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Warum eigentlich darf „Mister Dax“ ins Fernsehen?

Wenn Talkshows nach einer Figur suchen, die die Sicht der Finanzmärkte repräsentiert, dann nehmen sie gerne Dirk Müller. Kampfname: Mister Dax. So auch Günther Jauch gestern. Nun kennt man ihn aus dem Fernsehen, weil sein Arbeitsplatz an der Börse zufällig unter den Kurstafeln lag – aber abgesehen davon: Was macht ihn eigentlich zum Finanzmarktexperten?

Gestern bei Jauch jedenfalls erklärte er den Deutschen, dass es den „Jungs jenseits des Atlantiks“, also die großen Investmentbanken egal ist, was ein deutscher Minister so sagt. Komisch nur, dass die Märkte im Moment panikartig auf jede Äußerung eines deutschen Ministers reagieren – wahrscheinlich weil sie sehr genau wissen, dass über die Zukunft des Euros in Berlin entschieden wird.

Kleiner Tipp an die Redaktionen: Vielleicht mal einen von den „Jungs jenseits des Atlantiks“ in die Show holen!

 

Wer ist hier links?

Leider komme ich erst jetzt dazu, auf den sehr interessanten Beitrag von Kantoos – der damit wieder einmal beweist, dass er einen der interessantesten Blogs betreibt – über die Frage verfasst, was unterLinkssein zu verstehen ist. Dabei nimmt er Bezug auf meine Auseinandersetzung mit dem Aufsatz von Frank Schirrmacher zu dem Thema. Kantoos kritisiert nun, in meiner Kritik an Schirrmacher mache ich den Fehler, Linkssein als Zugehörigkeit zu einem bestimmten Theoriegebäude zu definieren und schreibt: Weiter„Wer ist hier links?“

 

Euro-Bonds überfordern uns (aber nur intellektuell)

Ich bin ja nun schon eine Weile im Geschäft, aber dennoch immer wieder verblüfft, was es da so in die hiesigen Qualitätszeitungen schafft. Standard & Poor’s hat sich also zum Thema Euro-Bonds geäußert.

Wenn wir einen Euro-Bond haben, bei dem Deutschland 27 Prozent garantiert, Frankreich 20 Prozent und Griechenland 2 Prozent, dann läge das Rating des Euro-Bonds bei ,CC‘, was der Kreditwürdigkeit Griechenlands entspricht“, sagte der Leiter des Länderbereichs Europa von S&P, Moritz Krämer, auf dem „Europäischen Forum“ im österreichischen Ort Alpbach.

Wenn Europa einen Euro-Bond so strukturierte, dann hätte es tatsächlich den Untergang verdient. Natürlich fliegt das nur, wenn es eine gesamtschuldnerische Haftung gibt – joint and several für die Experten –, wenn also der Ausfall eines Landes nicht automatisch zu einem teilweisen Zahlungsausfall führt, sondern einer für den anderen eintritt.

Dann sollte die Verschuldung der Euro-Zone insgesamt zählen, und die ist niedriger als die der USA – und wahrscheinlich wäre es vollkommen egal, was S&P sagt, weil an einem solchen Bond niemand vorbei käme. Ohne gesamtschuldnerische Haftung kann man die Sache mit den Euro-Bonds auch gleich bleiben lassen. Ich denke, man muss nicht einmal Goldman Sachs engagieren, um das hinzubekommen.

Krämer kann sich eine solche Anleihe immerhin vorstellen.

„Vielleicht könnte dies auf eine andere Art strukturiert werden“, fügte er hinzu.

Die meisten meiner Kollegen offensichtlich nicht. „Deutschland droht Rating wie Griechenland“ las ich irgendwo und noch Schlimmeres. Denkfaulheit ist die wohlwollende Interpretation, Stimmungsmache die wahrscheinliche.

Update: Ein Auszug aus einer Studie von S & P (leider kein link). Es ist genau so, wie ich dachte:

We anticipate that such composite, severally liable issuance is unlikely to be realized at significant scale beyond a group of similarly rated sovereigns given the potentially higher financing costs for higher rated sovereigns issuing in combination with lower rated peers.  Our rating approach described herein would apply where each participating government would be responsible only for the debt service of that share of the bond proportional to the share of the receipts it received at the time of the bond sale and no government would be liable for more than its own share. We see this format as equivalent to packaging a pool of several sovereigns‘ identical issues (tenor, coupon, interest dates) into a single bond.

Mit anderen Worten: S & P spricht nicht über einen Eurobonds, wie ihn sich die Befürworter vorstellen, sondern über eine teilschuldnerische Haftung. Daher auch das Urteil.

Under these circumstances, Standard & Poor’s would generally rate the bond at the rating level of the lowest rated participating sovereign (weak-link approach), irrespective of how large or small that sovereign’s share in the bond may be.

 

Reich werden mit Keynes

FT Alphaville zitiert aus einem Gespräch mit Bill Gross:

“Do I wish I had more Treasuries? Yeah, that’s pretty obvious,” Mr Gross told the Financial Times last week, adding: “I get that it was my/our mistake in thinking that the US economy can chug along at 2 per cent real growth rates. It doesn’t look like it can.”

When the yield on the 10-year Treasury was 3.5 per cent in January, Mr Gross warned that the risk of rising inflation made government debt a poor investment.

Schon blöd, wenn die politisch erwünschte ökonomische Theorie so gar nicht zur Realität passt. Sie kommt nicht, die große Inflation.


 

Der Weg in die Knechtschaft

Eines der wichtigsten Argumente gegen die Übertragung von Kompetenzen an den EFSF, nach Brüssel oder an eine andere europäische Institution ist deren mangelnde demokratische Legitimation. Es gilt no taxation without representation und der Bundestag will sein Budgetrecht nicht hergeben.

Andererseits: Wie ist es um die Souveränität einer offenen Volkswirtschaft in globalen Märkten bestellt?  Man kann ja mal die Schweizer fragen, wie groß die geldpolitische Autonomie noch ist, wenn man von den Kapitalmärkten als sicherer Hafen ausgeguckt wurde.

Die Frage ist als, wie das default setting aussieht. Bei Nichtübertragung von Kompetenzen kehrt hierzulande also nicht zwingend die totale Souveränität ein, denn dann reden zwar nicht die Griechen und Portugiesen mit, aber dafür die Märkte. Und irgendwie scheinen wir zu glauben, dass die Unterwerfung unter den Markt mit weniger Freiheitsverzicht verbunden ist als die Unterwerfung unter gemeinsame europäische Regeln.

Dabei kann die Vergemeinschaftung als Versuch verstanden werden, Souveränität wiederherzustellen – nicht die perfekt durchlegitimierte Souveränität, die wir aus dem nationalen Kontext kennen, aber eine, die vielleicht immer noch demokratischer ist als von den Märkten regiert zu werden.

Meines Erachtens liegt der große Denkfehler vieler Kritiker der Rettungsmaßnahmen – einschließlich des Bundespopulisten Wulff –  darin, dass sie argumentieren, wir würden uns von den Märkten durch die Manege ziehen lassen. Dabei schaffen wir uns die Instrumente, um die Märkte durch die Manege ziehen zu können.

 

Was wollt ihr eigentlich, ihr Euroskeptiker?

Mein Beitrag über Christian Wulff hat eine wahre Flut von Kommentaren ausgelöst – 90 Prozent davon wüste Beschimpfungen. Damit kann ich leben. Was ich mich aber frage ist: Was wollen diejenigen eigentlich, die die Rettungsmaßnahmen kritisieren? Raus aus dem Euro? Könnte zwar in einer Katastrophe enden, aber kann man natürlich machen. Dann aber sollte man zumindest so ehrlich sein, und das auch sagen, statt wie Bundespopulist Wulff über die Politiker herzuziehen und sich immer nur darüber zu beklagen, dass dauernd Regeln gebrochen werden und alles ganz schlimm ist. Ist es, keine Frage, aber die Welt ist kein Ponyhof. Und vielleicht waren ja auch ein paar der Regeln einfach nicht so clever.

Wenn man aber die Währung behalten will, dann muss ja ganz offensichtlich irgendetwas geschehen. Man kann Eurobonds einführen, den EFSF vergrößern und mit der Flexibilität ausstatten, die nötig ist, um am Markt zu agieren, oder man kann den Job der EZB übertragen.  Für all das gibt es Argumente und Gegenargumente, aber wer alles ablehnt – wie es 90 Prozent der Deutschen zu tun scheinen – der macht sich einen „schlanken Fuß“ um einmal Wulff zu zitieren.

Wenn jetzt dieselben Leute, die gegen die Bondkäufe der EZB wettern, sich darüber beklagen, dass durch den EFSF ihr schönes Budgetrecht zum Teil verlustig geht, dann ist das bestenfalls unaufrichtig. Soll Klaus Regling etwas jedes Mall beim Bundestag nachfragen, bevor er interveniert? Die Märkte werden aber richtig Angst bekommen. Und: Fordern wir nicht von den Griechen und den Portugiesen, dass sie ihr Budgetrecht aufgeben?

Die Euro-Debatte ist ein Trauerspiel.

 

Christian Wulff bricht die Verträge

Artikel 130 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union:

Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verträge und die Satzung des ESZB und der EZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.

Bundespräsident Christian Wulff heute in Lindau über die Anleihekäufe der EZB:

Dies kann auf Dauer nicht gutgehen und kann allenfalls übergangsweise toleriert werden. Auch die Währungshüter müssen schnell zu den vereinbarten Grundsätzen zurückkehren.

Christian Wulffs Aussage ist jenseits aller inhaltlichen Aspekte  ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Unabhängigkeit der Notenbank. Wenn der Präsident – sagen wir – Peer Steinbrück heißen würde und niedrige Zinsen gefordert hätte, hätten das bestimmt auch alle so geschrieben und kommentiert.

Wetten, dass morgen in den deutschen Zeitungen zu lesen sein wird, Wulff habe auf eine bedenkliche Entwicklung aufmerksam gemacht und es sei Zeit für die EZB, zur Besinnung zu kommen.

Das Prinzip der Unabhängigkeit gilt in Deutschland offenbar nur dann, wenn die Notenbank auf den Pfaden der Orthodoxie wandelt. Vielleicht ist es besser,  den Vertrag gleich zu ändern, damit die Sache wenigsten transparent ist. Vorschlag:

Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verträge und die Satzung des ESZB und der EZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten verhält sich die Europäische Zentralbank so, wie es in der FAZ steht.

Update: Christian Wulffs Rede ist nicht nur ein Skandal, sondern auch noch falsch, zumindest aber missverständlich.

Der indirekte Kauf von Staatsanleihen ist im Übrigen auch noch teuerer als der direkte. Wieder verdienen Finanzmarktakteure Provisionen ohne jedes Risiko.

Wenn die Händler der EZB einer Bank eine italienische Anleihe zu 90 abkauft, die die Bank am Primärmarkt zu 100 eingekauft hat – wer bucht dann den Verlust. Bislang – man kann es im Jahresbericht nachlesen – hat die Notenbank mit ihrem SMP Programm Gewinn gemacht. Und mit Italien und Spanien wird sie auf jeden Fall Gewinn machen, weil es in diesen Ländern zu keinem Zahlungsausfall kommen wird.

 

Eine wahre Börsengeschichte

Da haben die Kollegen vom Wall Street Journal mal einen hübschen Scoop gelandet. Sie haben die Märkte bewegt. Der Dax fällt am Donnerstag um lockere sechs Prozent und der Dow dann um weitere vier hinterher. Kein schlechtes Ergebnis für ein Artikelchen ohne Substanz. Die WSJ-Reporter, laut Autorenzeile David Enrich und Carrick Mollenkamp, erzählen dem erstaunten Leser, die Fed New York (das ist diejenige regionale Gliederung der US-Notenbank, der, bevor er Finanzminister wurde, Tim Geithner vorstand) sei „sehr besorgt“ (wie sie zwischen authentisch wirkenden Gänsefüßchen schreiben), dass manche europäische Bank nicht an genügend Geld herankommt, um ihre Verpflichtungen in ihrem US-Geschäft zu erfüllen. Weiter„Eine wahre Börsengeschichte“

 

Warum Frank Schirrmacher immer noch kein Linker ist

Frank Schirrmacher hat nicht nur sein Gespür für die großen Trends bewiesen, sondern auch einen klugen Aufsatz geschrieben, in dem er die zerstörerische Kraft des entfesselten Marktes eindrucksvoll beschreibt:

Die CDU aber, belehnt mit einem autodidaktischen Ludwig-Erhard-Studium, sieht nicht, wer in diesen schrumpfenden Räumen sitzt: Lehrer und Hochschullehrer und Studenten, Polizisten, Ärzte, Krankenschwestern, gesellschaftliche Gruppen, die in ihrem Leben nicht auf Reichtum spekulierten, sondern in einer Gesellschaft leben wollen, wo eindeutige Standards für alle gelten, für Einzelne, für Unternehmen und für Staaten, Standards von Zuverlässigkeit, Loyalität, Kontrolle.

Man hat diesen Aufsatz als Umkehr eines Konservativen rezipiert, der sich mit linken Positionen anfreundet. Das ist nicht die richtige Interpretation – im Gegenteil. Weiter„Warum Frank Schirrmacher immer noch kein Linker ist“

 

Tax and Spend!

Das empfiehlt Investorenlegende Warren Buffett, als habe er sich mit Frank Schirrmacher abgestimmt.

OUR leaders have asked for “shared sacrifice.” But when they did the asking, they spared me. (…) Back in the 1980s and 1990s, tax rates for the rich were far higher, and my percentage rate was in the middle of the pack. According to a theory I sometimes hear, I should have thrown a fit and refused to invest because of the elevated tax rates on capital gains and dividends.

I didn’t refuse, nor did others. I have worked with investors for 60 years and I have yet to see anyone — not even when capital gains rates were 39.9 percent in 1976-77 — shy away from a sensible investment because of the tax rate on the potential gain. People invest to make money, and potential taxes have never scared them off. And to those who argue that higher rates hurt job creation, I would note that a net of nearly 40 million jobs were added between 1980 and 2000. You know what’s happened since then: lower tax rates and far lower job creation.

Nur um das klarzustellen: Ich bin der Meinung, dass der Kapitalismus das am wenigsten Schlechte System ist. Aber er wird politisch nur überleben, wenn er Teilhabe erlaubt, und ökonomisch, wenn er ausreichend Kaufkraft generiert. Und das bedeutet neben vielen anderen Dingen eben auch: Den Reichen nehmen und den Armen geben. Anders geht es nicht. Punkt.

Oder, um es mit dem Altmeister JMK zu sagen:

If capitalist society rejects a more equal distribution of incomes  [… ], then a chronic tendency towards the underemployment of resources must in the end sap and destroy that form of society.