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Erinnerungen eines Bücherverbrenners – wie Salman Rushdie die britischen Muslime schuf

Interessanter Text eines jungen Muslims, der mit dem Protest gegen die „Satanischen Verse“ groß geworden ist.
Im Guardian schreibt Inayat Bunglawala angesichts der neuen Protestwelle gegen Salman Rushdie, wie er seinerzeit die Bücherverbrennungen erlebt hat.
Man kann an diesen Erinnerungen ablesen, wie sehr die Identität der britischen Muslime mit der Rushdie-Affäre verbunden ist. Man kann sagen, dass Rushdie den Typ des britischen Muslims erst geschaffen hat.
Das muss man sich in aller Deutlichkeit vor Augen führen: Das Schlüsselerlebnis für die britischen Muslime ist eine Bücherverbrennung, ein Aufstand gegen die Meinungsfreiheit. Und der Autor erinnert sich geradezu sentimental an die damals gefundene Einheit.
In einem zweiten Teil, der merkwürdig unvermittelt anschliesst, spricht er dann seine „second thoughts“ aus. Nachdem er durch die islamische Welt gereist ist, hat er den Wert der Meinungsfreiheit zu schätzen gelernt. Rushdie würde er heute nicht mehr verbrennen.
Aber den Gedanken, dass an einem Zusammenschluss von Muslimen, ja an einer „muslimischen Identität“ etwas faul ist, die sich auf eine Bücherverbrennung gründet – diesen Gedanken erlaubt er sich nicht.

I remember being rather puzzled as to why Rushdie’s defenders were so vigorous in arguing for the right to offend Muslims. Muslims were not writing books making fun of Christ and other revered religious figures. It seemed to be a deliberate attempt to mock deeply held beliefs.

We were a tiny minority and in the mainstream British newspapers had no voice whatsoever, while our detractors had column after column of newsprint to disparage us and our „backward“ ways. We were utterly powerless.

So on February 14 1989, when the Iranian Islamic leader, Imam Khomeini delivered his fatwa calling for Salman Rushdie’s death, I was truly elated. It was a very welcome reminder that British Muslims did not have to regard themselves just as a small, vulnerable minority; they were part of a truly global and powerful movement. If we were not treated with respect then we were capable of forcing others to respect us.

I remember taking part in the large demonstration in Hyde Park that summer. It was an amazing day. There was an increasing realisation that by giving greater importance to our Islamic identity we could transcend and overcome the narrow sectarian and tribal divides that were widespread among us. We may have Pakistani, Bengali, Gujarati, Arab, Turkish backgrounds, but this was less important than what brought us together: we were British Muslims.

And so Rushdie’s novel became, unwittingly no doubt, the catalyst for the forging of a more confident Islamic identity among many British Muslims.

In the intervening years I have managed to travel to Egypt, Sudan, Pakistan, Malaysia, Indonesia, Turkey and elsewhere and it is always with a sense of warmth that I return to the UK. Our detractors had been right. The freedom to offend is a necessary freedom.
Moreover, Islam has flourished wherever there has been a free atmosphere. I continue to strongly disagree with the way Rushdie caricatured early Islamic heroes of mine, but banning the book was not the answer.

 

Die arabische Niederlage

Ich habe mit Hazem Saghiehs Einverständnis folgenden Text für unsere morgige Print-Ausgabe übersetzt. Dort wird er mit leichten Kürzungen erscheinen.
Hazem Saghieh wurde 1951 im Libanon geboren. Er ist Meinungsredakteur von Al-Hayat, der zweitgrößten pan-arabischen Tageszeitung mit Sitz in London. 1997 erschien sein Buch „Eine Verteidigung des Friedens“ (arabisch). Hier eine (etwas wirre, aber informative) Magisterarbeit über seine Position in der arabischen Debatte.

Besser wir Araber gestehen unsere Niederlage ein, als dass wir so weitermachen wie bisher. Keiner der vier arabisch-israelischen Kriege – 1948, 1967, 1973 und 1982 – konnte uns davon überzeugen, dass wir verloren hatten. Gaza wird von einer Mischung aus Mafia und Taliban regiert, der Irak ist zerstört, der Libanon am Abgrund. Eine Welle des Fanatismus bedroht unsere Länder, Blutvergiessen ist der Alltag, die Freiheit der Frau wird beschnitten, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung befinden sich im Verfall. Was fehlt eigentlich noch, um uns zum Eingeständnis der Niederlage und zu einem Geisteswandel zu drängen?
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Hazem Saghieh

Mancher verweist auf die amerikanische und israelische Politik, die kaum je verhandlungsbereite und selbstkritische Positionen auf arabischer Seite gefördert hat. Wohl wahr: Diese Politik war oft so brutal, eigennützig oder einfach dumm, dass sie ohnehin schon feindselige Haltungen unter den Arabern nur verstärken konnten.
Aber dieses Argument droht den Kern der Sache zu verschleiern. Die gegenwärtige Lage im Nahen Osten ist das Ergebnis einer Kulturkrise, die man nicht sieht, wenn man die Lage nur von einem politischen Standpunkt aus betrachtet.

Es gehört mit ins Bild, dass die meisten arabischen Intellektuellen immer noch jede Normalisierung mit dem »zionistischen Feind« ablehnen und die fundamentalistischen Bewegungen immer weiter wachsen. Ägypten hat zwar 1978 die Camp-David-Vereinbarungen mit Israel unterschrieben, ist aber seither keinen Zentimeter von der Position des »kalten Friedens« mit dem Nachbarn abgerückt. Libanon hängt weiter der Rhetorik des »Widerstands« an, obwohl die israelischen Truppen schon vor 7 Jahren abgezogen wurden. Und im Falle Syriens bleibt zweifelhaft, ob das Regime seine quasi-imperialistische Rolle in der Region aufgeben wird, um den Golan zurückzubekommen.

Es ist kein Zufall, dass unser arabischer »Widerstand« immer nur Chaos und Fragmentierung produziert – im Irak, in Palästina und im Libanon. Man kann eben keinen »nationalen Befreiungskrieg« führen, wenn man keine Nation ist. Wir haben vorstaatliche Formationen (Sekten, Stämme, Ethnien), die mit poststaatlichen Ideologien hantieren (Panarabismus, Panislamismus). Das ist ein Rezept für ewige gegenseitige Rachefeldzüge.

Der tiefere Grund für die heutige Misere vom Irak über Libanon bis nach Gaza liegt hier: Die arabischen Gesellschaften haben es nicht geschafft, eine moderne säkulare Legitimationsbasis für ihre Staaten zu entwickeln. Sie blieben beim Islam oder bei tribalen Loyalitäten als Quellen der Legitimität stehen. Der Nationalstaat hat im arabischen Boden nie tiefe Wurzeln schlagen können. Die vielen konkurrierenden Identitäten – man ist gleichzeitig Muslim, Araber, Bürger eines Landes und Mitglied einer religiösen und ethnischen Gruppe – führen dazu, den politischen Bereich unter Druck von seiten lauter nichtpolitischer Faktoren zu setzen. Eine säkulare, ausdifferenzierte, rationale Politik kann so nicht funktionieren.

Unsere Bereitschaft, despotische Regime zu akzeptieren, bloss weil sie behaupten, gegen »Imperialismus und Zionismus« zu stehen, ist extrem bezeichnend. Überall im Nahen Osten sind Menschen bereit, erschreckend rückständige und fanatische Bewegungen auf der Basis zu verteidigen, sie seien ein Produkt des »Widerstands«. Sie weigern sich, etwa die iranische Einflußnahme in arabische Angelegenheiten – durch die Unterstützung der Hamas – zu kritisieren, obwohl sie wissen, das dieser »Anti-Imperialismus« nichts bringt und brutale Rückschläge heraufbeschwört. Wir neigen dazu, Siege auszurufen, wo es sich um das Gegenteil handelt. Diese chronische Sucht nach Triumphen konnte man zuletzt im Konflikt zwischen Israel und Hisbollah am Werk sehen. Hisbollah erklärte einen »göttlichen Sieg«, obwohl der Libanon, mein Heimatland, verwüstet worden war.

Ja, es ist wahr: Die Denkmäler amerikanischer und israelischer Brutalität erstrecken sich von Abu Ghraib nach Guantanamo Bay, über das Flüchtlingslager Dschenin in der Westbank und Qana im Südlibanon. Diese Grausamkeiten verstärken die Argumente derjenigen in der arabischen und muslimischen Welt, die den Konflikt verlängern wollen, sie werden benutzt, um diktatorische Regimes zu legitimieren, und sie nützen den Interessen des militärischen Establishments.

Dennoch: Wir müssen aufhören, unsere selbst bereitete Niederlage zu verleugnen. Je eher alle Teile der arabischen Gesellschaften der Wahrheit ins Gesicht sehen, um so eher werden wir unsere Qual und unsere Demütigung überwinden.

Der lauter werdende Chor derjenigen, die unsere Lage allein als Produkt amerikanischer und israelischer Politik sehen, ist selbst ein Anlass, unsere Niederlage offen einzugestehen. Wir Araber verdammen die Vereinigten Staaten wegen ihrer bedingungslosen Allianz mit Israel seit 1967. Zugleich beschweren wir uns, die USA seien »unfair« in ihrer Haltung zum arabisch-israelischen Konflikt – als ob man von einem Gegner etwas anderes erwarten könnte.

Dieser Widerspruch zeigt eine dahinter liegende Verwirrung im arabischen Verständnis der modernen Welt. Es ist, als würden wir Araber unseren Gegner bekämpfen, um ihn gerechter zu machen – wie ein Kind, das alles kaputtmacht, was es in seine Hände bekommt, um die Aufmerksamkeit seiner hartherzigen Eltern auf sich zu ziehen. Doch wenn das Kind nichts mehr zum kaptuttmachen hat, nehmen die Eltern keine Notiz mehr von ihm.

Die arabischen intellektuellen tragen eine besondere Verantwortung, weil sie dieses Verhalten jahrzehntelang entschuldigt haben. Sie haben Despotismus und Bürgerkrieg so lange gerechtfertigt, wie sie glaubten, dass es ihrer Agenda nütze.

So kann es einfach nicht mehr weitergehen. Wir werden morgen nicht auf einem Bett aus Rosen aufwachen. Wahrscheinlich wird die Lage sich noch lange weiter verschlechtern. Ein Grund mehr, endlich mit einer realistischen Selbsterforschung zu beginnen.

 

Pakistanischer Minister: Ehrung für Rushdie ist Grund genug für Selbstmordattentate

Da braut sich was zusammen: Nach den erneuten iranischen Todesdrohungen gegen Salman Rushdie meldet sich nun auch die pakistanische Regierung.

Der Religionsminister wird im Guardian mit folgenden, unfasslichen Worten zitiert:

„This is an occasion for the 1.5 billion Muslims to look at the seriousness of this decision,“ Mohammed Ijaz ul-Haq, religious affairs minister, told the Pakistani parliament in Islamabad. „The west is accusing Muslims of extremism and terrorism. If someone exploded a bomb on his body he would be right to do so unless the British government apologises and withdraws the ’sir‘ title.“

Es wird Zeit, dass entweder die Briten oder die Europäische Union offiziell etwas zu diesen unglaublichen Vorgängen sagt.

Die Briten haben allerdings im eigenen Land Leute, die kaum besser reagieren. Der Muslim Council of Britain etwa, der mit der Rushdie-Affäre erst richtig groß geworden ist, ließ durch seinen Vorsitzenden Muhammad Abdul Bari Folgendes verlauten:

„Salman Rushdie earned notoriety amongst Muslims for the highly insulting and blasphemous manner in which he portrayed early Islamic figures,“ Dr Bari said.
„The granting of a knighthood to him can only do harm to the image of our country in the eyes of hundreds of millions of Muslims across the world. Many will interpret the knighthood as a final contemptuous parting gift from Tony Blair to the Muslim world.“

Islamische Organisationen in Europa – die im fall des MCB dummer Weise jahrelang von der Regierung als Dialogpartner gepäppelt wurden – hetzen unisono mit Iran und Pakistan gegen einen europäischen Intellektuellen. Wenn wir uns das bieten lassen, machen wir uns zum Gespött der Welt.

Salman Rushdie hat sehr schön gesagt, worauf es in unserer Nach-9/11-Welt ankommt:

The fundamentalist believes that we believe in nothing. In his worldview, he has his absolute certainties, while we are sunk in sybaritic indulgences. To prove him wrong, we must first know that he is wrong. We must agree on what matters: kissing in public places, bacon sandwiches, disagreement, cutting-edge fashion, literature, generosity, water, a more equitable distribution of the world’s resources, movies, music, freedom of thought, beauty, love. These will be our weapons. Not by making war but by the unafraid way we choose to live shall we defeat them.

Besser kan man es nicht sagen. Küssen in der Öffentlichkeit, jawohl.
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Rushdie und seine Frau Padma Lakshmi beim Verteidigen des Westens

 

Ajatollah im Iran zum Tode verurteilt

Es trifft nicht nur Säkulare, Linke und Feministinnen: Im Iran ist ein Ajatollah zum Tode verurteilt worden, der für die Trennung von Politik und Religion eintritt. Kazemeini Borudscherdi, Sohn eines berühmten Ajatollahs, wurde in einer geheimen Sitzung des Kleriker-Sondergerichts zusammen mit siebzehn seiner Anhänger zum Tod verurteilt.
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Seit Jahren sieht sich Borudscherdi Schikanen duch die Geheimdienste ausgesetzt.
Im letzten Herbst wurde er verhaftet, im Evin-Gefängnis gefoltert und zu einer öffentlichen „Beichte“ gezwungen.
Gegen ihn wurden 30 Anklagepunkte erhoben, die teilweise bekannt wurden:
Sie umfassen:
„1) Wegen des Kampfes und anderer Maßnahmen gegen die nationale Sicherheit.
2) Wegen der Abhaltung von Vorträgen und der Aufwiegelung der Bevölkerung gegen die politische Ordnung.
3) Wegen der Bezeichnung der „Welayate Faqih“, d.h. der Herrschaft des Klerus als illegitim.
4) Wegen der Bezeichnung des [Staats-] Klerus als Vertreter des Geheimdienstministeriums.
5) Wegen der Bezeichnung des Begründers der Islamischen Revolution und des Revolutionsführers als einen religiösen Ketzer und Lügner.
6) Wegen des Kontakts zu bekannten konterrevolutionären Personen und wegen geheimdienstlicher Tätigkeit und Information dieses Personenkreises über die inneren Zustände des Landes.
7) Wegen der Bezeichnung von hochrangigen Staatsbeamten als unverantwortliche Personen, die sich nicht um die Rechte und Forderungen des Volkes kümmern und wegen der Benutzung des Begriffes „religiöser Diktatur“ statt „islamische Republik“ in Interviews mit ausländischen Radio- und Fernsehsendungen.
8) Wegen der Gründung einer neuen Religion, die sich ‚traditionelle Religion’ nennt.
9) Wegen des Missbrauchs der klerikalen Kleidung.
10) Wegen der Benutzung von Kleinwaffen in Konfrontation mit Beamten der Justiz und der Ordnungskräfte.“

Mir gefällt vor allem der 9. Punkt: Mißbrauch der klerikalen Kleidung!

Der Ajatollah kritisiert das Grundprinzip der theokratischen Herrschaft im Iran – Welajat-e-fakih – die Herrschaft der Rechtsgelehrten. Für ihn, den frommen Mann, ist dies eine Sünde wider den Islam. Er spricht sogar von „Vielgötterei“, weil die Verehrung Khomeinis der Verehrung im Wege stehe, auf die Gott allein Anspruch hat.
„Das größte Opfer dieser Theokratie ist Gott selbst“, hat Borudscherdi einmal gesagt.
Es ist klar, dass so ein Mann weg muss. Er ist noch viel gefährlicher als die weltliche Opposition.

 

Der heilende Urin des Propheten

Keine Satire: Erst kam die Still-Fatwa (die Mann und Frau das Zusammenarbeiten in einem Raum erlaubt, wenn die Frau ihn stillt und somit zum „Milchbruder“ macht), dann die Urin-Fatwa. Das Trinken des Urins des Propheten, erklärte einer der höchsten Theologen Ägyptens, sei ein Segen.
Wer braucht da noch Mohammed-Karikaturen? Die Theologie erledigt das Geschäft der Verhöhnung des islamischen Glaubens ganz alleine.
Man fragt sich fast, ob man so etwas überhaupt noch berichten soll.
Aber die Welle von durchgeknallten theologischen Gutachten, die derzeit in Ägypten für Aufruhr sorgt, steht für etwas: die totale Verwirrung und Selbst-Delegitimierung der höchsten theologischen Autorität des sunnitischen Islams, der Al-Azhar-Universität.
Die peinliche Fatwa des ägyptischen Grossmuftis Ali Gomaa, über die sich die arabische Öffentlichkeit erregt, steht für den erschreckenden Zustand der amtlichen islamischen Theologie. Das wirft die Frage für den interreligiösen Dialog auf: Mit wem soll man eigentlich reden, wenn hohe Amtsträger sich so diskreditieren?

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Ali Gomaa

Es ist eigentlich gar keine neue Fatwa, über die sich die arabische Presse jetzt mokiert. Vor sechs Jahren wurde die Meinung, die Körperausscheidungen des Propheten seien „rein“ gewesen und könnten denjenigen reinigen, der sie aufnimmt, in einem Buch des Muftis vertreten. Das Buch über „Religion und Leben“ mußte der Mufti jetzt aus dem Handel nehmen lassen.
Der Streit um die alberne Fatwa hat einen ernsten theologischen Hintergrund. Mohammed ist – in deutlicher Absetzung zu dem Jesus der Christen – ein Mensch mit ganz normalen menschnlichen Attributen (wenn auch ein außergewöhnlicher Mensch, ein Vorbild, ja der ideale Mensch überhaupt). Der Mufti macht ihn zu einem Heiligen, zu einem Gott-Menschen, und das ist ziemlich nahe an der Häresie.

Ali Gomaa war zuletzt durch seine Hymen-Fatwa aufgefallen, die die Rekonstruktion des Jungfernhäutchens gutgeheissen hatte, um den jungen Frauen zu ermöglichen , trotz vorehelichen Geschlechtsverkehrs islamisch korrekt in die Ehe zu gehen. Er hatte sich auch gegen Genitalverstümmelungen ausgesprochen. Er war auch unter den 38 islamischen Theologen, die dem Papst nach der Regensburger Rede antworteten.
Ali Gomaa ist einer der wenigen hohen Würdenträger des Islam, die sich klar gegen Terrorismus aussprechen. Er hat das kürzlich erst in London auf Einladung der britischen Regierung getan.

 

Der Architekt der Kölner Moschee spricht

Ein Interview mit Paul Böhm, dem Architekten der Ehrenfelder Moschee, über die wir hier auch schon viel debattiert haben, auf ZEIT online.
Auszug:
ZEIT online: Statt eines alltäglichen, entspannten Umgangs, gibt es derzeit eher heftige Proteste gegen die Moschee. Der Publizist Ralph Giordano etwa nannte die Moschee ein „falsches Signal“ und prognostizierte „Unfrieden und Unruhe“. Wie sehen Sie das?

Böhm: Nein, im Gegenteil. Ich glaube, dass solche Aussagen wie die von Ralph Giordano Öl ins Feuer gießen. Dass man mit dem Islam Probleme hat, kann ich verstehen, genauso wie ich auch verstehen kann, wenn man Probleme mit der Geschichte des Christentums hat. In dem Moscheebau eine Manifestation des Islamismus zu sehen, finde ich falsch. Ich sehe darin eher eine Öffnung dieser Religion in die Moderne. Natürlich gibt es vielerlei zu kritisieren. Dabei ist die Stellung der Frau nur ein Aspekt.

Ganzer Text: Link oben anklicken.

 

Was würden die Araber eigentlich ohne den „zionistischen“ Feind tun?

Weil allzu oft der Eindruck entsteht, die arabische Öffentlichkeit bestünde bloss aus ressentimentgeladenen Stimmen, stelle ich hier immer wieder auch selbstkritische Autoren vor, die leider viel zu wenig Gehör bei uns finden. In diese reihe gehört auch Abdul Rahman Al-Raschid, der Chefredakteur von Al-Arabiya TV und ehemalige Chefredakteur von Asharq Alawsat, der größten panarabischen Tageszeitung.

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Abdul Rahman Al-Raschid

Dort fragt er zum 40. Jahrestag des Sechstagekrieges, was die Araber eigentlich ohne den „zionistischen“ Feind machen würden. Können sie sich einen Frieden überhaupt noch vorstellen? Die gesamte arabisch Politik mit all ihrem verhängnisvollen Fehlern, schreibt Al-Rashed, beruht auf der Möglichkeit, alles auf den Palästinakonflikt zu schieben:

So, having based their existence, positions, leaderships and literature on the enemy, how can we imagine that those institutions can adapt when the day comes that we no longer have an enemy?

We have nursed animosity to the extent that anything else is almost impossible. Animosity has developed into a complete institution without which survival is not possible. It is not concocted animosity considering that Israel is not a peaceful state and has forced itself into the occupied territories in front of the world that it has defied for over four decades. Israel itself is benefiting from the state of animosity with the Arabs by unifying Jews and profiting from Western support in the name of confronting the Arab enemy.

We can understand Israeli adherence to animosity as it wants to keep the stolen land, retain the US $3 billion in annual aid from the United States and continue to receive Jewish support from around the world. These are all real Israeli gains that justify the invention of a scarecrow enemy even though it could sign a peace agreement that is based on returning occupied territory and ending the entire crisis in one day rather than 40 years.

However, we cannot understand the Arab wisdom behind maintaining such animosity. The Arabs have neither fought to liberate their territories nor sought peace to regain these territories and continue to call for confronting the enemy. Therefore, territories in three states have remained occupied, with one million people in camps and another two million displaced people in different parts of the world suffering on a daily basis. Today, 40 years after the Six-Day War defeat, we can find no logic for those rejecting peace and no reason for blaming all these sins on the [Palestinian] issue and the [Israeli] enemy.

 

Das Kopftuchverbot in NRW – eine politische Dummheit

Als ehemaliger Schüler der Bischöflichen Liebfrauenschule Eschweiler, der bei Schwester Gisela – mit ihrem Nonnenhabit ein menschlicher Pinguin im Giordanoschen Sinne – einen exzellenten Philosophie-Unterricht geniessen durfte, halte ich die Düsseldorfer Entscheidung von gestern für einen schweren Fehler, für eine politische Dummheit, für einen weiteren Sargnagel des liberalen Staatsverständnisses.

Mit dem Kopftuchverbot an den Schulen in NRW wird übrigens auch das Tragen des Nonnenhabits ausserhalb des Religionsunterrichts verboten. Lächerlich.

Wie viele Nonnen gibt es denn noch im Schulunterricht? Man sollte froh sein über die restlichen Nonnen, die noch unterrichten. Bei uns gab es damals sogar hervorragenden Bio-Unterricht im Habit (ja, inkl. Evolution und Sexualkunde!).

Wir brauchen kein Kopftuchverbot für die wenigen Fälle, die überhaupt anliegen. Lehrerinnen sind daraufhin zu prüfen, ob sie mit der Verfassung und ihren Grundwerten übereinstimmen.

Ihr religiöses Bekenntnis ist ihre eigene Sache, selbstverständlich auch in der Kleidung. Sollten sie Schülerinnen unter Druck setzen, es ihnen nachzutun, greift das Disziplinarrecht.

Man kann Burka und Nikab (Vollschleier) aus praktischen Gründen verbieten (kein Augenkontakt), aber der Staat sollte sich nicht daran machen, gute und schlechte religiöse Symbole zu definieren. Er hat die Verfassung zu wahren und zu schützen, nicht über korrekte religiöse Praktiken zu richten.
Übrigens: Wenn es Nonnen weiterhin erlaubt wird, im Religionsunterricht Habit zu tragen, heisst dies dann im Analogieschluss, im islamischen Religionsunterricht wird dereinst das Kopftuch auch erlaubt sein?

Oder wird, wenn es einst einen Islamunterricht gibt, das Gesetz schnell noch einmal verändert? Abenteuerlich, das alles.
Das Kopftuch ist allerdings ein legitimer Gegenstand der Debatte – und ja: Es ist ein Symbol der Islamisten. (Aber nicht jedes Kopftuch hat diese Bedeutung.)

Die Debatte innerhalbe der islamischen Community darüber muss beginnen (und sie hat begonnen, siehe Ekin Deligöz), ob das Kopftuch obligatorisch ist. Eine solche Debatte kann aber nur sinnvoll dann stattfinden, wenn der Staat das Tuch nicht durch Verbote zum politischen Symbol macht, und damit letztlich den Islamisten die Hände reicht, die es ja genau so haben wollen.

Das Kopftuch ist kein Gegenstand für Gesetzgebung, ebensowenig wie der Nonnenhabit. Wir müssen uns den Zugriff des Staates auf diese Sphäre verbitten.
Ein Verbot religiöser Symbole passt auch nicht in unsere deutsche Leitkultur, in der es keinen strikten Säkularismus gibt, sondern eine wohlwollende Kooperation des Staates mit den Religionsgemeinschaften.

Dass ein Kopftuchverbot hilft, den Kampf gegen den religösen Extremismus und gar den islamistischen Terrorismus zu führen, halte ich für absoluten Quatsch.

Diejenigen, mit denen wir es dabei zu tun haben, sind ausserordentlich pragmatisch, wenn es um die religiösen Pflichten geht (siehe Jussuf Al-Karadawi).

 

Londoner Muslime: Mehr Vertrauen in Polizei, Justiz und Regierung als Nichtmuslime

Zwei interessante Ergebnisse aus einer Gallup-Umfrage, die bei 500 Londoner Muslimen zwischen November 2006 und Januar 2007 durchgeführt wurde: Wenn man Symbolthemen wie das Kopftuch und Moscheebaustreitigkeiten beiseite läßt, zeigt sich eine starke Nähe der muslimischen Einstellungen zum britischen Mainstream. Das ist erstaunlich angesichts der Tatsache, dass Muslime sich in überwältigender Zahl zunächst als Gläubige und dann erst als britische Bürger definieren. 81 % bezeichnen sich als „muslim first“ gegenüber nur 7 %, die sich in erster Linie als Briten sehen.

Nun aber zu den Übereinstimmungen.

Zum Beispiel bei der Frage, was die entscheidenden Faktoren gelungener Integration sind:
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Interessant auch für unsere hiesige Debatte: Sowohl die allgemeine Öffentlichkeit wie auch die britischen Muslime sind mehrheitlich nicht der Meinung, eine weniger starke Religiosität sei ein wichtiger Faktor für Integration! (siehe den letzten Punkt in der obigen Grafik)

Aber der eigentliche Knüller ist dies:

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Die britischen Muslime haben mehr Vertrauen in die Institutionen als die allgemeine Öffentlichkeit.

Das ist doch wohl ein anschlussfähiges Potential?

(Allerdings ist es auch enttäuschungsanfällig.)

Die gesamte Umfrage hier.

 

Muslime, kämpft selbst gegen Islamophobie!

Wer sagt, es gibt keine kritischen Stimmen aus der muslimischen Community – ja, sogar aus islamistischen Kreisen!
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Hamid Tawfik, Ex-Islamist

Hamid Tawfik, ein ehemaliges Mitglied der ägyptischen Islamistengruppe Al-Dschamaa al-Islamiya, hat im Wall Street Journal einen klugen Artikel geschrieben, in dem er erklärt, wie Muslime die Islamophobie besiegen können:

To bring an end to Islamophobia, we must employ a holistic approach that treats the core of the disease. It will not suffice to merely suppress the symptoms. It is imperative to adopt new Islamic teachings that do not allow killing apostates (Redda Law). Islamic authorities must provide mainstream Islamic books that forbid polygamy and beating women. Accepted Islamic doctrine should take a strong stand against slavery and the raping of female war prisoners, as happens in Darfur under the explicit canons of Shariah („Ma Malakat Aimanikum“). Muslims should teach, everywhere and universally, that a woman’s testimony in court counts as much as a man’s, that women should not be punished if they marry whom they please or dress as they wish.

We Muslims should publicly show our strong disapproval for the growing number of attacks by Muslims against other faiths and against other Muslims. Let us not even dwell on 9/11, Madrid, London, Bali and countless other scenes of carnage. It has been estimated that of the two million refugees fleeing Islamic terror in Iraq, 40% are Christian, and many of them seek a haven in Lebanon, where the Christian population itself has declined by 60%. Even in Turkey, Islamists recently found it necessary to slit the throats of three Christians for publishing Bibles.

Of course, Islamist attacks are not limited to Christians and Jews. Why do we hear no Muslim condemnation of the ongoing slaughter of Buddhists in Thailand by Islamic groups? Why was there silence over the Mumbai train bombings which took the lives of over 200 Hindus in 2006? We must not forget that innocent Muslims, too, are suffering. Indeed, the most common murderers of Muslims are, and have always been, other Muslims. Where is the Muslim outcry over the Sunni-Shiite violence in Iraq?

Islamophobia could end when masses of Muslims demonstrate in the streets against videos displaying innocent people being beheaded with the same vigor we employ against airlines, Israel and cartoons of Muhammad. It might cease when Muslims unambiguously and publicly insist that Shariah law should have no binding legal status in free, democratic societies.