Fünf Jahre und zwei Monate hat der NSU-Prozess von der Eröffnung bis zu den letzten Worten der fünf Angeklagten gedauert. Heute endet das Mammutverfahren unter Leitung von Richter Manfred Götzl, das als größter Prozess gegen rechten Terrorismus in die deutsche Geschichte eingeht. Um die 800 Zeugen und Sachverständige hat das Münchner Oberlandesgericht gehört, immer neue Wendungen zogen die Verhandlung in die Länge. Nun, an Prozesstag Nummer 438, sollen fünf Richter des Staatsschutzsenats ihr Urteil über die fünf Angeklagten fällen.
Beate Zschäpe
Die 43-Jährige ist angeklagt als Mittäterin bei allen Morden, versuchten Morden, Bombenanschlägen und Raubüberfällen. Sie soll außerdem das Zwickauer Haus, in dem sie gemeinsam mit ihren Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelebt hatte, angezündet haben. In ihrer Aussage von 2015 stritt sie ab, in die Morde eingeweiht gewesen zu sein und räumte lediglich die Brandstiftung ein.
Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine lebenslange Freiheitsstrafe für Zschäpe gefordert, zudem die besondere Schwere der Schuld bejaht und die Verhängung der Sicherungsverwahrung beantragt. Ihre Neuverteidiger forderten eine Strafe von maximal zehn Jahren. Ihre drei Altanwälte hingegen beantragten, Zschäpe sofort freizulassen, weil sie sich einzig der einfachen Brandstiftung schuldig gemacht und die Zeit dafür bereits verbüßt habe.
André E.
Der 38-Jährige ist wegen mehrerer Unterstützungshandlungen für den NSU angeklagt. So soll er eine Wohnung und dreimal ein Wohnmobil für die Terroristen gemietet haben – einmal, als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach Köln fuhren, um dort 2001 den ersten Bombenanschlag zu begehen. Bis zum Schluss hielt er Kontakt zum NSU-Trio.
Aufgrund der Beteiligung forderte die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer überraschend eine Haftstrafe von zwölf Jahren wegen Beihilfe zum versuchten Mord. Seine Verteidiger beantragten Freispruch, weil es für die Version der Anklage keine Beweise gebe.
Holger G.
Der 44-Jährige ist wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Er soll dem NSU mehrmals Personaldokumente überlassen haben – unter anderem seinen Führerschein und noch 2011 einen Reisepass.
Die Bundesanwaltschaft forderte fünf Jahre Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Seine Anwälte sprachen sich im Plädoyer für eine Strafe von weniger als zwei Jahren aus – und teilten zugleich mit, ihr Mandant sei bereit, ins Gefängnis zu gehen.
Ralf Wohlleben
Der 43-Jährige steht wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht, weil er dem NSU die Pistole Ceska 83 beschafft haben soll, mit der die Terroristen neun Menschen erschossen. Die Waffe soll in seinem Auftrag der ebenfalls angeklagte Carsten S. transportiert haben. Bei ihm sieht Wohlleben seiner Aussage vor Gericht zufolge auch die Hauptschuld.
Die Bundesanwaltschaft forderte eine Gefängnisstrafe von zwölf Jahren. Wesentlich milder fiel die Forderung seiner Verteidiger aus: Beruhend auf der Aussage Wohllebens beantragten sie Freispruch für ihren Mandanten.
Carsten S.
Der 38-Jährige ist im NSU-Prozess angeklagt, weil er dem NSU die Pistole Ceska 83 überbracht haben soll, mit der die Terroristen neun Menschen erschossen. Angestiftet hatte ihn laut eigener Aussage Ralf Wohlleben. Ein psychiatrischer Gutachter legte dem Gericht nahe, den im Jahr 2000 bei der Waffenübergabe 20 Jahre alten Angeklagten nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen. S. hatte zu Prozessbeginn tagelang ausgesagt.
Die Bundesanwaltschaft forderte eine Strafe von drei Jahren Gefängnis wegen Beihilfe zum Mord. Das Plädoyer von S.‘ Anwälten endete mit einer Freispruchsforderung: Der Angeklagte habe nicht gewusst, was er tat, argumentierten die Verteidiger.
ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier.