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Essen am hl. Abend

Am hl. Abend kurz bevor die Gäste kommen, sitze ich mit meinen Köchinnen & Köchen beim „Personalessen“und dann stelle ich, wie jedes Jahr die Frage: „Was wird denn bei euch zu Hause am hl. Abend verspeist?“

Es werden die unterschiedlichsten Gerichte genannt, weil ja die jungen Damen und Herren aus ganz unterschiedlichen Regionen im In- und Ausland kommen.

Bei uns im Münstertal hat man Wienerle mit Kartoffelsalat gegessen. Und am 1. Weihnachtsfeiertag gab’s ein Schäufele, das ist eine gepökelte, leicht kalt angeräucherte Schweineschulter, die ganz langsam gekocht wird. Dazu wurde ein „Brägel“ serviert, das sind geriebene oder in kleine Scheiben geschnittene gekochte Kartoffeln, die in einer Eisenpfanne mit Schweineschmalz gebraten werden.

Wir verspeisen eine knusprige Ente, denn für einen Fondue-Abend bleibt leider keine Zeit, hier noch schnell unser Heiligabend-Menü:

Rehrückenterrine
mit Schokoladen „fleur de sel“ Gänseleber

St. Pierre
im Safran-Gemüsesud, Spinatknöpfle

Kalbsrücken am Stück im Ofen gebraten, Schwarzwurzelrisotto,
Trüffeljus

Vanillekipferl-Apfelschaumweinmousse
mit Bratapfelsorbet

Wünsche Frohe Weihnachten!

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Spielweg Weihnachtskarte von Tomi Ungerer 2007

 

Trüffelsuppe „Paul Bocuse“

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oh je, wenn ich an meine Lehrzeit denke, die Trüffelsuppe mit Blätterteighaube stand auf der „à la Carte“-Karte und wurde oft bestellt. Blätterteig – nur mit Butter selbstgemacht, wirklich schwierig! Und dann noch im Saucier Ofen geschoben, und wenn man Pech hatte, machten die Saucier-Jungs den Ofen zu oft auf, und der Teig ging nicht auf, was bedeutete, dass der Chef mehr oder weniger ausgerastet ist…

Heute ist das bei den modernen Öfen kein Problem, der Blätterteig ist mit etwas „Zieh-Margarine“ in der Butter viel einfacher zu touren. Wir hatten gestern eine Weihnachtsfeier, die Gäste bekamen eine Safranconsommé mit Rotbarbe und Wurzelgemüsen in der Blätterteighaube serviert. Alles kalt in die Terrinen füllen, den Rand der Terrine  mit Eigelb einpinseln, ausgestochenen Teig gut andrücken, wieder mit Eigelb die Oberseite einpinseln und bei 175°C für ca. 18 Min. in den Ofen schieben.

 

Arschbombe

Trete ich doch letzten Freitag vor die Türe, immer noch das Sandmännchen in den Augen und schon hatte mich die Brutalität der Welt. Es war eine regelrechte Arschbombe. Auf dem Glatteis vor der Türe drehte ich eine Pirouette und dann “schlug’s es mich auf’d Welt na”, dass es nur so krachte. Beckenknochen verstaucht.

Als ich so da hockte und meine Knochen zählte kam mir Kurt Tucholsky in den Sinn: “Der Deutsche, wenn er hinfällt, steht nicht auf, er bleibt sitzen und überlegt wer Schadenersatzpflichtig ist!”

Nicht ich! Zu diesen Leuten will ich nicht gehören. Also rappelte ich mich schleunigst auf und humpelte in die Küche. Nun, ein paar Tage später knarzt es zwar noch nach dem Aufstehen, aber das ist eigentlich schon eine ganze Weile so.

 

Wilde Hasen

Bei uns ist gerade Wild-Hasenzeit. Eigentlich hatte ich befürchtet, dass sich immer wieder mal ein Gast beklagen würde, weil er auf ein Schrotkorn beißt. Auch sind kleine Knöchelchen mal im Ragout. Klar, wir passen beim Entbeinen, gerade der filigranen Schultern, sehr gut auf. Es lässt sich aber trotzdem nicht verhindern: Immer wieder mal stört etwas beim Kauen. So ist halt die Natur und schließlich verkochen wir keine überfahrenen Hasen. In USA hätte man als Koch beim Biss auf ein Schrotkorn sicher einen Millionen-Schadensersatz incl. Psychiatrische Kuren an der Backe.

So ist also Deutschland doch noch nicht so degeneriert, dass man Hasen vor dem Kochen röntgen müsste.

 

Feine Küche 1839

Man liest sehr viel über die regionale Küche. Schaue ich mich in meinen Büchern um, die hundert Jahre vor der sogenannten Globalisierung geschrieben wurden, so waren die deutschen Regionalküchen alles andere als langweilig.

Heute denken wir über unsere Küche genauso begrenzt wie das Ausland: Sauerkraut, Schweinshaxen, Spätzle, deftig, deftig… wieder Kraut u.s.w.. Schaut man sich das Berliner Kochbuch von 1839 an, so findet man dort ein Fricassee von Tauben, Hecht mit Sardellen, Rouletten mit Farce gefüllt, oder grüne Birnen mit Schwemmklößen. Ich könnte jetzt noch eine Stunde lang Beispiele über die “karge preußische Küche” anführen, ganz zu schweigen von der Küche Süddeutschlands, die schon immer, bis zurück zu den Römern, von den Einflüssen Italiens und Frankreichs profitierte.

Was ich damit sagen will? Wir sollten uns vorsehen, die Regionalität genauso eng und doof zu sehen, wie sie im “1000 jährigen Reich” zum Eintopf zusammen gestampft wurde.
 

 

Schnepfen Crépinette

das Wort kommt von Crépine, franz. Schweinenetz, und bedeutet, dass Fleischstücke mit Farce oder einem Brät bestrichen, darin eingewickelt werden.
Ganz etwas Besonderes ist ein Crêpinette von der Schnepfe!
Die ausgelösten Brüste werden mit Geflügelfarce, in der die Innereien (Schnepfendreck) eingekuttert sind, bestrichen, aufeinandergelegt, und ins Schweinenetz gerollt. Auf Kerntemperatur  58°C geschoben, dann kurz ruhen lassen und noch mal 3 Min. heiß schieben, dann ist alles schön rosa.
Zur Schnepfe „Klassisch“ diese Woche mehr.
Schweinenetz ist ein feines, netzartiges Fettgewebe aus dem Bauchfell des Schweins.
Wir verwenden es, indem wir gefüllte Poulardenbrüste darin einwickeln, oder ein Stück Rehrücken, bestrichen mit einer Farce mit Pfifferlingen und Trompetenpilzen darin einpacken.
Das Schweinenetz brät sich fast von selbst aus, d.h. es ist eine schonenden „Verpackung“, die Farce kann darunter braun werden, und das Fleisch bleibt saftig.
Das Netz gibt’s beim Metzger auf Vorbestellung.

 

Wild zerlegen

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eine junge amerikanische Köchin, Kristina Zerkis, arbeitete ein Jahr bei uns im Spielweg, und man sieht, dass ihr die Arbeit beim zerlegen der Rehe, Hirschkälber und Frischlinge Spaß macht.

Sie arbeitete bei einem unserer ehemaligen Köche, John Besh, der in New Orleans einige Restaurants betreibt und der mir immer wieder junge Köche in den Schwarzwald schickt.  Besonderes Augenmerk legte Kristina auf die Vorbereitung von Fleisch, und da besonders beim Schalenwild.

Wir lassen die Stücke in der Decke/Schwarte 3 Tage abhängen, dann wird grob zerlegt und die Stücke weiterverarbeitet.

Wenn wir zu viel Wildfleisch auf einen Sitz haben, dann frieren wir auch ein, das ist besser, als das Fleisch überlagert zu verarbeiten. Natürlich nur für kurze Zeit, denn z.B. das zarte Rehfleisch aus der Keule oder dem Rücken ist besonders anfällig, das Fleisch zersetzt sich, weil es ganz wenig intramuskuläres Fett & Bindegewebe hat.

 

Wilde Zeiten

Jetzt ist Wildzeit und die herzhafte Kocherei erreicht ihren Höhepunkt. Wild ist das am wenigsten manipulierte Fleisch, das man haben kann. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es doch. Einige Gegenden in Deutschland sind durch den Tschernobylunfall stärker betroffen als andere.

Was macht die schlaue Köchin? Wo kauft sie ein? Ich würde mal beim örtlichen Forstamt anrufen und nachfragen, wie es mit den Becquerel aussieht und bei günstigem Beschied fragen wo man Nachschub bekommt. Die Förster sind eigentlich scharf darauf, ihr Wild los zu bekommen. Diese Profis lieben es allerdings wenig, wenn man nur Teile vom Wild haben möchte. Als privater Haushalt würde ich, das trifft auch auf andres Fleisch zu, beispielsweise ein ganzes Reh kaufen. Wenn man den Jäger bittet es zu zerlegen, so wird er das bestimmt tun. Dann wird alles gut verpackt und beschriftet und kommt in die Tiefkühltruhe.

Für mein Restaurant kommt diese Vorgehensweise nicht in Betracht, wäre auch bei unserem turbulenten Betrieb zu unübersichtlich und die Gäste kommen ja wegen der Frischeküche. Grundsätzlich ist aber Einfrieren gar nicht so übel. Zwei Regeln muss man beachten:

1.Dem Trieb des Hamsterns muss man widerstehen. Je mehr in der Truhe ist umso mehr wird irgendwann mal überaltert sein.
2.Nie kommt etwas Besseres aus der Kiste als man hinein gegeben hat.

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Foto: Gamsmedaillons mit Speckknödel von Karl-Josef Fuchs aus dem Buch Die große Wildkochschule

 

Zuviel des Guten

Ich habe keine Zeit dazu, aber trotzdem sollte man Folgendes andenken:

1. Man müsste einen Verein gründen – zur Wiedereinführung des runden Tellers in der Spitzengastronomie.

2. Beginne ich an mir etwas zu zweifeln. Bin ich völlig stur und altbacken, dass mir Vieles der modernen, momentan angesagten Küche nicht richtig schmeckt? Kürzlich war ich in einem Sternerestaurant und konnte nur unter “kombinierten Gerichten” wählen. Unter anderem nenne ich jetzt mal eine beispielhafte Komposition:

Am Grund des Tellers war Kartoffelpüree, darin ein Loch freigeschoben und mit Kalbskopfragout gefüllt. Das Ragout war dann mit einer Scheibe kross gebratenem Loup de mer zugedeckt und so das Türmchen schön und fotogen gebaut. Wohlgemerkt, alles war sehr gut gekocht und mir ist auch bewusst, dass im Magen sowieso alles wieder zusammen kommt.

Ich möchte so etwas nicht kritisieren, alles ist erlaubt, allerdings auch meine eigene Sichtweise. Es war mir nicht möglich die Einzelteile wirklich separat und korrespondierend zu essen. Ruckzuck war alles vermengt. Es kam zu dem, was ich Durcheinander nenne und andere für einen Akkord halten. Kurzum, ich komme da einfach nicht mehr mit, kann keinen kulinarischen Sinn erkennen, außer dass ein Kritiker von Innovation und neuer Kreation spricht.

Nun ja, die Wielandshöhe ist bis an die Belastungsgrenze gut besucht. Es sieht aus, als würde das so bleiben. Es gibt genügend Leute die wie ich denken. Rotbarbe, Zander, Loup, sollen nach dem schmecken, was sie sind und am Geschmack der Natur wird nichts verändert. Auch wenn es kreativ sein mag das Fischfilet mit getrocknetem Rote-Bete-Pulver zu panieren, es wird klasse aussehen, aber nicht schmecken. Denken wir an die grauenhaft dominanten Panaden mit Sesam. Sieht klasse aus und ist kreativ, aber egal was damit paniert wird, es wird nach Sesam schmecken und nicht nach Fisch, Geflügel oder Fleisch.
Sollte ich wegen veralteter Küche mal meinen Stern verlieren, werden mir meine Gäste sicher die Treue halten. Es gibt allerdings unter diesen Kunden auch genügend, die sagen: “Kalbshirn, Kalbherz-Salat, Kalbsbrustspitz, Kuttelwurst, Dinkelsalat mit Krebsen u.s.w., das sind die wirklich exotischen Gerichte, weil sie kaum mehr gekocht werden, es sie nirgends mehr gibt.” Kurzum, vieles ist möglich und es ist auch wichtig, dass junge Köche etwas Anderes kochen, dass Neues ausprobiert wird. Blöd ist nur, dass Sterneküche ein prätentiöses Grundrauschen hat. Ob die Michelintester wirklich so eingleisig denken, weiß allerdings niemand. Es könnte auch von Gourmets und Köchen eine selbstgemachte Zwangsjacke sein. 

 

Alkoholtest unter Aufsicht

In der Schweiz gibt es natürlich auch ein Ministerium für Gesundheit. Die Bürger nennen es mittlerweile Bundesamt für Gesundheitswahn. In Deutschland ist es ja nicht anders. Jeder Bürger sein eigener Polizist und Gesundheitsapostel.

René Gabriel gilt in der Schweiz als der absolute Crack für Bordeauxweine. Er lud 129 Weinfreunde zu einem Essen. Hinzu kam der Polizeipräsident von Luzern, ein Staatsanwalt und ein Versicherungsexperte. Es gab ein Fünfgängemenü:
Entenleberterrine, Pasta, glacierten Kalbsbraten mit Selleriekartoffeln, Käse und Apfelkuchen mit Eis.

48 Frauen und 81 Männer tranken dazu exakt jeweils 4,5 dl Wein:

Riesling Federspiel 2005 von Emmerich Knoll /Wachau, Granato 2002 von Elisabetta Foradori, dann einen 2000 Ch. Belgrave/Haut-Medoc, Merlot Vinattieri/Tessin von Luigi Zanini und einen Sauternes Château d’Arche. Das Essen wurde von Vorträgen des Amtsarztes und von den anderen geladenen Amtsträgern begleitet.
Nach drei Stunden kam der Alkoholtest. Erstaunlich:
Keiner der Teilnehmer erreichte das Limit von 0,5 Promille.
Dieser Test ist nun schon ein Jahr alt und wird beharrlich totgeschwiegen. Er passt nicht in die puritanische geistige Landschaft, die in Deutschland sogar Rauchen im eigenen Auto gern verbieten möchte. Für die verkniffene Politik ist Wein kein Genuss,  sondern Gift..
Eines ist sicher: wer Genießen gelernt hat ist gegen jede Sucht optimal gewappnet. Wenn also Genuss in Misskredit kommt, dann bekommen wir skandinavische Verhältnisse. Hand aufs Herz Leute, wann haben Sie den letzten besoffenen Italiener gesehen?
www.weingabriel.ch