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Spargelparty

Jedes Jahr, zum Beginn der Spargelsaison, veranstalten wir die sogenannte Spargelparty.

Bis Mitte März gibt es kein genaues Datum und wir machen auch keine Werbung dafür. Die Stammgäste rufen an,  fragen wann es soweit ist und reservieren.

Zuerst kochen wir ein paar Spargelkreationen, ein Spannungsbogen von modern – gewagt und klassisch, dann gibt es etwas Spargelsud.

Anschließend holen sich die Gäste ihren frisch gekochten Spargel direkt aus der Küche. Wir schlagen Hollandaise à la minute und reichen Flädle, Schwenkkartoffeln, Körnerhühnle, Roastbeef und Bändelbratwurst dazu.

Ein Riesenspaß für die Gäste und offensichtlich auch für meine Köche.

Hier ein kleiner Auszug:

Mousse von Grünem Spargel mit Wiesenlabkraut und Wildschweinsalami
Mousse von Grünem Spargel mit Wiesenlabkraut und Wildschweinsalami

Spargelcocktail "Cru" mit Taubnessel (oder etwas unsexy: Spargelrohkost)
Spargelcocktail "Cru" mit Taubnessel (oder etwas unsexy: Spargelrohkost)

Sesam Backspargel mit körnigem Korianderfrischkäse
Sesam Backspargel mit körnigem Korianderfrischkäse

Spargelspitzen "Mimosa" mit konfierten Salzzitronen und gehobelten Anischampignons
Spargelspitzen "Mimosa" mit konfierten Salzzitronen und gehobelten Anischampignons

Spargelsalat mit Pistou
Spargelsalat mit Pistou

Spargelrisotto mit Girsch
Spargelrisotto mit Girsch

Geeister Spargelschaum mit Gelée, Wiesenwicke und Rhabarber
Geeister Spargelschaum mit Gelée, Wiesenwicke und Rhabarber

Tiramisu von Spargel und Dinkel mit Macadamia - Petersilienvinaigrette
Tiramisu von Spargel und Dinkel mit Macadamia - Petersilienvinaigrette

Passionsfruchtmousse mit Erdbeer und Rhabarber, Himbeersorbet mit Gewürzknuspernudeln und Kokosschaum
Passionsfruchtmousse mit Erdbeer und Rhabarber, Himbeersorbet mit Gewürzknuspernudeln und Kokosschaum

Garantiert keine "Spargeltarzane" - mein Küchenteam.
Garantiert keine "Spargeltarzane" - mein Küchenteam.

Von links nach rechts: Sabine Seibold, Patisserie; Lukas Lechner, Azubi Gardemanger; Mario Lurz, Entremétier; Sebastian Kuhn, Tournant; Fabian Mohr, Saucier und Jan Heeg, Meister und Küchenchef.

P.s.: Wer spontan Lust hat: Am Samstag, den 30.04.2011 kochen wir das Programm noch einmal im Weinstall Castell . Ein kleines Kontingent ist frei geworden. Ach ja der Preis: 65,00 Euro inklusive Wein.

 

Nostalgie für Gourmets

Sauerbraten, so dachte ich, wäre in seiner Textur, seinem Geschmack und seinem Schnittbild völlig unterschiedlich zum gewöhnlichen Schmorbraten. Als ein gutes Stück deutscher Küchenkultur und Aushängeschild der handwerklichen, gutbürgerlichen Küche meiner Eltern und Großeltern wird Sauerbraten schließlich immer gerne bestellt. Man vertraut diesem Gericht. Ganz besonders sei er, bodenständig, ein Gericht und eine Zubereitungsart, die sehnige, bindegewebsreiche Fleischstücke überhaupt erstmal genießbar macht. Sauerbraten setzt sich in Szene, mit einem Spiel aus Süße und Säure so wie Yin und Yang, sich gegenseitig fordernd und hebend, auflösend, Spannung erzeugend und nicht zuletzt unterschwellige Freud´sche oder Pawlow´sche Funktionen bedienend, die im besten Sinne zur „Küche der Erinnerungen“ gehören. Vielleicht Erinnerungen an eine Zeit, in der die Welt irgendwie unkomplizierter war. Zumindest in der Küche, denn dort wurden vor 30 Jahren ganz einfach Regeln befolgt und für jede Fach-Frage gab es eine Antwort im Der junge Koch, im Hering oder im Duch. Damals, als Sauerbraten groß in Mode war, als berühmte Köche hohe Kochmützen trugen, grimmig mit vor der Brust verschränkten Armen in die Kamera linsten und güldene Ketten (die mindestens so groß waren wie die des Bürgermeisters!) von der Würde des Meisters zeugten, war Sauerbraten ein Gradmesser guten Handwerks.

Diesem Sauerbraten wollte ich nun vor einigen Wochen endlich seine Geheimnisse entlocken, wollte verstehen was beim Säuern, Beizen, Einlegen passiert. Um die Prozesse zu entschlüsseln war es zuerst notwendig, die richtige Herangehensweise festzulegen. Praktische Versuche waren schnell angelegt, viele und präzise Fragen waren soweit klar, doch eine schier unüberwindliche Hürde in der Versuchsanordnung war die Unzahl von auf das zu erwartende Ergebnis einflussnehmenden Details: Rasse, Alter, Fütterungsmethode, Geschlecht des Tieres, von dem das Fleisch stammen sollte. Die Schlachtmethode. Das Fleischteil (welches überhaupt?): Gereift oder ungereift? Pferd? Hammel, die Beize mit Rotwein oder mit Essig und vor allem nach welcher Rezeptur? Kalt oder warm angegossen? Wie lange gebeizt und bei welcher Temperatur? So wie früher bei ungefähr 12°C oder so wie heute bei 2°C? Essig mit 5% oder mit 10% Säure, der Essig aus Rot- oder aus Weisswein gemacht? Traditionell natürlich, mit der Buchenspan-Methode.

Diese vielen Optionen zum Thema haben mich fast in den Wahnsinn getrieben. Die Matrix der Möglichkeiten schien schnell so weit auszuufern, dass ein anderer Ansatz her musste. Das konnte nur gehen, wenn ein heuristischer, meinetwegen semiprofessioneller und handfester Versuchsaufbau frei nach Franz Beckenbauer die Grundlage der Wissens-Ermittlungen wurde: Schaun mer mal, dann sehn mer schon. Also mit begrenztem Wissen und wenig Zeit ein möglichst gutes Ergebnis zu bekommen, war der einzige Weg, sich bei diesem multifaktoriellen Thema nicht unendlich zu verlaufen.

Nach stundenlangem büffeln und pauken, dozieren und fragen, säuern und einlegen wurde gekocht und probiert. Theorie und Praxis, erlerntes Wissen und geschulter Geschmack, Erfahrungsaustausch zwischen Wissenschaft und Handwerk, pragmatischer Schul-Denke und anspruchsvoller Lebensart. Am nachmittag hat die Experten-Runde verkostet und war – völlig überrascht.

Nach 25 Fleischproben wurde klar, was da los ist:

Die Beize dringt selbst nach einer Woche Einlegens kaum mehr als ein bis zwei Zentimeter tief in das Fleisch ein. Dieser gebeizte und auch verfärbte Rand ist deutlich weicher als das Fleischinnere, die Säure hat also hier ihr Werk getan und Bindegewebe aufgelöst.

Im Fleischinneren jedoch ist gar nichts passiert, was auf eine veränderte Struktur zum jeweils ungebeizten, doch geschmorten Referenz-Fleischstück hinweisen würde. Es könnte natürlich sein, dass unterschiedlich kleine Moleküle je nach Polarität, Ladung, Hydrophobizität unterschiedlich tief eingedrungen sind. Doch die vermutete Osmose der gesamten Beizflüssigkeit wurde offensichtlich überschätzt. Vielmehr steht zu vermuten, dass beim Eindringen lediglich Kapillarwirkung eine Rolle spielt. Die Porösität des Fleisches lässt eine Eindringtiefe nur sehr begrenzt zu und so ist nach ungefähr 15mm Schluss. Tiefer dringt die Beize nicht ein und so ist im Inneren alles so, wie es vor dem Beizen war.

Das hat uns ratlos gemacht und wir konnten das Ergebnis zuerst gar nicht glauben. Nach und nach hat sich aber eine mögliche Erklärung abgezeichnet. Unterstellt, dass die saure Beize vor Jahrhunderten in erster Linie eine Konservierungs- oder Aufbewahrungsmethode war, erhält folgende Theorie eine gewisse Wahrscheinlichkeit:

Das Schlachtalter der Tiere lag früher wesentlich höher und es mussten Nutztiere als Lieferanten für wertvolles und hochwertiges Eiweiß dienen, die vorher jahrelang Milch gegeben oder Kärren gezogen haben. Im Fleisch dieser Tiere waren durch Beanspruchung und Lebensalter die Aminosäuren wesentlich stärker vernetzt. Das Muskelfleisch enthielt ein Vielfaches an quervernetztem Kollagen im Gegensatz zu dem Fleisch wesentlich jüngerer Tiere, das heute fast aussschliesslich im Handel ist. Und der Kollagengehalt bestimmt maßgeblich die Biss-Festigkeit, die Textur, die zum Kauen notwendigen Scherkräfte.

Sauer eingelegt wurde damals, solange es keine Kühlschränke gab, im Keller bei geschätzten 12°C bis 14°C. Die Beize hatte keine direkte Weichmacher-Funktion, sondern diente dem Luftabschluss und schränkte die Tätigkeit gefährlicher und unerwünschter Mikroorganismen ein. Kollagenasen konnten nun in dieser geschützten Atmosphäre das an und für sich zähe Fleisch zart machen, weil diese Enzyme bei eben Temperaturen von 12°C bis 14°C aktiv sind und nach einigen Tagen war durch die Enzym-Tätigkeit das zähe Fleisch zart.

Zum heutigen Küchenalltag gibt es allerdings zwei grundlegende Unterschiede:

1.)Weder ist heute Fleisch von alten Tieren im Handel, noch würden wir heute unseren Sauerbraten in der Beize wärmer als 3°C lagern. Bei dieser Temperatur allerdings sind die Kollagenasen inaktiv wie die van t´hoffsche Regel lehrt. Somit erfolgt keine nennenswerte Eiweiss-Aufspaltung durch die Enzyme während der Lagerung in Kühlschrank oder Kühlhaus, dazu ist es einfach zu kalt.

2.)Das Fleisch von jungen Tieren muss erst gar nicht gebeizt werden, weil das Bindegewebe auch durch normales Schmoren zart genug wird. Und das Fleisch von alten Tieren ist heutzutage eben nicht mehr im Handel, spielt im Alltag überhaupt keine Rolle mehr.

Es gibt nun zwei Lehren aus diesen Versuchen. Beide sind richtig, doch im Ergebnis gegensätzlich

1.)    Kein Mensch braucht Sauerbraten. Reifung und Lagerung kann heute anders stattfinden. Hygienischer, praktischer und mit kleinerem Aufwand. Es gibt nach dieser Sichtweise also keinen praktischen Grund mehr, Fleisch sauer einzulegen.

2.)    Das Aroma der Beize wird weitestgehend in der Soße transportiert, nicht im Fleisch selbst. Dennoch oder darum schmeckt Sauerbraten ganz einfach klasse und ist Teil unserer kulinarischen Tradition. Auch Tradition hat ihre Berechtigung in der Küche und wer so kocht dass es gut schmeckt, der hat ganz einfach Recht. Basta.

Jetzt darf sich jeder seine persönliche Lieblings-Schlussfolgerung daraus ziehen, die dann auch noch stimmt. Und das ist, so finde ich, dann doch bei aller geraubten Illusion ein versöhnliches Ergebnis.

Nachtrag vom 15.4., betr. die Kommentare 1 und 2:

zu 1.) Gegen die (hygienische) Lagerung in einer Essigbeize bei etwas höheren Temperaturen spricht im Privat-Haushalt nach meinem Dafürhalten nichts, im gewerblichen Bereich ist das jedoch nicht erlaubt. Allerdings bringt es wohl bei Schlachtfleisch von jungen Tieren kein besseres, weil wir oben beschrieben lange nicht soviel quervernetztes Eiweiss darin enthalten ist. Falls Sie es mit interessanten Ergebnissen dennoch probieren, freue ich mich auf Nachricht.

zu 2.) Salz und Zuckergehalt war immer gleich, gelagert wurden die gebeizten und ungebeizten Fleischteile einzeln im Vakuum-Beutel. Die interessanten Schlussfolgerungen, u.a. dass kaum osmotische Effekte zu beobachten waren, verdanken wir der hervorragenden Arbeit von Thomas Eberle aus Kulmbach, der uns sehr geholfen hat, diese Zusammenhänge zu verstehen.

 

Das Hohenloher Genießermärktle

  

 

Die Qualitätsgaranten
Die Qualitätsgaranten

Nach 4 Wochen erlebnisreichen Urlaubs in Australien geht es jetzt gut erholt in der Heimat wieder richtig los. Frühlingsanfang und Saisonstart mit dem Hohenloher Genießermärktle im Laurentius. Zusammen mit dem Slowfood Convivium Tauberfranken organisierte ich ein „Märktle“ an dem die Taubertäler und Hohenloher Erzeuger ihre herrlichen Produkte in Kostproben verteilten und sich mit interessierten Gästen austauschen konnten. Eine bunte Mischung der besten Erzeuger aus Tauberfranken und Hohenlohe sorgte für Abwechslung und Kurzweil:  

 

Die Qualitätsgaranten für meine Küche: 

Weingut Hofmann 

Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall 

Dorfkäserei Geifertshofen 

Obstbrennerei Steudle 

Kaffeehaus Hagen

Tauberhase GbR 

Schmidbergers Ziegenhof

Weingut Schlör

Geflügel vom Brunnenhof GbR

Biozertifizierte Apfel- und Birnenschaumweine 

Junge Leute und gereifter Käse
Junge Leute und gereifter Käse

Barista Jean - Michell Heib in Aktion
Barista Jean-Michell Heib in Aktion

Hans-Jörg Wilhelm produziert Hohenloher Raritäten
Hans-Jörg Wilhelm produziert Hohenloher Raritäten

Danach kochte ich am Wahlabend ein regionales Menü zum absoluten Probierpreis. 

Da ich im Grenzgebiet von Baden–Württemberg und Bayern liege, kam der eine Teil der Gäste aus Baden–Württemberg und der andere aus Bayern und somit begann ich meine kleine Eröffnungsrede mit den Worten: 

„Liebe Gäste, einige von Ihnen hatten die Wahl, einige hatten keine Wahl. In jedem Fall haben Sie für den heutigen Abend die richtige Entscheidung getroffen.“ 

Das Menü: 

 

Die Aromen der Region 

Dinkelbrot mit Wildkräuterquark 

*** 

Schwäbisch Hällische Blutwurst 

Süßkartoffelkompott 

*** 

Karamellisierter Ziegenkäse aus Adolzhausen 

Grünkern à la cous – cous 

Schwarzriesling – Traubenkernöl 

Schwäbisch – Hällischer Schinkenknusper 

*** 

Geräucherter Casteller Bachsaibling 

Alblinsen und Meerrettich – Silvanersud 

*** 

Gerollter Schlegel vom Mäusdorfer Landgockel 

Apfelchutney mit Verjus, Honig und Tauberhasenmostrich 

*** 

Aus der Dorfkäserei Geifertshofen 

Via Aurelia, Mittelalter St. Barbara und Jagsttaler 

Tauberzeller Geiztraubengelee 

*** 

„Bieramisu“ vom Wernecker Hefeweizen 

und fränkischem Soßenlebkuchen 

Sorbet von eingeweckten Gewürzzwetschgen 

 

Getränkeset: 

 

Aperitif: Hohenloher Pyrus, Birnenschaumwein 

2009 Alter Wengert Tauberhase 

2009 Weißburgunder Reichholzheimer First Schlör 

2008 Schwarzriesling R Schlör 

2008 Tauberschwarz Röttinger Feuerstein Weingut Hofmann 

„Fass Tauberhase“ 

Streuobstbrände Steudle, Bad Brückenauer Mineralwasser, Hagen Kaffee 

Menü 35,00 Euro  Getränkeset 24,80 Euro 

 

Vielen Dank an alle Produzenten und an Herrn Wiesinger–Sych für die tolle Unterstützung.  

 

P.s.: Wer Mitglied werden will oder Förderer: hier geht’s lang…

 

Viki, 31 Jahre später im „Le Canard“

Ich weiß es noch gut, als ich meinem damaligen Lehrchef Franz Keller in Oberbergen gesagt habe, dass ich eine neue Stelle im „Le Canard“ in Hamburg habe. Er erwiderte: „Du bisch ein Wälder, was willst denn Du in Hamburg?“. Da weiß man mit 19 Jahren nicht so richtig, was man sagen soll. Ich wollte halt nach dem Kaiserstuhl in die große, weite Welt, in ein super Restaurant!

Und jetzt hat meine Tochter Vikroria ihre Ausbildung im„Hirschen“ in Sulzburg absolviert, blieb noch ein halbes Jahr dort um jetzt im Frühjahr eine neue Stelle anzunehmen. Sie macht es genau so wie ich.

Ihre Chefin Douce Steiner hat ihr das„Le Canard Nouveau“ von Ali Güngörmüs an der Elbchaussee empfohlen. Es hat geklappt, und so fängt Viki nun auf den Tag genau 31 Jahre später, morgen am 1. April 2011 in Hamburg ihre erste Stelle als Commis de Cuisine an.

Mir hat es damals in derMartinistraße in Eppendorf  beim Josef Viehhauser so gut gefallen, dass ich in eineinhalb Jahren nur 2x zu Hause war. Schaun wir mal, wie das bei Viki wird.

 

Sauer macht neugierig

Sauerbraten vom Rinder-Bugblatt, geschmort und vakuumiert

Warum hat Sauerbraten eine andere Textur als Schmorbraten? Sauerbraten wird zart, Schmorbraten wird es auch. Doch erscheinen beide in Schnittbild, Geschmack und Mundgefühl unterschiedlich. Schmorbraten ist eher weich und Sauerbraten eher mürbe.

Eine erste, schnelle Erklärung ist sicher, dass die Säure der Beize Eiweiß-Strukturen auflöst. Doch was passiert dabei genau? Welche Prozesse finden während des Beizvorgangs und während des Schmorens statt? Worin unterscheidet sich die saure Reaktion von der thermischen Veränderung des organischen Materials? Wie könnte dieser Prozess optimiert werden oder verändert, um Neues zu schaffen? An welcher Stelle könnten klassische Garmethoden durch neuartige Verfahren abgelöst werden? Kann Sauerbraten gar werden und dabei doch rosa bleiben? Aus welchem Grund überhaupt wird Fleisch sauer eingelegt? Und welche Rolle spielt das Soßenbrot beim Sauerbraten?

Die Beantwortung dieser Fragen übersteigt bei weitem die erlernten Fähigkeiten eines Kochs. Es ist notwendig, hierzu Fachleute zu Rate zu ziehen, die – soviel sei bemerkt- diese Fragen andererseits wahrscheinlich auch nicht ohne einen Koch beantworten könnten.

Weil ich neugierig geworden bin, und weil ich es für notwendig halte, sich auch mit Fleischstücken zu beschäftigen die pro Kilo weniger als Hundefutter kosten, habe ich einige der Leute zusammengetrommelt, die bei der Beantwortung dieser Fragen helfen können:
Erwin Gegenbauer, den Wiener Essig-Brauer
Wolfgang Otto, Spezialist für gutes Fleisch
Thomas Eberle, Fachbereichsleiter Fleischtechnik an der Staatl. Fachschule für Lebensmitteltechnik in Kulmbach
Dr. Erwin Seitz, Gastrosoph und Journalist
Thomas Ruhl, Autor, Fotograf, Herausgeber
Florian Mittermeier, Journalist
Jürgen Koch, Koch
Nils Jorra, Koch
Am Termin selbst verhindert, aber behilflich bei Vor- und Nachbereitung ist Prof. Dr. Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut.

Zuerst hält Dr. Seitz ein Referat über Entstehung und Geschichte von sauer eingelegtem Fleisch, Erwin Gegenbauer erzählt über Essigbrauerei und handwerkliche Herstellung von Essig.
Danach hält Thomas Eberle einen Fachvortrag über
– biochemischen Aufbau der für die Qualität wesentlichen Bestandteile,
– Faktoren, die vor der eigentlichen Zubereitung Einfluß auf Eiweiße haben,
– Veränderungen der Eiweiße beim Säuern und/oder Erwärmen

Der eigentliche Versuchsaufbau soll so aussehen:
3 Fleisch-Teile (Semer-Rolle, Mittelbug, Bürgermeisterstück)
von
3 verschiedenen Rassen (Fleckvieh, Hereford, Wagyu)
werden sauer eingelegt, in dieselbe Beize.

Dieselben Fleischteile werden zum Vergleich nature belassen.

Zusätzlich werden per wild card noch Fleischteile vom Pferd und von der Kuh in die Versuchsreihe mit einbezogen.

Alle Fleischteile werden im Wasserbad solange geronert bis sie zart sind, danach angebraten. So wird gradgenau festgestellt, wie lange welches Fleischteil bei exakt derselben Temperatur gebraucht hat, um zart zu werden.

Verglichen wird dann:
– Was genau ist der Unterschied zwischen sauer eingelegt und nature gekochtem Braten in Bezug auf Farbe, Geruch, Geschmack, Textur und Schnittbild?
– Wie präsentieren sich die unterschiedlichen Fleischteile der unterschiedlichen Rassen, welche Teile eignen sich also am besten, um daraus Sauerbraten herzustellen?

Die Protagonisten versuchen, jeder als Experte auf seinem Gebiet, interdisziplinär einer vermeintlich einfachen Fragestellung nachzugehen, deren Beantwortung allerdings hochkomplex ist. Niemand weiß, wie die Ergebnisse aussehen werden und wenn nichts wirklich Wegweisendes dabei herauskommt, dann haben wir es wenigstens versucht. Auch steht noch nicht fest, was mit den Ergebnissen passiert, denn wir wissen ja noch nicht, was bei unseren Versuchen herauskommt. Es geht zuerst nur um die Sache, alleine nur um die Beantwortung der gestellten Fragen.

Die Veranstaltung findet am 3.April bei mir in Rothenburg in der Kochschule statt und die Kommentar-Schreiber sind aufgefordert, hierzu gerne noch Anmerkungen beizusteuern. Gute Ideen und wichtige Fragen werden wir soweit als möglich mit ins Programm aufnehmen.

 

Handwerkzeug

Monatelang hab ich mir hin und her überlegt, wie ich mein Werkzeug am besten aufbewahren kann.

Soundso oft brauche ich meine Messer, die Pinzetten und Zangen, um auch fernab vom heimischen Herd zu kochen. Ich habe mir Prospekte schicken lassen, habe in Internet-Shops gestöbert, meinen Schreiner genervt ob er mir einen Einsatz für einen Koffer anfertigen kann. Natürlich gibt es für solche Fälle Lösungen, ich bin ja nicht der Erste, der sein Geraffel etwas organisierter aufbewahren möchte: Es gibt Koffer mit Magnetschienen, der Zubehör-Handel für Fotografen arbeitet mit Schaumstoff-Einlagen, die sogar maßgefertigt werden können. Aber so richtig zugesagt hat mir keine der angebotenen Lösungen. Also bin ich in den Army-Shop gefahren und habe mir erstmal eine stabile Aluminiumkiste besorgt, in die ich mein Werkzeug dann in seinen Original-Schachteln gelegt habe.

Die Ultima Ratio war das zwar irgendwie auch nicht, aber ich konnte so wenigstens sicherstellen, dass ich nun alles wichtige Werkzeug auf einmal dabei hatte, wenn ich ausgerückt bin. Dennoch: Beim Abwägen der möglichen Vor- und Nachteile von unterschiedlichen Lösungen hatte ich mich bereits so in die Details und Optionen verrannt, dass ich gar keinen Sinn mehr für einfache und gute Lösungen hatte.

Bis ich dann in einem Katalog eine unauffällige Werkzeugrolle entdeckte. So eine, wie sie schon mein Opa hatte. Die wurde fix bestellt. Mit einer ordentlichen Portion Wachs habe ich das Leder tüchtig eingerieben, es fühlt sich jetzt ganz wunderbar weich und geschmeidig an. Sogleich bestückt und nach Gebrauch locker aufgerollt, verschlossen mit einem umgewickelten Riemen, ist dies eine einfache, doch fachgerechte und vor allem zweckmäßige Methode zu Aufbewahrung und Transport der wertvollen und empfindlichen Schneidwerkzeuge.

Weil die Werkzeugrolle doch schmäler ist, als meine großen Messer lang sind, habe ich mir nochmal eine entsprechend große Version aus Kalbs- und Schweineleder von einem südafrikanischen Freund anfertigen lassen. Dessen Vater hat sein Handwerk in den fünfziger Jahren in Offenbach gelernt und ist in den Siebzigern nach Afrika ausgewandert, hat dort eine Manufaktur gegründet. Heute werden bei Cape Cobra in allerbester, handwerklicher Tradition edle und hochwertige Handtaschen und andere Lederwaren gefertigt, im Auftrag für Luxusmarken und für den Verkauf in eigenen Ladengeschäften. In der Hauptsache also eigentlich eher ein Sortiment für Damen. Meine neue Werkzeugrolle ist zwar keine Handtasche, doch sie ist so schön geworden und ich habe soviel Freude daran, dass ich nun meine Frau etwas besser verstehe.

 

„Bon neu“: vier Kinderteller

Und zwar:
1x Kutteln im Tomaten-Schalottenfond mit breiten Nudeln große Portion, 1x Kutteln auf 2 Teller und 1x Wildschweinmédaillon mit Wildschweinbratwürstle auf Kartoffelgulasch, so war die Annonce.

Die Kinder will ich sehen, sagte ich zum Service, die jungen Feinschmecker kamen an den Pass und statteten der Küchenmannschaft einen schnellen Besuch ab. So eine Bestellung hat man nicht alle Tage! Das freut den Chef!

Sébastien, Frédéric, Alexandre und Aurélie (1/2 Portin Kutteln!). Sie musste sich im Gegensatz zu ihren Brüdern nicht ducken…

 

Das geht mir auf den Cantuccio

© Screenshot from NASA World Wind/Wikimedia Commons

Ich kann das Wort mediterran nicht ausstehen. Es begegnet mir an jedem Tag. Beim Metzger, der mit einer Fertig-Marinade seine Schnitzel einlegt. Die Fleischfachverkäuferin vergisst dann auch noch ein „r“ auf dem Täfelchen. Peinlich. Von dem unsäglichen Pizza-Fleischkäse, den ich neulich in einer heißen Theke gesehen habe, will ich gar nicht erst anfangen.
Mediterran ist die Vokabel für alle, die veräppelt werden wollen, die sich was vorgaukeln lassen möchten. Die ausblenden, dass das Mittelmeer eine afrikanische Küste hat. Es wird mediterran gesagt und es wird dabei die Toskana gemeint. Sonst gar nichts. Kein Maghreb, keine Levante, nicht mal Spanien ist gemeint.
Das ist Ignoranz gegenüber Völkern und Ländern. Niemand muss Harrissa, Falafel, Raz el Hanout mögen. Keiner wird gezwungen, Tahina und Baba Ghanoush zu kennen. Aschkenasische Küche oder Meze hat eh keiner im Sinn, der das M-Wort benutzt.
Von den Außengrenzen der EU ist es nicht weit bis zur anderen Seite. Und ich finde es, gerade bei der augenblicklichen Nachrichtenlage, nicht besonders stilsicher, immer von mediterraner Küche zu reden wenn es doch nur darum geht, beliebige Speisen mit Olivenöl, Knoblauch und Rosmarin zu pimpen.

 

Köstliches Kino


© Victor van der Saar

Essen und Trinken sind Ausdruck individueller Lebensgewohnheiten, und so ist es gar kein Wunder, dass ungezählte Spielfilme und Dokumentarfilmproduktionen sich damit befassen. Die Liason zwischen Food und Film ist allerdings oft recht einseitig, denn nur äußerst selten durfte ich erleben, dass zu guten Filmen auch entsprechend gut gegessen und getrunken wurde. Oft genug wird auf der Leinwand großes Kino gegeben und dazu gereicht wird Popcorn, fiese Nachos oder Tacos aus industrieller Produktion. Das passt nicht zusammen.

Mir bekannte Ausnahmen dieser Unsitte sind das Scheunen-Kino von meinem Freund Stefan Rottner in Nürnberg, eine legendäre, unvergessene Einladung zu „Babettes Fest“ bei Muffel und eben die Berlinale. Berlinale und gutes Essen gehören seit Jahren zusammen. Dieter Kosslick, der Direktor, ist ein ausgewiesener Foodie. Das von ihm initiierte „Kulinarische Kino“ gibt es nun im 5. Jahr, dieses Mal mit dem Motto: „Give Food a Chance“.

Am vergangenen Donnerstag feierte das Filmfestival seine 61. Premiere und schon wie in den 7 Jahren zuvor waren es die Jeunes Restaurateurs d´Europe, Sektion Deutschland, die für das Catering der Eröffnungsfeier verantwortlich waren. Dieter Kosslick hat recht konkrete Vorstellungen für die Auswahl der verwendeten Grund-Produkte und deren Zubereitungen. So wird für das internationale Publikum ein hoher Anteil an vegetarischen Gerichten angeboten, viele Lebensmittel stammen aus heimischer Produktion, etliche Passagiere der Arche des Geschmacks befinden sich darunter. Die 5 Etagen und zwei Untergeschosse des Berlinale-Palastes sind mit jeweils einer JRE-Mannschaft besetzt, die nach Ende des Premierenfilms innerhalb kürzester Zeit rund 2000 Gäste zu versorgen haben. Natürlich ist das eine Herausforderung, unter solch beengten Platzverhältnissen und dann auch noch möglichst schnell so viele Gäste mit qualitativ hochwertigem Essen zu beglücken, doch wir haben sie auch in diesem Jahr gut bestanden. Dies auch dank der hervorragenden Koordination aller Aktivitäten durch Martin Scharff, unseren JRE-Zampano.

Für die Mitarbeiter der Villa Mittermeier und auch für mich ist es in jedem Jahr bewegend und schön, bei dieser großartigen Veranstaltung dabei sein zu dürfen. Der Berlinale-Palast ist die prestigereichste Spielstätte des Filmfestivals, denn hier haben alle Filme des Wettbewerbs ihre feierliche Premiere. Am Donnerstag zur Eröffnung hatte „True Grit“, der neue Film der Coen-Brüder mit Jeff Bridges seinen Einstand. Bevor der Film lief, las Jury-Präsidentin Isabella Rossellini eine Botschaft des inhaftierten iranischen Jury-Mitglieds Jafar Panahi vor:
Ihm sei für 20 Jahre der Blick auf die Welt entzogen worden, schrieb Panahi an das Filmfestival, das aus Solidarität einen leeren Stuhl mit seinem Namen auf die Bühne stellte. „Aber ich hoffe, nach meiner Freilassung eine Welt ohne geografische, ethnische und ideologische Grenzen zu bereisen. Eine Welt, in der die Menschen ungeachtet ihres Glaubens und ihrer Überzeugungen in Frieden miteinander leben.“

Wenn die Berlinale mit ihren durchaus politischen Botschaften, die sie verbreitet, dazu beitragen kann, dann freue ich mich darauf, aus der Provinz noch möglichst oft dorthin nach Berlin zu fahren, Dieter Kosslick und seine Mannschaft zu unterstützen und den Spirit einer Veranstaltung von Weltrang zu erleben. In einer Stadt übrigens, die jedes Jahr ein Stück mehr zur selbstbewussten europäischen Metropole wird.

 

Bäuerliche Lebensformen, karge Steinriegel und Grünkernsuppe

Steinriegellandschaft zwischen Weikersheim und Elpersheim, Taubertal
Steinriegellandschaft zwischen Weikersheim und Elpersheim, Taubertal

Bäuerliche Lebensformen sterben mit alten Leuten“ heißt ein Buch des Hohenloher Fotografen Roland Bauer aus dem Jahre 1980.
Er illustriert das einfache Hohenloher Landleben der Geschwister Käthe und Gottfried Wendel.
Ein Bildkommentar zum Thema Essen:
„Ein Höhepunkt des Tages: das Essen. Keine Hetze. Zuerst das Tischgebet, dann Stille, kein Sich-Stürzen zur Suppenschüssel. Ein Lichtblick stellte jeden Tag der über alles geliebte Hefekranz dar, dazu Milchkaffee. Nahm das Gebäck an Alter und Härte zu, wurde es einfach eingetunkt. Wenn ein Stück abbrach, schmeckte das ganze noch besser. Es ließ sich auslöffeln.“ 

Auch die für Kocher, Jagst und Tauber typischen Steinriegel werden erwähnt:
„Auf den Steinriegeln wuchsen Haselnußsträucher, Obstbäume, Schlehenbüsche, Heckenrosen, sogar wilder Hopfen, den die Kinder einst sammelten und einer Brauerei ablieferten, für ein paar Pfennige. Alles, was aus den Steinriegeln herauswuchs, bereicherte die kleine Wirtschaft. Und zuletzt gab es das notwendige Holz für den Hausbrand: für Küche und Stube.“

Als stolzer Steinriegelbesitzer (unser Weinberg Tauberhase) kann ich das alles nachvollziehen. Momentan entwickele ich Rezepte für eine Art „Steinriegelküche“.

Bäuerliche Lebensformen ist kein klassisches „Coffee Table Book“ mit gewollter Idylle und Ästhetik, sondern Aufnahmen einer bäuerlichen Umwelt vor 30 Jahren, unmittelbar und echt.

Dazu ganz passend und aktuell die Ausstellung Landleben gestern im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim, die dort noch bis 13. März 2011 zu bewundern ist.

Ein kleines Rezept zum Abschluss:
 Grünkernsuppe (Rezept für 4 Personen)

Zutaten

 

1 l                     Geflügel- oder Fleischbrühe

je 100 g           feine Würfel (Brunoise) von

                         Sellerie, Lauch, Karotten und Zwiebeln

100 g              Grünkernschrot „mittelfein“

30 g                 frisch gehackte Gartenkräuter

                        (Petersilie, Dill, Estragon, Pimpernelle, etc.)

20 g                Schnittlauch

40 g                Sonnenblumenöl

80 g                Graubrot ohne Rinde in Würfel von 1cm x 1cm

                        Salz, Pfeffer, Muskat, und gemahlener Kümmel 

50 g                geschlagene Sahne (eventuell)

 

 

Zubereitung

 

In 20 g Sonnenblumenöl die Gemüsewürfel anschwitzen, Grünkernschrot hinzufügen und unter ständigem Rühren kurz mitrösten. Mit Brühe ablöschen und unter ständigem Rühren zum Kochen bringen. Ca. 40 Minuten langsam köcheln damit der Grünkern ausquillt. Mit den Gewürzen herzhaft abschmecken, Kräuter hinzufügen und eventuell mit geschlagener Sahne verfeinern.

Die Graubrotwürfel in Sonnenblumenöl rösten und separat dazu reichen.

 

Die Suppe wird seit 1980 (zufällig der Entstehungszeitraum des Buches) ununterbrochen in unserem Hause serviert.

Fast wie im richtigen Leben: Manche Dinge ändern sich ständig, manche nie.