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Wohlleben-Anwälte greifen Zschäpe an – Das Medienlog vom Mittwoch, 14. Januar 2015

 

Ralf Wohlleben, Mitangeklagter im NSU-Prozess, muss weiter in Untersuchungshaft bleiben. Bereits zum zweiten Mal lehnte der Strafsenat unter Leitung von Richter Manfred Götzl einen entsprechenden Antrag seiner Verteidiger ab, wie mehrere Medien berichten. Die Anwälte hatten argumentiert, dass die Beweisaufnahme die Vorwürfe gegen ihren Mandaten nicht bestätigt habe. Nach der Ablehnung ging die Verteidigung am Dienstag wieder in die Offensive, wie Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online berichtet: „Sie wendet sich gegen Zschäpe, die bald ziemlich blass aussieht.“

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Die Anwälte hätten nicht nur Rechtsmittel gegen den Beschluss eingelegt, sondern auch versucht, mit neuen Beweisanträgen „ihren Mandanten in ein völlig anderes Licht zu stellen“. Die Argumentation: Der NSU konnte sich auf ein großes, teils waffenaffines Umfeld verlassen – sodass Wohlleben nicht notwendigerweise die Beschaffung einer Pistole für das Trio organisiert haben müsse, wie ihm die Anklage vorwirft.

„Derzeit läuft also alles auf eine langjährige Haftstrafe für den Angeklagten Wohlleben hinaus“, folgert Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung. Zur Reaktion der Anwälte gehörte auch eine umfangreiche Liste von Zeugen, die nach ihrem Wunsch aussagen sollen – darunter der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.

Wenig neue Erkenntnisse brachte die Vernehmung des Neonazis Carsten Sz., der als V-Mann unter dem Namen Piatto für den Brandenburger Verfassungsschutz spioniert und 1998 Hinweise auf das NSU-Trio geliefert hatte. Er hatte bereits im Dezember ausgesagt. Der Zeuge konnte sich nach eigenen Angaben nur an wenig erinnern. „Was mir über weite Strecken durchaus als nicht vorgeschoben erschien“, kommentiert Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Durch viele fruchtlose Fragen der Nebenklagevertreter sei die Vernehmung „mehr Untersuchungsausschuss denn Strafprozess“ gewesen. Allerdings bestätigte Sz., wie von Wohllebens Anwälten vorgetragen, die Existenz einer starken rechten Szene mit einem Hang zu Waffen.

Im Februar wird sich die Aufmerksamkeit erneut auf den Mitangeklagten Carsten S. richten: Wie Holger Schmidt im Terrorismus-Blog des SWR berichtet, soll am 5. Februar der Sachverständige Norbert Leygraf sein psychiatrisches Gutachten zu S. vortragen. Auch ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe in Düsseldorf, S.s letztem bekannten Wohnort, soll einen Bericht vorlegen. Hintergrund ist die Frage, ob für den Angeklagten eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht in Betracht kommt. S. hat gestanden, dem NSU-Trio eine Pistole überbracht zu haben, als er höchstens 21 Jahre alt war.

Die Gutachten kommen überraschend, weil Berichte dieser Art üblicherweise erst zum Ende eines Prozesses präsentiert werden. Laut Schmidt könnte dies theoretisch bedeuten, dass das Verfahren gegen S. abgetrennt werden soll. Das sei jedoch unwahrscheinlich.

Der Mitangeklagte André E. hat im Anschluss an die Verhandlung vom Montag offenbar an der Demonstration des Münchner Pegida-Ablegers Bagida teilgenommen. Wie Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online berichtet, traf E. mit anderen Rechtsradikalen am Hauptbahnhof zusammen.

Cicero-Autorin Petra Sorge greift die Studie der Otto-Brenner-Stiftung auf, die den Medien mit ihrer Berichterstattung über den NSU-Komplex Versagen vorwirft. Ihre These: „Auch die Medien hatten ihren Anteil daran, dass jahrelang in die falsche Richtung ermittelt wurde.“ Sie hätten zudem die Opfer herabgewürdigt.

Zum Termin der ersten Aussagen von Opfern des Anschlags in der Kölner Keupstraße von 2004 will die Initiative Keupstraße ist überall mit einer Demonstration auf das Leid der Betroffenen während der Ermittlungen aufmerksam machen. Einen Bericht dazu liefern Hamid Mohseni
 und John Malamatinas im Neuen Deutschland.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 15. Januar 2015.