Lesezeichen
 

Gutachter-Debakel im NSU-Prozess – Das Medienlog vom Freitag, 19. Mai 2017

Der Auftritt des Gutachters im NSU-Prozess war ein Flop: Gestern sagte der Psychiater Joachim Bauer aus, der Beate Zschäpe im Auftrag ihrer Anwälte begutachtet und eine Persönlichkeitsstörung festgestellt hatte. Das würde bedeuten: Die Hauptangeklagte ist nur vermindert schuldfähig. Bei seinem Termin vor Gericht durften ihn die Prozessbeteiligten befragen – was den Psychiater Bauer immer wieder ins Schwimmen brachte. „In Erinnerung bleibt ein Gutachter, der entweder seinen Auftrag unter- oder sich selbst überschätzt hat“, kommentiert Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle. Für Zschäpe dürfte seine Aussage „alles andere als hilfreich gewesen sein“.

Weiter„Gutachter-Debakel im NSU-Prozess – Das Medienlog vom Freitag, 19. Mai 2017“

 

Ein Zschäpe-Gutachten wird zur Posse

Ein von Beate Zschäpes Anwälten angeheuerter Psychiater hat Zeugen nach Gutdünken ausgesucht. Auf kritische Nachfragen zu seinem Gutachten findet er keine Antworten.

Am 4. Mai betritt der Psychiater Joachim Bauer die Justizvollzugsanstalt München. Er will die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe treffen. Im Auftrag von deren Rechtsanwälten soll er ein Gutachten über sie schreiben. An der Sicherheitskontrolle hält ihn eine Justizbeamte auf, die feststellt, dass er etwas verbirgt. Unter Dokumenten in seiner Hand kommt eine Schachtel Pralinen zum Vorschein. Doch Mitbringsel für Gefangene sind streng verboten.

Ein Psychiater, der seiner Probandin Pralinen mitbringt? Im Gericht von einem Anwalt der Nebenklage darauf angesprochen, ist Bauer die Sache peinlich. Eine „völlig unschuldige Geste der Humanität“ sei das doch gewesen, verteidigt er sich. Mag sein. Trotzdem hängt schon seit Beginn des Prozesstags ein Eindruck von Kumpelei, Einseitigkeit und Gefälligkeit im Raum, der dem Gutachten Bauers über Zschäpe anhaftet.

Weiter„Ein Zschäpe-Gutachten wird zur Posse“

 

Zschäpes Mutter kommt erneut als Zeugin – Das Medienlog vom Donnerstag, 18. Mai 2017

Am Mittwoch lief die Frist für letzte Beweisanträge im NSU-Prozess aus – ein Mittel der Verfahrensbeschleunigung. Für Aufsehen sorgte der Antrag von Zschäpes Neuverteidiger Mathias Grasel, der das Protokoll einer Vernehmung von Zschäpes Mutter Annerose von 2011 im Gericht verlesen lassen will. Bei ihrem Auftritt als Zeugin Ende 2013 hatte sie die Aussage verweigert und der Verwendung ihrer Aussage widersprochen.

Nun genehmigte sie die Verwertung in einem Brief an das Gericht – und muss dort erneut erscheinen: Für die kommende Woche sei Zschäpes Mutter wieder als Zeugin geladen, berichtet Julia Jüttner auf Spiegel Online: „Wird die Mutter vor Gericht nur ihr Einverständnis zur Protokollverlesung erklären oder sich doch persönlich vernehmen lassen? Das könnte interessant werden.“ Sollte sie sich keiner Befragung stellen, kommen die Beamten, die sie damals vernommen haben, wie Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung schreibt.

Weiter„Zschäpes Mutter kommt erneut als Zeugin – Das Medienlog vom Donnerstag, 18. Mai 2017“

 

364. Prozesstag – Fragen an Psychiater Bauer

Zum zweiten Mal ist heute der Psychiater Joachim Bauer geladen. Vor zwei Wochen hatte er sein Gutachten vorgestellt, laut dem Beate Zschäpe vermindert schuldfähig und an einer Persönlichkeitsstörung erkrankt ist. Er hatte Zschäpe in der Untersuchungshaft befragt und darauf geschlossen, dass sie nach schädlichen Einflüssen in Kindheit und Jugend in eine emotionale „Geiselhaft“ ihrer Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt geriet. Auch sei sie nicht in der Lage, im Gericht ihre Betroffenheit auszudrücken.

Ab heute muss Bauer Fragen zu dem Ergebnis beantworten, sowohl vom Gericht als auch von den anderen Prozessbeteiligten. Eine kritische Prüfung ist zu erwarten, da Bauers Expertise sowohl Zschäpes Verhalten während des Prozesses und zahlreichen Schilderungen von Zeugen widerspricht als auch dem Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen Henning Saß. Er hält Zschäpe für voll schuldfähig und sieht keine Anzeichen für eine Störung. Anwälte der Nebenklage hatten bereits nach der Vorstellung von Bauers Gutachten Zweifel an seiner Darstellung geäußert.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Mutter Zschäpe hilft ihrer Tochter

Vor Gericht hatte Beate Zschäpes Mutter die Aussage verweigert. Jetzt gibt sie doch noch Informationen preis – weil es der mutmaßlichen Rechtsterroristin nützen könnte.

Es war ein ganz kurzer Auftritt, den Annerose Zschäpe Ende November 2013 vor Gericht hatte: Die Mutter der Angeklagten Beate Zschäpe ließ sich von Richter Manfred Götzl fragen, ob sie eine Aussage machen wolle. Dann, ob das Gericht als Beweismittel das Protokoll einer Vernehmung verwenden dürfe, die Ermittler des Bundeskriminalamts gut zwei Jahre zuvor mit ihr geführt hatten. Zschäpe sagte zweimal „Nein“ – wie es als Angehörige einer Angeklagten ihr gutes Recht war. Dann ging sie. Ihre Tochter schaute ihr kurz nach.

Die Mutter schwieg damals, weil die Tochter schwieg. Es war ein freundlicher Gefallen an die Angeklagte, die der Mittäterschaft an zehn Morden beschuldigt wird. Zu der Zeit, ein halbes Jahr nach Prozessbeginn, galt nämlich: Je weniger Informationen über Zschäpe bekannt werden, desto besser. Das war die Linie ihrer Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Doch davon ist Beate Zschäpe schon vor langer Zeit abgewichen.

Weiter„Mutter Zschäpe hilft ihrer Tochter“

 

Richter löchtert Zschäpe-Gutachter – Das Medienlog vom Mittwoch, 17. Mai 2017

Bei seinem zweiten Auftritt vor Gericht hat der Psychiater Pedro Faustmann seine Kritik am Gutachten über Beate Zschäpe verteidigt. Der Bochumer Professor ist der Meinung, die Expertise seines Kollegen Henning Saß über die Angeklagte sei wissenschaftlich fehlerhaft. Richter Manfred Götzl befragte Faustmann sehr sorgfältig.

„Götzl macht mit Faustmanns Gutachten das, was Faustmann mit Saß‘ Gutachten gemacht hat: Er nimmt es ernst und auseinander“, resümiert Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung. Im Zuge der Befragung unterstellte Faustmann Saß wörtlich, er habe Äpfel mit Birnen verglichen.

Weiter„Richter löchtert Zschäpe-Gutachter – Das Medienlog vom Mittwoch, 17. Mai 2017“

 

363. Prozesstag – Frist läuft ab

Die Richter wollen den NSU-Prozess zum Ende bringen – und haben deshalb zur Eile gemahnt: Sie setzten den Prozessbeteiligten eine Frist für letzte Beweisanträge, mit denen etwa die Ladung von Zeugen gefordert werden kann. Diese Frist läuft heute aus. Danach sind Anträge zwar weiterhin möglich, können aber leichter abgelehnt werden. Daher könnten heute vor allem aus den Reihen der Angeklagten noch einmal mehrere Anträge auf neue Beweiserhebungen gestellt werden.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Bis Richter Götzl brüllt

Wegen des psychiatrischen Gutachtens über Beate Zschäpe könnte es noch eine harte Debatte geben.

Auf der Gutachterbank im Münchner NSU-Prozess, nur wenige Meter von der Anklagebank entfernt, sitzen Henning Saß und Pedro Faustmann nebeneinander. Beide Psychiater, beide aktiv im Betrieb der klinischen Forschung. Freunde werden sie sicherlich nicht. Erst recht nicht in diesem Verfahren.

Das liegt daran, dass Faustmann die Arbeit seines Kollegen Saß – natürlich auf rein wissenschaftlicher Ebene – als plump, fahrig und stümperhaft bezeichnet hat. Saß‘ Arbeit, das war die Begutachtung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe im Auftrag des Gerichts. Er attestierte ihr einen Hang zu Straftaten und legte somit die Verhängung der Sicherungsverwahrung gegen sie nahe, zudem stufte er sie als schuldfähig ein.

Weiter„Bis Richter Götzl brüllt“

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Auch am Dienstag, 16. Mai, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 17. Mai 2017.

 

362. Prozesstag – Gutachter Faustmann beantwortet Fragen

An diesem Tag soll der Psychiater Pedro Faustmann vor Gericht Fragen beantworten. Er hatte in einer methodenkritischen Analyse das Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen Henning Saß über Beate Zschäpe überprüft. Dieser hatte die Hauptangeklagte für voll schuldfähig befunden und zudem die Sicherungsverwahrung für sie nahegelegt.

Faustmann wirft Saß vor, er habe falsche Methoden angewandt, wissenschaftliche Standards verletzt und wertende Formulierungen benutzt. Beauftragt hatten ihn Zschäpes Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm. Sie wollen so offenbar das Gutachten stürzen, durch das ihrer Mandantin lebenslange Haft und Verwahrung drohen. Zudem hatten Zschäpes neue Anwälte den Psychiater Joachim Bauer ein alternatives Gutachten erstellen lassen.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.