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Ist der Haushaltsausschuss völlig durchgeknallt?

Aus dem Handelsblatt über die Leitlinien für die Erweiterung des EFSF, die der Haushaltsausschuss des Bundestags verabschiedete:

Der Bundestagsausschuss gab Finanzminister Wolfgang Schäuble zwei Maßgaben mit auf den Weg. So soll das Absicherungsvolumen für private Investoren durch den EFSF in dem einen Hebelmodell im Korridor von 20 bis 30 Prozent liegen. Andere Euro-Länder wollen hier keine Eingrenzungen vornehmen, um flexibler zu sein. In einem zweiten Punkt machen die Parlamentarier deutlich, dass der Versicherungsfall, ab dem die Absicherung eintritt, „mindestens internationalen Standards“ entspricht, wie es in dem Beschluss hieß. Zudem müsse dieser Fall „Formen freiwilliger Restrukturierungen zusätzlich in die Lösung einbeziehen“. Werden diese beiden Maßgaben in Brüssel nicht umgesetzt, kann Schäuble erst einmal nicht zustimmen.

Großartig! Das bedeutet also, wer sich seine Investitionen in Peripheriebonds über den EFSF absichern lässt, der muss damit rechnen, dass er im Ernstfall nicht seine Versicherungssumme erhält, sondern freiwillig auf seine Forderungen verzichtet. Wir wissen ja seit dem Gipfel vom Oktober, was freiwillig heißt: Mit Merkozy in einem Raum zu sitzen und ein Angebot zu bekommen, dass man besser nicht ablehnt.

Wenn das wirklich so kommt, dann ist die Versicherung ihr Papier nicht wert und man kann sich die Mühe auch gleich sparen. Das wäre so, als würde man eine Feuerversicherung kaufen, die vielleicht bezahlt, wenn es brennt.

Es hat schon einen Grund, weshalb in fast allen Ländern die Exekutive, und nicht die Legislative mit solchen Dingen betraut ist.

 

Lehrstunde mit zu Guttenberg

Aus dem Spiegel:

Zudem beklagt sich der ehemalige Verteidigungsminister über die politische Ahnungslosigkeit anderer Politiker. Er sei fasziniert von der „erschütternden Unkenntnis bis in die politischen Spitzen hinein, was Mechanismen, Regeln und Abläufe internationaler Kapitalströme anbelangt“, so Guttenberg.

Ok, ich gehöre nun wirklich nicht zu seinen Freunden und habe keine Ahnung, ob er es besser gemacht hätte bzw. wo er etwas über die Märkte gelernt haben will (hat er statt in Jura zu promovieren heimlich VWL gebüffelt?): Aber wo er recht hat, hat er recht.

 

Europa spricht deutsch und die Märkte flippen aus

Interessant die Rendite auf italienische Staatsanleihen gestern während der Pressekonferenz von Angela Merkel und Straßburg, als die Vertragsreform verkündet wurde und es sich damit abzeichnet, dass es künftig ein strenges Haushaltsregime geben wird in Europa.

Grafik: reutersitaly

Und die Auktion heute war alles andere als erfreulich – fast acht Prozent für zweijährige, das ist Irrsinn. Daraus folgt: Auch wenn wir Schuldensünder künftig auf die Guillotine schicken: Das wird den Markt nicht beruhigen. Die Härtung der Regeln ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Stabilisierung der Währungsunion.

Das ist keine Frage der Ideologie oder der Überzeugungen, sondern der Fakten. Mir wäre es auch lieber, wenn ein paar neue Regeln beruhigend wirkten, aber das ist nicht so.

Es wird irgendeine Form der kurzfristig wirkenden Stützung geben müssen – von wem auch immer und trotz aller Risiken. Oder es kommt das Armageddon.

Anders gesagt: Entweder Zinssozialismus, oder wir können schon einmal die Kartoffeln einlagern und aufs Land ziehen.

 

Adolf Nazi, die Inflation und die Euro-Krise

Die Angst der Deutschen vor der Inflation ist bekanntlich ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung der Bundesregierung, wenn es um radikale Vorschläge zur Lösung der Euro-Krise – Eurobonds, aggressive Anleihekäufe durch die EZB, ein höheres Inflationsziel – geht. Aber was ist die Ursache dieser Angst? Und ist sie berechtigt? Und was hat das alles mit dem Euro zu tun? Weiter„Adolf Nazi, die Inflation und die Euro-Krise“

 

Mit Rainer Hank ins 19. Jahrhundert

Vielen liberalen Ökonomen ist ja vorzuwerfen, dass sie den Staat zwar kleinmachen wollen, ohne zu Ende zu denken, welche Konsequenzen das hat. Rainer Hank – willkommen in der Blogwelt, liebe Kollegen von der FAZ – ist ein ziemlich liberaler Ökonom, aber wenigstens ist er ehrlich. Und so beschwört er in seinem Text über die Euro-Krise die gute, alte Zeit: Weiter„Mit Rainer Hank ins 19. Jahrhundert“

 

Was Friedrich Merz nicht versteht

Die Lektüre des Gastbeitrags von Friedrich Merz im Handelsblatt zeigt, wo die Krise ihren Ursprung hat: Die Wirtschaftspolitik in Europa hat schlicht keine europäische Dimension. Das konnte man in die Südländern beobachten, wo die Zinsgewinne der Euro-Einführung verfrühstückt wurden, aber das kann man auch in den Nordländern beobachten, wo die Löhne so hemmungslos gedrückt wurden, dass die eigene Wirtschaft nur noch auf Kosten einer zunehmenden Verschuldung bei den Handelspartner am Laufen gehalten werden konnte.

Und wenn sich Merz jetzt darüber echauffiert, dass die französischen und italienischen Banken bei der EZB Liquidität nachfragen, die sie am Interbankenmarkt nicht mehr bekommen – genau darum geht es in der Target-2-Debatte –, dann sagt er damit letztlich, dass die EZB nur noch die Zentralbank des Nordens sein soll. Die Liquiditätsversorgung des Bankensystems, die klassischste aller Notenbankaufgaben, soll dem Süden also ganz offensichtlich verweigert werden.

Wenn ein Mitgliedsstaat aus dem Euro ausscheiden sollte, dann fallen beim Eurosystem in der Tat Verluste aus den Liquiditätsoperationen an, auch wenn sich Merz, oder wer auch immer ihm das aufgeschrieben hat, schließlich ist er bislang nicht als Experte für Geldpolitik aufgefallen, mit den Zahlen verrechnet.

Aber die Idee einer Währungsunion ist genau, dass kein Mitgliedsstaat ausscheidet. Sonst kann man keine einheitliche Geldpolitik machen und keine gemeinsame Zentralbank installieren, die alle Banken im Währungsraum versorgen muss. Sonst haben wir ein Festkurssystem.

Aber vielleicht will Merz das ja.

 

Der Fehler der Bankenrettung

Aus der FTD von morgen:

Deutschlands Banken brauchen nach Informationen der FTD und der Nachrichtenagentur Reuters deutlich mehr Geld, um ihre Kapitalquoten wie gefordert zu erhöhen: statt wie bisher gedacht 5,2 Mrd. Euro womöglich 10 Mrd. Euro oder sogar noch mehr. Der Grund: Insidern zufolge hat Europas Bankenaufsicht EBA den Stresstest vom Sommer um die Daten des dritten Quartals aufgefrischt. In diesem Zeitraum, der die Monate Juli, August und September umfasst, war die Staatsschuldenkrise in Europa eskaliert.

Die Bankenrekapitalisierung könnte – zusammen mit dem Schuldenschnitt – einmal als einer der größten Fehler des Krisenmanagements eingehen. Wie die FTD ganz richtig weiter schreibt und auch hier schon zu lesen war:

Viele Banken in Europa bauen derzeit ihre Bilanzen ab, womit sie die Krise allerdings doppelt verschärfen: einerseits, indem sie durch den Verkauf von Staatsanleihen deren Kurse drücken und Renditen in die Höhe treiben, was den Staaten die Aufnahme neuer Darlehen immer schwerer macht. Andererseits dadurch, dass sie durch das Abstoßen der Bonds Wertverluste auf diese Papiere realisieren, was zu Verlusten führt, ihr Eigenkapital aufzehrt und dadurch wiederum den Kapitalbedarf abermals vergrößert. 

Wir befinden uns also gerade in einem Teufelskreis aus Anleiheverkäufen, steigenden Zinsen, wachsender Pleitegefahr und noch mehr Anleiheverkäufen. Und wieder die FTD:

Diesen Teufelskreis hatte die EBA im Sommer mit ihrem Blitz-Stresstest selbst in Gang gesetzt, indem sie die Banken zwang, ihre Staatsanleihen auf deren Marktwert abzuschreiben, um ein realistischeres Bild der Lage zu bekommen.

So wird das nichts mehr.

 

Zinsen außer Kontrolle – Teil II

Wenn man sich in die Daten eingräbt, findet man nicht wieder heraus. Hier die Zinsen auf Unternehmenskredite mit einer Laufzeit von einem bis fünf Jahren in Deutschland und Griechenland.

Grafik: Zinssätze für Unternehmenskredite - DE und GR

Deutsche Firmen zahlten zuletzt weniger als vier Prozent, griechische fast acht Prozent – und das in einem gemeinsamen Währungsraum. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die deutsche Wirtschaft boomt (also höhere Zinsen benötigte), die griechische aber schrumpft (und damit auf niedrige angewiesen wäre), wird die Brisanz der Lage deutlich. Irgendetwas muss passieren.

Und angesichts dieser Zahlen kann ich beim Lesen der neuesten Analyse von Hans-Werner Sinn nur den Kopf schütteln:

Als Irland sich vor einem Jahr weigerte, unter den Rettungsschirm zu gehen, und fast schon von Trichet dazu geprügelt werden musste, wunderte man sich. Wollte das Land etwa untergehen, statt gerettet zu werden? Das wollte es natürlich nicht. Die Lösung des Rätsels war, dass Irland für nur ein Prozent Zinsen von der EZB die Erlaubnis erhalten hatte, die Druckerpresse auf hohen Touren laufen zu lassen und sich bereits damit hatte retten können. Und so war es auch bei Griechenland, Portugal, Spanien und neuerdings auch Italien.

Ein Prozent? Merke: Preis des Zentralbankgelds ist ungleich Preis des Kredits. Kann man übrigens auch in Lehrbüchern zur Geldtheorie nachlesen.

 

Hat die EZB doch recht (Italiens Zinsen außer Kontrolle)?

Vor einige Zeit habe ich hier bekanntlich an der offiziellen Rechtfertigung der EZB für das Anleiheprogramm bezweifelt. Die Notenbank argumentiert bekanntlich, dieses diene dazu, die Transmission der Geldpolitik zu gewährleisten. Dabei gehe es doch in Wahrheit ganz offensichtlich darum, die Anleihemärkte zu stabilisieren, um damit die Staatsfinanzierung zu erleichtern, was zumindest nicht unmittelbar mit dem Mandat der EZB zu tun hat (was nicht bedeutet, dass es deshalb keine Argumente dafür gibt, doch darum geht es mir hier nicht).

Aber vielleicht ist das doch nicht so einfach. Weiter„Hat die EZB doch recht (Italiens Zinsen außer Kontrolle)?“

 

Wir entern die EZB!

Ein Gedankenexperiment: Ein Land – sagen wir Italien – ist unzufrieden mit der Politik seiner Zentralbank und ändert deshalb die Geschäftsordnung jener Zentralbank zu seinen Gunsten. Was würde der brave, konservative deutsche Ökonom reagieren? Mit einem Aufschrei! Attacke auf die Unabhängigkeit, Notenpresse, Hyperinflation usw. usf.

Die CDU schlägt laut FTD vor, die Stimmverhältnisse in der EZB so zu ändern, dass Deutschland mehr Macht hat, weil man in der Union mit dem Kurs der Notenbank unzufrieden ist. Wo bleibt der Aufschrei? Richtig, er findet nicht statt. Denn es geht ja um deutsche Interessen.

Der Unabhängigkeitsdiskurs ist an Verlogenheit nicht zu überbieten. Ich habe prinzipiell nichts gegen einen stärkeren deutschen Einfluss. Ich habe aber etwas gegen Heuchlerei.