrien unterhält als nominell säkular-sozialistische Republik ein ambivalentes Verhältnis zum politischen Islam. Damaskus beherbergt Hamas- und Hisbollah-Führer, doch unvergessen ist das Massaker von Hama an der Muslimbruderschaft, bei dem über 10.000 Menschen umkamen.

Der Economist zitiert eine Frauenrechtlerin: “The niqab is a Wahhabi way of influencing Syria and is a form of violence against women,” says Bassam al-Kadi, the outspoken head of the Syrian Women’s Observatory, a lobby that strongly supports the curb.

 

Begegnung bei einer Islam-Konferenz

Ich bin in keiner Position, die Tagung des Wissenschaftsrats über „Islamische Theologie in Deutschland“ zu bewerten – weil ich selbst daran als Moderator teilgenommen habe. Nur eine Anmerkung für die (Islam)Kritiker, die dort auftauchten.

Ein Herr von „Pax Europa“ machte zum Beispiel seine Aufwartung. Mina Ahadi von den Ex-Muslimen hielt eine etwa 10minütige Rede – nach Absprache mit den Veranstaltern. Es wurde wieder einmal vor der Islamisierung gewarnt. Auch einige Grüne haben sich (ziemlich ahnungslos) in dieser Richtung geäußert. Natürlich ohne einen einzigen Beitrag zur Kenntnis zu nehmen oder sich ernsthaft mit dem Paper des Wissenschaftstrats auseinanderzusetzen.

Ich hatte viele interessante Begegnungen – zum Beispiel mit der Rektorin der Hebrew University in Jerusalem, Professorin Sarah Stroumsa. Sie ist Arabistin (und Judaistin) und Expertin für die „Freidenker des mittelalterlichen Islams“. Frau Stroumsa hatte vieles Kritische zu den Plänen des Wissenschaftsrats zu sagen. Sie ist eine große Bewunderin der deutschen Orientalistik und Islamwissenschaft und möchte nicht, dass akademische Freiheit durch eine Theologisierung dieser Fächer eingeschränkt wird.  (Warum dies nicht zu befürchten ist, werde ich ein andermal darlegen.)

Aber: In der Pause sagte sie mir, eine Konferenz wie diese, mit vielen muslimischen Teilnehmern, sei für sie eine großartige Gelegenheit zum Austausch, wie sie in Israel einfach nicht möglich sei. Sie könne eben auch nicht zum Beispiel nach Indonesien reisen, ja unterdessen nicht einmal mehr nach Marokko oder in  die Türkei, um sich mit muslimischen Kollegen auszutauschen. So etwas geht nur in Europa, wie etwa bei dieser Tagung des Wissenschaftsrats. Frau Stroumsa konnte in Köln Amin Abdullah hören, den Rektor der staatlich-islamischen Universität von Yogyakarta, Indonesien – einen Vertreter des sufistischen Islams, der für eine radikale Vieldeutigkeit der islamischen Tradition streitet, und gegen die Fundamentalisten, die auch in Indonesien (Aceh) Fuß gefasst haben.

Unsere selbst ernannten „Islamkritiker“ kriegen so etwas gar nicht mehr mit. Es interessiert sie auch gar nicht. Sie wissen doch schon alles über „den Islam“, „die Muslime“ und „die Islamisierung“. Sie geben mit dieser stolzen Borniertheit den Begriff der Kritik  der Lächerlichkeit preis.

 

Das multikulturelle Drama – ein Streit

Mitblogger NKB hat mit seinem Post die Dimensionen des letzten Threads gesprengt. Er verdient eine ausführliche Debatte, und darum habe ich mich entschlossen, ihm und Loewe hier einen kleinen Ring zum Boxen einzurichten:

@Loewe

Manichäisch reine und absolute Bewertungen liegen mir nicht.

So? Das überrascht mich nun aber etwas. Ich habe von Ihnen, namentlich in Bezug auf “Multikulti” und Israel, hier bislang nur absolute Bewertungen lesen können.

Der Unterschied zwischen uns besteht u. a. auch darin, dass ich zum Beispiel meine Eltern, mein Land, meine Partei – und das Multikulturelle lieben und schätzen kann, obwohl ich gleichzeitig auch Fehler, Grenzen, Kritikpunkte, Schwierigkeiten erlebe und zum Thema mache.

Ich denke weder, dass Sie Ihr Land lieben, noch kann ich mich daran erinnern, von Ihnen je ein aufrichtiges Wort zu Fehlern, Grenzen und Schwierigkeitengelesen zu haben – soweit es nur um das Thema Zuwanderung und dabei um Fehler, Grenzen und Schwierigkeiten von Zuwanderern ging. Wenig überraschend schreiben Sie denn auch im Folgenden, als wollten Sie mir präventiv recht geben:

Ist Multikulturalität ein Selbstläufer? – Nur dann und nur so weit, wie wir Deutsche selber integrationsfähig und integrationswillig sind und die Voraussetzungen dafür schaffen. Glücklicherweise sind wir es im großen und ganzen.

Haben Sie einmal darüber nachgedacht, dass es hier auch eine andere Seite gibt? Jedes Mal, wenn Sie sich hier austoben, sehe ich mich in meiner Meinung bestätigt, dass Zuwanderer, zumal aus dem Nahen Osten, für Sie höchstwahrscheinlich nur eine Projektionsfläche für eigene Komplexe sind… Weiter„Das multikulturelle Drama – ein Streit“

 

Das Islambild in den Medien

Mein Gastvortrag vom Dienstag, 6.7.2010, an der Goethe-Universität Frankfurt im Rahmen der Ringvorlesung: „Wieviel Islam verträgt Europa?“

Wo soll man bloß beginnen? Der Zugang der Muslime zu den Me­dien in Deutschland, das Bild des Muslims in den Medien, Muslime als Medienma­cher?
Woher nehme ich überhaupt die Berechtigung, über dieses Thema – Islam in den deutschen Medien – zu reden vor einem akademischen Publikum. Woher nehme ich das Recht, darüber zu schreiben? Denn: Islamwis­senschaftler wie viele von Ihnen hier bin ich nicht. Ich spreche weder türkisch noch arabisch und habe auch nicht Theologie oder Islamkunde studiert.
Trotzdem haben Sie mich ja eingeladen. Sie werden sich schon was dabei ge­dacht haben. Und ich fühle mich geehrt, in einer Reihe mit großen Fachleuten hier vor ihnen reden zu können. Sie werden von mir keinen wissenschaftlichen Vortrag er­warten, sondern eine Reflexion der Praxis, aus der ich selbst komme. Ich danke Ihnen für die Gelegenheit dazu, einmal innezuhalten und zu fragen: Wie über den Islam, die Muslime und islambezogene Themen berichten?
Immer mehr Muslime in Deutschland, Frankreich und Großbritannien glauben nicht, dass die Mainstream-Medien ausgewogen über sie berichten. Zu diesem Ergebnis kommt ein Pilotprojekt des Londoner Institute for Strategic Dialogue und der Vodafone Stiftung Deutschland.
55 Prozent der befragten Muslime vertraten die Auffassung, die großen Medien berichteten negativ über Muslime. Bei den nicht muslimischen Befragten waren es immerhin 39 Prozent.
Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer sind überzeugt, dass es in den meisten Berichten über Muslime um Terrorismus geht. Ein Drittel glaubt, dass vor allem Fundamentalismus eine Rolle spielt; ein Viertel nimmt als häufigstes Thema in der Berichterstattung über Muslime die Kopftuchdebatte wahr.
Natürlich haben diese Befragten nicht Recht in einem objektiven Sinn: Keineswegs geht es in der Mehrzahl der Berichte um Terrorismus. Und das Kopftuch ist immer noch ein Aufregerthema, aber das „häufigste“? Nein. Dennoch scheint es mir unbestreitbar richtig, dass die Intuition der Befragten stimmt, dass hier etwas im Argen liegt.
Ein jüngeres Beispiel: „Jung, muslimisch, brutal“ titelte Spiegel Online einen Bericht über die Studie des Kriminologen Christian Pfeiffer zum Zusammenhang von Religi­ösität und Gewaltneigung. Der Süddeutschen fiel zur gleichen Untersuchung die Zei­le ein: „Die Faust zum Gebet“.  blick.ch: „Macht Islam ag­gresiv? Jung, brutal — Muslim“, Tagesspiegel: „Allah macht hart“, heise.de: „Jun­ge männliche Macho-Muslime“, Financial Times Deutschland: „Studie zu jungen Muslimen — Je gläubiger, desto gewalttätiger“, Welt.de: „Studie — Gläubige Musli­me sind deutlich gewaltbereiter“, Welt: „Muslime — Mehr Religiosität = mehr Ge­waltbereitschaft“, Bild.de: „Junge Muslime: je gläubiger desto brutaler“, Hamburger Abendblatt: „Junge Muslime: Je gläubiger, desto brutaler“.
Das ist die Ausbeute der Schlagzeilen, und sie ist nicht einmal vollständig. In Wahr­heit steht in der Studie allerdings, Weiter„Das Islambild in den Medien“

 

Warum Amerika am islamistischen Terror schuld ist

Wenn ich so etwas lese, denke ich (denkt es in mir): Lasst uns bloß aus dieser verfluchten Weltregion abhauen.

In Lahore haben gestern Terroristen einen Sufi-Schrein attackiert und dabei an die 40 Menschen getötet und über 170 verwundet. Es handelt sich offenbar um islamistische Fanatiker, die diese Selbstmordattentate begangen haben.

Dass in Pakistan der Volksislam mit seinen sufistischen Heiligenschreinen angegriffen wird, ist nichts Neues. Diese südostasiatische Ausprägung des Islam mit der Verehrung heiliger Männer ist den (oft von arabischen Gönnern gesponserten) Fanatikern lange schon ein Dorm im Auge. Sie gilt als „unrein“.

Nun aber sehe man sich die Reaktionen an, die in der pakistanischen Zeitung „Dawn“ festgehalten werden: Statt zu erkennen, dass hier in tödlicher Kampf um die Seele des Islam tobt, den nichtradikale Muslime endlich annehmen müssen, weicht man auf Verschwörungstheorien aus:

On Friday, few Pakistanis interviewed saw militants at the root of the problem.

“America is killing Muslims in Afghanistan and in our tribal areas (with missile strikes), and militants are attacking Pakistan to express anger against the government for supporting America,“ said Zahid Umar, 25, who frequently visits the shrine.

Pakistanis are suffering because of American policies and aggression in the region, said Mohammed Asif, 34, who runs an auto workshop in Lahore. He and others said the attacks would end if the US would pull out of Afghanistan.

Washington “is encouraging Indians and Jews to carry out attacks“ in Pakistan, said Arifa Moen, 32, a teacher in the central city of Multan.

Eine Lehrerin! Let’s get the hell out of there!

 

Für ein neues Verständnis des Islamismus

Marc Lynch hat in Foreign Policy eine ausführliche Auseinandersetzung mit Tariq Ramadan und seinen Kritikern (vor allem: Paul Berman) vorgelegt. Lynch ist der beste amerikanische Kenner der internen Debatten der Muslimbruderschaft. Sein Blog ist eine hervorragende Quelle über Diskussionen in der islamistischen Bewegung.

Sein Plädoyer für eine differenzierte Betrachtung des neueren Islamismus – vor allem unter Berücksichtigung der Deutungskämpfe zwischen Salafisten, Al-Kaida und moderateren Teilen der Bewegung (wie der ägyptischen Muslimbruderschaft und der palästinensischen Hamas) – scheint mir überzeugend. Lynch warnt auch eindringlich davor, allzu viele Hoffnungen auf „Ex-Muslime“ zu setzen, die vom Mainstream islamischer Gesellschaften isoliert sind, aber in unseren Öffentlichkeiten gut ankommen, weil sie dem Glauben abgeschworen haben, Israel unterstützen und die Außenpolitik des Westens verteidigen. Diesen Stimmen ihren Platz zu geben in der öffentlichen Debatte, sei kein Ersatz für den Dialog mit denen, die vielleicht keine liberalen, aber doch Demokraten sind – wie etwa Tariq Ramadan:

„In trying to understand Islamism, two approaches are possible. The first sees Islamism as essentially a single project with multiple variants, in which the similarities are more important than the differences. In this view, the Muslim Brotherhood and al Qaeda represent two points on a common spectrum, divided by tactics rather than by goals. Such an understanding makes it possible — if not unavoidable — to see Osama bin Laden lurking in the figure of Ramadan.

The second approach sees consequential distinctions in the ideology and behavior of various Islamist strands. In the years since 9/11, the United States has moved from the former camp to the latter. The United States‘ experience of cooperating with nationalist Iraqi insurgents against al Qaeda in Iraq has led many U.S. policymakers to favor a strategy that identifies differences among Islamists and uses them to accelerate al Qaeda’s marginalization. Many observers in the United States and elsewhere adopted a similar tack after watching the Muslim Brotherhood contest elections and defend democracy in countries such as Egypt, even as the Brotherhood opposed U.S. foreign policy objectives.

(…)

Those, such as Berman, who see Islamism as flat and uniform claim that Islamists of all varieties — despite differences over the use of violence or the value of democratic participation — ultimately share a commitment to achieving an Islamic state. But this is misleading. There is a vast and important gap between the Salafi vision of enforced social uniformity and the moderate Islamist vision of a democratic state, with civil institutions and the rule of law, populated by devout Muslims. The gap is so great as to render meaningless the notion that all Islamists share a common strategic objective. Ramadan stands on the correct side of this gap, and by extension, he stands on the right side of the most important battle within Islamism today: he is a defender of pragmatism and flexibility, of participation in society, and of Muslims‘ becoming full citizens within liberal societies.

Ramadan’s defense of participation places him opposite the literalists and radicals with whom Berman attempts to link him. The hard core of the Salafi jihadists view all existing Muslim societies as fundamentally, hopelessly corrupt — part of a jahiliyya, which means „age of ignorance,“ from which true Muslims must retreat and isolate themselves. Ramadan, by contrast, calls for change from within. Groups such as the Muslim Brotherhood offer clinics, charities, schools, and other services, while pursuing the dawa, or „spiritual outreach.“ Their approach would be familiar to anyone who has engaged with American evangelicals — the polite conversation, the pamphlets and other literature, the self-presentation as honest and incorruptible. There is an obvious difference between a woman who is forced to wear a veil for fear of acid being thrown in her face and one who does so to show respect for God. But there are other forms of coercion — peer pressure, societal norms, and economic need — that can be difficult to detect from the outside. These are topics for serious study.

But Berman does not even try.