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Die iranischen Frauen sollen besser nicht demonstrieren

Hossein Derakshan (aka Hoder, der bekannteste iranische Blogger) rät der iranischen Frauenbewegung im Guardian nach den Verhaftungen der letzten Wochen, sie solle das Demonstrieren eben bleiben lassen und unauffälligere Aktivitäten wählen.

Er rückt die vor dem Internationalen Frauentag Verhafteten in die Nähe von „neokonservativen Regime-change-Institutionen“. Feministinnen sollen keine Hilfe aus dem Ausland annehmen, auch nicht von NGO’s.

Es ist bemerkenswert, wie geschmeidig Hoder sich neuerdings immer wieder in das Denken des iranischen Justiz- und Sicherheitsapparates einfühlt. Im Grunde sagt er das, was auch die Ankläger in den anhängigen Verfahren sagen werden: Diese Frauen wollen die Republik stürzen, sie sind Agenten des Westens, sie gehören darum weggesperrt. Er sagt es nur auf die nette Art. Was ist mit ihm bloss los? Das Einknicken vor den Mullahs scheint für ihn zur einzig legitimen Strategie geworden zu sein.
Die Publizistin Nasrin Alavi, die letztes Jahr das schöne Buch „Wir sind Iran“ über die iranischen Blogger veröffentlicht hat, kommentiert im Guardian so:

„Hossein, it is simply inaccurate and scurrilous to even imply that the women recently arrested (who are part of an independent organic grassroots movement) are tools for regime change. Sadly you are also endangering those still imprisoned, including others who still face trial. Dont be surprised if what you write is rehashed in Kayhan tomorrow. It won’t be the first time.“

(Kayhan ist das Sprachrohr des Revolutionsführers Khameinei.)

 

Shirin Ebadi: Wer den Islam unvereinbar mit den Menschenrechten erklärt, spielt den Mullahs in die Hände

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In einem Interview mit Daniele Castellani Perelli vom italienischen Magazin „Reset“ verlangt die iranische Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi eine differenzierte Islamkritik und eine substantielle Definition von Demokratie. Ein Auszug:

(…)

Q: Intellectuals such as Ayaan Hirsi Ali maintain that Islam is incompatible with the respect of women’s rights. And it is true that the present Iranian regime has, on the basis of religious justifications, prohibited you from becoming a judge.

A: The Iranian government, along with the Saudi government and all the other non-democratic governments, maintain that Islam is not compatible with human rights and that their people, as Muslims, must follow only Islam. But by ‘Islam’ they mean that which serves to justify their own tyranny. It disappoints me that certain intellectuals, without thinking of the consequences of their reasoning, end up seconding the very same opinions of these tyrants.

Q: And what are the consequences of these extreme views?

A: They end up presenting Muslims with an ultimatum: either accept Islam, and with it all the injustices which you are suffering, or abandon the religion of your fathers in favour of democracy. It is not fair to force such a decision. I propose another way – that Islam be interpreted in a way which allows for democracy. Within Christianity, too, there are some churches which condemn homosexuals, and others which accept them. They are all Christian, but they interpret their religion in different ways. The same can be true for Islam. In a country like Saudi Arabia there is not even a parliament, whilst Malaysia has a fairly advanced democracy. Which Islam are we talking about? Islam is completely compatible with women’s rights. Those who maintain otherwise simply give justification to non-democratic Islamic governments.

Q: Would you prefer to live in a secular Iran, in which religion and the state were separated?

A: I believe in secularism because I don’t want governments to take advantage of the people’s religious beliefs. However, I wonder whether we have the right to declare that the whole world see things only our way. When, in whatever region of the world, a people elects a radical cleric, do we have the right to say that the elections which brought him to power are invalid? Of course not. At the same time, it is also true that many secular governments are dictatorships. It’s clear then that secularism is not the only solution to these problems. We need to look for a more modern definition of democracy. Democracy is the government of the majority, yet that majority which comes to power does not then have the right to do whatever it likes. Governments are not legitimised solely by the ballot box, since it’s true that many dictators have come to power via elections. Only when democracy goes hand-in-hand with the respect for human rights can there be a true democratic government. With this new definition of democracy in mind, it is no longer important to decide whether secularism is a good or bad thing. (…)

 

Rageh Omar in Iran

Mit Dank an Mitblogger Docaffi hier ein Hinweis auf die interessante Iran-Doku von Rageh Omar (BBC) (bei Google Video gibt es auch komplette Versionen des ganzen Programms):

 

Marjane Satrapi über Iran

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Die grossartige Marjane Satrapi hat dem französischen Fernsehen ein Interview über Iran gegeben. Oben ein Auszug aus ihrem autobiografischen Comic Persepolis (kaufen!).


 

 

Iranischer Dissident: Vergesst „regime change“! Verändert das Regime!

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Der bekannteste iranische Dissident Akbar Ganji hat vor dem renommierten Council on Foreign Relations – dem wichtigsten amerikanischen aussenpolitischen Thinktank – eine Rede zur Krise um den Iran gehalten. Es ist eine grosse Rede, ein umfassendes Plädoyer für eine neue westliche (amerikanische) Politik gegenüber dem Iran.
Sie hat um so mehr Gewicht, als Ganji ein unbestrittener Held der Meinungsfreiheit und der Bürgerrechte ist, der Jahre in iranischen Gefängnissen verbracht hat, bevor im März letzten Jahre endlich nach einem lebensgefährlichen Hungerstreik entlassen wurde.

Hier die wichtigsten Thesen:

– Das Übergewicht des militärischen Sicherheitsdenkens gegenüber Iran und dem Nahen Osten insgesamt wird weder Frieden noch langfristige Stabiltät bringen. Es dient den Regimen der Region als Ausrede, selber aufzurüsten und ihre einheimische Opposition zu unterdrücken

– ein Angriff auf Iran wäre derzeit weder als präventiver noch als präemptiver Krieg zu rechtfertigen

– anders als die offizielle Propaganda des Iran es darstellt, gibt es tief gehende Meinungsverschiedenheiten über das Nukleraprogramm in der iranischen Politik. Der freiwillige Verzicht auf weitere Anreicherung muss von übergreifenden Initiativen begleitete werden, die Frieden, Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung im Nahen Osten ermöglichen. Ein einseitiger Angriff auf Iran hingegen würde bloss als Versuch gewertet werden, Israels Überlegenheit zu sichern und einen ungerechten Frieden zwischen Palästinensern und Israelis vorzubereiten

– Die iranische Führung ist für ihre „radikalen und hohlen Sprüche“ über den Palästinakonflikt zu kritisieren. Doch ihre Propaganda, mit der sie sich vor allem selber schadet, ist nicht der Grund dafür, dass sich die Fundamentalisten an dem Konflikt nähren. Die Abwesenheit eines fairen Plans für eine Zweistaatenlösung ist der wahre Grund dafür, dass der Konflikt von den Radikalen ausgebeutet werden kann

– einige der Alliierten der USA im Nahen Osten sind wichtigere Sponsoren des Terrorismus als Iran

– die Menschenrechtsverletzungen im Iran sind zwar viel zu wenig im Fokus der Weltöffentlichkeit. Sie können aber nicht als Rechtfertigung für einen Krieg gelten

– ein Angriff auf Iran würde dem Fundamentalismus in der Region abermals Auftrieb geben

– er würde dem Regime Gelegenheit geben, die iranische Opposition und die kritische Zivilgesellschaft endgültig zu zerstören

– schon jetzt wird durch die Eskalation das Thema der Demokratisierung der Gesellschaft, das in den Khatami-Jahren vorwiegend war, vom Thema der nationalen Sicherheit verdrängt. Die heutige Unterdrückung von Bürgerrechten wäre ohne die äussere Gefahr kaum möglich

– das Wort „regime change“ hat in iranischen Ohren einen bösen Klang – durch den CIA-gesponserten Coup gegen Mossadegh, aber auch durch die blutigen Erfahrungen der Revolution

– es ist sinnwidrig und inkonsistent, den iranischen Führern einerseits ein Schicksal nach der Art Saddam Husseins anzudrohen und sie andererseits zur Aufgabe ihrer Waffen aufzufordern

– ein Krieg gegen Iran würde dem iranischen Volk schreckliche Opfer beibringen und keines der amerikanischen Ziele in der Region befördern

– „Of course, I must highlight the point that my words and those of Iranian democrats and proponents of peace are solely a defence of Iran as a country and a nation, and a defence of the country’s territorial integrity. A distinction must be drawn between Iran and the government ruling over Iran. My words must in no way be taken as a defence of the repressive, despotic, human-rights-violating State ruling over Iran. Peace-loving and democratic Iranians do not wish to have their opposition to a military attack on Iran interpreted as an implicit defence of either the Iranian government’s foreign policy or its repressive domestic policy. We must, at one and the same time, criticize both the policies of the Islamic Republic of Iran and the US Administration’s foreign policy.“

– die Strategie des „regime change“ aufzugeben heisst nicht, das Ziel der Transformation des despotischen Regimes zu einem demokratischen und verantwortlichen System aufzugeben – im Gegenteil

– der Wandel kann nur von Innen kommen, doch der Westen kann dabei entscheidende Hilfen geben: wirtschaftliche Hilfe darf nur noch im Austausch für demokratische Reformen und Menschenrechte angeboten werden;
ausländische Investitionen müssen an korrekte und transparente Verfahren bei der Auftragsvergabe gekoppelt werden, um Korruption und Bereicherung der Mächtigen zu bekämpfen;
die internationale Gemeinschaft muss Geschäfte mit dem öffentlichen Sektor Irans an die Erlaubnis zur Gründung freier Gewerkschaften koppeln;
sie muss Importe von Sicherheits- und Überwachungstechnologie durch Iran verhindern, mit der etwa das Internet gefiltert werden kann;
sie muss eine überwölbende Sicherheitsarchitektur für den Nahen Osten entwickeln;
die iranischen Meinungsführer und das Volk müssen dem Regime seinen „nuklearen Traum“ austreiben, weil er abgesehen von militärischen Risiken auch keine Lösungen für die iranischen Energie-Probleme bietet und erhebliche Umweltrisiken beinhaltet;
– die Idee des „regime change“ durch Gewalt muss der Strategie Platz machen, langfristig das Verhalten und die Struktur des Regimes durch Druck und Kooperation unter klaren Bedingungen zu verändern

 

Der tapfere Blogger

Hossein Derakshans Ankündigung, er werde die Islamische Republik im Fall eines amerikanischen Angriffs mit der Waffe verteidigen, ruft unterdessen auch die Satiriker auf den Plan:

Join me, readers, return to Iran and fight the imperialist aggressors. And if I stay behind it will only be to report on your selfless courage. You will be giving your life for both the nation and the world. I will make sure your death does not go unnoticed, that the picture of your dead body is posted on my blog. And if there’s live footage of you being maimed or tortured I promise to post it on YouTube. Go brother, go sister. Let us send a message to the neo-cons: the Iranians are one people, UNTIED. I mean UNITED.

Aus Iranian.com.

 

Piraten des Zionismus

Ahnten Sie es? „Piraten der Karibik“ sind eine jüdische Verschwörung! (Na ja, da muss man ja auch erst mal drauf kommen.) Beweise hier: