Lesezeichen
 

Einmal den perfekten Moment, bitte

Sommerferien sind die vorprogrammierte Überforderung. Und Luxussorgen der Extraklasse. Dieses Jahr müssen es trotzdem die schönsten aller Zeiten werden.

© Robin Utrecht/AFP/Getty Images
© Robin Utrecht/AFP/Getty Images

Das grüne Leuchten ist ein Film von Éric Rohmer – ich habe ihn ungefähr 16-mal gesehen. Es gab Zeiten, da gab ich sogar Essen, um meinen Freunden – nach der Pasta – den Film zeigen zu können. Aber die meisten mochten ihn nicht. Trotz der vorzüglichen Nudelgerichte nur Unverständnis für meine Begeisterung.

Das grüne Leuchten erzählt die Geschichte einer jungen Frau in Paris, die einen Tag vor den großen Sommerferien von ihrem Freund sitzen gelassen wird – oder war es ihre Freundin? – und nicht mehr weiß, wie sie den Sommer verbringen soll.

Alle verlassen Paris, also fährt auch sie zu Freunden aufs Land, geht alleine wandern, mit einer drallen Blondine ans Meer. Aber nirgends kommt sie wirklich an. Bis am Ende…, aber man verrät ja keine Filmenden. Weiter„Einmal den perfekten Moment, bitte“

 

Das Glück zu wissen, was schön ist

Bald ist wieder Fashion Week in Berlin. Für Stadthunde eine besonders aufregende Zeit. Wie erklärt man Mode einem Vierbeiner?

© Getty Images
© Getty Images

Adele, komm mal her, ich muss dir was erklären. Mach Sitz und hör schön zu! Heute werde ich versuchen, dir begreiflich zu machen, was Mode ist. Ich fürchte, das wird ziemlich schwierig, weil Mode eine reine Menschenangelegenheit ist und in deinem Hundeleben gar nicht vorkommt.

Das heißt, halt!, eine gewisse Verbindung gibt es doch. Hast du dich schon einmal gefragt, warum wir auf unseren Hunderunden so vielen Labradoren, Jack Russel Terriern und Golden Retrievern begegnen und so wenigen Samojeden, Komondoren, Pulis und Portugiesischen Wasserspanieln? Ja, jetzt guckst du! Das sind Hunderassen, von denen du noch nie gehört hast. Auch ich kenne sie nur aus den Hundefilmen auf Animal Planet. Diese Hunderassen sind nämlich hierzulande gerade nicht in Mode, obwohl sie sich nur in Details von deinesgleichen unterscheiden. Und damit hast du schon gelernt: In Mode zu sein, das bedeutet, alle oder wenigstens sehr viele finden es gut und tun dabei mit.

Weiter„Das Glück zu wissen, was schön ist“

 

Hinterm Loch die Party

Der Berliner Club Antje Øklesund ist sagenumwoben. Marode Orte wie dieser machten in den Neunzigern den Charme der Stadt aus. Nun wird dort zum letzten Mal gefeiert.

Antje Øklesund: Hinterm Loch die Party * Freitext
© Jan Brandt

Martin, ein alter Schulfreund, der wie ich seit Jahren in Berlin lebt, schwärmte mir schon lange von diesem Ort vor: das Antje Øklesund, ein halb verfallenes Gelände einer Möbelfabrik an der Rigaer Straße im Stadtteil Friedrichshain. Die eine Hälfte des ehemaligen Kesselhauses sei abgebrannt, sagte er, als loderten die Flammen noch in seinem Herzen, die andere stehe noch und beherberge einen Club, ein echter Geheimtipp, nirgendwo weise ein Schild darauf hin, hinein komme man nur durch ein Loch in der Mauer. Das Antje, sagte er, sei der letzte Rest des im Krieg zerstörten Berlins – ein Abenteuerspielplatz wie es, als wir Ende der neunziger Jahre herzogen, noch viele gegeben hat. Und dann schwelgte er in Erinnerungen an besetzte Häuser und illegale Bars, an all die Ruinen, die inzwischen Neubauten gewichen waren, an eine Zeit, die es nicht mehr gab und niemals wieder geben würde in Deutschland.

Martin war damals oft unterwegs, er arbeitete als Schlafwagenschaffner. Wenn ich Martin doch einmal traf, allein traf, sprach er über Frauen, und wenn er nicht über Frauen sprach, dann deshalb, weil er von ihnen umgeben war, und daher hoffte ich, er würde mir Antje Øklesund, die Namenspatin jenes mythischen und doch erst 2005 gegründeten Clubs, eines Tages vorstellen. Aber das tat er nicht. Stattdessen sagte er, was das Antje einzigartig mache, sei das Adriano Celentano Gebäckorchester, das dort regelmäßig auftrete und italienische Schlager spiele. Das, sagte er – er sprach mir dabei tief in die Ohren –, müsse ich mir unbedingt einmal anhören. Weiter„Hinterm Loch die Party“

 

Nur Tod. Nur Lachen

Die Medien sind voller Nachrichten aus der Ukraine. Doch unsere Autorin fürchtet, dass wir ihre Heimat und deren Menschen keineswegs verstanden haben.

Ukraine: Nur Tod. Nur Lachen * Freitext
amir Sagolj/Reuters

An dieser Stelle sollte ein anderer Text stehen. Der allerdings ist mir misslungen. Es ging darin um die Ukraine und ihren Krieg, um die Sowjetunion und ihre unaufgearbeiteten Verbrechen, für die nie jemand verurteilt wurde. Und es ging um die Denkmäler der sowjetischen Politiker, die noch vor Kurzem überall in der Ukraine standen, als ob sie nicht Mörder, sondern nationalen Helden darstellten. Eine grauenhafte Realität scheint ihre Gründe in einer noch grauenhafteren Vergangenheit zu haben. Erst vor einem Jahr begannen die Ukrainer, die sowjetischen Denkmäler in großem Maßstab zu zerstören – eine erschreckend verspätete Aktion der Entsowjetisierung, die beinahe an ein exorzistisches Ritual grenzte.

In dem misslungenen Text schrieb ich auch über meinen Urgroßvater, einen reichen ukrainischen Bauern, der im Jahr 1933 gezwungen wurde, seinen Hof über Nacht zu verlassen, mitnehmen durfte er nur die notwendigsten Habseligkeiten. Auf der Treppe eines Kinderheimes sagte er seiner kleinen Tochter, sie solle hier auf ihn warten, er hole etwas zu essen und käme sofort zurück. Die Tochter wartete brav, und manchmal überkommt mich der Verdacht, dass sie insgeheim immer noch auf ihn wartet. Weiter„Nur Tod. Nur Lachen“

 

Wenn der Makler mit der Luxuswortanlage klingelt

Die Investorenprosa unserer Tage kann man lächerlich finden. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten ähnelt das prätentiöse Palaver dem aufgeplusterten Jargon der Nazis.

Neulich auf Usedom: An der historischen Seepromenade klafft zwischen den Gründerzeitvillen eine Lücke, als hätte man der Reihe historischer Gebäude einen Zahn ausgeschlagen. Davor informiert eine Schautafel über das Gebilde, das demnächst aus der Baugrube wachsen soll. Eine „neue Definition von Wohnfreude“ wird hier angeblich formuliert. Die „Magie der glanzvollen Kaiserbäder“ werde sich in dem „Wohnprojekt“ widerspiegeln. Und dann, ich zitiere wörtlich, aber aus Gründen der Menschlichkeit nicht in voller Länge: „Das stilvolle Exterieur des Objektes greift die prunkvolle Bäderarchitektur auf, ohne an Mondänität und Novität zu verlieren. 20 Luxusapartments auf vier Etagen zeigen, wie Exklusivität und Purismus sich zu einer einzigartigen Sinfonie vereinigen.“ Natürlich zeichnet für das Bauvorhaben nicht ein schnödes Immobilienbüro verantwortlich, sondern ein „contor“ − in retrofuturistischer Kleinschreibung, aber allen Ernstes mit c, so als handelte es sich um einen Kaufmannsbetrieb aus der Kaiserzeit.

Die Behauptung, dass die fischdumme Investorenarchitektur, die hier entsteht, stilistisch an die historische Bäderarchitektur anschließe, ist, das sieht man sofort, schlichtweg gelogen: Anhand der neben der Maklerprosa prangenden Bilder kann selbst der architekturhistorische Laie erkennen, dass es sich bei dem beworbenen „Objekt“ um ein x-beliebiges Apartmentgebäude im Hochpreissegment handelt, das genauso gut am Starnberger See oder in Bad Lippspringe stehen könnte. Mit den umliegenden Gebäuden hat es so viel gemein wie eine Hundehütte mit einem Hallenbad: ein Dach, Wände, Fenster. Aber darum geht es hier nicht, die Sünden wider die Baukultur mögen Kompetentere anprangern. Weiter„Wenn der Makler mit der Luxuswortanlage klingelt“

 

Das Unglück ist eine ungekochte Süßkartoffel

Die Affenforschung offenbart mal wieder tiefe Einblicke in das Wesen des Daseins. Unser Autor hat der Wahrheit ins Auge gesehen: Ein besseres Leben ist nicht möglich.

O je, wir Schimpansen. Wir essen gerne Gekochtes, aber wir können kein Feuer machen, wir können keinen Herd bedienen, wir können nicht gut grillen. Dank ein paar Verhaltensforschern wissen Sie das jetzt. Das ist okay und bestimmt ein wenig interessant. Nicht okay ist es, dass wir das jetzt auch wissen. Das ist sogar ziemlich schlimm: Plötzlich herauszufinden, dass man etwas will, was man aber beim besten Willen nicht kann.

Dann hätte man es lieber nie erfahren, dann hätte man lieber nie etwas Gekochtes probiert, so wahnsinnig toll war es nun auch nicht. Die Verhaltensforscher sind nun aber weg, und wir Schimpansen sitzen da und kauen lustlos auf einer Süßkartoffel herum, die für uns ab jetzt nie mehr eine Süßkartoffel sein wird, sondern eine rohe Süßkartoffel. Eine Süßkartoffel, die schon einmal besser geschmeckt hat. Bei jeder Süßkartoffel schmecken wir jetzt die Differenz zwischen dem, was sein könnte, und dem, was leider nun einmal so ist, und Differenzen schmecken staubig. Weiter„Das Unglück ist eine ungekochte Süßkartoffel“

 

Gegen den Widerstand der Wüste

Offenheit, Heterogenität, Transkulturalität – das klingt alles gut. Bei einem Besuch in Kairo aber ahnt man, warum Kulturen dazu neigen, sich voreinander zu verschließen.

Kairo: Gegen den Widerstand der Wüste - Freitext
© Ed Giles/Getty Images

Lange gleitet die Air Egypt Maschine an diesem Sonntagabend über die Häuser von Kairo. Die schiere Ausdehnung der 18-Millionen-Stadt, dieser City out of Control, wie mir ein Buchtitel am nächsten Morgen in einer arabischen Buchhandlung verrät, lässt keine andere Annäherung zu. Bunt das Elektromeer unter mir, die dicken Straßenadern, vier rote, weit gestreckte Kanäle, vier gelbe, festgefroren in einer Glasröhre, der Fieberverkehr. Auf dem Rückflug am Ende der Woche ein vollkommen anderes Bild: sehe nur erdbraun, wüstenbraun, sehe den Sand, der die Stadt umgibt – in den sie übergeht, in dessen Farben sie gebaut ist. Darüber steigen Rauchfahnen in die Höhe, überall brennt Müll.

Tage in einem dicht von Menschen, haushohen Werbeschildern, Autos in jedem Grad der Blechabschilferung besiedelten, bewegten, durchkreuzten Raum. Meine Hilfsmittel: die Bilder im Kopf vom November 2013. Gesprächspartner, ihre Antworten, ihr eigenes Suchen. Anders als vor 16 Monaten ist der Tahrir-Platz durchgehend geöffnet; der einzige Panzer, den ich sehe, steht vor der Botschaft Saudi-Arabiens auf der andern Seite des Nils. Die Häuser am Platz der Februarrevolution von 2011 sind frisch renoviert, sie wirken wie aus dem Ei gepellt. Das mächtige Zentralverwaltungsgebäude Ägyptens, die Mogamma, in dessen Tiefen man sich für Tage verlieren kann (ägyptische Kenner der deutschsprachigen Literatur versichern, Kafka sei harmlos), arbeitet wieder. In der Buchhandlung, in der das Out of Control mir ins Auge springt, weil es nicht zu meinen Seh-, wohl aber zu meinen Gefühlseindrücken passt, liegen die ersten Abdel-Fattah-al-Sissi-Monographien aus. Weiter„Gegen den Widerstand der Wüste“

 

Stups mich am Popo und ich sag dir, wer ich bin

Hunde schnüffeln sich gegenseitig am Hintern rum. Menschen gucken auf ihre Smartphones. Im Grunde dasselbe. Unser Autor erklärt seinem Labrador, was Kommunikation ist.

Kommunikation: Stups mich am Popo, ich sag dir, wer ich bin
Nicholas Kamm/AFP/Getty Images

Adele, komm mal her! Mach Sitz! Und hör gut zu, ich muss dir was erklären. Heute: die Kommunikation.

Weißt du, Adele, manchmal haben die Menschen allen Grund, auf euch Hunde neidisch zu sein. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, was man wissen will, was man wissen kann und in welchem Verhältnis das erwünschte und das tatsächliche Wissen zueinander stehen.

Guck nicht so belämmert, Adele, ich gebe dir gleich ein Beispiel. Ich weiß ja, dass du für Abstraktionen nichts übrig hast. Wenn also ihr beiden unterwegs seid, du und Monty, dein, nun ja, biologischer Papa, und ihr trefft einen anderen Hund, dann klärt sich meistens innerhalb von ein paar Sekunden, was ihr voneinander denkt. Wenn ich richtig informiert bin, besitzt ihr Hunde zu diesem Zweck ein Kommunikationssystem, das über Gesten und Blicke, vor allem aber über den Geruch funktioniert und ganz offenbar von hoher Aussagekraft und Zuverlässigkeit ist. Weiter„Stups mich am Popo und ich sag dir, wer ich bin“

 

Der Riss im Urvertrauen

Nirgendwo fühlen wir uns so sicher wie in unseren eigenen vier Wänden. Was, wenn diese Sicherheit porös wird? In Köln ist der Alptraum des Stürzens immerzu präsent.

Der Alptraum – ein Sturz
© Vladimir Rys/Getty Images

Es ist eines jener Löcher, die sich sonst nur in Alpträumen auftun. Eben noch gehe ich über eine Straße, öffne in meiner Wohnung eine Tür, sitze schreibend an meinem Tisch, denn nur beim Schreiben, wenn ein Wort das nächste ergibt, stürze ich ähnlich unvermittelt von einer Welt in die andere wie in einem Traum. Plötzlich reißt unter meinen Füßen der Boden auf. Die Straße versinkt in einem Krater, hinter der Tür rutscht das Zimmer in die Tiefe, der gerade begonnene Satz bricht ab und markiert mit dem Wort, das ich nicht mehr vollenden werde, den Zeitpunkt meines Verstummens.

Der freie Fall ist vielleicht deshalb oft Höhe- und Endpunkt eines Alptraums, weil er den totalen Verlust der Kontrolle bedeutet – über den Körper und die Umwelt, über die Sprache und über sich selbst. Wenn es einem Menschen den Boden unter den Füßen wegzieht, meinen wir mit diesem Sprachbild meist seinen durch einen unvermittelten Bruch in seinem Leben ausgelösten Sturz in eine persönliche Krise, den jähen Einbruch des Unwahrscheinlichen in das alltägliche, mehr oder weniger sicher gewähnte Leben. Eine durch höhere Gewalt ausgelöste Katastrophe, der plötzliche Verlust eines geliebten Menschen, die eigene Wohnung, die man von einer Minute auf die andere verlassen muss. Weiter„Der Riss im Urvertrauen“

 

Die Rache der Taka-Tuka-Länder

Wie viele psychotische Schübe hatte Pippi tatsächlich? Was hat sie mit dem Fall der Berliner Mauer zu tun? Unser Autor kennt die Geheimnisse des Kinderstars. Sie auch?

Pippi Langstrumpf: Die Rache der Taka-Tuka-Länder
© Pressens Bild/AFP/Getty Images

Gestern feierte Pippi Langstrumpf ihren 70. Geburtstag. Wir waren natürlich wieder mal nicht eingeladen. Deshalb gratulieren wir erst heute mit vernuschelten Entschuldigungen, in denen „kranke Oma“ und „seltsamer Bug in der Kalender-App“ vorkommt. Als Geschenk haben wir das Quiz von SPON geklaut. Nur ohne Bildstrecke.

WER HAT ES GESAGT?

„Sein oder Nichtsein?“

  • Pippi Langstrumpf
  • Hamlet

RICHTIG. Pippi sagte diesen mittlerweile legendären Satz im verstörenden letzten Film der Reihe Pippi und die Rache der Taka-Tuka-Länder (1975), als sie den Schädel des bestialisch ermordeten Tommy findet. Kurz darauf kommt zum Glück ein Pferd vorbei, das sie hochheben kann. Das macht ihr Spaß. Dem Pferd macht es keinen Spaß. Weiter„Die Rache der Taka-Tuka-Länder“