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Szeneanwalt fordert das Gericht heraus – Das Medienlog vom Mittwoch, 9. Juli 2014

Für einen bestens vernetzten Szeneanwalt hatte Thomas Jauch aus Sachsen-Anhalt erstaunlich wenig zu sagen: Der Zeuge, der am 124. Verhandlungstag im Prozess auftrat, soll die NSU-Terroristen und zahlreiche andere Rechtsextreme aus Thüringen beraten haben. Doch der Anwalt berief sich immer wieder auf sein Recht zur Aussageverweigerung – und sorgte damit für eine quälend zähe Vernehmung.

„Ein ums andere Mal versucht Richter Manfred Götzl, den Panzer aus Abwehrfloskeln und angeblichen Erinnerungslücken zu knacken“, beschreibt Per Hinrichs von der Welt die Sitzung. Jauch gab nur das Nötigste von sich – so „reiht er sich in den Kreis der Zeugen aus dem rechten Spektrum ein, die den Prozess bislang kaum vorangebracht haben“.

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125. Prozesstag – Aliasgeber Matthias D. und Böhnhardts Bruder

Für das untergetauchte NSU-Trio war Matthias D. ein unschätzbarer Helfer: Er lieh den dreien seine Identität, mit der sie unerkannt ein bürgerliches Leben führen konnten. Auf seinen Namen mieteten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mehrere Wohnungen, auch bei der letzten Unterkunft in der Zwickauer Frühlingsstraße stand sein Name auf dem Klingelschild. Für die heikle Aufgabe hatte ihn offenbar der Mitangeklagte André E. gewonnen. Am Mittwoch ist D. als Zeuge geladen.

Weil gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft, wird er sehr wahrscheinlich die Aussage verweigern – anders als bei der Polizei: Im Anschluss ist ein Beamter geladen, der D. nach Auffliegen des NSU im November 2011 vernommen hatte.

Zuletzt tritt als Zeuge Jan Böhnhardt auf, Bruder des NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt. Von ihm werden Erkenntnisse zum Werdegang des Rechtsextremisten erwartet. Jan Böhnhardt hat mittlerweile selbst eine Familie gegründet, er hatte den Erkenntnissen zufolge nie Kontakte ins rechte Milieu.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Ein Anwalt im Netzwerk der Rechten

Der Anwalt Thomas Jauch soll Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nach ihrer Flucht beraten haben. Vor Gericht mauert er – doch Unterstützern des Trios ging er offenbar fleißig zur Hand.

Wer in Mitteldeutschland lebt und sich zur rechtsextremen Szene bekennt, der stolpert früher oder später über den Namen Thomas Jauch. Denn viele, die sich für die sogenannte nationale Sache einsetzen, kommen früher oder später mit dem Gesetz in Konflikt – und können sich darauf verlassen, in Jauch einen Anwalt zu finden, der die Verteidigung eines Rechtsradikalen nicht aus Gewissensgründen ablehnt.

Jauch tritt beruflich regelmäßig vor Gericht auf. Am 124. Verhandlungstag des NSU-Prozesses nimmt er hingegen als Zeuge Platz. Der 54-Jährige ist ein drahtiger Mann mit grimmigem Gesichtsausdruck. Vor sich auf den Tisch legt er ein Buch mit dem Titel „Gesamtes Strafrecht“. Er betreibt seine Kanzlei im sachsen-anhaltinischen Weißenfels. Man kann nur darüber rätseln, wie viele rechts eingestellte Kameraden dort schon ein- und ausgegangen sind. Fest steht allerdings: Etliche von ihnen hatten Kontakte zum Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Und mindestens einmal waren die drei auch selbst dort.

Gericht und Nebenkläger wüssten gerne mehr über ein solches Gespräch. Das Problem ist nur, dass Jauch sich als Anwalt auf den Paragrafen 53 der Strafprozessordnung berufen kann, der ihm ein Schweigerecht über seine beruflichen Kontakte einräumt. Und dass er auch klug genug ist, den Paragrafen zu nutzen.

Beantragt hatte Jauchs Ladung der Nebenklageanwalt Sebastian Scharmer. Dass es das Treffen von Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos mit Jauch gab, ist unumstritten: 1998, als die drei nach einem Bombenfund in einer Garage untergetaucht waren, wandten sie sich an den Szeneverteidiger. Dabei sollen 800 Mark Vorschuss gezahlt worden sein. Beate Zschäpe, vermerkte Jauch in einem Schreiben an die Polizei, sei bereit, zu den Vorwürfen auszusagen, wenn der Anwalt zuvor Akteneinsicht erhalte.

Vor Gericht gibt es am Dienstag keine neuen Informationen. „Die Angeklagte und die Verstorbenen waren nur einmal bei mir. Sonst hatte ich keinen Kontakt“, sagt Jauch, als ihn Richter Manfred Götzl befragt. Was damals besprochen wurde – Anwaltsgeheimnis. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl geht schon diese dürre Äußerung zu weit: Den Zeugen überhaupt danach zu Fragen sei „eine Anstiftung zum Verrat von Privatgeheimnissen“. Tatsächlich lässt die Aussage zumindest eine Schlussfolgerung zu: Wenn das Treffen Jauchs Recht auf Geheimhaltung unterlag, dürfte er das Trio beraten haben. Und wenn Zschäpe wirklich zur Aussage bereit war, wollte sie womöglich aus der Gruppe aussteigen, bevor es zum ersten Mord kam. Doch letzteres ist nur eine Vermutung.

Für seine Unwilligkeit zu reden bekommt Szeneanwalt Jauch Rückendeckung von den Verteidigern Zschäpes und des Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Immer wieder verfällt die Verhandlung in ein geduldszehrendes Spiel, in dem die Rechtsbeistände eine Frage beanstanden, schließlich einen offiziellen Beschluss aller Richter verlangen und am Ende unterliegen. Gerade den Nebenklägern wollen sie es nicht leicht machen.

Dennoch entfaltet sich nach und nach das rechtsextreme Netzwerk, das Jauch besonders in Thüringen zu nutzen wusste. Belegt ist, dass darin auch die Mitangeklagten Carsten S. und Holger G. eine Rolle spielten: An G. schickte Jauch einmal einen Scheck mit einer Gebührenrückzahlung. Wahrscheinlich hatte er das Geld für seinen Kumpel André K. vorgestreckt, ein Zeuge, der schon mehrmals im Prozess aussagen musste. Carsten S. hatte Jauch im Jahr 2002 zweimal Geld überwiesen. Wofür, daran kann sich der Anwalt angeblich nicht mehr erinnern.

Doch die Unterstützung für die Kameraden ging möglicherweise über juristische Dienstleistungen hinaus, wie Nebenklagebeistand Scharmer in seiner Befragung herausschält. So soll Jauch in den Jahren um die Jahrtausendwende ein Grundstück in seinem Heimatort Lützen an Gesinnungsgenossen vermietet haben, auf dem Rechtsrockkonzerte abgehalten wurden. Dabei sollen Spenden für das untergetauchte Trio gesammelt worden sein. „Das wird von manchen behauptet. Ich war nicht zugegen“, entgegnet der Zeuge.

Auch soll er Bewohner einer Art Nazi-WG in Jena unterstützt haben, in der der Mitangeklagte Ralf Wohlleben zeitweise gewohnt hatte – das sogenannte Braune Haus. „Ist das ein Haus, das braun angestrichen ist?“, fragt Jauch und lässt es sich von Scharmer ganz genau erklären. „Es geht doch! Damit bin ich befasst“, patzt er schließlich.

„Warum sind Sie so gereizt? Wenn Sie meinen, dass Sie das Verfahren beurteilen können, hätte ich auch noch ein paar Fragen an Sie“, geht Götzl dazwischen. Er will nicht riskieren, dass der Hardliner mit Spitzfindigkeiten das Gericht vorführt.

Der Gescholtene sucht sich eine andere Gelegenheit zur Profilierung. Scharmer fragt ihn, ob er mit dem Verfassungsschutz oder dem Militärischen Abschirmdienst zusammengearbeitet habe. „Mir fehlte es an der erforderlichen Verschlagenheit und Verlogenheit“, gibt Jauch zurück. Zumindest aus seiner Gesinnung macht er kein Geheimnis.

 

Kiesewetters mysteriöses Treffen – Das Medienlog vom Dienstag, 8. Juli 2014

Erneut gibt es einen Bericht über rechte Strukturen im Umfeld der 2007 erschossenen Polizistin Michèle Kiesewetter. Das spätere Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hatte fünf Tage vor ihrem Tod Kontakt mit dem Bruder eines Neonazis in ihrer Heimatstadt Oberweißbach, wie Franz Feyder in den Stuttgarter Nachrichten berichtet. Bei dem Mann handelte es sich um einen Freund aus Kindertagen. „Das Umfeld des Kindergartenfreundes spielte offenbar keine Rolle“, als die Ermittlungen ins Laufen kamen, schreibt der Autor.

Beamte des Bundeskriminalamts luden den Bruder Steve K. allerdings zur Befragung. Er war Mitglied einer Rechtsrock-Band und sympathisierte möglicherweise mit dem rechten Netzwerk Blood & Honour. In diesem waren auch die mutmaßlichen NSU-Mitglieder Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt organisiert.

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124. Prozesstag – Anwalt Thomas Jauch sagt aus

Nachdem das NSU-Trio 1998 in den Untergrund geflüchtet war, holte es sich juristischen Rat: Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ließen sich von dem Rechtsanwalt Thomas Jauch aus Weißenfels in Sachsen-Anhalt beraten. Jauch tritt am Dienstag in den Zeugenstand. Der Jurist gilt als Szeneanwalt. Dem Antrag einer Nebenklageanwältin zufolge könnte er umfangreiche Kenntnisse über das Trio und seine Verbindungen gewonnen haben. Demnach beantragte er bei Gericht Akteneinsicht für die als Bombenbauer gesuchte Gruppe. Den Anstoß, zu einem Anwalt zu gehen, gaben offenbar die Eltern von Böhnhardt.

Weiterhin sind drei Zeugen geladen, die zum Banküberfall vom 4. November in Eisenach aussagen. Ihre Angaben halfen damals, das Wohnmobil zu finden, in dem Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geflüchtet waren. In dem Fahrzeug begingen sie Selbstmord.

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Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Montag, 7. Juli, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 8. Juli 2014.

 

Wohlleben scheitert mit Antrag gegen NSU-Richter – Das Medienlog vom Freitag, 4. Juli 2014

Es ging schneller als erwartet – doch das Ergebnis ist keine Überraschung: Die Richter im NSU-Prozess sind von einem anderen Richtersenat des Münchner Oberlandesgerichts für unparteiisch befunden worden. Damit ist der Befangenheitsantrag des Angeklagten Ralf Wohlleben vom Mittwoch abgewiesen. Für Frank Jansen vom Tagesspiegel ist der Ablehnungsbeschluss „ein doppelter Rückschlag“: „Das 16-seitige Papier liest sich beinahe schon wie ein Urteil“, weil sich darin zeige, dass die Richter den Verdacht gegen Wohlleben für glaubwürdig halten.

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Erinnerungslücken werden Folgen haben – Das Medienlog vom Donnerstag, 3. Juli 2014

Der NSU-Zeuge Enrico T. hat derzeit viel Ärger am Hals: Gegen ihn besteht der Verdacht, an einem Kindermord beteiligt gewesen zu sein, er soll bei der Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 geholfen haben – und nun droht ihm ein Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage. Bei seiner Vernehmung am Mittwoch antwortete T. wie bei seinem ersten Gerichtstermin immer wieder, er könne sich an nichts erinnern. Das werteten viele Prozessbeteiligte als Lüge. „Sein heutiger Auftritt vor Gericht wird für Enrico T. definitiv Konsequenzen haben“, folgert Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk.

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123. Prozesstag – Frau des Angeklagten Ralf Wohlleben

Die Ehefrau des Angeklagten Ralf Wohlleben, Jaqueline Wohlleben, tritt am Donnerstag in den Zeugenstand. Zu erwarten ist allerdings, dass sie die Aussage verweigern wird, da sie nicht gegen ihren Mann aussagen muss. Ihre im Mai angesetzte Vernehmung war verschoben worden, weil Beate Zschäpe erkrankt war. Ralf Wohlleben ist der Beihilfe zum Mord angeklagt, weil er dem NSU-Trio eine Pistole beschafft haben soll.

Zudem sind zwei Polizisten geladen. Einer berichtet dem Senat von der Vernehmung des Zeugen Thomas S., der andere macht Angaben zu den Ermittlungen nach dem Mord an Mehmet Kubasik in Dortmund 2006. Damals war eine Zeugin vernommen worden, die auf der Straße zwei Rechtsradikale erkannt haben will – dabei könnte es sich um Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehandelt haben.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Wohlleben muss mit hoher Strafe rechnen – Das Medienlog vom Mittwoch, 2. Juli 2014

Seit zweieinhalb Jahren sitzt der Mitangeklagte Ralf Wohlleben in Untersuchungshaft – und wird dort bleiben, wie die Richter im NSU-Prozess am Dienstag entschieden. Sie lehnten einen Antrag von Wohllebens Verteidigern auf Entlassung ab. Das konterten die Verteidiger mit einem Befangenheitsantrag. „In der Begründung für die Ablehnung lässt sich das Gericht erstmals in die Karten schauen“, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Denn die Richter hätten so gezeigt, dass sie die Tatvorwürfe gegen den Angeklagten als stichhaltig einschätzen.

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