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Wir haben die Mark zurück

Durch Zufall ist mir die morgige Ausgabe der Welt in die Hände gekommen:

Bevor hier jemand Panik bekommt oder Freudentänze aufführt – es ist die Ausgabe vom 19. Juni 1948. Aber vielleicht können sie die Schlagzeile ja bald wieder machen.

In der Ausgabe wird übrigens über eine interessante Rede eines gewissen Oberdirektors Dr. Pünder berichtet zum Thema Währungsreform. Ich zitiere:

Was die Währungsreform nimmt, das sind keine echten Vermögenswerte mehr gewesen, sondern zerstört werden eigentlich nur Illusionen. Wenn die Millionen deutscher Sparer in den nächsten Wochen über das endgültige Schicksal ihrer Spargelder aufgeklärt werden, dann mögen sie sich sagen: Diese Spargelder wurden vernichtet, als Adolf Hitler seinen verbrecherischen Krieg vorbereitet und führte, als er Hunderte von Milliarden deutschen Volksvermögens sinnlos vergeudete. 

Auch etwas in diese Richtung wird man vielleicht schon bald wieder lesen können.

 

 

Und jetzt … Deutschland?

Das interessante an den Marktbewegungen gestern ist nicht der Anstieg der Renditen in Italien und Spanien – sondern der Kursrückgang bei deutschen Staatsanleihen.

Wie die FT schreibt:

Germany, the UK and France’s 10-year bond yields have risen 25 basis points, 16bp and 47bp to 1.42 per cent, 1.69 per cent and 2.73 per cent respectively since the start of the month.

Das ist außergewöhnlich, denn bisher gingen die deutschen Anleihen genau in die entgegengesetzte Richtung wie die Bonds aus der Peripherie, weil Deutschland als sicherer Hafen gilt: Risk on bedeutete Kursverluste, risk off  Kursgewinne.

Wenn jetzt eine Angleichung stattfindet, dann wäre das eine Entwicklung von kaum zu überschätzender Tragweite. Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist, dass die Märkte die Haftungsgemeinschaft vorwegnehmen. Denn das andere Extremszenario – der Zerfall der Währungsunion – sollte die Bundesanleihen eigentlich stützen, weil Deutschland als Anlageort attraktiver würde, winkten doch bei einer Wiedereinführung der D-Mark durch eine Aufwertung Kursgewinne.

Mit anderen Worten: Die Investoren gehen davon aus, dass die Fiskalunion kommt. Das wäre dann nicht unbedingt eine schlechte Nachricht – es sei denn, man plant derzeit wie ich, in Deutschland eine Immobilie zu finanzieren. Aber auf diesen Seiten geht es um kollektive, nicht individuelle Rationalität.

 

My big fat Spanish bailout

So viel Geld – und was hat es gebracht?

Vielleicht doch keine so kluge Idee, die 100 Milliarden nicht direkt den spanischen Banken zu leihen, sondern dem spanischen Staat, dessen Verschuldung sich dadurch erhöht und der damit möglicherweise seine bisherigen Gläubiger unterordnet.

Aber hey, Hauptsache wir halten uns an die Regeln.

Update: Natürlich sollte man das Geld den Banken nicht leihen, sondern Anteile erwerben und die Institute restrukturieren

 

Moral Hazard – eine deutsche Obsession

Es ist außerordentlich interessant, die Kommentare zum Hilfskredit in Spanien, in der internationalen und der deutschen Presse zu vergleichen. Für Deutschland spricht beispielsweise Heike Göbel in der FAZ:

Die neue sanfte Schirmherrschaft wird anderorts Begehren wecken. Auch Italien nähme gewiss gern Geld ohne harte Vorgaben. Und Irland dürfte fordern, seine Konditionen nachträglich zu mildern. Der Fall Spanien zeigt so: Vom „deutschen“ Prinzip, Hilfe im Euroraum nur gegen aller-strikteste Reformauflagen zu gewähren, ist nicht mehr viel übrig.

Hier ist sie wieder, die Angst vor dem Moral Hazard, die ein Grundprinzip der deutschen Wirtschaftspolitik ist. Weiter„Moral Hazard – eine deutsche Obsession“

 

Wie hilft man Spaniens Banken?

In der Bundesregierung setzt sich die Einschätzung durch, dass Spanien auf Hilfe von außen angewiesen ist. Aber wie sollte diese gewährt werden? Die Deutschen argumentieren, dass Spanien den EFSF/ESM in Anspruch nehmen sollte. Es ist nach allem was ich höre wohl nicht so, dass man in Berlin die Spanier unter den Schirm zwingen will, aber man will sie ermutigen, den Antrag zu stellen, wenn absehbar ist, dass sie es nicht alleine schaffen.

Die Überlegung: Hilfen für die Banken wären erstens ein Transfer und damit problematisch und zweitens wäre die sachgerechte Verwendung der Mittel nicht zu kontrollieren. Das stimmt auch, denn noch existiert keine paneuropäische Bankenaufsicht und der EFSF/ESM ist nicht für Bankenrettungsaktionen ausgelegt.

Das Problem ist nur, dass auch die Inanspruchnahme des EFSF/ESM ihre Nachteile hat. Denn erstens würde dadurch die spanische Schuldenquote weiter steigen – und vielleicht einen Punkt überschreiten, den die Märkte noch für akzeptabel erachten. Schließlich sollte man bei der Rekapitalisierung nicht knausern und 100 bis 200 Milliarden in die Hand nehmen.

Und zweitens hat der ESM den Status eines bevorrechtigten Gläubigers, was die Investoren verschrecken könnte, weil sie damit rechnen müssen, dass die Ressourcen des Landes zuerst für die Bedienung der ESM-Kredite verwendet werden und damit weniger für sie übrig bleibt.

Kurzfristig könnte sich der Rettungsschirm also sogar negativ auf die Fähigkeit Spaniens auswirken, sich am Markt mit Kredit zu versorgen. Die Erfahrung mit den bisherigen Programmländern jedenfalls ist, dass die Inanspruchnahme sich nicht unbedingt positiv auf die Zinsspreads auswirkt.

Das würde bedeuten, dass eine kleine Lösung nicht möglich ist und das Land möglicherweise voll durch den ESM/EFSF finanziert werden muss, sobald es den Antrag stellt. Dann reden wir also über ein klassisches Programm – und das wird teuer.

 

Peer Steinbrück, der Euro-Terminator?

Peer Steinbrück ist ja häufig in der Rolle des Verteidigers der Währungsunion zu sehen. Er erzählt dann viel von geschichtlicher Verantwortung und weltökonomischen Zusammenhängen. Nun aber das:

BILD: Die Inflation liegt deutlich über zwei Prozent. Wie gefährlich ist das?

Steinbrück: „Ich halte eine Teuerungsrate von mehr als zwei Prozent für gefährlich. 

Ich nehme einmal an, hier geht es um die deutsche Inflation. Dabei hat doch selbst die Bundesbank vorgerechnet, dass die Teuerungsrate in Deutschland steigen muss, wenn im Süden die Preise weniger stark steigen und die EZB ihr Ziel von zwei Prozent für den Währungsraum einhalten will. Und Wolfgang Schäuble hat vollkommen korrekt darauf hingewiesen, dass man im gegebenen Rahmen mit Raten von bis zu drei Prozent rechnen müsse.

Das ist Steinbrück offenbar zuviel, denn die Inflation

 …trifft vor allem Rentner, Geringverdiener…

Wohl wahr, aber dann muss man die Renten und Geringlöhne eben erhöhen. Die sind ja nicht gottgegeben, sondern zumindest was erstere betrifft ein Instrument der Politik.

… Sparer

Richtig, und gut so! Wer Vermögen hat, der wird an den Krisenkosten beteiligt. Es gibt verteilungspolitisch schlimmere Vorgehensweisen.

Eines ist klar: Wenn nicht einmal die SPD dazu bereit ist, höhere Löhne in Deutschland zu tolerieren – denn die Löhne treiben die Inflation in erster Linie – und die Bundesbank rechts überholen will, dann wird es den Euro bald nicht mehr geben. Für die Geschichte, die er beschwört, ist Steinbrück selbst verantwortlich. Vielleicht wollte er sich auch an die inflationsneurotischen Springer-Leute ranwamsen und weiß es eigentlich besser, aber so gewinnt man keine Debatten.

Und ich wage eine Prognose: Wenn die Sozialdemokraten die nächste Wahl gewinnen, wird sich an der Krisenpolitik nicht vieles ändern. Schon jetzt räumen sie eine Position nach der anderen.

 

Jens Weidmanns erste Prüfung

Als Axel Weber vor ein paar Jahren sein Amt antrat, ließ er in einem Interview den Satz fallen, die Geldmenge sei für die Geldpolitik vielleicht nicht mehr so zentral wie man das einmal gedacht hatte. Die FAZ schrieb damals „Bundesbank vollzieht Wandel in der Geldpolitik“ auf ihrer ersten Seite. Weber machte einen Rückzieher und gab von nun an den Falken – dabei war es nur stating the obvious.

Jens Weidmann befindet sich jetzt in einer ähnlichen Situation. Wer die Aussagen der Bundesbank zur Inflation anstößig findet der kann  – wie ich geschrieben haben – entweder nicht rechnen oder ruft zum Vertragsbruch aus. Natürlich muss die Inflation in Deutschland höher sein, wenn sie im Süden niedriger ist und der Durchschnitt unverändert bleiben soll (eine ganz andere Debatte ist, ob man das Inflationsziel erhöhen soll).

Aber es gibt Kräfte in Deutschland, die selbst das schon als Zugeständnis empfinden und von der Bundesbank erwarten, die Inflation so niedrig wie nur möglich zu halten. Das ist natürlich volkswirtschaftlich vollkommener Unsinn, aber es gibt hierzulande ja auch durchaus einflussreiche Ökonomen, die die Staatsschulden auf Null zurückfahren wollen.

Ich habe immer geglaubt, dass die Gefahr für die Unabhängigkeit der Bundesbank nicht von links kommt, sondern von rechts. Weidmann wird die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich haben, wenn er sich gegen Lafontaine oder irgendwelche Südeuropäer positioniert. Da kann er aus taktischen Gesichtspunkten keinen Fehler machen.

Mut hingegen erfordert es, sich gegen die konservativen Kräfte an den Universitäten und mehr noch in den Redaktionsstuben zu stellen, wenn es das eigene Mandat erfordert. Das wäre echte Unabhängigkeit.

Ich bin gespannt und beobachte.

 

Bildonomics

Erstaunlicherweise haben die meisten deutschen Medien zivilisiert auf die Aussage der Bundesbank reagiert, die Inflation könne zeitweise über den Durchschnitt der Euro-Zone steigen. Letztlich signalisieren die Bundesbanker damit ja auch nur, dass sie sich an die Verträge halten. Das Inflationsziel der EZB lautet nun einmal zwei Prozent für die Euro-Zone insgesamt und nicht zwei Prozent für Deutschland.

Wer also nun argumentiert, wenn der Süden disinflationiere, dürfe Deutschland nicht inflationieren, der kann entweder nicht rechnen – oder er ruft zur Vertragsverletzung auf.

Nur Bild kann es nicht lassen. Weiter„Bildonomics“

 

Die Bundesbank ist immer für eine Überraschung gut

Aus der Stellungnahme der deutschen Notenbank im Finanzausschuss:

 Die regulären marktlichen Anpassungsprozesse sollten dabei freilich nicht behindert werden. (…) Deutschland dürfte in diesem Szenario künftig in der EWU eher überdurchschnittliche Inflationsraten aufweisen, wobei die Geldpolitik dafür zu sorgen hat, dass die Inflation im Aggregat der EWU dem Stabilitätsziel entspricht und die Inflationserwartungen fest verankert bleiben.

Im Klartext: Wenn die Inflationsrate in Deutschland über die zwei Prozent geht, dann wird die Bundesbank das tolerieren, solange das Stabilitätsziel der EZB nicht verfehlt wird. Diese Aussage ist sehr wichtig. Denn gerade in der angelsächsischen Welt wurde vermutet, die Bundesbanker würden die EZB mit Blick auf die öffentliche Debatte zu Zinserhöhungen zwingen (oder mit ihren neuen makroprudenziellen Instrumenten gegensteuern), auch wenn das europäische Inflationsziel noch nicht ausgereizt ist.

Hintergrund ist natürlich, dass die Teuerung in der Peripherie deutlich sinken wird, weshalb Deutschland  im Sinne der Stabilität des Gesamtsystems stärker inflationieren sollte, um die Anpassungsprozesse zu erleichtern.

Ich beobachte ganz grundsätzlich, dass viele angelsächsische Analysten die Flexibilität der deutschen Politik unterschätzen. Deutsche Währungs- und Finanzpolitiker müssen in der innenpolitischen Debatte den Harten geben. Das wird von der Bevölkerung erwartet. Und ganz sicher ist der politische Mainstream in Deutschland dogmatischer als in Frankreich oder den USA – und aus meiner Sicht häufig auch zu dogmatisch.

Aber die Deutschen sind nicht dumm. Dazu passen auch die Aussagen von Wolfgang Schäuble, wonach die Löhne hierzulande nach Jahren der Lohnmoderation jetzt wieder stärker steigen sollen, um die Ungleichgewichte abzubauen.

Ich bin gespannt, was die FAZ morgen schreibt.

 

 

Werden die Sparer durch TARGET enteignet?

Seit Ausbruch der Debatte sind die TARGETianer auf der Suche nach Opfern der anschwellenden Zahlungsverkehrssalden. Erst vermutete man sie unter den deutschen Banken, denen angeblich der Kredit verwehrt wurde – und nachdem sich das als nicht zutreffend erwiesen hat, sollen jetzt angeblich die hiesigen Sparer unter TARGET leiden.

Leidtragende sind aus Sicht des ifo Instituts die Sparer der noch soliden Länder Europas, deren Vermögensanlage nun zur EZB umgelenkt wurde. Die marktgängigen Wertpapiere der Sparkassen, Banken und Lebensversicherer, durch die Ersparnisse dieser Länder normalerweise gedeckt sind, wurden ohne das Wissen oder die Zustimmung der Sparer in bloße Forderungen gegen die jeweiligen nationalen Zentralbanken verwandelt, die selbst wiederum nur durch Forderungen gegen die EZB und damit indirekt gegen die Zentralbanken Spaniens und Italiens gedeckt sind.

Zusammen mit Sebastian Dullien habe ich in einem Artikel auf VOX gezeigt, dass das Unsinn ist. Im Gegenteil: Die deutsche Sparer profitieren davon, dass die deutschen Banken ihr Kapital über TARGET zurück nach Hause holen konnten, wo es sicher ist. Gäbe es diese Möglichkeit nicht, wäre das hiesige Sparkapital längst im großen Stil vernichtet worden. Unsere Schlussfolgerung:

Thus, the liquidity provided by the ECB which is reflected in the TARGET system has made it possible for German banks to bring their money back home.Without the ECB’s intervention, the attempt to shed assets in the periphery would most likely have led to defaults in the banking sector and the wider economy, which would have eroded the value of these assets. German savers – whose money the banks ultimately manage –should therefore applaud the increase in the Bundesbank’s TARGET balance.

Man kann jetzt lange darüber streiten, ob das eine gerechte Lösung ist, klar ist aber: Die Sparer sind nicht das Opfer – genau wie die Banken.