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Akten von V-Mann „Tarif“ plötzlich wieder da – Das Medienlog vom Dienstag, 10. Februar 2015

Drei Aktenordner lagen in den Beständen des Bundesverfassungsschutzes – vergessen oder versteckt. Ihr Inhalt: Quellenberichte des Informanten Michael von Dolsperg, der unter dem Tarnnamen „Tarif“ für die Behörde spitzelte. Mitarbeiter entdeckten sie bei einer gezielten Recherche, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. „Neue Erkenntnisse aus dem Umfeld des NSU-Trios sind möglich“, schreibt Andreas Förster in der Berliner Zeitung. Der V-Mann gab vor Kurzem an, mit seiner Hilfe hätte der NSU aufgehalten werden können. Er sei von einem Neonazi gebeten worden, die 1998 untergetauchte Gruppe unterzubringen.

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184. Prozesstag – Zeugen aus der Keupstraße und ein Szenemitglied

Die Woche im NSU-Prozess beginnt mit zwei Zeugen, die zum Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße vom Juni 2004 aussagen. Einer der beiden nimmt als Nebenkläger an dem Verfahren teil, er gilt als Geschädigter der Explosion, bei der 22 Menschen verletzt wurden.

Im Anschluss hört das Gericht zum zweiten Mal Enrico R. Der Zeuge wurde auf Antrag der Anwälte von Ralf Wohlleben geladen, der dem NSU bei der Beschaffung einer Pistole geholfen haben soll. Die Aussage sollte zeigen, dass das Trio auch auf anderen Wegen an Waffen gelangen konnte. Beim ersten Gerichtstermin ging diese Rechnung jedoch nicht auf: R. leugnete, jemals eine Waffe besessen zu haben und berief sich ansonsten auf zahlreiche Erinnerungslücken.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Montag, 9. Februar, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 10. Februar 2015.

 

Offener Streit im NSU-Prozess – Das Medienlog vom Freitag, 6. Februar 2015

Die Anwälte von Beate Zschäpe machen einer Zeugin des Nagelbombenanschlags in der Kölner Keupstraße von 2004 das Recht streitig, als Nebenklägerin teilzunehmen. Anwalt Wolfgang Heer forderte in einem Antrag, die Frau und ihren Anwalt Alexander Hoffmann auszuschließen, weil sie durch die Explosion keinen nachweisbaren Schaden erlitten habe. „Mit den Turbulenzen ist nun im Mammutprozess nach 21 Monaten doch noch eine Debatte über die Nebenklage aufgebrochen“, beobachtet Frank Jansen vom Tagesspiegel. Der Konflikt habe sich schon länger abgezeichnet, „nun gibt es offenen Streit“.

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Kein Opfer ohne Narben?

Beate Zschäpes Verteidiger fordern, eine Nebenklägerin aus dem NSU-Prozess auszuschließen. Womöglich wollen sie mit dem Antrag vor allem einen kritischen Anwalt loswerden.

Die Frage, wer sich als Opfer eines hinterhältigen Bombenanschlags bezeichnen darf, ist seit Wochen der Fixpunkt im Münchner NSU-Prozess. Sie frisst sich tief in das Prozessgeschehen und entlockt denen, die daran teilnehmen, Äußerungen in kaum gekannter Schärfe. Von „impertinenten und geschmacklosen Unterstellungen“ sprechen die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, das Verhalten eines Anwalts nennen sie „unwürdig“.

Auslöser ist die Untersuchung des Bombenanschlags in der Kölner Keupstraße vom Juni 2004. Damals sollen die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ein Fahrrad mit einer Schwarzpulverbombe vor einen Friseursalon geschoben haben. Die Bombe war mit über 700 Nägeln gespickt. Viele Menschen, fast ausnahmslos mit türkischem Migrationshintergrund, wurden schwer verletzt. Sie erlitten Verbrennungen und Gehörschäden und leben seitdem mit der quälenden Erinnerung an das Ereignis.

Die Ermittler haben 22 Verletzte aufgelistet. Die meisten davon nehmen als Nebenkläger am Prozess teil und sind durch einen Anwalt im Oberlandesgericht in München vertreten. Es ist nicht sicher, ob diese Zahl stimmt, denn nicht bei allen sind die Folgen so deutlich sichtbar wie bei den Opfern mit Brandwunden.

Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Heer forderte nun, die Nebenklägerin Sermin S. aus dem Verfahren auszuschließen, zudem ihren Anwalt, den Kieler Alexander Hoffmann. Sermin S. sei demnach Zeugin des Anschlags gewesen, aber keine Geschädigte. Zschäpes Verteidiger beanspruchen für sich, die Frage beantworten zu können, wer als Opfer gilt.

Einen Antrag dieser Art hat es im NSU-Verfahren bisher nicht gegeben. Derart offen ist die naturgemäße Konkurrenz zwischen Verteidigung und Nebenklage noch nie hervorgetreten. Es ist die Eskalation eines Konflikts, in dem es auch um Macht und Präsenz geht.

Die damals hochschwangere Sermin S. war in ihrer Wohnung im ersten Stock, als die Bombe 50 Meter weiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite explodierte. Allerdings hielt sie sich dabei offenbar im nach hinten gelegen Wohnzimmer auf. Eine körperliche Verletzung hatte sie nicht. Einige Zeit darauf gebar sie ihr Kind drei Wochen zu früh. Im Jahr 2012, acht Jahre nach dem Anschlag, erlitt sie eine Panikattacke in einem Kino. Einem Psychiater berichtete sie, dass sie regelmäßig an Ängsten und Schmerzen leide, sie fürchte sich vor engen Räumen, vor Menschenmengen, vor der Autobahn.

Dem Psychiater, der sie daraufhin behandelte und der vergangene Woche vor Gericht aussagte, erzählte sie erst in der sechsten oder siebten Sitzung von dem Anschlag, nachdem er sie danach gefragt hatte. Während der Befragung durch die Verteidigung nannte der Psychiater schließlich den Krebstod der Mutter und die schwierige Kindheit als Auslöser für die Depressionen der Zeugin. Ob der Anschlag Grund für ihre Panikstörung sei, konnte er nicht sicher sagen.

Wurde Sermin S. auf bloßen Verdacht hin zur Nebenklage zugelassen, zudem gegen den Willen der Bundesanwaltschaft, die sich ebenfalls gegen diese Zeugin aussprach? Sie komme „unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt als Verletzte eines versuchten Mordes in Betracht“, bilanzierte Anwalt Heer.

Anders sieht das selbstverständlich der Vertreter von Sermin S., Alexander Hoffmann. „Rechtlich kann das keinen Erfolg haben“, sagt er im Anschluss an die Sitzung. Denn die Anklage wertet den Anschlag als mehrfachen versuchten Mord. Frau S. wäre den Tätern demnach als Todesopfer willkommen gewesen. Dem Gericht genügte das als Argument, sie in den Prozess zu laden.

Hoffmann vermutet eine andere Motivation hinter dem Antrag: „Hier geht es nicht um eine sachliche Entscheidung, sondern darum, einen unbequemen Vertreter auszuschließen.“ Abwegig ist diese Vorstellung nicht. Weil Hoffmann nur eine Mandantin vertritt, würde deren Rausschmiss auch das Aus für ihn im Prozess bedeuten. Er hatte sich in der Vergangenheit immer wieder zu Wort gemeldet, als das Thema Keupstraße noch in weiter Ferne lag.

Hoffmann zählt im Prozess zu den engagiertesten Anwälten, zu denen, die regelmäßig beantragen, neue Zeugen aus der rechten Szene zu laden. Mehrfach hatte er betont, dass es ihm darum gehe, das Netzwerk möglicher Helfer des NSU-Trios zu beleuchten. Solchen Forderungen traten Zschäpes Verteidiger stets mit der Begründung entgegen, das Gericht müsse eng am Vorwurf der Anklage bleiben, statt die rechte Szene zu sezieren. Doch der Vorsitzende Richter Manfred Götzl gab den Anträgen meistens statt.

Nun muss Richter Götzl entscheiden, ob Hoffmann bleiben darf. Am Vortag hatte er einem Ermittler des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts aufgetragen, den Tatort anhand von Karten und Fotos neu zu vermessen, um zu bestimmen, bis zu welcher Hausnummer in der Keupstraße die Gefahrenzone rund um die Nagelbombe reichte. Es war ein Signal, dass er den Ausschluss-Antrag der Verteidiger ernst nimmt.

 

Wenn Ermittler nachsitzen müssen – Das Medienlog vom Donnerstag, 5. Februar 2015

Richter Manfred Götzl nimmt es bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen stets sehr genau – und fordert neue Ermittlungen, wenn er das Gefühl hat, es fehlten Informationen. Um die Sprengkraft der Bombe des Anschlags in der Kölner Keupstraße von 2004 zu bestimmen, gab er beim Bundeskriminalamt einen Sprengversuch in Auftrag. Aus demselben Grund befragte er am Mittwoch einen Ermittler des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts, der den Tatort vermessen hatte. Doch der „war offensichtlich schlecht vorbereitet“, berichtet Claudia Wangerin in der Jungen Welt – und musste sich eine Pause zum Nachrechnen nehmen.

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183. Prozesstag – Gutachter bewerten Angeklagten Carsten S.

Zwei wichtige Gutachten bestimmen am Donnerstag den Verhandlungstag – es geht um den Mitangeklagten Carsten S., der dem NSU-Trio vor Beginn der Mordserie in Chemnitz eine Ceska-Pistole überbracht haben soll. Mit der Waffe wurden mutmaßlich neun Menschen erschossen. S. hatte die Kurierleistung gestanden und sich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt.

Die erste Expertise trägt der psychiatrische Gutachter Norbert Leygraf vor, der mehrfach Gespräche mit S. geführt und ihn im Gericht beobachtet hatte. Danach sagt ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe in Düsseldorf, S.s letztem Wohnort, aus. Die Gutachten könnten erheblichen Einfluss auf das Strafmaß haben. Denn darin geht es um die Frage, ob S. nach Jugendstrafrecht verurteilt werden kann und wie viel persönliche Reife er zur Tatzeit entwickelt hatte. Damals, um die Jahrtausendwende, war er unter 21 Jahren alt.

Zudem geladen ist ein Zeuge, der Informationen zu den verstorbenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie über die Angeklagten Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben liefern soll. In seiner Vernehmung soll es auch um den Zugang des NSU-Trios zu Schusswaffen gehen.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Entlastung für Wohlleben – Das Medienlog vom Mittwoch, 4. Februar 2015

Am 181. Verhandlungstag hörte das Münchner Oberlandesgericht im NSU-Prozess den Zeugen Enrico R. – auf Antrag der Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Thema waren die Waffen, die in der rechten Szene kursierten. R.s Aussage sollte nach Willen der Anwälte ergeben, dass der NSU von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für Schusswaffen nicht auf die Hilfe ihres Mandanten angewiesen war – dem wird die Beschaffung der Pistole Ceska 83 vorgeworfen, mit der neun Menschen erschossen wurden.

Die Rechnung ging jedoch nicht auf, bilanziert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online: R. „versteckte sich, wie so viele andere Zeugen aus der rechten Szene, hinter Vergessen, Nicht-Wissen, fehlendem Interesse und Nicht-Anwesenheit“.

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182. Prozesstag – Ermittler sagt zum Anschlag in der Keupstraße aus

Der NSU-Prozess greift erneut den Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße von 2004 auf. Als Zeuge geladen ist ein Ermittler des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts, der nach der Bombenexplosion den Tatort vermaß. Die Keupstraße war damals großflächig von der Druckwelle betroffen: Nägel aus dem Sprengsatz flogen 150 Meter weit, noch in 250 Metern Entfernung vom Detonationsort gingen Fensterscheiben zu Bruch. Zu Beginn des Jahres hatten die Aussagen zweier anderer Ermittler bereits deutlich gemacht, dass die Polizei den Tatort mit großer Akribie kartografiert und ausgemessen hatte.

Zwei weitere Zeugen sagen zu unterschiedlichen Themen aus.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Geheimniskrämerei im Fall „Corelli“? – Das Medienlog vom Dienstag, 3. Februar 2015

Neue Wirren im Fall um den 2014 verstorbenen V-Mann „Corelli“: In einer außerplanmäßigen Sitzung nahm sich der Innenausschuss des Bundestags erneut des Informanten an, der bereits im Jahr 2005 eine CD mit der Aufschrift „NSDAP/NSU“ an den Bundesverfassungsschutz geliefert hatte. Weil der Todesfall weiter mysteriös erscheint, wollte das Gremium ein medizinisches Gutachten dazu einsehen. Dabei gab es bislang Probleme: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty gab die Unterlagen nicht frei, wie das WDR-Magazin Westpol berichtet.

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