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Herrchen im Himmel

Das Leben wird immer komplizierter. Kein Grund zu verzweifeln! Unser Autor weiß, wie man den Überblick behält: Er erklärt die Welt seinem Hund. Heute – die Religion.

© Daniel Berehulak/Getty Images ()
© Daniel Berehulak/Getty Images ()

Adele, komm mal her! Mach Sitz! Und hör gut zu, ich muss dir was erklären. Also, pass auf, Adele! Vor langer Zeit, als es noch mehr Wölfe als Hunde gab, da glaubten alle Menschen auf der Welt, es gäbe für sie ein, nun sagen wir: Herrchen. Allerdings nicht, wie bei euch Hunden, ein Herrchen für jeden, sondern eines für alle. Und noch etwas war anders an diesem Menschen-Herrchen. Es lebte nämlich nicht hier auf der Erde, schnauzte einen nicht an, zerrte einen nicht an der Leine und gab, leider, auch kein Futter aus der Hand. Die Menschen dachten sich ihr Herrchen vielmehr irgendwo anders, weiter oben, von wo es allerdings jeden Menschen aufmerksam beobachtete. Und wenn der Mensch gegen die Regeln des Herrchens verstieß, musste er mit allerlei Strafen rechnen, die gewissermaßen indirekt vollstreckt wurden, zum Beispiel in Form von Krankheit und Armut oder Quälereien nach dem Tod.

Nun weißt du als Hund ja aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, schon die Wünsche und den Willen eines real anwesenden Herrchens richtig zu deuten. Um wie viel schwieriger ist es da, Wunsch und Wille eines abwesenden, aber gewissermaßen universellen und omnipotenten Herrchens dauernd richtig zu treffen. Weiter„Herrchen im Himmel“

 

Nach zwölf Tagen im Wasser verfaulen die Beine

Was kann man ausrichten in einer Zeit, in der junge Männer sterben, die man schon als Kind kannte? Über die Ohnmacht der Worte angesichts des Ukraine-Konflikts

© John MacDougall/AFP/Getty Images ()
© John MacDougall/AFP/Getty Images ()

Ich werde oft gefragt, was die Intellektuellen in der Ukraine dieser Tage machen. Und was sie machen können. Und ich antworte immer, dass es keine allgemeinen Regeln gibt, denn jeder reagiert auf die Situation anders – wird zum Beispiel sehr aktiv, schreibt viel, oder hört auf zu schreiben und wird zum freiwilligen Helfer, bringt den ukrainischen Soldaten warme Socken, Essen und Zigaretten. Oder macht ein Literaturfestival in Slowjansk, wo noch vor Kurzem schwere Kämpfe stattfanden. Oder wird einfach verrückt.

Jeder reagiert anders, ich kann nur von mir selbst sprechen. Das antworte ich immer, und das ist ein großer Fehler, weil die nächste Frage, die kommen könnte, dann lauten müsste: Gut, was machst Du denn? Und diese Frage, die Gott sei Dank noch nie gestellt wurde, ist für mich fatal. Ich mache gar nichts. Diesen Krieg kann ich weder gewinnen noch stoppen. Was ich auch tun würde, es könnte doch nichts ändern.

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Mein Papst und ich

Das neue Papst-Magazin ist die Fortsetzung der urkatholischen Populärkultur. Etwas enttäuschend: Beim Preisausschreibung winken 100 Euro, nix mit Seligsprechung.

© Franco Origlia/Getty Images/Bearbeitun: ZEIT ONLINE
© Franco Origlia/Getty Images/Bearbeitun: ZEIT ONLINE

Eines steht fest: Das Verhältnis der Deutschen zum Papst hat sich seit dem Rücktritt Benedikts XVI. radikal verändert. Ganz Deutschland brodelte im weißen Rauch, als die Bild bei Ratzingers Wahl WIR SIND PAPST titelte, ein Ausruf zwischen Pluralis Majestatis und Inbesitznahme aller päpstlichen Würden für den guten Zweck der Yellow Press. Mit Franziskus haben wir uns von dieser symbiotischen, überindentifikatorischen, ja geradezu kannibalistischen Beziehung zum obersten Pontifex erholt.

Mein Papst heißt das neue Magazin, das seit März auf dem Markt ist. Nun gibt es viele Titel, unter denen deutsche Dichter und Denker den Bischof Roms thematisiert haben, etwa Der Erwählte (Thomas Mann) oder Der Stellvertreter (Rolf Hochhuth), aber keiner ist so schlicht, liebevoll und frei von jeglicher Problematisierung des Amtes wie jener aus dem Hause Panini. Mein Papst, eine Wendung für ein Lebkuchenherz, vergleichbar mit mein Schatz, mein Bärchen, mein Herzensmann, deutet auf eine geordnete, besitzergreifende Liebesbeziehung hin.

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Beziehungsstatus? Es ist kompliziert

Monogamie, Bigamie, Theophilie, Enthaltsamkeit – was bitte ist denn nun der Weg zum großen Glück? Unser Autor bringt Ordnung in das moderne Liebeschaos.

Hier auf ZEIT Online wurden die Leserinnen und Leser gefragt, ob sie noch an die monogame Zweierbeziehung glauben oder längst andere Beziehungsformen für sich gefunden haben. Weil man in der Vielzahl der möglichen Liebesarten schnell den Überblick verliert, erkläre ich hier kurz die wichtigsten davon.

 

Monogamie

Man ist ein Leben lang mit demselben Partner zusammen und dabei unglücklich. Manchmal macht man Tanzkurse.

 

Serielle Monogamie

Man ist erst mit dem einen Partner zusammen und dabei unglücklich und dann mit einem anderen, mit dem man kurz hofft, glücklich zu werden, bevor man dann wieder unglücklich ist. Und so weiter. Zwischendurch ruft man den Partner an, mit dem man am wenigsten unglücklich war, und sagt, dass man einen Riesenfehler gemacht hat. Das ist ein Riesenfehler.

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Die Angst hockt dicht unter der Oberfläche

Hier Yves Saint Laurent und Chanel, ein paar Meter weiter ein Netto. Und dazwischen springt einen plötzlich der alltägliche Rassismus an. Wieso haben wir alle Neugier auf das Fremde verloren?

© Peter Steffen/dpa/Montage: ZEIT ONLINE
© Peter Steffen/dpa/Montage: ZEIT ONLINE

Manchmal scheinen die Dinge so banal zu sein, dass ich mich frage, ob ich nicht naiv bin. Nur, dass ich es auf der politischen korrekten Seite bin, selbstverständlich. Und mich deshalb zurücklehnen und eine Geschichte erzählen kann.

Wenn man aus München nach Berlin kommt, so kann man sich an den vielen libanesischen Imbissen freuen, an der Selbstverständlichkeit, mit der jeder nicht nur Sushi, sondern auch Pelmeni kennt, man kann beinahe so tun, als sei man ein bisschen in London, aber das ist bereits schriftstellerische Fantasie. Und den grauen Himmel, den nimmt man einfach so hin, man ist ja aus München in Berlin. Weiter„Die Angst hockt dicht unter der Oberfläche“

 

Pegida ist kein Kochkurs und Kopenhagen nicht weit

Terror und Antisemitismus rücken immer näher. Wie lebt es sich als Jüdin in Berlin? Soll man womöglich der Einladung Netanjahus folgen?

„Hast du Angst?“

Hat man mich in den letzten Tagen gefragt. „Hast du jetzt mehr Angst als früher? Versteckst du dich? Bleibst du mehr zu Hause? Holst du deine Kinder immer und überall ab?“

Ich habe trotzig geantwortet: „Nein! Ich habe keine Angst. Und du?“

Dann habe ich möglichst schnell das Thema gewechselt.

Vielleicht hätte ich antworten sollen: „Ich will keine Angst haben. Und schon gar nicht, weil ich Jüdin bin. Ich will nicht, denn Angst essen Seele auf, das hat schon der olle Fassbinder gewusst.“

Ganz ehrlich, ganz im Vertrauen, ganz heimlich: Natürlich habe ich Angst. Aber jeder vernünftige Mensch hat jetzt Angst, ob Jude, Nichtjude oder Atheist. Weiter„Pegida ist kein Kochkurs und Kopenhagen nicht weit“

 

Alles muss man selber machen!

Gestern wurden im Karriere-Teil von Spiegel Online eine Reihe von prominenten Wirtschaftslenkern bewundernd kurzporträtiert, die erzählen, wie wahnsinnig früh sie aufstehen und was sie dann alles erledigen. Nur mich hat man da natürlich wieder vergessen.

Einen Wecker braucht Tilman Rammstedt nicht. Pünktlich um vier weckt ihn täglich eine Panikattacke. „Der frühe Morgen ist für mich die ideale Zeit, um alles sehr, sehr schlimm zu finden“, hat Rammstedt über sich herausgefunden. Bis halb fünf erledigt er die dringendsten Aufgaben des Tages (Verzweifeln, Seufzen, Haareraufen, Wimmern) direkt noch im Bett. „Selbsthass im Pyjama? Ja, das geht gut“, lacht der sympathische Managertyp. Weiter„Alles muss man selber machen!“

 

Gruppenbild mit Liebeskasper

Die Auserwählte will sich für den Richtigen aufsparen. Vor lauter Sehnsucht verwechselt man Bohnen mit Pommes. Unser Kolumnist lernt, was Liebe ist. Das Fax der Woche

Große Not. Siggi, der Liebeskasper, glüht. Wir sitzen vor dem C﹠A-Eingang, gelegentlich leuchten die Lampen der Alarmschranken auf, eine verschreckte türkische Dame erstarrt mitten im Schritt, hält die Tüten hoch, läuft zurück zur Kasse. Neben uns, am äußersten Sitzrand, schaufelt ein netter Irrer Kartoffelsalat aus dem Plastiktöpfchen. Eine Mücke fliegt mir ins Gesicht. Ich denke: Wieso locke ich immer Käfer und Fliegen an? Weiter„Gruppenbild mit Liebeskasper“

 

Meine Ohrwürmer (5): e““

Unser Autor hat einen neuen Ohrwurm. Es ist ein Tinnitus mit kryptischer Botschaft: Der Krieg in der Ukraine ist lauter als alle Lieder.

Beschreibung: Streng genommen handelt es sich um keinen Ohrwurm, sondern eher um ein Insekt. Es nistet in meinem linken Mittelohr und lässt in unvorhersehbaren Momenten ein hohes, glänzendes Sirren ertönen. Vielleicht versucht es zu singen, vielleicht zu fliegen, vielleicht reibt es auch einfach die Kanten seiner Vorderflügel gegeneinander wie eine Grille. Wenn ich für einige Sekunden mit dem Zeigefinger das betroffene Ohr verstopfe, verstummt es und schläft auf unbestimmte Zeit wieder ein.

Vorkommen: Unregelmäßig. Zum letzten Mal gestern Nacht, 4.33 Uhr.

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Die Regeln der Rebellion

Unser Kolumnist fragt sich, wo er in dieser Gesellschaft steht: Zwischen reichen Luftsäcken und verstrahlten Aussteigern, scheffelnden Großbürgern und stiernackigem Volk. Das Fax der Woche

Schweinekalter Sonntag. Steh am Fenster mit schiefem Hals, hab mich verlegen. Schnee auf Zweig und Ast. Krähe landet rutschend auf dem Dachfirst, wischt mit einem Flügel über die Kante. Raus ins Freie, schnaufe mich durch die Gassen, blicke auf, sehe eine Stütze der Gesellschaft: Großbürger in Grobripp-Freizeithose lupft zum Gruße die Mütze. Der Gruß gilt einer Dame. Schmelzende Mittelschicht, dezente Ausgehschminke, handgenähte Reitstiefel.

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