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Huch, die Zinsen steigen

Ok: Die Niedrige-Leitzinsen-Enteignen-Die-Sparer Fraktion um Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon haben argumentiert, die letzte Zinssenkung der EZB sei ein weiterer Beleg für Financial Repression. Lustig nur, dass die Renditen auf zehnjährige Staatsanleihen das nicht hergeben.

Grafik: Renditen 10-jähriger Bundesanleihen
Quelle: Bloomberg

Was sehen wir? Genau – seit der Zinssenkung steigen die Zinsen ziemlich stark an. Das hat mit Bernanke zu tun, aber auch damit, dass die Märkte ein wenig zuversichtlicher geworden sind, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht. Blöd für alle, die jetzt Immobilien finanzieren wollen, aber gut für die Sparer.

Der aktuelle Leitzins ist eben nur ein Einflussfaktor. Wenn die Konjunktur nicht läuft und niemand Geld leihen will, sinkt der Preis des Geldes. Wenn sie anzieht, steigt er natürlich. Nicht nur deshalb sind niedrige Zinsen in einer schweren Krise im langfristigen Interesse der Sparer.

 

Financial Non-Repression

Big Ben sagt es wie es ist – wenn die Zentralbank zu früh die Zügel anzieht, bleiben die Zinsen im Endeffekt länger niedrig, weil die Konjunktur sich nicht erholt. Darüber sollten all jene nachdenken, die sich über die vermeintliche Enteignung der Sparer beklagen.

A premature tightening of monetary policy could lead interest rates to rise temporarily but would also carry a substantial risk of slowing or ending the economic recovery and causing inflation to fall further. Such outcomes tend to be associated with extended periods of lower, not higher, interest rates, as well as poor returns on other assets. 

 

Was bringt makroprudenzielle Regulierung

Ok, der Begriff ist ein Alptraum und solange kein besserer gefunden ist, ist es kein Wunder, dass jenseits der Fachpresse kaum jemand über das Thema schreibt. Doch die Steuerung des Kreditprozesses – meine Umschreibung – ist eines der wichtigsten makro-ökonomischen Themen für die kommenden Jahre, weil sich bekanntlich gezeigt hat, dass für die Stabilität der Wirtschaft mehr nötig ist als stabile Preise.

Nun beschäftigt sich ein neues Paper empirisch mit der Frage, wie gut makro-prudenzielle Instrumente, die in den USA schon seit einiger Zeit zur Anwendung kommen, wirken. Ergebnis:

Ongoing statistical work  suggests that macroprudential tightening lowers consumer debt but  macroprudential easing does not increase it.

Es ist offensichtlich immer leichter, eine Wirtschaft abzubremsen, als sie anzukurbeln.

 

Die kalte Enteignung der Sparer?

Der Spiegel steigt diese Woche ganz groß auf das Thema financial repression ein und attackiert die Politik der EZB.

Viele Träume auf einen gesicherten Lebensabend zerstören die Dauer-Niedrigzinsen aber schon jetzt.

Ich halte diese Sichtweise für problematisch. Unser Bild vom Sparen ist geprägt von der Vorstellung, wir seien in der Situation in der Robinson auf seiner Insel war. Sparen ist die Ansammlung von Vorräten. Es bedeutet, die Kokosnuss nicht sofort aufzuessen, sondern sie für morgen aufzuheben. Geld kann man aber nicht essen. Seine Kaufkraft erlangt es dadurch, dass es zur Finanzierung produktiver Investitionen verwendet wird. Nur der dadurch entstehende Kapitalstock – im weiteren Sinn ausgebildete Arbeitskräfte, Straßen, Maschinen – ermöglicht die Verschiebung von Ressourcen in die Zukunft. Sparen im volkswirtschaftlichen Sinn ist die Bildung von Sachkapital.

Das bedeutet, dass das Einkommen der Rentner in 20 oder 30 Jahren davon abhängt, wie leistungsfähig die Wirtschaft in 20 oder 30 Jahren ist.  Aus diesem Grund ist die Höhe des Zinsniveaus für sich genommen erst einmal irrelevant. Schädlich sind die niedrigen Zinsen, wenn sie zu einer Fehlallokation von Kapital oder sonstigen Verwerfungen führen. Nützlich sind sie, wenn sie zu einer Modernisierung des Kapitalstocks beitragen. Man kann also durchaus Argumente gegen das niedrige Zinsniveau vorbringen, aber es sind andere, als die, die in der Debatte über die Altersvorsorge gebraucht werden.

Aber leidet nicht jeder, der sein Geld sicher in deutschen Staatsanleihen anlegen will, unter dem niedrigen Zinsniveau? Ganz klar – aber jeder Euro, der dem Bürger fehlt, spart sich der Finanzminister, der weniger Geld für den Schuldendienst aufwenden muss. Der Punkt ist: Letztlich handelt es sich um eine Verteilungsfrage. Eine Änderung des Zinsniveaus stellt, die Effekte auf das gesamtwirtschaftliche Angebot und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage lasse ich jetzt einmal außen vor, eine Volkswirtschaft insgesamt nicht besser oder schlechter. Es stellt einige besser und andere schlechter. Und wenn das als störend empfunden wird, kann es im Rahmen kollektiven Handelns, sprich durch politische Entscheidungen, korrigiert werden. Zum Beispiel – ich phantasiere einmal – indem der Staat das gesparte Geld den Sparern zukommen lässt.

Die Betrachtung gilt natürlich streng genommen nur für eine geschlossene Volkswirtschaft. Nun ist Deutschland eine offene Volkswirtschaft und noch dazu ein Nettogläubiger mit enormen Auslandsforderungen. Eine Änderung des Zinsniveaus führt also auch zu einer Umverteilung zwischen einzelnen Ländern und kann damit in seinen Verteilungswirkungen nicht vollständig durch nationale Eingriffe kompensiert werden. Allerdings bringt der Status des Nettogläubigers auch mit sich, dass Deutschland ein Interesse an der Zahlungsfähigkeit seiner Schuldner hat. Wenn diese die niedrigen Zinsen erhalten, dann profitieren davon die deutschen Sparer: Sie bekommen zwar weniger Geld von der Bank, aber immerhin ist das Geld noch da und die Bank nicht pleite.

Ein Wort noch zum Begriff financial repression. Er wurde bekanntlich von Carmen Reinhart geprägt und geht zurück auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Staaten ihre Bürger dazu zwangen, niedrig verzinste Anleihen aufzukaufen. Der große Unterschied zu damals ist, dass es heute in den meisten Ländern der westlichen Welt einen freien Kapitalverkehr gibt. Wer also keine Lust auf Bundesanleihen hat, kann sich ja italienische oder spanische Papiere ins Depot holen.  Klar, damit steigt auch das Risiko, aber es gibt kein Recht auf risikolose Rendite. Mit anderen Worten: Ich kann die Repression in der finanziellen Repression nicht erkennen.

 

Die Inflationslüge

Mein Buch ist da: Die Inflationslüge, erschienen bei Droemer Knaur, 140 Seiten, 7 Euro. Für alle Leser des Blogs ein kleiner Auszug daraus:

„Am 13. Oktober 1931 gibt Reichskanzler Heinrich Brüning im Berliner Reichstag eine Regierungserklärung ab. Brüning betreibt eine eiserne Sparpolitik. Er hebt die Steuern an und kürzt staatliche Leistungen, er kürzt Löhne und Gehälter. Die Generalaussprache im Reichstag aber hat praktisch nur ein Thema: die Inflation. Der Abgeordnete Johann Leicht von der Bayerischen Volkspartei dankt Brüning dafür, dass er »unter keinen Umständen einer neuen Inflation die Wege ebnen« werde. Joseph Joos von der Zentrumspartei meint: »Legen Sie uns die härtesten Maßnahmen auf, aber lassen Sie das nicht zu.«
Weiter„Die Inflationslüge“

 

Flagranti cura . . .

… daran erinnert die Schrift der Bundesbank zur Krisenpolitik der EZB, über die das Handelsblatt berichtet. Inhaltlich enthält das Dokument keine neuen Argumente. Die Kritik ist gewohnt kompetent vorgetragen und in den wesentlichen Punkten nachvollziehbar, auch wenn man – so wie ich – am Ende zu einer anderen Gewichtung der Risiken und damit auch zu anderen Schlussfolgerungen kommt.

Entscheidend ist die politische Dimension: Dies ist keine Rede, sondern eine Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht – und ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die Richter am Ende den Argumenten der Bundesbank mehr Gewicht beimessen als denen der EZB.

Das Verfahren könnte noch spannend werden, denn auch wenn es am Ende beim EuGH landet, der mit Sicherheit der EZB Recht geben wird, würde eine Ablehnung des OMT durch das deutsche Gericht die Debatte über die Risiken der Geldpolitik hierzulande noch einmal befeuern.

 

Das Elend der SPD und wie sie ihm entkommt

Wenn nicht ein Wunder geschieht, dann wird die SPD im September sich weiter in jener Rolle finden, die sie selbst als „Mist“ bezeichnet. Woran liegt das? Am Kandidaten, der es einfach nicht schafft, seine multiplen Persönlichkeiten unter einen Hut zu bringen. An den Medien, die den Inhalten entweder offen feindlich gegenüberstehen (FAZ) oder mit Lust jeder noch so kleinen internen Querele nachspüren (SZ).

Aber es liegt auch an einer Partei, die offensichtlich thematisch-ideologisch so überfordert ist, dass sie es nicht fertig bringt, zusammen zu denken, was zusammen gehört. Beispiele? Weiter„Das Elend der SPD und wie sie ihm entkommt“

 

Wie Deutschland von der Euro-Rettung profitiert

Der Bundestag hat dem Zypern-Paket zugestimmt und die Kritiker melden sich schon zu Wort. Ich habe in einem Beitrag für das Blatt einmal aufgeschrieben, warum Deutschland ein Gewinner der Krise ist. Die Argumente:

1. Sie drückt die Zinsen in Deutschland wovon Unternehmen, Haushalte und der Staat profitieren

2. Sie hält den Wechselkurs niedrig, der angesichts der Überschüsse Deutschlands im Außenhandel eigentlich aufwerten müsste.

3. Sie eliminiert die Konkurrenz für deutsche Unternehmen, weil die Wettbewerber wegen der hohen Kapitalkosten ausfallen.

4. Sie sichert die Ersparnisse, weil Deutschland ein Nettogläubigerland ist.