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Alles auf Xhosa

Die Südafrikanerin Simphiwe Dana widmet ihr zweites Album dem Widerstand gegen die Apartheid und den drängenden Problemen in ihrer Heimat

Simphiwe Dana

Die erste Begegnung mit Simphiwe Dana, beim Capetown Jazzfestival 2005: Lange Schlangen hatten sich vor dem Konzertsaal gebildet. Die meisten Menschen mussten draußen bleiben, der Raum war zu klein. Die zu der Zeit 25-jährige Sängerin aus Gcuwa war gerade nach Johannesburg gezogen, ihr Debütalbum Zandisile hatte Platinstatus erreicht.

Enttäuscht saßen die Abgewiesenen in der Lobby vor einer Großbildleinwand, auf der das Konzert übertragen wurde. Junge Paare mit blassen Gesichtern im Neonlicht, vor sich Getränke in Plastikbechern. Dann die Durchsage: Es solle ein zweites Konzert geben, noch am selben Abend.

Nach dem zweiten Konzert wirkt sie kaum erschöpft. Sie spricht von den Problemen Südafrikas, vom schweren Erbe der Apartheid. Von Aids, Gewalt in Familien und auf den Straßen, von mangelnder Schulbildung und dem fehlenden Selbstvertrauen junger schwarzer Südafrikaner.

Die nächste Begegnung: In Berlin vor dem Brandenburger Tor, am One World Day im Sommer 2006. Ein Autounfall hatte sie fast das Leben gekostet, sie war im achten Monat schwanger. Ihrem Kind ist nichts passiert, doch der Unfall hat sie verändert. Sie möchte ihre Bekanntheit jetzt noch intensiver nutzen, um auf die Probleme Südafrikas aufmerksam zu machen.

Schon auf Zandisile hatte sie in ihrer Muttersprache Xhosa gesungen, um sich zu ihrer Identität zu bekennen. Sie distanzierte sich von Englisch und Afrikaans, den einzigen erlaubten Sprachen während der Apartheid. Auf ihrem zweiten Album The One Love Movement On Bantu Biko Street geht Simphiwe Dana nun einen Schritt weiter. Bereits der Titel stellt den Bezug zur schwarzen Widerstandsbewegung her.

Biko Street bezieht sich auf den Bürgerrechtler Steve Biko, der im Jahr 1977 im berüchtigten Police Room 619 zu Tode gefoltert wurde. Offiziell hieß es, er sei an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben. „So viele Anführer unseres Kampfes haben keine Straße, die nach ihnen benannt ist“, sagt sie. Bantu ist ein Begriff, der im 19. Jahrhundert von einem weißen Anthropologen für die verschiedenen Völker Mittel- und Südafrikas verwendet wurde. The One Love Movement macht Simphiwe Danas Liebe zu Bob Marleys Musik und seinen politischen Texten deutlich. Sie ist der Meinung, dass es notwendig sei, sich selbst zu lieben und an die eigenen Fähigkeiten zu glauben, um etwas erschaffen zu können.

Sie spielt auch auf die Zukunft Südafrikas an. Eine Folge der Apartheid sei das Gefühl, aufgrund der Hautfarbe „nichts wert“ zu sein. Sie bemängelt ein fehlendes Bewusstsein für die Familie. Viele Väter verlassen ihre Familien, auch Simphiwe Danas eigener Vater. Ihre Mutter zog sie und ihre drei Geschwister alleine groß. In den Vororten Johannesburgs und Kapstadts werben Plakate für ein positives Väterbild, ein schwarzer Mann hält ein Neugeborenes in den Armen.

Ihre auffälligen Turbane und Hüte entwirft sie selbst, ihre Kleider lässt sie von südafrikanischen Designerinnen gestalten. Auch von ihrer Schwester Siphokazi Dana, die für das Label Stoned Cherrie arbeitet. Simphiwe Dana hat ein eigenes Studio, im Hinterhof ihres Hauses in Johannesburg. Die Wände und Böden sind mit Teppichen und Tüchern bedeckt. Hierhin zieht sie sich oft zurück.

Zwei Jahre hat sie an The One Love Movement On Bantu Biko Street gearbeitet. In Südafrika erschien es Anfang des Jahres und gewann den South African Music Award gleich vierfach. Die Arbeit an dem Album sei ein Prozess gewesen, ein Weg, sagt sie. Wie die Bantu Biko Street. Ein Weg der Erinnerung, der nach vorne weist, in die Zukunft.

„The One Love Movement On Bantu Biko Street“ von Simphiwe Dana ist als einfache CD und limitierte Doppel-CD bei Skip Records/Soulfood Music erschienen.

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Liebesbriefe nach Kanada

Der Jazzpianist Herbie Hancock bewundert die Popsängerin Joni Mitchell. Er hat ihr sein neues Album gewidmet und Norah Jones, Tina Turner und Leonard Cohen ans Mikrofon gebeten.

Hancock River

Wenn man von Nordamerika spreche, dann müsse man von den Unterschieden zwischen US-Amerikanern und Kanadiern sprechen, sagt Herbie Hancock. Die US-Amerikaner seien selten wirklich nett, die Kanadier hingegen bezeichnet er als liebenswert und friedfertig. Joni Mitchell ist Kanadierin, ihr hat er seine neue CD gewidmet. Acht der zehn Stücke auf River: The Joni Letters sind von ihr. Die beiden kennen sich schon lange, im Jahr 1979 waren sie für die Platte Mingus zum ersten Mal gemeinsam im Studio.

In ihren Gedichten und Liedtexten berichtet Joni Mitchell von dem, was sie durchlebt hat. Wie sie als 21-Jährige ihre Tochter zur Adoption freigab und später wiederfand. Die Geschichte ihrer kürzlich verstorbenen Mutter. Wie ihr eine Wahrsagerin während des 2. Weltkriegs prophezeit hatte, dass sie binnen eines Monats heiraten würde. Tatsächlich traf sie einen Soldaten auf Heimaturlaub, ein Jahr später wurde ihre Tochter geboren. Herbie Hancock sagt, Joni Mitchell ließe das Publikum an ihren Erfahrungen teilhaben, sie versuche, eine Gemeinsamkeit herzustellen zwischen Künstlern und Menschen, die ein normales Leben führten. Es gehe ihr um die Gebote der Menschlichkeit.

Joni Mitchell ist eine enttäuschte Frau. Hancock versteht sie. Die Menschheit sei in großer Gefahr, man müsse neue Wege des respektvollen Zusammenlebens finden. Ihm ist sie eine Heldin. Sie sei niemand, der das Scheinwerferlicht suche, sondern eine starke Frau, die für ihre Überzeugungen kämpfe.

Auf seiner neuen CD interpretiert er Wayne Shorters Komposition Nefertiti, einen Klassiker aus Hancocks gemeinsamer Zeit mit dem Saxofonisten im Miles-Davis-Quintett der sechziger Jahre. Es sei eines der Lieblingsstücke Joni Mitchells, berichtet er. Jetzt spielt er es noch einmal mit seinem Freund Shorter. Wo im Original vor 40 Jahren ein Schlagzeugsolo pulsierte, ruhen nun Melodie und Klangaura. Joni Mitchell hatte Shorter häufiger zu Plattenaufnahmen eingeladen.

Herbie Hancock ist mittlerweile 67 Jahre alt. River: The Joni Letters ist seine erste Platte, auf der die Texte eine Rolle spielen. Die Arbeit an dem Album sei eine Herausforderung gewesen, erzählt er. Es sei ihm darum gegangen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Musik die Hörer dazu motiviere, auf die Worte zu achten. Deshalb spielte er die Lieder langsamer ein als Joni Mitchell. Sie wirbelte damals ihre tiefgründigen Texte um sich, hier wäre das auf Kosten der Inhalte gegangen. Dadurch, dass er die CD wie eine imaginäre Filmmusik zu ihrem Werk anlegte, schuf er Raum. Weniger ist mehr, das war sein Motto.

Hancock singt die Stücke nicht selbst, er überlässt prominenten Gästen den Platz am Mikrofon: Norah Jones, Tina Turner, Corinne Bailey Rae, Leonard Cohen. Zu den herausragenden Momenten der CD gehören Hancocks Solo in The Jungle Line – Leonard Cohen spricht den Text ein – und Norah Jones’ Gesang bei Court and Spark. Und natürlich das Stück The Tea Leaf Prophecy, das Joni Mitchell selbst singt.

„River: The Joni Letters“ vom Herbie Hancock ist erschienen bei Verve/Universal.

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Die große Wut

Christian Scott erzählt auf seiner Trompete von der Zerstörung seiner Heimatstadt New Orleans, vom Irak-Krieg und sozialer Ungerechtigkeit.

Scott Anthem

Der junge schwarze Trompeter Christian Scott wird hoch gehandelt in diesen Tagen. Beim North Sea Jazz Festival in Rotterdam interviewte er Wynton Marsalis, auf dem neuen Album von Prince spielt er ein Solo, und im nächsten Film von Steven Soderbergh ist er als Schauspieler zu sehen. Gerade ist seine zweite CD erschienen, Anthem.

Christian Scott kommt aus New Orleans, auf Anthem geht es um das Leben in der Stadt, die vom Wirbelsturm Katrina vor zwei Jahren teilweise zerstört wurde. Titel wie Litany Against Fear, Antediluvian Adaptian (Vor der großen Flut) und The Uprising sprechen eine klare Sprache. Im Schicksal von New Orleans spiegelten sich die großen Konflikte der Welt. Er sei kein politischer Musiker, sagt Scott. Die Regierung jedoch, die New Orleans tagelang im Stich ließ, sähe er gerne auf der Anklagebank – wegen Mordes.

Die Menschen dort seien immer noch aufgebracht. Es sei eine Schande, dass internationale Hilfsorganisationen sich einschalten mussten, während die eigene Regierung im Ausland teure Kriege um Öl führte. Die meisten schwarzen Menschen, die betroffen waren, verdienten zwischen 10.000 und 30.000 Dollar im Jahr, sie könnten sich oft kein eigenes Auto leisten und hätten keine Rücklagen, sagt Christian Scott. Man hätte sie vor der Sturmflut evakuieren müssen.

Er spricht von seinem musikalischen Konzept. Davon, dass die Gefühle eines Musikers nicht von den Inhalten zu trennen seien. Die Situation in New Orleans, der Irak-Krieg und die soziale Ungerechtigkeit in den USA machten ihn wütend, da könne er keine Party-Musik spielen. Es gehe ihm um Ehrlichkeit - sich selbst und dem Zuhörer gegenüber. Tief empfundener Protest und Unmut könnten sich aber unterschiedlich anhören, sagt Christian Scott. In seiner Musik lauert zwischen dem Ruhigen und Tradierten immer auch das Unberechenbare.

Vor sechs Jahren verließ er New Orleans, um Musik zu studieren. Heute lebt er in New York. Erst dort habe er bemerkt, wie beschränkt das Leben in seiner Heimatstadt war. Er verstehe, dass viele Menschen gar nicht mehr zurückkehren wollten, weil sie heute in anderen Städten besser und sicherer leben könnten. New Orleans sei gefährlicher als Los Angeles, sagt Christian Scott, Katrina habe das sichtbar gemacht.

Er wuchs auf mit HipHop, Prince und Michael Jackson, als Kind hatte er mit asiatischen und weißen Amerikanern zu tun. Die Segregationserfahrungen vieler afroamerikanischer Musiker machte er nicht. Sie waren gezwungen, mit anderen Schwarzen zu musizieren und entsprechende Verhaltens- und Sprachformen zu entwickeln. Christian Scott hingegen verspürt eine musikalische Freiheit. Sie möchte er auf Anthem zum Ausdruck bringen.

„Anthem“ vom Christian Scott ist erschienen bei Concord.

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Die Welt als Scheibe

Das Yesterdays New Quintet klingt wie eine echte Band. Vielleicht entsteht seine Musik in staubigen Gemächern? Nein, sie ist nur ein groovendes Hirngespinst im Universum.

Yesterdays New Quintet Yesterdays Universe

New York im Jahr 1978: Die Dilettanten halten Einzug in den Jazz. Eine Gruppe von Künstlern betritt die Bühne, sie nennen sich Lounge Lizards, Salonlöwen. Dabei sind sie eigentlich Punks. Links krümmt sich ein Hungerhaken mit Hornbrille und verdrischt seine Gitarre, Arto Lindsay heißt er. In der Mitte steht der Chef, ein zweitklassiger Saxofonist namens John Lurie. Er ist gut angezogen. Der Jazz hat gerade die lange Periode der Fingerfertigkeit durchlebt, Fusion-Jazz und Jazzrock haben ihn technisch perfektioniert. Die Lounge Lizards bringen die Abenteuerlust zurück in den Jazz. Sie prahlen nicht mit ihren künstlerischen Fähigkeiten, sondern machen Fake Jazz. Fälscher wollen sie sein, Antäuscher. Dreißig Jahre später sind sie keine Faker mehr, Zeit lehrt Instrument. John Lurie schreibt heute Filmmusiken.

Oxnard, Kalifornien, im Jahr 2007. Der HipHop-Produzent Madlib arbeitet besessen in seinem Studio, er verlässt es selten, gibt keine Interviews. Jedes Jahr veröffentlicht er rund zehn Alben unterschiedlicher Klangfarben. Niemand weiß, was er im Studio treibt, bis er es in die Welt schickt: HipHop mit indischen Bollywood-Samples, Raps mit Heliumstimme, Basslastiges für die Clubs, Deep-House. Madlib nennt sich Universalist. Seine Lust an der Täuschung und am Abenteuer verbinden ihn mit den Lounge Lizards.

Seit ein paar Jahren gibt es auch Platten seines Jazzprojekts Yesterdays New Quintet. Die Musik bewegt sich zwischen FreeJazz und Bossa Nova. Elektrisch und groovig sucht das Quintett die Nähe zum HipHop und seinen Bassfrequenzen. Es klingt nach Livemusik, unmittelbaren Sessions aus staubigen Gemächern, erdig und nie entspannt. Madlib und seine Band streben Richtung All, entrückte Synthesizer weisen den Weg. Das hat im FreeJazz Tradition. Antäuschend echt.

Auf den ersten Blick ist das neue Album Yesterdays Universe eine Kompilation mit Stücken des Yesterdays New Quintet und vieler Gastmusiker. Das Otis Jackson Jr. Trio interpretiert Bitches Brew von Miles Davis. Das Last Electro-Acoustic-Space Jazz & Percussion Ensemble widmet seinen Beitrag der Monica Lingas Band. Die wiederum hat keine MySpace-Seite. Ein sicheres Indiz dafür, dass es sie nicht gibt. Aber was ist schon sicher im Yesterdays Universe?

Soviel auf jeden Fall: Das Yesterdays New Quintet ist ein Hirngespinst. Die beteiligten Musiker Monk Hughes, Joe McDuphrey, Ahmad Miller und Malik Flavors gibt es nicht. Sie sind die virtuellen Bandkollegen von Otis Jackson Jr., so heißt Madlib bürgerlich. Nichts ist live eingespielt, alles wird im Studio montiert. Madlib spielt die meisten Instrumente selbst, solide aber nicht virtuos. Nur die renommierten Schlagwerker Karriem Riggins und Mamao sind auch aus Fleisch und Blut. Mit ihrem neuen Album Yesterdays Universe würden sich Yesterdays New Quintet auflösen, heißt es. Die Musiker wollten Soloprojekte verfolgen. Diese(r) Spinner!

Madlib gewährt Einblicke in sein Universum, und unsere Köpfe drohen zu platzen. Am Ende ist die Erde vielleicht doch bloß eine Scheibe. Und vielleicht steht sie schon in unseren Plattenschränken. Madlib sitzt derweil im Studio und arbeitet an der nächsten Überraschung.

„Yesterdays Universe“ vom Yesterdays New Quintet ist erschienen bei Stones Throw Records.

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Blechlastiges Abenteuer

Im Jahr 1965 nahm Charles Mingus ein launisches Livealbum an der Universität von Los Angeles auf - er schimpfte und lobte, scherzte und schwatzte. Nun ist das Konzert auf CD erschienen.

Charles Mingus At UCLA Monterey 1965

Im Jahr 1965 hatte Charles Mingus mit seinem Oktett fleißig komponiert und Stücke – teilweise über das Telefon – einstudiert. Sie sollten beim Monterey-Jazzfestival erstmals aufgeführt werden. Doch Mingus wurde nicht eingeladen. Kurze Zeit später traten die Musiker trotzig im Auditorium der Universität von Kalifornien (UCLA) auf. Mingus ließ das Konzert mitschneiden und als Doppel-LP in einer Auflage von 200 Stück für den eigenen Versandhandel pressen. Die gingen schnell weg; danach war die Aufnahme nicht mehr erhältlich.

Nun gibt es das Konzert auf einer Doppel-CD, Charles Mingus At UCLA. Eigentlich war es kein Konzert, es war ein Workshop, eine Performance, ein Happening. Man erlebt Mingus in Aktion: seine Ansprachen ans Publikum, die spontanen Anfeuerungsrufe an die Band und seine witzigen Zurechtweisungen der Musiker. Nachdem die Band mehrmals falsch eingesetzt hat, schickt er vier Musiker hinter die Bühne und legt in Quartett-Besetzung eine wilde Hommage an die Gründerväter des Bebops hin, Ode to Bird and Dizzy, eine Ode an Charlie Parker und Dizzy Gillespie. Danach bittet er die vier Blechbläser – Jimmy Owens (Flügelhorn), Hobart Dotson (Trompete), Julius Watkins (Waldhorn) und Howard Johnson (Tuba) – zurück auf die Bühne.

Charles Mingus At UCLA vermittelt einen Eindruck sowohl von der Zerbrechlichkeit von Mingus’ abenteuerlichen Kompositionen als auch von der Kraft des Jazz und improvisierter Musik allgemein. Neben den vier Blechbläsern stehen der Trompeter Lonnie Hillyer, der Altsaxophonist Charles McPherson und der Schlagzeuger Dannie Richmond auf der Bühne, Mingus selbst spielt mal Klavier, mal Kontrabass. Diese eigentümlich blechlastige und etwas jazzfremde Besetzung lässt die Musik bei aller Schwere der Themen leicht schweben. In They Trespass The Land Of The Sacred Sioux beschwört Mingus das traurige Los der Sioux-Indianer, in Don’t Let It Happen Here zitiert er den NS-Widerstandskämpfer Pastor Martin Niemöller. Dazwischen gibt es, wie damals bei Mingus üblich, mit Muskrat Ramble einen kurzen Ausflug zu den Ursprüngen des Jazz, zum Dixieland.

Trotz der oft schlechten Aufnahmequalität und manch anstrengender Passage entfaltet das Album einen Zauber, schon beim Auftaktstück Meditation On Inner Peace. Mingus lässt seinen Bass wie ein Cello singen, während Tuba und Schlagzeug den ruhigen, gleichförmigen Takt vorgeben. Improvisation schiebt sich über Improvisation, bis zum großen chaotischen Finale.

„At UCLA“ von Charles Mingus ist erschienen bei Emarcy/Universal.

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Implosives Nachspiel

Aki Takase und Silke Eberhard interpretieren Ornette Colemans alte Stücke neu. Ihre Improvisationen sind kraftvoll und kurzweilig.

Takase Eberhard Coleman Anthology

Es ist dem Saxofonisten Ornette Coleman kaum möglich, über seine Musik zu sprechen, ohne das Wort Liebe zu gebrauchen. Musik sei etwas fürs Gefühl, die Unsterblichkeit im Hier und Jetzt, sagte Coleman, als 1959 seine Platte The Shape Of Jazz To Come erschien. Die Aufnahme prägte ein neues Formverständnis und dokumentierte seine Suche nach der Erweiterung des emotionalen Ausdrucks im Jazzvokabular. Sie legte einen Grundstein für den Free Jazz. Ornette Colemans Kompositionen Lonely Woman und Peace sind Plädoyers für die lyrische Freiheit in der Musik, mit Congeniality, das er einem Wanderprediger gewidmet hatte, wollte er das besondere Verhältnis des Musikers zu seinem Publikum ausdrücken. Die CD-Box Beauty Is A Rare Thing mit Aufnahmen aus seinen Anfangsjahren ist eines der schönsten Liebes-Geschenke aus Jazzmusik, das man machen kann.

Die Musikerinnen Aki Takase und Silke Eberhard haben nun die eindringlichsten seiner Stücke aus den Jahren 1959 bis 1968 neu interpretiert für ihr Doppelalbum Ornette Coleman Anthology. Vom ersten Ton an ist hörbar, wie fasziniert die beiden in Berlin lebenden Musikerinnen von Ornette Coleman sind. Lieder, die Anfang der sechziger Jahre als revolutionär und unnahbar galten, klingen jetzt wie kammermusikalische Kleinoden. Man kann sich kaum mehr vorstellen, wie die Kompositionen die Menschen damals verstörten und verwirrten. In den Neuinterpretationen tauchen plötzlich bekannte Melodien auf und verschwinden wieder. Sie kämen einem wie wunderbare Traumbilder vor, schreibt die japanische Schriftstellerin Yoko Tawada.

Die Musik der Pianistin Aki Takase steckt voller Individualität, Kraft und Ausdruck. In ihren Projekten gelingt ihr die überzeugende Verbindung der Klassiker des Genres mit zeitgenössischer Improvisation. Auch das Spiel der Klarinettistin und Saxofonistin Silke Eberhard ist von der Improvisation bestimmt. Das Handeln der Partnerin wird rasch analysiert und eine musikalische Antwort gefunden. Das kurzweilig Implodierende in dieser Musik nimmt bei den beiden atemberaubende Züge an – sie machten es sich auch nicht gerade einfach, sagt Eberhard.

Mit der Ornette Coleman Anthology geht es Aki Takase und Silke Eberhard nicht um Kunststückchen und auch nicht um Besserwisserei. Der Klang müsse von innen wachsen, sagt Takase – alles dreht sich um die Liebe.

„Ornette Coleman Anthology“ von Aki Takase und Silke Eberhard ist erschienen bei Intakt Records.

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Wo ist der Takt?

Schwarzen Jazz und weißen Jazz kennt man. Aber indischen Jazz? Mit Folklore und Bollywood hat das jedenfalls wenig zu tun, was Vijay Iyer und Rudresh Mahanthappa spielen.

Vijay Iyer & Rudresh Mahanthappa Raw Materials

Jazz tauge nur etwas, wenn man den Puls des Widerstands spüre, sagt der Pianist Vijay Iyer. Die Musik ist ihm eine Form des Aushandelns. Er versteht sich als Teil einer Gemeinschaft der Improvisatoren, mutiger Individuen, die die Jazzgeschichte prägten. Musik, die unter behüteten Bedingungen entsteht, interessiert ihn nicht.

Das Down Beat Magazine kürte Vijay Iyer kürzlich zum Aufsteiger des Jahres 2006 – wie bereits im Vorjahr. So neu ist er gar nicht im Jazz, vor zwölf Jahren erschien sein Debüt Memorophilia, seit über zehn Jahren spielt er mit dem Saxofonisten Rudresh Mahanthappa zusammen. Raw Materials ist ihr neues gemeinsames Album.

Beide Musiker gehören zur ersten Generation von Immigranten mit indischen Wurzeln, die in den USA als Künstler arbeiten. In New York und San Francisco gibt es heute eine asiatisch-amerikanische DJ-Kultur und visuelle Künstler. Als Jazzmusiker passten sie aber noch nicht in die Schemata der Plattenfirmen, erzählt Rudresh Mahanthappa. Die erwarteten, dass man in jedem Stück indische Einflüsse ausmachen kann. Mittlerweile kämen auch junge indische Amerikaner zu ihren Konzerten.

Als Kind habe er nicht gewusst, wohin er gehöre. Seine Eltern waren in den fünfziger Jahren nach Colorado gekommen, ihre Heimat lernte er erst später auf einer Studienreise kennen. Sie seien gläubige Hindus, zu Hause habe es täglich indisches Essen gegeben, unterhalten habe man sich auf Englisch. Lange Zeit habe er sich gewünscht, weiß zu sein, berichtet Rudresh Mahanthappa.

Manche seiner Rhythmen kommen aus der südindischen Musik. In seiner Komposition Forgotton System gibt es ein Muster aus 30 Schlägen, das man in beliebig viele Takte aufteilen kann. Sind es zwei Takte mit 15, drei Takte mit zehn oder sechs Takte mit fünf Schlägen? Er bricht Strukturen auf, seine Rhythmen sind verzögert und polyrhythmisch.

Kürzlich erwarb das unabhängige New Yorker Label Pi Recordings die Rechte für den europäischen Vertrieb von Raw Materials, so ist die CD mit einem Jahr Verspätung nun auch hier erhältlich. Im Herbst werden die beiden Musiker beim Deutschen Jazzfestival Frankfurt auftreten.

„Raw Materials“ von Vijay Iyer und Rudresh Mahanthappa ist erschienen bei Pi Recordings/Sunny Moon.

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Transatlantische Ménage

„Jazz in Paris: The 100’s Most Beautiful Melodies“ fasst sechs Jahrzehnte franko-amerikanischer Musik auf fünf CDs zusammen.

Jazz In Paris

Dass das pulsierende New York das romantische Paris nach dem Zweiten Weltkrieg als Kunst- und Kulturhauptstadt der Welt ablösen würde, hatte sich das in einem Bereich schon lange abgezeichnet, nämlich im Klang der Moderne: dem Jazz. Ernest Hemingway und Man Ray, Aaron Copland und George Gershwin kamen in den zwanziger und dreißiger Jahren noch, um sich von Paris’ künstlerischer Atmosphäre anstecken zu lassen und von der alten Welt zu lernen. Amerikanische Jazz-Musiker traten da in Frankreich bereits als Botschafter des modernen Klangs auf.

Die Musik aus der neuen Welt wurde in Paris begeistert aufgenommen, die Debatte zwischen Anhängern des traditionellen Hot Jazz und des revolutionären Bebop leidenschaftlich geführt. Paris war der europäische Jazz-Brückenkopf. Die Jazzer galten als Künstler, nicht als Unterhalter. Schwarze Musiker konnten hier etwas angenehmer leben. Mancher – wie der Schlagzeuger Kenny Clarke – siedelte gleich für immer über. Es ist kein Zufall, dass einer der besten Jazz-Spielfilme, Bertrand Taverniers ’Round Midnight aus dem Jahr 1986, an der Seine spielt.

Um das franko-amerikanische Jazz-Erbe machen sich seit einiger Zeit das Label Emarcy und der Zigarettenhersteller Gitanes verdient. In der Reihe Jazz in Paris sind in den letzten Jahren über einhundert CDs erschienen. Sie dokumentieren in hervorragender Klangqualität einerseits Konzerte und Studioeinspielungen amerikanischer Solisten und Gruppen auf der Durchreise. Andererseits erinnern sie an französische Jazzmusiker wie Django Reinhardt (Gitarre), Stéphane Grappelli (Violine), René Urtreger (Piano) oder Pierre Michelot (Kontrabass).

Im Jahr 2005 erschien eine opulent ausgestattete, thematisch und chronologisch sortierte Sammlung aus vier Boxen mit insgesamt zwölf CDs. Jazz In Paris: The 100’s Most Beautiful Melodies ist nun die Sparversion dieses Samplers, erhältlich für unter dreißig Euro. Fünf CDs sind drin, von dem kitschigen Untertitel sollte man sich nicht abschrecken lassen.

Das Begleitbüchlein zur CD ist dünn ausgefallen, die abgedruckten Fotos zeigen Klischees, und die Reihenfolge der Stücke erscheint wahllos. Musikalisch ist die Zusammenstellung jedoch gelungen, sie vermittelt einen Eindruck der Vielseitigkeit und der Atmosphäre der transatlantischen Musik-ménage, die in den fünfziger Jahren ihren Höhepunkt erlebte. Jazz klang damals noch eine Spur rätselhafter und wehmütiger.

Neben bekannteren Aufnahmen von Miles Davis (ein Ausschnitt aus der Filmmusik zu Fahrstuhl zum Schafott von Louis Malle), Louis Armstrong oder Dizzy Gillespie findet man Seltengehörtes. Art Blakeys Jazz Messengers verneigten sich im Jahr 1958 mit dem coolen Des femmes disparaissent vor der französischen Hauptsstadt. Daneben funkeln Juwelen französischer Jazzer, die sich neugierig in die neuen Klang- und Rhythmuswelten stürzten.

Die 5-CD-Box „Jazz In Paris: The 100’s Most Beautiful Melodies“ ist erschienen bei Emarcy/Verve.

Bei über einhundert Stücken aus sechs Jahrzehnten ist es unmöglich, ein typisches Klangbeispiel zu finden. Daher bekommen Sie hier das traurigste zu hören. Der Tenorsaxofonist Lester Young spielt im März 1959 mit einer französisch-amerikanischen Kombo „I Can’t Get Started“ ein. Es war Youngs letzter Parisbesuch. Kurz nach seiner Rückkehr starb er in New York.

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Jünger des goldenen Rüssels

Im vergangenen Jahr löste der Saxofonist David S. Ware sein Quartett auf, es bekam kaum Angebote. „Renunciation“ ist ein Mitschnitt des letzten Konzerts.

David Ware Renunciation

Der Elefantengott Ganesha steht im Hinduismus für den Schutz des Hauses. Seit 30 Jahren beschäftigt sich der amerikanische Saxofonist David S. Ware mit der Mythologie der Gottheit. Sie herrscht über Poesie, Musik und Wissenschaft und ist das Symbol für Weisheit und Intelligenz, den Schutz bei Veränderung und Glück für den Weg. Auf der Hülle von David S. Wares im Jahr 2005 erschienener 3-CD-Box Live In The World war der Rüssel des Ganesha abgebildet, er sah wie ein goldenes Saxofon aus. Auch in den Anmerkungen zu seiner neuen CD Renunciation preist er den Elefantengott. Er könnte den Schutz gut gebrauchen, derzeit läuft es für den Musiker nicht rund.

Beim New Yorker Vision Festival im Sommer 2006 kündigte er an, der Auftritt sei der letzte seiner Band. Mit dem David S. Ware Quartet – neben ihm der Pianist Matthew Shipp, der Bassist William Parker und wechselnde Schlagzeuger – spielte er 18 Jahre lang zusammen, mit ihm war er bekannt geworden. Nun sollte Schluss sein. Aufgeregt und enttäuscht reagierten das Publikum und die Kritiker. Die neue CD Renunciation ist ein Mitschnitt dieses letzten Konzerts des Quartetts.

Zwei Menschen verdankt David S. Ware, dass er überhaupt bekannt wurde: seiner französischen Managerin Anne Dumas und dem Saxofonisten Branford Marsalis. Marsalis entdeckte ihn und vermittelte ihm im Jahr 1997 einen Vertrag mit dem großen Label Columbia. Zwei CDs und knapp drei Jahre später war Schluss, nicht nur für David S. Ware, auch Marsalis wurde als Talentsucher bei Columbia gefeuert. Anne Dumas verhalf dem Quartett in dieser Situation zu Auftritten in Europa, in seinem Heimatland gab es keine Angebote mehr.

Schon während seiner Zeit bei Columbia trat David S. Ware selten auf. Wenn er erst mal einen großen Plattenvertrag habe, würde sich alles ändern, hätten ihm die Manager damals gesagt. Es ginge nicht um die Musik, lamentiert er, die Manager reagierten nur, wenn sie Dollars ahnten. Müßig zu entscheiden, ob er frustriert oder realistisch ist. In die gängigen Jazzclubs passt David S. Ware nicht. Es stört ihn, wenn die Leute während seiner Konzerte trinken und essen und wenn sie sich unterhalten. Man spürt diese Haltung in seiner Musik, man liest sie in den Begleittexten seiner Alben.

David S. Ware löste sein Quartett auf, weil es in den Vereinigten Staaten keine Angebote mehr bekam. Er wolle die langjährige Arbeit nicht schmälern, schreibt er zu Renunciation. Das letzte gemeinsame Konzert sei vor allem als Kritik an den Verhältnissen in den Vereinigten Staaten zu verstehen. Ware fordert bessere Arbeitsbedingungen für Kreative, er weiß, dass nur etwas passiert, wenn Menschen, die die Musik lieben, sich für sie einsetzen.

Seine Musik ist wie ein Gebet – beschwörend, kraftvoll, tief, hymnisch. Es geht ihm um Bewusstsein und Wertesysteme, um die Fragen, wie man sich und die Welt wahrnimmt und wofür man lebt. Er brauche nicht viel zum Glück, sagt er. Wundervolle Musik machen, die Tiefe hat und doch schwebt, darum ginge es ihm. Er ist sich sicher, dass Ganesha ihn dabei unterstützen wird.

„Renunciation“ von David S. Ware ist erschienen bei AUM.

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Für jene, die nie zum Jazz gehen

Bekannt wurden The Bad Plus mit einer Coverversion von "Smells Like Teen Spirit". Eine Jazzband, die Pop nachspielt, das war vielen verdächtig. Auf "Prog" tun sie es erneut, diesmal sind David Bowie und Burt Bacharach dran.

The Bad Plus Prog

Die Amazon-Konsumenten jammerten vor zwei Jahren über die CD Suspicious Activity? von The Bad Plus, dass diese Band mit jeder Platte schlechter werde. Sie erfüllte die Erwartung nicht, die beste, lauteste, radikale Alternative zum typischen Piano-Trio zu sein. Die neue CD von The Bad Plus verspricht nun Besserung: Prog.

Der Bassist Reid Anderson, der Schlagzeuger David King und der Pianist Ethan Iverson spielen seit 17 Jahren zusammen. Die drei Musiker wuchsen in Minnesota und Wisconsin auf, früh haben sie sich als Protestbewegung gegen den Mief ihrer Elternhäuser verstanden. Wer wie Ethan Iverson mit Glatze, Sonnenbrille und Krawatte auftritt, sei in einem kleinen Dorf per se ein Außenseiter, sagt David King über seinen Pianisten.

Die Aufregung um The Bad Plus begann im Jahr 2002 mit These Are The Vistas, ihrer ersten CD für die große Firma Columbia. Der schwarze Publizist Stanley Crouch verdächtigte damals die weißen New Yorker Jazz-Kritiker, mit ihrer Begeisterung für die weiße Band Rassismus zu praktizieren. Crouch sprach von einer Verschwörung gegen die schwarze Ästhetik. Schwarze Kritiker wie Willard Jenkins und John Murph mutmaßten, dass wohl nie einer von The Bad Plus erfahren hätte, wenn es die Verschwörung weißer Jazzkritiker nicht gäbe. The Bad Plus, behaupteten sie, sei deren Produkt.

Noch etwas anderes verschaffte der Band Aufmerksamkeit. Auf These Are The Vistas befand sich eine Coverversion von Nirvanas Smells Like Teen Spirit. Eine Jazzband spielt Popmusik nach? Das war vielen verdächtig. Auf Prog tun sie es erneut, sie interpretieren David Bowies Life On Mars und Everybody Wants To Rule The World von Tears for Fears neu. Und Burt Bacharach: This Guy's in Love With You.

Vielleicht sind sie auch bekannt, weil The Bad Plus Menschen ansprechen, die nie freiwillig zu einem Jazzkonzert gingen. So heißt es oft, ihr Jazz klinge kalkuliert, wie für ein Pop-Publikum. Zweifler überzeugen The Bad Plus am ehesten mit ihrem handwerklichen Können. Sie finden es ganz normal, mit Popthemen zu experimentieren. Warum sollten sie noch eine Platte mit den Melodien von George Gershwin und Cole Porter aufnehmen?

„Prog“ von The Bad Plus ist erschienen bei Do The Math Records/Heads Up/Emarcy

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