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172. Prozesstag – Der Taschenlampenanschlag von Nürnberg

Es ist ein weiteres rätselhaftes Puzzlestück im NSU-Komplex: Verübten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1999 einen Anschlag auf eine Kneipe? Darauf hatte der Mitangeklagte Carsten S. zu Beginn des Prozesses einen Hinweis gegeben. Prozesbeteiligte bringen die Aussage in Zusammenhang mit einer Tat, bei der ein Putzmann im Juni 1999 unwissentlich eine als Taschenlampe getarnte Rohrbombe auf der Toilette einer Gaststätte gezündet hatte. Am Mittwoch sagt dazu ein Polizist des Münchner Polizeipräsidiums aus, der den Vorfall damals untersucht hatte.

S. hatte ausgesagt, dass Mundlos und Böhnhardt ihm zugeraunt hätten, sie hätten in Nürnberg „eine Taschenlampe hingestellt“. Er habe sich darauf keinen Reim machen können. Das Opfer wurde bei der Tat schwer verletzt. Die Tat gilt bis heute als unaufgeklärt, auch durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde sie vor S.‘ Aussage nicht in Zusammenhang mit dem NSU gebracht.

Bei der Sitzung handelt es sich um den letzten Gerichtstermin vor der Weihnachtspause. Der Prozess wird am 12. Januar 2015 fortgesetzt.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Verliert sich der Prozess in Details? – Das Medienlog vom Dienstag, 16. Dezember 2014

Bis zur Weihnachtspause Ende dieser Woche wird das Münchner Oberlandesgericht 173 Prozesstage im NSU-Verfahren verhandelt haben. Wie ist der Prozess bis hierher verlaufen? Vor allem die durch neue Zeugen aufgeworfenen Fragen bestimmen das Geschehen, resümiert SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt beim Deutschlandradio: „Ufert das Verfahren durch Anträge der Nebenklage ins Endlose aus? Wird das Gericht dem Verfahrensstoff Herr oder verzettelt es sich?“ Der Zwist von Beate Zschäpe mit ihren Anwälten habe sich indes gelegt. Daher gelte nach wie vor, dass eine Aussage der Hauptangeklagten „utopisch“ sei.

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171. Prozesstag – V-Mann-Unterstützer erneut im Zeugenstand

Zum zweiten Mal sagt am Dienstag der mutmaßliche Blood-&-Honour-Aktivist Michael P. aus. Er hatte im Jahr 1999 dem V-Mann Carsten Ri. alias Piatto geholfen, aus dem Gefängnis freizukommen, indem er ihm eine Stelle in seinem Szenegeschäft gab. Ri. hatte dem Verfassungsschutz Hinweise auf Waffenlieferungen der militanten Organisation Blood & Honour an den NSU gegeben. In seiner Vernehmung äußerte sich Piatto zwar zu dem Netzwerk, gab sich ansonsten aber vage und bedeckt.

Außerdem geladen ist ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs, der den Mitangeklagten Carsten S. nach dessen Festnahme im Februar 2012 vernommen hatte. S. hatte im Prozess Hinweise auf einen weiteren Anschlag geliefert, an die er sich bei der Befragung vor dem Haftrichter offenbar noch nicht erinnern konnte.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Zschäpe bekommt eine Zellengenossin – Das Medienlog vom Montag, 15. Dezember 2014

Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, muss nicht länger in einer Einzelzelle sitzen: Sie darf zusammen mit einer anderen Gefangenen einen Haftraum bewohnen, entschied das Münchner Oberlandesgericht nach Informationen des Focus bereits Anfang November. Zschäpe, die im Gefängnis Stadelheim in Untersuchungshaft sitzt, hatte demnach Ende Oktober beantragt, ihre Zelle teilen zu dürfen. Als Grund hatte sie angeführt, dass die Einzelunterbringung für sie zu einer „zunehmenden Belastung“ werde.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 16. Dezember 2014.

 

Plante Zschäpe die NSU-Anschläge mit? – Das Medienlog vom Freitag, 12. Dezember 2014

Zehn Fotos nahm das Gericht am Donnerstag in Augenschein. Die Fotos zeigen offenbar, wie der NSU mögliche Anschlagsziele in Stuttgart und im fränkischen Hof ausspionierte. Nebenklageanwalt Reinhard Schön sah durch die Fotos belegt, dass Beate Zschäpe an der Planung beteiligt war – dem widersprach deren Verteidiger Wolfgang Stahl. Wie wertvoll sind die Bilder? Sie seien „wohl eher ein weiterer Beleg dafür, dass es schwierig bleibt“, den Anklagevorwurf zu beweisen, vermutet Frank Jansen im Tagesspiegel. So sei der Vorwurf zwar nicht auszuschließen. „Doch eine lückenlose Beweiskette ergibt sich nicht.“

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Unterwegs auf Opfersuche

Fotos zeigen, wie der NSU mögliche Opfer ausspähte. Doch rätselhaft bleibt: Wie entschieden die Terroristen, wen sie wirklich töten wollten?

Auf den ersten Blick wirkt es fast wie ein Urlaubsfoto: Ein Mann in Dreiviertelhose und mit Sonnenbrille, die Hand lässig auf den Sattel des Mountainbikes gelehnt, im Hintergrund ein Café. Doch die Bilder, die am Donnerstag im NSU-Prozess gezeigt werden, sind keine Ferienerinnerungen – sondern Beweisstücke aus dem Fundus mutmaßlicher Terroristen.

Ermittler bargen eine CD aus dem Schutt des Hauses in Zwickau, das Beate Zschäpe am 4. November 2011 in Brand gesteckt haben soll. Auf dem Datenträger mit der Aufschrift „Stuttgart“ und „PDS Hoff“ entdeckten sie zehn Fotos, darunter die sommerlichen Motive. Bald wurde ihnen klar: Die Dateien zeigen offenbar, wie der NSU mögliche Opfer ausspähte. Denn bei dem Mann auf dem Bild handelt es sich anscheinend um Uwe Böhnhardt, aufgenommen wurde es in der Nähe des Stuttgarter Nordbahnhofs.

Ausgewertet hat das Material der Ermittler Gerhard Z. aus Baden-Württemberg, der dafür zum Bundeskriminalamt abgeordnet worden war. „Ich hatte die Vermutung, dass es um ein Ausbaldowern des Objekts ging“, sagt Z. In der Straße lagen Objekte, wie sie Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bei jedem der neun Migrantenmorde und der zwei Terroranschläge der NSU-Serie wählten: ein türkisches Lebensmittelgeschäft, eine italienische Bar, ein Grillimbiss.

Sieben Bilder wurden in Stuttgart gemacht – möglicherweise von Mundlos. Er selbst ist nicht darauf zu sehen. Laut dem Zeitstempel in der Datei stammen sie vom 25. Juni 2003. Zu diesem Zeitpunkt waren der Mordserie bereits vier Menschen zum Opfer gefallen. Das letzte, die Polizistin Michèle Kiesewetter, starb im April 2007 in Heilbronn – rund 50 Kilometer von Stuttgart entfernt.

Auch nach langen Ermittlungen nach der Selbstenttarnung des NSU ist kaum bekannt, wie das NSU-Trio seine Opfer aussuchte. Auffällig ist jedoch, dass die Tatorte immer sorgfältig gewählt waren: kleine Geschäfte oder Imbisse, die von außen nicht vollständig einsehbar waren und von denen aus es sich leicht flüchten ließ. Die Vermutung liegt nahe, dass die Täter sich auf Insiderwissen von Unterstützern vor Ort verlassen konnten. Bewiesen ist das jedoch nicht.

Unklar ist zudem: Wie fiel die Wahl auf die jeweiligen Opfer? Wer entschied, wieso ausgerechnet die Menschen sterben mussten, deren Namen heute als zehn NSU-Opfer auf Gedenkplaketten geschrieben stehen? Eine Antwort könnte Beate Zschäpe liefern – doch die schweigt weiterhin.

In der Zwickauer Brandruine stellten die Ermittler Material sicher, aus dem hervorgeht, wie viel Zeit die mutmaßlichen Mörder auf die Planung ihrer Anschläge verwendeten. Dazu gehört eine Adresssammlung mit mehr als 10.000 Einträgen, außerdem unzählige Stadtpläne mit Markierungen. So waren auf einer Karte von Stuttgart vier Polizeireviere eingezeichnet. Für die Stadt Nürnberg, wo drei Migranten ermordet wurden, existierte eine Liste, auf der in Maschinenschrift sechs Adressen von Asylbewerberheimen, Kneipen und Imbissen eingetragen waren. Darunter ein handschriftlicher Eintrag zum Imbiss in der Scharrerstraße – dort starb 2005 der Betreiber Ismail Yasar.

Die Fotos, die am Donnerstag an die Wand des Schwurgerichtssaals projiziert werden, zeigen jedenfalls, dass die Täter auch selbst Opfer recherchierten. Es scheint, als hätten sie sich eigens zu Spionagezwecken auf Reisen begeben. Einen Tag nach dem Aufenthalt in Stuttgart, am 26. Juni 2003, entstanden zwei weitere Fotos in der fränkischen Stadt Hof. Sie zeigen ein Kupferschild, das auf die Geschäftsstelle der örtlichen SPD hinweist. Darüber ist ein Straßenschild zu sehen. Planten die Rechtsextremen, auch hier zuzuschlagen?

Der NSU sammelte auch Adressen von Parteibüros. Als Zschäpe nach der mutmaßlichen Brandstiftung 2011 quer durch Deutschland flüchtete, verschickte sie 15 Exemplare des NSU-Bekennervideos auf DVD. Eins davon ging ebenfalls an eine Partei: die PDS-Geschäftsstelle in Halle. Mit den Bezeichnungen kam das Trio bisweilen durcheinander – so erklärt sich Ermittler Z. die Aufschrift „PDS Hoff“ auf der CD: Gemeint war vermutlich „SPD Hof“. Die Bilder waren ihnen offenbar so wichtig, dass sie eigens dafür einen Datenträger anlegten.

Die Motive in Hof wurden kurz nach 16 Uhr aufgenommen. Rund zwei Stunden später entstand das letzte der zehn Bilder auf der CD: Es zeigt Uwe Böhnhardt, wie er neben Beate Zschäpe auf einem blauen Sofa sitzt. Als es im Saal gezeigt wird, betrachtet es Zschäpe intensiv von der Anklagebank aus. Vermutlich entstand es in der Wohnung des Trios in Zwickau, das rund eine Dreiviertelstunde von Hof entfernt ist.

Für den Nebenklageanwalt Reinhard Schön ist mit den Fotos bewiesen, dass Zschäpe „an der Ausspähung von Anschlagsorten beteiligt war“, wie er nach der Aussage von Z. erklärt. Dieser Ansicht dürfte das Gericht jedoch nicht folgen: Auf den anderen Bildern ist sie nicht zu sehen. Klar ist nach diesem Verhandlungstag, dass die Beweisführung in diesem Prozess nur funktionieren kann, wenn sie ein stimmiges Gesamtbild ergibt.

 

Ein gelähmtes Verfahren – Das Medienlog vom Donnerstag, 11. Dezember 2014

Am 169. Prozesstag lagen die Nerven im NSU-Prozess blank. Streit entbrannte zwischen Nebenklägern auf der einen, Verteidigung und Anklage auf der anderen Seite um die Frage, wie ausführlich das Unterstützernetz des NSU ausgeleuchtet werden muss. Anlass war die Vernehmung des mutmaßlichen früheren Blood-&-Honour-Mitglieds Antje B. Bundesanwalt Herbert Diemer kritisierte, dass zu viele sachfremde Fragen gestellt würden. „Dass Staatsanwälte und Verteidiger am selben Strang ziehen, ist nicht selbstverständlich“, bemerkt Tanjev Schultz in der Süddeutschen. Partei ergriff schließlich Richter Manfred Götzl und ließ die Fragen zu: „Götzl ist offenbar nicht dazu bereit, die Themen des Prozesses so eng zu definieren wie die Ankläger.“

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170. Prozesstag – Gericht untersucht das NSU-Bekennervideo

Es war das Bekenntnis, mit dem sich der NSU im November 2011 enttarnte: das zynische und menschenverachtende Bekennervideo, in dem die zehn Morde thematisiert werden, die heute der Zwickauer Terrorzelle zugeschrieben werden. Bereits zweimal wurde es im Gericht vorgeführt. Nun hört der Strafsenat eine Ermittlerin des Bundeskriminalamts, die den Film untersucht hatte.

Im Video laufen mehrere Hinweise zusammen, die auf Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als Schuldige für die zehn Morde der NSU-Serie deuten. So sind darin Zeitungsausschnitte verwendet, die auch in der letzten Wohnung des Trios in Zwickau lagen. Auch werden darin Fotos von Mordopfern gezeigt, die offensichtlich von den Tätern gemacht worden sein müssen. 15 Exemplare des Films soll Beate Zschäpe während ihrer Flucht nach dem Selbstmord von Mundlos und Böhnhardt verschickt haben.

Zudem ist ein Polizist geladen, der im Jahr 1996 Zschäpe und den Mitangeklagten Ralf Wohlleben vernommen hatte. Sie mussten bei der Polizei im Fall der Bombenattrappe aussagen, die Uwe Böhnhardt an einer Autobahnbrücke nahe Jena platziert haben soll. Zschäpe und Wohlleben gaben ihrem Freund ein Alibi. Für die Tat wurde Böhnhardt verurteilt, später wurde das Urteil aus Mangel an Beweisen aufgehoben. In seiner ersten Vernehmung konnte sich der Ermittler kaum noch an die Befragung von vor 18 Jahren erinnern.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Wie der NSU-Prozess zerbröselt

Immer mehr Zeugen, immer schrillere Töne: Bleibt der Terrorprozess als Strafverfahren in Erinnerung – oder als Untersuchungsausschuss? Für die Aufklärung im Gericht schwindet das Verständnis.

Die Nachricht war fast eine Erlösung: Ab Mitte Januar wollen die Richter im NSU-Prozess den Sprengstoffanschlag in der Kölner Keupstraße behandeln, wie am Dienstagabend bekannt wurde. 22 Menschen wurden 2004 bei dem Attentat durch eine Nagelbombe verletzt, gezündet mutmaßlich durch die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Rund anderthalb Jahre lang mussten die Opfer seit Prozesseröffnung warten, bis nun ihr Fall vor dem Münchner Oberlandesgericht behandelt wird – länger als alle anderen, die von den Morden und Anschlägen der Zwickauer Zelle betroffen sind.

Sie sind nicht die einzigen, die warten. Gedulden müssen sich auch Bankangestellte und ihre Kunden, Opfer der Raubüberfälle, die Mundlos und Böhnhardt für den Lebensunterhalt des NSU-Trios verübten. Es sind traumatisierte Menschen, die zwar überlebt haben, aber bis heute mit den Nachwirkungen einer Extremsituation leben müssen.

Wann kommen sie zu ihrem Recht? Eine Antwort darauf kann derzeit niemand sicher geben. Der sechste Strafsenat unter Leitung von Richter Manfred Götzl kümmert sich gerade um den umfangreichsten Komplex von allen: die mutmaßlichen Unterstützer und Mitwisser des Trios. Ein wichtiger Bestandteil der Aufklärung. Doch auch einer, der das Verfahren derart lähmt, dass selbst die Opfer den Sinn dieser juristischen Durchleuchtung mittlerweile infrage stellen müssten. So stand am Mittwoch, 169. Verhandlungstag, zum zweiten Mal die Rechtsextreme Antje B. aus Sachsen im Zeugenstand.

1998 flüchteten Beate Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt vor der Polizei in den Untergrund – es war der Auftakt einer Serie aus zehn Morden, zwei Anschlägen und 15 Überfällen, die erst mit der Enttarnung des NSU im November 2011 endete. Kurz nach dem Untertauchen soll B. vorgehabt haben, Zschäpe ihren Reisepass zu überlassen. Dass sie es tat, ist bisher nicht bewiesen. Auch nicht, dass sie dies geplant hätte.

So geht es in den vergangenen Monaten immer wieder um: Zeugen, die einmal in Kontakt mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gestanden haben könnten und ihnen vermutungsweise beim Leben in der Anonymität halfen. Im November sagte ein Neonazi und V-Mann aus, der die drei gar nie getroffen hatte, sondern nur einen anderen V-Mann, den Thüringer Tino Brandt, der das Trio eben auch nur eventuell unterstützt hatte. Olaf Klemke, Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, warf dem Gericht daraufhin vor, es verrenne sich in „Nebenkriegsschauplätzen“.

Aktuell forscht der Strafsenat nach möglichen Kollaborateuren aus den Reihen der militanten Neonazi-Organisation Blood & Honour, deren sächsischen Ableger Antje B. mitgegründet haben soll. Zeugen wie sie sind nicht in der Anklageschrift erwähnt. Erst im Laufe des Prozesses beantragten Anwälte der Nebenkläger die massenweise Ladung von Unterstützerzeugen.

Motivation dahinter ist der Wille nach Aufklärung für ihre Mandanten – Opfer und Angehörige der NSU-Taten. Das haben die Anwälte vor Prozessbeginn immer wieder betont. Doch der Prozess erlahmt zusehends durch die Zeugen, die sich immer wieder für sehr vergesslich erklären oder ihr Wirken in der rechten Szene verklären.

Bei den anderen Prozessbeteiligten schwindet das Verständnis für die nicht enden wollenden Zeugenladungen – die Wut entlud sich am Mittwoch in schrillen Tönen, als Nebenklagevertreter Alexander Hoffmann die Zeugin befragte: Einige der Anwälte missbrauchten das Verfahren als „Ermittlungsbühne“, erboste sich Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl.

Ungewohnter Beistand kam von einem Vertreter der Anklage, dem Bundesanwalt Herbert Diemer: „Blood & Honour ist nicht Gegenstand der Anklage“, polterte er. Anspruch auf Aufklärung hätten „die wirklich Verletzten, nicht die politisch Verletzten“. Hoffmann schrie danach durch den Saal: „Das muss ich mir von Herrn Diemer nicht gefallen lassen! Das ist eine Beleidigung gegen meine Mandantin!“

Scharmützel wie dieses zeugen davon, dass manche Prozessparteien der Ermittlungen im rechtsextremen Umfeld mittlerweile müde sind. Für das Verfahren ist das eine Krise: So zerbröselt der eigentliche Sinn des Prozesses, der die Angeklagten im Falle eines Schuldspruchs ihren gerechten Strafen zuführen, zum anderen auch die Fragen der Opfer und ihrer Angehörigen beantworten soll.

Wie weit darf sich die Verhandlung von dem Vorwurf entfernen, der in der Anklageschrift geschrieben steht? Wie weit kann und muss Richter Götzl bei seinen Ermittlungen ausholen, während zwei der fünf Angeklagten seit drei Jahren in Untersuchungshaft sitzen? Vorsorglich setzte er Anfang Dezember neue Prozesstage bis 2016 an.

Die Befragungen, die bis dahin stattfinden, sind Tagesgeschäft für die Juristen, die dreimal in der Woche im Verhandlungssaal sitzen. Für die Betroffenen der Terrorserie sind sie jedoch eine andere Welt. Von ihnen lässt sich kaum noch jemand im Gericht blicken.

 

Das verräterische Archiv des NSU – Das Medienlog vom Mittwoch, 10. Dezember 2014

Fingerabdrücke von Beate Zschäpe waren das Thema am 168. Prozesstag im NSU-Prozess. Die Spuren fanden sich an Zeitungsartikeln, die das Trio in seiner letzten Wohnung in Zwickau aufbewahrten. Teils wurden die Archivalien im Bekennervideo der Terrorzelle verwendet. Als Teil von Sachverständigengutachten wurden die Schlagzeilen im Gericht verlesen – und warfen ein Licht auf die Arbeit der Medien vor der Enttarnung des NSU im November 2011: So wurde „noch einmal dokumentiert, wie sehr sowohl die Ermittlungsbehörden als auch wir Medien in der NSU-Affäre jahrelang versagt haben“, kommentiert Thies Marten vom Bayerischen Rundfunk.

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