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Deleveraging, Commerzbank-edition

Aus der heutigen Pressemitteilung der Commerzbank:

Der Vorstand der Bank hat vor diesem Hintergrund Sofortmaßnahmen beschlossen, die den Abbau von Risikoaktiva beschleunigen. Dazu gehören unter anderem:

– die temporäre Einstellung des Neugeschäftes in der Eurohypo

– die temporäre Einstellung des Kreditneugeschäftes ohne Konnektivität zu Deutschland beziehungsweise Polen

– der beschleunigte Abbau beziehungsweise Verkauf nicht-strategischer Assets wie zum Beispiel Spezial- und Projektfinanzierungen sowie

– die Überprüfung der Veräußerungsmöglichkeiten von Finanzbeteiligungen; hierzu gehören nicht die comdirect und die BRE Bank, die Bestandteil des Kerngeschäfts sind.

Klar, Deutschland soll ausgespart werden bei der Kreditvergabe. Aber selbst wenn man das genau kontrollieren könnte: Wenn in anderen Ländern gekürzt wird, dann trifft das die Deutschen  über die Exporte natürlich.  Und andere Banken – ohne Staatsvertreter im Aufsichtsrat – werden es noch wilder treiben. Vielleicht hätte man das bedenken sollen, als man mitten in der Krise munter die Eigenkapitalanforderungen hochjagte ohne die Bilanzsumme festzuschreiben oder gleich zu zwangskapitalisieren.

Interessant in diesem Zusammenhang auch jener Chart (via Alphaville) aus dem Quartalsbericht von BNP Paribas:

BNP chart

Rezession, wir kommen.

 

Was darf das Volk?

Frank Schirrmacher hat heute in der FAZ einen bemerkenswerten Kommentar geschrieben.

Man muss nicht alle Beziehungen des Witzes zum Unterbewussten kennen, um zu verstehen, wie massiv gerade moralische Übereinkünfte der Nachkriegszeit im Namen einer höheren, einer finanzökonomischen Vernunft zerstört werden. (…) Papandreou tut nicht nur das Richtige, indem er das Volk in die Pflicht nimmt. Er zeigt auch Europa einen Weg. Denn in dieser neuen Lage müsste Europa alles tun, um die Griechen davon zu überzeugen, warum der Weg, den es zeigt, der richtige ist. Es müsste dann nämlich sich selbst davon überzeugen.

Die Aufgabe der Ökonomie wäre es – Frank Lübberding hat darauf hingewiesen –, zu zeigen, dass das bisherige Rettungsprogramm eben nicht alternativlos ist. Denn es ist doch so: Die Logik der Finanzmärkte lässt sich zumindest ohne einen Systemwechsel ebenso wenig wie die Logik wirtschaftlichen Handels allgemein außer Kraft setzen. Man kann noch so viel regulieren und die Wall Street besetzen: Kein Mensch der Welt wird einem Staat Geld leihen, wenn dieser Staat seine Schulden nicht zurückbezahlt. Insofern ist das Risiko, das die Griechen eingehen, nicht eingebildet, sondern real.

Aber: Staaten können dieses Risiko in Kauf nehmen. Die Frage Wohlstand oder Selbstbestimmung ist es wert, gestellt zu werden. Die Politik ist insofern immer souverän – sofern sie die Konsequenzen ihrer Entscheidungen offenlegt und dann auch bereit ist, diese zu tragen. Sie kann sich auch für ein Leben im ökonomischen Suboptimum entscheiden.

Doch so weit muss es nicht einmal kommen. Denn es gibt noch andere Möglichkeiten als das aktuelle Rettungspaket, um die Krise zu beenden. Eurobonds wären eine, eine aktive Rolle der Europäischen Zentralbank eine andere. Es geht hier nicht um die Bewertung dieser Ansätze, sondern darum, dass die Wahl eben nicht lautet: Akzeptanz der Gipfelbeschlüsse oder Finanzchaos.

Ironischerweise ist der wichtigste Einwand gegen das Referendum deshalb nicht ökonomischer, sondern demokratietheoretischer Natur. Wer ist die verfassungsgebende Gewalt – die pouvoir constituant –  in Griechenland? Das griechische Volk? So würde es die herrschende, im Nationalstaat verankerte Lehre wohl darstellen.

Aber was ist sie noch wert, angesichts der enormen Konsequenzen, die die Entscheidung für ganz Europa hat? Wenn die Griechen demnächst abstimmen, dann stimmen sie auch über unsere Währung ab. Dürfen die das? Und wenn der Deutsche Bundestag Finanzhilfen verweigert, dann entzieht er möglicherweise den Italienern die Lebensgrundlage. Dürfen wir das? Man kann es auch so sagen: Jede nationale Entscheidung verletzt das Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Einheit von Zeit, Handlung und Raum, die für das klassische Drama ebenso Voraussetzung ist wie  für die klassische Demokratie, sind nicht mehr gegeben.

Deshalb sollten wir die Völker besser ganz weg lassen. In einer Währungsunion mit ihren Interdependenzen stößt das nationalstaatliche Demokratiekonzept an seine Grenzen. Streng genommen kann die Antwort auf die Euro-Krise deshalb nur in einem gesamteuropäischen Referendum gegeben werden.

 

Warum ich dem Gipfelfest fernbleibe

Man hat ein schlechtes Gefühl dabei, der Spielverderber zu sein, wenn alle feiern. Ich wünsche den Euro-Rettern, dass ihre Manöver gelingt. Ich kenne einige von ihnen und ich weiß, dass es sich um kluge Menschen handelt, die ihr Bestes geben – die aber eben unter harten politischen Restriktionen handeln. Meine Skepsis gegenüber der jetzigen Rettungsstrategie beruhte vor allem auf drei Punkten:

1) Der gehebelte EFSF wird Liquiditätsnöte nicht lindern, weil den Investoren eine Teilkaskoversicherung nicht reicht.

2) Die Bankenrekapitalisierung belastet die Konjunktur, weil die Banken Kredite verknappen, um die strengeren Kapitalauflagen einzuhalten.

3) Der Schuldenschnitt in Griechenland führt dazu, dass Investoren eine ähnliche Behandlung auch in anderen Ländern der Euro-Zone erwarten und sich deshalb zurückziehen.

Wenn ich nun Berichte wie den folgenden heute in der FAZ lese, dann sehe ich die in Punkt 3) geäußerten Bedenken bestätigt:

Die Commerzbank will so viele ihrer verbliebenen Staatsanleihen verkaufen wie möglich. Vorstandschef Martin Blessing sagte nach einem Treffen im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten, das Bankhaus habe im dritten Quartal vor allem Kredite für die sogenannten PIIGS-Staaten weiterverkauft. […] „Ich fahre das runter, klar“, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Kritik, wonach ein massiver Verkauf solcher Papiere die Krise verschärfe, wollte Blessing nicht gelten lassen. Er verwies darauf, dass Europas Spitzenpolitiker noch 2010 den privaten Gläubigern Griechenlands versprochen hätten, dass es bis 2013 keinen Schuldenschnitt für Athen geben werde. Man habe ihm damals beteuert, dass es daher nicht nötig sei, Staatsanleihen schnell zu verkaufen. „Wenn heute noch mal ein Politiker zu mir käme und verlangte, wir sollten unsere Staatsanleihen in den Büchern halten, dann antworte ich: Trau, schau, wem.“

Und noch einmal bei der Commerzbank, diesmal zu Punkt 2):

Für die Commerzbank errechnet die EBA in ihrem Szenario einen Betrag von 2,938 Milliarden Euro. ‚Wir können die geforderte Kapitalquote zum Beispiel durch den Abbau von Risikoaktiva in Nicht-Kernbereichen, den Verkauf von nichtstrategischen Assets oder einbehaltene Gewinne sicherstellen. Eines ist jedoch klar: „Wir haben nicht vor, öffentliche Mittel anzunehmen“, sagte Eric Strutz. 

Oder, wie es die Analysten von BNP Paribas zusammenfassen:

The lessons from Greece are:

a. Significant restructuring of private debt is a more likely option than it looked six months ago;
b. The public sector is unwilling to write down its own loans, meaning that the restructuring risk falls on the private sector;
c. The larger a country’s reliance on public sector debt, the bigger the gearing effect will be on private sector debt of ‘shocks’ to the fiscal/economic position of a country.

The net result is a significant rise in the risk premium the market will demand to fund other peripherals (higher probability of default, probably higher writedowns). This raises likely risk premia on other peripheral debt.

 

Griechenlandrettung: Kostet kaum ein Lächeln

Hier die zentrale Passage der inzwischen im Netz zirkulierende aus der Schuldentragfähigkeitsanalyse für Griechenland. Schlimm, schlimm, die Rettung wirft die Retter um – so wird das in dem meisten Zeitungen, etwa in der Süddeutschen, kommentiert. Ist das so?

Sehen wir uns die Zahlen an: Unter Annahme der bisherigen Gläubigerbeteiligung (21 Prozent Barwertverlust) braucht das Land bis 2030 also insgesamt Hilfskredite in Höhe von 359 Milliarden Euro um Schuldentragfähigkeit – wenn ich es richtig lese eine Schuldenquote von 130 Prozent des BIP – zu erreichen. Schlimmstenfalls sind es 551 Milliarden Euro.

Keine Frage, das ist viel Geld. Aber erstens sprechen wir von einem langen Zeitraum und ein Euro in 20 Jahren ist weniger wert als ein Euro heute. Und zweitens: Das nominale Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone beläuft sich Stand 2011 auf 9500 Milliarden Euro. Wir sprechen also von einem Volumen von rund fünf Prozent des Euro-BIPs. Und schließlich drittens: Es handelt sich um Kredite. Das Geld kommt also zurück.

Die Überschrift ist mit Absicht polemisch formuliert, aber ganz im Ernst: Ist das wirklich der Abgrund?

Update: Noch ein schönes Detail aus dem Zahlenwerk: Die Erhöhung der Privatsektorbeteiligung um 50 Prozent reduziert den offiziellen Finanzbedarf also von 359 auf 220 Mrd €. Zugleich stecken wir 100 Mrd € in die Banken zur Absicherung – dabei sind andere Absicherungskosten wie die Erhöhung des EFSF noch nicht eingerechnet. Toller Deal…

 

Staaten oder Banken

Henry Kaspar, Kantoos und viele andere hier halten die von mir wiederholt geäußerte Kritik an der Verschiebung des Fokus von der Sicherung der Staaten auf die Sicherung der Banken für kompletten Unsinn, wie ihn nur Leute verbreiten können, die sich noch nie mit Finanzkrisen beschäftigt haben.

So wie Paul Krugman, oder?

OK, yes, European banks do need more capital. But their problems are a symptom of the underlying sovereign debt problem, which can only be resolved, if at all, with ECB lending AND a commitment to reflate. Without that, the losses on sovereign debt will blow right through any amount of newly raised bank capital.

Nun, die Berufung auf Autoritäten ersetzt nicht das Argument, aber meine lieben Gegner: So klar, wie ihr es suggeriert, ist die Sache eben nicht.

 

Formulierungshilfe für die Euro-Retter

weil ich darauf angesprochen wurde: hier mein ganz persönlicher – und völlig unrealistischer – Vorschlag für eine Abschlusserklärung des Gipfels, die etwas bewegen würde, so wie sie heute auf ZEIT Online steht:

Wir, die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone, haben in Verantwortung für unsere Währung und unsere gemeinsame Zukunft auf unserem Gipfeltreffen in Brüssel folgendes beschlossen:

1. Wir garantieren für die gesamte griechische Staatsverschuldung. Europa ist sich seiner Verantwortung in der Weltwirtschaft bewusst und wird seine Verpflichtungen erfüllen. Wir signalisieren damit, dass kein Land der Währungsunion pleitegehen wird. Wer bei uns investiert, kann sich darauf verlassen, dass Recht und Gesetz eingehalten werden. Wir haben erkannt, dass es ein Fehler war, die Privatgläubiger durch Schuldenschnitte an den Krisenkosten beteiligen zu wollen, weil sich die Krise dadurch ausgeweitet hat und andere Länder angesteckt wurden.

2. Wir gehen davon aus, dass Griechenland die Hälfte seiner Schulden selbst bedienen kann, den Rest – schätzungsweise 175 Milliarden Euro – übernehmen wir. Unsere Volkswirtschaften sind stark genug, um mit einer Last fertig zu werden, die einen Bruchteil der Kosten der deutschen Wiedervereinigung ausmacht, mit denen Deutschland alleine fertig wurde. Bei der Aufteilung der Schulden orientieren wir uns am Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank (EZB). Wir sind der Überzeugung, dass dies der billigste Weg ist, weil er Stützungsprogramme für andere Banken und Länder überflüssig macht.

3. Im Gegenzug verpflichtet sich Griechenland zu einem weit reichenden Reformprogramm und wird für die Dauer dieses Programms nur über eingeschränkte fiskalische Souveränität verfügen. Damit stellen wir sicher, dass die Auflagen umgesetzt werden und dass für andere Länder keine Anreize gesetzt werden, im Vertrauen auf Hilfe von außen Reformen zu vernachlässigen.

4. Wir berufen einen Konvent ein, der Vorschläge zur Reform der europäischen Verträge vorlegt. Wir wollen die politische Union schaffen, ohne die eine Währungsreform nicht funktioniert. Dazu gehört auch die Bekämpfung der internen Ungleichgewichte in der Währungsunion. Wenn die Fiskalpolitik hinreichend vergemeinschaftet ist, sind auch Euro-Bonds denkbar.

5. Sollten Zweifel an unserer Entschlossenheit bestehen, Staatspleiten zu verhindern, so werden der Stabilisierungsfonds EFSF, der von nun an Europäischer Währungsfonds heißen wird, und die Europäische Zentralbank bereitstehen, um sich gegen eine Panik zu stellen. Wir verzichten bewusst darauf, eine konkrete Zahl zu nennen, die nur zu Spekulationen führen würde, ob die Mittel ausreichen. Wir gehen aber davon aus, dass das durch unsere Entscheidung zu Griechenland nicht zu einem solchen Szenario kommen wird.

6. Wir verpflichten uns zu einem konjunkturschonenden und sozial gerechten Konsolidierungskurs. Wir werden unnütze Staatsausgaben streichen, aber wir lassen nicht zu, dass der Wohlfahrtsstaat ausgezehrt wird. Wir werden deshalb auch die Einnahmeseite verbessern. Zu diesem Zweck führen wir ab sofort einen europaweiten Spitzensteuersatz von 60 Prozent ein. Wir erhöhen darüber hinaus das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre, mit Ausnahmeregeln für bestimmte Berufsgruppen. Diese Maßnahme spart Milliarden und belastet die Konjunktur nicht. Es ist weder verantwortbar noch sozial, einen immer größeren Teil unserer arbeitsfähigen Bevölkerung auf das Abstellgleis zu schieben.

7. Einheit in Vielfalt wird auch künftig unser Motto sein. Aber wir brauchen mehr Einheit, um unsere Vielfalt erhalten zu können. Ohne die europäische Integration bedrohen die Verschiebung der weltpolitischen Machtverhältnisse und die globalen Marktkräfte unsere kulturellen und sozialen Errungenschaften.

Update: Der große Rhethoriker Huett hat es bei wiesaussieht formvollendet hinbekommen.

 

Was bringt der Hebel?

Während sich die Debatte in Deutschland darum dreht, ob es denn überhaupt rechtmäßig sei, den EFSF auf 2000 Milliarden Euro hochzuhebeln, läuft an den Finanzmärkten eine ganz andere Debatte: Ob diese Übung überhaupt etwas bringt. Und eine ganze Reihe von Argumenten sprechen dagegen:

1. Die Feuerkraft wird überschätzt. Um auf die 2200 Milliarden kommen, wird in der Regel so gerechnet. Der Fond hat eine maximale Ausleihsumme von 440 Milliarden Euro. Wenn er damit nun 20 Prozent der Anleihen der Krisenländer garantiert, erhält man 440 x 5 = 2200 Milliarden, die bewegt werden können. Dabei wird aber vergessen, dass der EFSF einen Teil seiner Mittel schon vergeben hat beziehungsweise für die Bankenrekapitalisierung weitere vergeben muss. Nomura taxiert die freien Ressourcen auf 200 Milliarden Euro – was eine maximale Hebelsumme von 1000 Milliarden ergibt bei einer Absicherung von 20 Prozent.

2. Die Bonität der garantierenden Staaten ist in Gefahr. Durch die Hebelung steigt zwar nicht die gesamte Haftungssumme, aber die Intensität der Haftung – schließlich garantiert der Fonds statt einer gesamten Anleihen ein Portfolio, dass sich nur aus Verlusttranchen zusammensetzt. Damit aber steigt die Gefahr, dass das erhöhte Ausfallrisiko auf die Bonität der Staaten durchschlägt, die im Ernstfall für den Ausfall gerade stehen müssen. Das könnte insbesondere für Frankreich gefährlich werden. Wenn aber die Franzosen ihr AAA Rating verlieren, verliert auch der Fonds seine Topnote (es sei denn Deutschland springt ein, aber dann wäre irgendwann auch das deutsche Rating in Gefahr). Ohne eine AAA Absicherung aber ist die Versicherung, die der Fonds den Anlegern anbietet, nur noch bedingt glaubwürdig.

3. Die Idee einer Versicherung hat ihre Tücke. Verkauft wird das Konzept ja bekanntlich als eine Art Teilkaskoversicherung für Anleiheinvestoren. Die sollen angelockt werden, weil sie ja wissen, dass ihnen bei einem Zahlungsausfall 20 Prozent garantiert werden. Die Frage ist, was eine Teilkaskoversicherung bei einer Staatspleite bringt. Denn wenn ein Land erst einmal zahlungsunfähig ist oder sich dafür erklärt, dann ist die Versuchung groß, nicht nur 20 Prozent, sondern gleich 50 oder 60 Prozent abzuschneiden. Wo man schon einmal dabei ist und die Märkte ohnehin schon in Panik sind. Der Punkt ist: Eine Staatspleite ist ein so schwer kontrollierbare Ereignis, das möglicherweise eine Vollkasko erfordert. Dann wäre aber der Hebel dahin.

Ich höre aus dem Markt auch Stimmen, die die Versicherungslösung für ausreichend halten, doch mein Eindruck ist, dass man das mehr und mehr skeptisch sieht. Und das ist in diesem Fall entscheidend, denn diese Jungs müssen wir ja überzeugen.

 

How not to recapitalise Europe’s banks

Regelmäßige Leser dieses Blogs wissen, dass ich es für besser halte, die Ausfallwahrscheinlichkeit europäischer Staatsanleihen zu senken, als die Banken dafür vorzubereiten, die Ausfälle abzufedern. Nun bin ich wohl auf der falschen Seite der Geschichte – aber wenn man die Banken rekapitalisiert, sollte man es schon richtig machen. Und nicht so, wie es mein ehemaliger Ressortleiter Sven Clausen heute in der FTD vorschlägt (sorry, Sven, auf andere Zeitungen kann ich gerade nicht zugreifen).

Denkbar wäre etwa Mitte nächsten Jahres, damit die Unternehmen genügend Zeit haben und sich in einer regulären Hauptversammlung auch das Plazet ihrer Eigentümer, der Aktionäre, abholen können. In dieser Zeit hätten die Banken genügend Instrumente: Sie können sich auf die Suche nach neuem Eigenkapital machen, Vermögenswerte, die Eigenkapital binden, verkaufen, Gewinne einbehalten. Der große Charme dieser Lösung: Endlich hätte die Politik die Privatisierung der Verluste aus der Finanzkrise, die sie schon so lange fordert.

Jede Bank wird vermeiden wollen, dass sie verstaatlicht wird und sich deshalb panisch von allem trennen, was Eigenkapital bindet. Auch von Krediten an Unternehmen und Haushalte. Die Einräumung einer Frist für die Rekapitalisierung ist ein sichereres Rezept für eine Rezession. Um das gefährliche Deleveraging zu verhindern muss entweder sofort rekapitalisiert werden, am besten zu einem Stichtag in der Vergangenheit – oder man schreibt den Banken ein bestimmtes Kapitalniveau und keine Quote vor, damit die Reduktion von Geschäftsvolumen kein Mittel ist, um das Ziel zu erreichen.

So wird das nichts.

 

 

Noch einmal Spaß mit Target 2

Es gibt wirklich wichtigere Dinge in diesen Tagen, aber da Hans-Werner Sinn damit begonnen hat, Pressemitteilungen zu Monatsberichten der EZB zu verschicken, nun doch noch einmal das leidige Thema.

Die EZB bringt in ihrem Monatsbericht einen Kasten zum Thema Target 2. Eine der zentralen Aussagen:

It would be wrong to believe that TARGET2 liabilities that result from the provision of relatively large amounts of liquidity to banks in some countries have a negative impact on bank lending in other countries. Rather, banks in countries where the NCB displays a positive TARGET2 balance (see Chart C, middle panel) tend to be recipients of cross-border payment flows from other countries. Banks in such countries need less central bank liquidity than would otherwise be the case in order to continue lending to households and firms in their economies.

Mit anderen Worten: Die hohen Target-Forderungen der Bundesbank bedeuten mitnichten, dass hier im Lande bei irgendjemandem die Kredite knapp werden. In seinem ersten Beitrag in der FAZ zum Thema schreibt Sinn:

Die Bundesbank verzichtet also auf eine innerdeutsche Kreditvergabe zugunsten einer Kreditvergabe über die irische Notenbank. … [Der] Traktor [ist] gegen einen erzwungenen, kontokorrentähnlichen Kredit der Bundesbank an den irischen Bauern geliefert worden, der zu Lasten der Kreditvergabe an deutsche Kreditkunden geht. 

Wichtig ist: Das wurde damals so verstanden, dass deutsche Firmen die Liquidität gekürzt wird, weil diese nach Portugal und Irland ströme.  Diese Interpretation war einer der wichtigsten Gründe für die ganze Aufregung und die Kritik an Sinn. Denn die Schlussfolgerung wäre gewesen, dass sich die Iren unsere Kredite klauen.

Inzwischen scheint das Ifo-Institut an diesem Punkt nachgebessert zu haben, denn es heißt in der neuesten Version des Arguments nur noch,  dass weniger Zentralbankliquidität in Deutschland zur Verfügung gestellt würde – es wird also die Behauptung fallen gelassen, dass den Unternehmen und Verbrauchern Liquidität fehle (weil die Banken das, was sie von der Zentralbank weniger bekommen, von anderen Banken bekommen). So kann das Ifo-Institut nun freudig mitteilen:

Die Aussagen der Europäischen Zentralbank (EZB)zu den Target-Salden bestätigen die Darstellung des ifo Instituts dazu, obwohl letztere wesentlich ausführlicher ist (Sinn und Wollmershäuser, CESifo Working Paper 3500, Juni 2011). Das ifo Institut begrüßt, dass es keine sachlichen Differenzen über den Vorgang an sich gibt. (…)   Ein positiver Target-Saldo wie in Deutschland bedeutet keine Einschränkung der Liquidität, da diese Salden aus dem Zufluss grenzüberschreitender Liquidität resultieren. (Die von außen zufließende Liquidität verdrängt deshalb den Refinanzierungskredit in Deutschland! Vgl. Sinn und Wollmershäuser, Abbildung 9. )

Klar: Wenn die These nur noch ist, dass die deutschen Banken weniger Geld von der Bundesbank benötigen, weil sie von ausländischen Banken mit Geld zugeschüttet werden, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Aber: Dann ist die ganze Sache vollkommen unkontrovers und auch irrelevant, denn ob die Deutsche Bank sich nun bei der Bundesbank refinanziert oder bei der BNP Paribas ist schlicht egal. Wichtig ist, was bei den Unternehmen ankommt.

Ich habe übrigens von Anfang an Sinns These zugestimmt, dass die EZB Leistungsbilanzdefizite finanziert im Süden (nur brauche ich dazu keine Target-Salden, sondern kann direkt in die Refinanzierungsstatistik). Aber ich halte das für richtig, und auch hilfreich für die deutsche Wirtschaften um die Anpassung zu erleichtern, die ansonsten schockartig gekommen wäre – was schlecht wäre für uns und die anderen.

 

Schadet die Bankenrekapitalisierung?

Regelmäßige Leser wissen, dass ich die Bankenrekapitalisierung für problematisch halte, weil ich lieber die Staaten retten würde. Ich gehe sogar noch weiter: Die Kombination aus Stresstest und Zwangsrekapitalisierung, wie sie jetzt geplant ist,  könnte die Krise sogar noch verschlimmern. Warum? Nun welche Anreize gehen davon aus, dass Banken, die stark in Südeuropa engagiert sind, nun mit der Staatsgewalt rechnen müssen? Genau, sie werden einen noch größeren Bogen um Südeuropa machen. Diese Krise unterscheidet sich von der Immobilienkrise, weil es um Staatsanleihen geht. Wenn wir uns die erhöhten Kapitalanforderungen wie eine Steuer vorstellen, dann hat auch diese Steuer Lenkungswirkungen – im Fall spekulativer Geschäfte ist sie erwünscht, im Fall der Staatsfinanzierung nicht.

In jedem Fall: Je mehr wir die Banken wegen ihres PIIGS Exposures quälen – durch Stresstests, Zwangskapital etc. – desto weniger werden sie dort investieren. Merkt Euch meine Worte. Ich weiß, dass ist ziemlich off-consensus und ich hoffe, ich täusche mich. Aber was, wenn nicht?