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Schleimspur zur Auferstehung

Der wahre Osterhase ist die Schnecke: Sie schleppt ihr Schicksal, ihr Kreuz, ergeben auf dem Rücken mit sich herum. Das ist ihre österliche Lehre!

Schnecke: Schleimspur zur Auferstehung
Copyright: Alberto Pizzoli/Getty Images

Gelobt seist Du, Schnecke, Du Königin unter den Schalenweichtieren! Meine Zunge ist nur eine unvollkommene Nachbildung Deines Kriechfußes, mein Geist ist gebrechlicher als die Kalkwand Deines Gehäuses. Dennoch will ich ein Lied auf Dich singen und erklären, weshalb Du die einzig legitime Nachfolgerin Christi auf Erden bist.

Zu den Mysterien der Ostermythologie gehört bekanntlich die biologisch unplausible Kombination aus Hase und Ei. Dass geschlechtsreife männliche Hasen Testikel haben, sei unbestritten. Aber erstens haben diese keinerlei Ähnlichkeit mit den Kalkschalen aus Hühnergedärm, die wir zu Ostern bemalen. Zweitens verstecken die Rammler ihre Klöten nicht im Unterholz. Und würden sie dies, aus welchen bizarren psychopathologischen Gründen auch immer, doch einmal tun, dann würde man, drittens, wohl kaum seine Kinder ermuntern, nach ihnen zu suchen. „Guck mal, Papa, was ich gefunden habe!“ „Äh … leg die Dinger bitte schnell zurück, Schatz. Meister Lampe kommt bestimmt gleich wieder, um sie zu holen.“ Weiter„Schleimspur zur Auferstehung“

 

Ungeschützt im Raum Deutschland

Soll mal einer sagen, in der Provinz würde man nichts erleben! Unsere Autorin trifft im Zug auf die Misere der Bundeswehr und den späten Swing einer deutschen Vita.

Bundeswehr: Ungeschützt im Raum Deutschland
Copyright: Darren Bockman/Unsplash.com

„Wenn der Osten an einem Samstag einmarschiert wäre, sie hätten die ganze Republik erobert, alle waren ja im Wochenende.“

Ich habe den kleinen untersetzten Mann nichts gefragt, aber er will erzählen, was kann ich da machen?

Ich bin wieder auf Lesereise, also ungeschützt im „Raum Deutschland“ unterwegs, jetzt liegt die Strecke Regensburg-Nürnberg vor mir, eine Stunde wird der Herr Zeit haben, mir sein Leben zu erzählen, und ich bin sicher, er wird es tun. Weiter„Ungeschützt im Raum Deutschland“

 

Und plötzlich steht da Eva

Die Sehnsucht nach dem Paradies ist groß. Aber wo soll man es in unserer vollends vermessenen Welt noch finden? Das Geheimnis: Manchmal liegt es näher, als man denkt.

[M] ZEIT ONLINE/Bengelsdorf/photocase (https://www.photocase.de/Bengelsdorf)
Bei Dante, nicht dem sympathischen brasilianischen Fußballspieler, sondern beim größten italienischen Dichter, liegt das irdische Paradies auf dem Gipfel des Läuterungsberges. Dieser besteht aus der Erdmasse, die beim Höllensturz Luzifers auf der anderen Seite des Kraters herausgedrückt wurde. Der Krater geht von der Erdoberfläche bis zum Erdmittelpunkt, wo Luzifer kopfüber feststeckt. Nachdem Dante auf seiner beschwerlichen Reise zunächst die Höllenkreise hinabgestiegen ist und anschließend den Läuterungsberg erklommen und das irdische Paradies erreicht hat, geht es weiter durch die neun himmlischen Sphären, immer näher zu Gott, der sich im Empyreum befindet, wo Dante die himmlische Rose erblickt, eine etwas unklare Erscheinung. Weiter„Und plötzlich steht da Eva“

 

Das Leid der anderen, ach Gottchen!

Auf etlichen Bühnen werden gerade Geschichten von Flüchtlingen erzählt. Man will der Fremdenfeindlichkeit etwas entgegensetzen. Aber ist das nicht selbst ein Übergriff?

© Marco Longari/AFP/Getty Images

Fremdschämen: Das ist, wenn man sich für Fremde schämt. Ich bleibe sitzen, und ich schüttle meinen Kopf, und ich blicke auf meine Schuhe, und vielleicht laufe ich auch rot an, um das letzte Klischee zu erfüllen, aber später denke ich, vielleicht hätte ich aufstehen müssen, etwas sagen. Mit anderen Worten: Später kommt der Fremdscham das „Fremd“ abhanden. Ich saß da nur so, rutschte unangenehm berührt auf meinem Stuhl hin und her, blickte ungeduldig auf die Uhr, wieder zur Bühne. Suchte nach Spuren von Entrüstung in ihrem Blick. Weiter„Das Leid der anderen, ach Gottchen!“

 

Der Sommer der Liebe kann losgehen

Batik statt Yoga. Dutschke statt Höcke. Hipster zu Hippie. Feiern wir den Summer of Love, als wäre er nicht 50 Jahre alt. Dann klappt es auch mit der Bundestagswahl.

© Anthony Delanoix/unsplash.com

Auch ein Sommer der Liebe wird mal 50. Dieses Jahr ist es soweit. Also lasst uns feiern, wir haben es nötig. Das Feiern, klar. Aber erst recht haben wir ihn nötig: den Sommer der Liebe. Nie war er so wertvoll wie heute. Weiter„Der Sommer der Liebe kann losgehen“

 

Ein Gespenst muss tun, was ein Gespenst tun muss

Der Immobilieninvestor ist die Spukgestalt des deutschen Wohnungsmarktes. Irgendwann steht er vor der Tür. Ja, und was dann?

Copyright: Florian Werner

Ein Gespenst geht um in unserem Haus. Das Gespenst ist Immobilienexperte und hat das Mietshaus – einen typischen Berliner Gründerzeitbau, 1897–98 entworfen und ausgeführt von dem Zimmermannsmeister Max Gosebruch – zum Jahresanfang gekauft. Nun plant das Gespenst, so steht es im Kaufvertrag, „umfängliche Modernisierungs-, Instandsetzungs- und Ausbauarbeiten“. Das ist sein gutes Recht, aber als langjähriger Mieter liest man’s mit Schauder. Schließlich schreibt das Gespenst, diesmal auf seiner Webseite, dass Berlin „eine positive Entwicklung im Bereich der Immobilien noch vor sich“ habe. Das ist nun erkennbar nicht aus der Perspektive eines Mieters gesprochen, der eine bezahlbare Wohnung sucht, sondern aus der eines Investors, der auf möglichst hohe Rendite aus ist. Wenn eine exorbitante Steigerung der Mieten und Immobilienpreise, wie sie die Hauptstadt derzeit erlebt, eine „positive Entwicklung“ ist, dann ist, um mit Shakespeares Hamlet zu sprechen, „etwas faul im Staate Dänemark“. Beziehungsweise Deutschland. Weiter„Ein Gespenst muss tun, was ein Gespenst tun muss“

 

Mitnichten, Genosse Ermittler, mitnichten!

Um Proteste zu verhindern, sind in Belarus Verleger, Journalisten und Aktivisten „präventiv“ festgenommen worden. So schlimm war es seit den dreißiger Jahren nicht mehr.

Polizisten vor der Demonstration in Minsk am 24. März (© Vasily Fedosenko/Reuters)

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Die in Belarus per Präsidialdekret Nr. 3 eingeführte Arbeitslosensteuer hat seit Mitte Februar in Minsk und anderen Großstädten in Belarus viele Menschen auf die Straße getrieben. Zunächst forderten sie die Rücknahme der Strafen für „Parasiten“ (als „Parasit“ gilt, wer nicht bereit ist, für den Monatslohn von 100 Dollar zu arbeiten, der vom Arbeitsamt für freie Stellen in Aussicht gestellt wird). Nikalai Statkewitsch, Ex-Präsidentschaftskandidat, hat die Regierung aufgefordert, das Dekret bis zum 25. März zurückzunehmen. Für den 25. März, den Unabhängigkeitstag, wurde eine Großdemonstration angekündigt. Weiter„Mitnichten, Genosse Ermittler, mitnichten!“

 

Der zuverlässigste unter den Hippies

Harry Rowohlt war ein Paganini der Abschweifung. Auf neuen Hörbüchern kann man ihm noch einmal lauschen. Erinnerungen an einen Schriftstellerfreund. Und viele Getränke.

© Rolf Vennenbernd/dpa

15 Jahre ist es nun auch schon wieder her, dass in der Edition Tiamat In Schlucken-zwei-Spechte erschien; Untertitel: Harry Rowohlt erzählt Ralf Sotscheck sein Leben von der Wiege bis zur Biege. Connaisseuren muss man weder sagen, dass der Titel eine Anspielung auf Harrys Lieblingsbuch In-Schwimmen-zwei-Vögel des unvergessenen irischen Romanciers Flann O’Brien, noch dass Ralf Sotscheck Irland-Korrespondent der taz ist und mit Harry befreundet war. Bei ihm daheim in Ballyvaughan an der irischen Westküste quatschte Harry im Juli 2001 sage und schreibe acht Tonbandkassetten voll, um die Grundlage für das im Jahr darauf erschienene obige Buch zu schaffen. Weiter„Der zuverlässigste unter den Hippies“

 

Das Theater des Krieges

Gegen die Langeweile hilft das Basteln mit der Laubsäge. Bier gibt es zwischen 21 und 22 Uhr. Es gilt die Zwei-Dosen-Regel. Zu Besuch im Bundeswehrcamp in Afghanistan.

© Michael Disqué

 

Der Fotograf Michael Disqué und der Schriftsteller Roman Ehrlich reisten im Sommer 2015 in das Nato-Feldlager Camp Marmal bei Masar-i-Scharif in Afghanistan. Sie verbrachten drei Wochen innerhalb der Grenzen des Camps, sprachen mit den dort stationierten Soldaten und besuchten die verschiedenen Einrichtungen, Dienststellen und Arbeitsbereiche. Weiter„Das Theater des Krieges“

 

18 Dinge, die Sie im Alter bereuen werden

Alt werden heißt auch: im Leben möglicherweise etwas verpasst zu haben. Das macht einigen Menschen Angst. Ein paar Dinge, über die Sie sich dann wirklich ärgern sollten

© Keith Bedford/Reuters

 

1. Nie Ihre Träume verwirklicht zu haben. Halt bis auf den einen, in dem Sie nackt noch einmal Ihre Abiturprüfung ablegen müssen, aber darüber wollen Sie lieber nicht mehr sprechen.

2. Ihrer großen Liebe nie Ihre wahren Gefühle gestanden zu haben. Dabei hört jede Mutter gern, dass keine andere Frau je an sie herankommen kann. Vor allem Ihre Mutter. Die ist nämlich die Beste von allen. Lassen Sie sich nichts anderes einreden.

3. Nie Klavierspielen gelernt zu haben. Und jetzt sitzen Sie da auf der Bühne der Elbphilharmonie, das Publikum wartet gespannt, und Sie haben den Salat.

4. Die Sozial-Rock-Oper über Ihre Emotionen nie beendet zu haben. Weiter„18 Dinge, die Sie im Alter bereuen werden“