Lesezeichen
 

Iranische Raketenpropaganda oder Lügen in Zeiten von Google

Die iranische Regime-Zeitung Kayhan brachte am Wochenende ein beeindruckendes Foto von dem iranischen Raketentest.

Leider stellte sich durch Recherchen fleissiger iranischer Blogger-Kollegen heraus, dass die abgebildete Rakete in Wahrheit vom Grossen Satan selbst abgefeuert worden war – 2004 in Kalifornien beim Test eines amerikanischen antiballistischen Raketensystems.

Peinlich: Kayhan untersteht dem Wächterrat und der wiederum direkt dem Einfluss des Revolutionsführers Chamenei.
iranian+rocket.jpg
Kayhan-Titelseite vom Sonntag

us+rocket.jpg
Das Original vor der Photoshop-Behandlung

 

Erste männerfreie Insel im Iran geplant

Iran plant, eine Touristen-Insel im Urmia-See (auch Orumije-See, Nordwest-Iran) vollständig männerfrei zu machen und damit den islamisch korrekten, nach Geschlechtern segregierten Tourismus anzukurbeln. Ach, was würde Sappho wohl dazu sagen?

Sappho-drawing.jpg
Die Sängerin Sappho auf Lesbos

(Dank an b namus.)

 

Die Vielgestaltigkeit des Iran

Iran_ethnic_map.jpg

Die bunte ethnisch-religiöse Karte des Iran

Nur so als Andeutung der Komplexität des Landes, das hierzulande immer als homogener Block erscheint (ist dem Regime nur allzu recht!).

Damit bei der nächsten Intervention niemand sagen kann, man habe von den inneren Spannungen des Landes nichts gewusst. Siehe auch diesen Bericht über Belutschistan.

 

Ein Gespräch mit dem bekanntesten iranischen Blogger

DSC_0002.jpg

Hossein Derakshan (aka Hoder), letzte Woche im „Good Friends“, Berlin. Foto: JL

Letzte Woche war Hossein Derakshan, der bekannteste iranische Blogger, wieder einmal in Berlin. Wir trafen uns, um über die Lage zu debattieren. Vor fast zwei Jahren hatte ich Hoder (so sein nom de plume) in der Zeit vorgestellt. Er hat für uns auch einen Kommentar zur Wahl Achmadinedschads geschrieben.

Hossein hat das Bloggen im Iran populär gemacht und ist bis heute eine Legende (sein Blog hier). Er lebte einige Jahre in Toronto, zur Zeit ist er ein veritabler Nomadeder immer wieder bei Freunden unterkommt.
Im letzten Jahr hatten wir uns über den Fall des Philosophen Ramin Jahanbegloo zerstritten, der im Iran verhaftet worden und zu einem Geständnis gezwungen worden war. Hossein hatte dieses Geständnis als ein Zeichen wirklichen Umdenkens gedeutet und damit letztlich dem Regime Recht gegeben, das Jahanbegloo subversive Umtriebe und Kontakte zu feindlichen westlichen Agenturen unterstellte.

Wir haben uns auch diesmal nicht über den Fall und seine Implikationen einigen können: Hossein hält es für illegitim für Iraner, sich in der angespannten Lage mit irgendeiner ausländischen Organisation einzulassen, die für eine Änderung des iranischen Regimes eintritt – selbst auf friedlichem Weg.

Ich finde dies falsch, weil es am Ende darauf hinausläuft, die iranische Zivilgesellschaft ihrem Schicksal zu überlassen und jede Unterstützung aus dem Westen als „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ auszuschliessen.

Hossein halt selbst einmal anders argumentiert.

Er wird mittlerweile wegen seines neuen Kurses, angesichts eines drohenden Krieges die Legitimität des iranischen Regimes zu verteidigen, im Internet als Agent des Iran denunziert. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass dieser unabhängige Kopf sich derart einspannen lassen würde.

Er meint was er sagt, wenn er ankündigt, er werde notfalls den Iran verteidigen, wenn es zum Krieg kommt. Er ist nicht der einzige Iraner, der mit dem Regime in Konflikt steht und dennoch so denkt. Das sollte im Westen zur Kenntnis genommen werden.

Hossein war kürzlich zum wiederholten Mal in Israel, um dort klarzumachen, dass es viele Iraner gibt, die jeden Antisemitismus ablehnen und doch zu ihrem Land stehen. Ich finde dieses Engagement mutig und fast heldenhaft, denn er weiss, dass ihm dies die Rückkehr in den Iran so lange unmöglich machen wird, wie dort der Antizionismus/Antisemitismus Staatsdoktrin ist.

Zugleich verteidigt Hossein heute im Prinzip das Recht Irans nicht nur auf ein ziviles Atomprogramm, sondern sogar auf eine Atombombe, weil dies schlicht den unleugbaren Sicherheistinteressen des Landes entspreche. In der westlichen Öffentlichkeit ist das eine tabuisierte Position, was uns vielleicht darüber hinwegtäuscht, wie viele Iraner sie unterstützen (ohne dabei notwendigerweise die Mullahs zu unterstützen). Ich finde diese Position falsch, aber ich denke, sie sollte zur kenntnis genommen werden. Jedenfalls wäre es falsch zu glauben, demokratisch gesinnte junge Iraner seien durchweg „gegen die Bombe“.

Vor einem Jahr hat Hossein immerhin noch argumentiert, nicht die Bombe per se sei das Problem, sondern die undemokratische, tyrannische Natur des Regimes, das nach ihr strebt. Jetzt ist solcher Vorbehalt aus seinen Thesen verschwunden.

Im Licht eines möglichen Angriffs auf Iran, im Licht der Rückkehr einer zynischen westlichen Realpolitik, die sich mit den Lumpenregimen der Region verbündet, hat die Islamische Republik Iran für Hossein Derakshan plötzlich wieder so viel Legitimität, dass er sie mit der Waffe in der Hand verteidigen würde. Und das sagt jemand, der ins Land nicht einmal einreisen dürfte, ohne verhaftet und verhört zu werden.

 

Iranischer Skandal: Macht ein offizieller Fragebogen sich über den Propheten lustig?

Aus dem Iran wird berichtet, Lehrern sei bei einem Examen ein Fragebogen vorgelegt worden, in dem sie lauter unziemliche Fragen zum Leben und zu den Gewohnheiten des Propheten beantworten sollten: Darunter (Multiple-Choice) Fragen danach, mit wieviel Fingern der Prophet zu essen pflegte, welche Haarfarbe er hatte und auf welcher Seite er zu schlafen pflegte.

Was ist das? Ein subversiver Scherz von anonymen Dadaisten in der iranischen Bürokratie? Eine weitere Dummheit des Präsidenten? Oder ein Versuch seiner Gegner, ihm zu schaden?

Die Sache schlägt offenbar schon Wellen bis ins Parlament und wird auch bereits mit der Karikaturenaffäre des letzten Jahres verglichen.
Ein Bericht des Guardian hier.

Und dies ist der umstrittene Fragebogen:
questions.gif

 

Iranische Intellektuelle protestieren gegen Ahmadinedschad

Dies hier sollte nicht unbekannt bleiben:
An open letter by a group of Iranian academics, writers, and artists regarding the Tehran Conference on Holocaust Denial

Over the past year or so a number of official and unofficial public statements have been made in Iran denying the genocide of Jews during the Second World War. The culmination of this trend was the widely publicized, so called „International Holocaust Conference“, held in Tehran in December 2006. Given the serious moral and practical implications of this trend, we, a group of Iranian academics, intellectuals, writers and artists, find it imperative to take a public stance on this issue….

Weiter„Iranische Intellektuelle protestieren gegen Ahmadinedschad“

 

Wir dürfen die iranischen Demokraten nicht vergessen

Ein Alarmruf des amerikanischen Kritikers Danny Postel: In der Debatte um den Iran fällt die demokratische Opposition im Iran zwischen die Ritzen. Die Linke (nicht nur sie) ist in Gefahr, sich im Widerstand gegen Kriegspläne zu verschleissen und die reiche Szene von iranischen Liberalen zu ignorieren, die keinen Krieg wollen, aber auch das Regime im Iran bekämpfen. Ganzer Artikel hier:

What the neocons want in Tehran is a pro-U.S. and pro-Israeli regime; whether it’s a democratic one or not is an entirely secondary matter to them. And Iranian dissidents know this, which is why they want nothing to do with the neocons. Note that the funds the State Department earmarked last year for democracy promotion in Iran met with a resounding thud among dissidents, who see right through the neocons and their agenda.

This is not only a critique of the neocons, though; it’s also a challenge to those on the Left who have bought into the neocons’ Big Lie about being the bosom buddies of Iran’s dissidents. Due to intellectual laziness, a preference for moral simplicity, existential bad faith, or some combination thereof, lots of leftists have opted out of even expressing moral support, let alone standing in active solidarity with, Iranian dissidents, often on the specious grounds that the latter are on the CIA’s payroll or are cozy with the neocons. Utter and complete tripe. Perhaps, as I say, understandable in the past, when it wasn’t as transparent what empty hogwash the neocons’ posturing was. But now that the neocons’ real cards are on the table and their pretense of solidarity with Iranian dissidents has been shattered, the Left can no longer use the neocons as an avoidance mechanism.

Danny Postel hat ein Buch über die demokratische Linke in Iran geschrieben, mit dem schönen Titel: „Reading Legitimitaion Crisis in Teheran„.

 

Was will Teheran?

Dan-Byman.jpg
Daniel L. Byman von der Georgetown Universität ergründet in einem ziemlich klugen Artikel in der Washington Post die iranische Lage und Strategie:

„Reports that Iran is arming various factions in Iraq are about as surprising as claims that Mafia members have been seen in Las Vegas casinos…
So why would Iran arm Iraqis and perhaps direct attacks on U.S. forces? For most Iranians, Iraq is an emotional issue. They see the daily suffering of Iraqis, both from the chaos in Iraq in general and at the hands of Sunni suicide bombers. They empathize with their fellow Shiites in Iraq, with whom they have historic ties and shared religious traditions. Though they rejoice over the downfall of Saddam Hussein (Iran suffered hundreds of thousands of casualties in the bitter war of 1980-88, which Hussein launched against it) they blame the United States for the violence that has swept Iraq since Hussein fell.

Iran worries about the United States. When Ayatollah Khomeini took power in the 1979 Islamic revolution, he made anti-Americanism a core of the new regime’s foreign policy. The United States has been hostile ever since, even tilting toward Iraq during its war with Iran. The United States and Iran have not had diplomatic relations since 1979, and have periodically confronted each other.

In the decade before 9/11, Iran structured its military forces to fight America, even when the U.S. military presence in the Persian Gulf region was confined to the conservative oil states of the Arabian peninsula. Since 9/11, the United States has occupied Iraq with more than 100,000 troops, put significant forces in Afghanistan and Central Asia, and strengthened its security relationship with Pakistan. Iran perceives itself as surrounded. The United States has repeatedly made threats against the Iranian regime, has refused to surrender anti-regime Iranian terrorists found in Iraq, organized international economic pressure on the country, led a diplomatic effort to deny Iran the right to develop nuclear energy and nuclear weapons, and pointedly included military force against Iran as an option after dispatching two aircraft carriers to the Persian Gulf region– hostile steps, in Iranian eyes, that reinforce paranoia.

Tehran does not want the secular and pro-Western Iraq that America dreams of, and it wants to ensure that the U.S. doctrine of preventive regime change is dead.
So far, developments in Iraq have worked out in Iran’s favor — indeed, Iran appears to be the one state that is winning this war. Iraq is too weak to pose a military threat to Iran for years and perhaps decades to come. The democratic procedures that the United States imposed on Iraq put in power Shiite leaders who are far friendlier to Tehran than to Washington.“

Hab‘ ich’s nicht gesagt? Ganzer Artikel hier.

 

Fukuyama: Mehr Karotten für Iran

2007_pub_photo.jpg

Francis Fukuyama, Theoretiker des „Endes der Geschichte“ und reuiger Ex-Neocon

Der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama, ein anfänglicher Befürworter des Irak-Kriegs, der sich zum scharfen Kritiker der Bushies entwickelt hat, mischt sich jetzt auch in die amerikanischen Strategiedebatte über Iran ein.

Bei einem einem Auftritt vor der Iranischen Lobbyorganisation NIAC (National Iranian American Council) plädierte er für eine Rücknahme der Maximalforderungen gegenüber Iran (Aussetzen der Anreicherung als Bedingung für Gespräche) und für ein „ernsthaftes politisches Angebot“ seitens der USA an Iran. Ich finde, er hat Recht. Link hier.

Wie will man den Eiszeit-Kurs gegenüber Iran noch länger rechtfertigen, wenn man nun selbst mit einen Horror-Regime wie Nordkorea einen Deal macht? Die US-Politik gegenüber Iran blickt auf mehr als ein Vierteljahrhundert Totalversagen zurück. Zeit, etwas Neues zu versuchen.
Zitate:

Fukuyama challenged America’s unilateral approach to Middle East foreign policy over the past 6 years, criticizing the Bush administration’s reliance on: overwhelming military might; preventive war as a nonproliferation strategy; democratization as a method of securing strategic goals, unilateralist approaches to international affairs; and what he called a lack of competence in carrying out policy objectives.

Asserting the importance of preventing Iran from acquiring nuclear weapons, Fukuyama reasons that stepping up economic pressure on Iran can only work if the US also pursues a „path out that involves a serious political offer.“

The theory that Iran would not respond to a deterrence strategy was questioned by Fukuyama, who described Iran as a cautious regional actor in its approach to national interests, „Iran has actually been quite pragmatic,“ he said. Fukuyama referenced the country’s dealings in the past with Israel to support his view.

Cautiousness and skepticism about forging a US-Iran alliance was expressed by the nationally renowned academic; nevertheless, he supported the advancement of more positive incentives or „carrots“ coupled with greater sticks to achieve US strategic aims with respect to Iran. For example, he preferred the forswearing of the US’s regime change ambitions in Iran and a restoration of diplomatic relations, rather than the Security Council and Germany’s (the P5+1) proposal preconditioned on a suspension of enrichment even before the talks begin.

 

Geistliches Gipfeltreffen zwischen Sunniten und Schiiten

Hashemi Rafsandschani und Jussuf Al-Karadawi haben sich in Kairo getroffen, um ein Zeichen gegen die sunnitisch-schiitische Spaltung zu setzen. Das bedeutet mit Bezug auf Iran, dass Rafsandschanis Gewicht weiter wächst und der aggressive Kurs von Achmadinedschad, der sich zum Champion der unterdrückten Muslime überall aufzuwerfen versucht, zumindest von einer zweiten Linie ausbalanciert wird. Interessant wiederum, wie deutlich Karadawi den Iran im Irak in die Pflicht nimmt. Hört man sonst so nur aus dem Weissen Haus. (Link hier.)
Zitate:

Both scholars saw eye-to-eye on the importance of maintaining Iraq unity.

„Iraq must remain united and all religious and ethnic factions should live under one flat and one,“ said Rafsanjani.

„We don’t want Shiiites, who were oppressed in the past (under Saddam), to behave this way ‚We are back to take revenge.'“

On Iran’s reported security and intelligence role in Iraq, Rafsanjani said Iran does not want to interfere in Iraq’s affairs.

„We help Muslims everywhere. Haven’t we aided Sunni Bosnians? Haven’t we aided the Palestinians? When we defend Iraq and aide our neighbor, we actually defend Islam.“

But Qaradawi reiterated that Iran „has the keys in Iraq.“

„Iran does have an influence in Iraq,“ he said. “ Iran can say stop this and that…it can turn off such a civil war in Iraq. This situation plays well into the hands of the Americans.“