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Asmussens genialer Vorschlag

Zur Diskussion um die Bankenstützung auf europäischer Ebene habe ich gestern den folgenden (sonst online nicht kostenlos verfügbaren) Text für die ‘junge welt‘ geschrieben. Vielleicht interessiert er ja den einen oder anderen hier.

Der Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi ist ein heller Kopf. Zwei Tage, nachdem die Wähler in Frankreich ihre Unzufriedenheit mit der Politik ihres Präsidenten ausgedrückt hatten und die rechte, superrigorose Regierung in den Niederlandes geplatzt war, plädierte der EZB-Chef bei der üblichen Befragung vor dem EU-Parlament für einen „Wachstumspakt“, der den so erfolgreichen Fiskalpakt aufs Feinste ergänzen könne.

Noch schneller als Draghi ist freilich unser guter Bekannter Jörg Asmussen. Der noch relativ junge (Jahrgang 1966) Mann ist Anfang des Jahres aus dem einen Zentrum der Macht als Staatsekretär im Bundesfinanzministerium in das andere, das sechsköpfige Direktorium der EZB in Frankfurt aufgestiegen. Asmussen weiß schon vor Draghi, dass Wachstumsförderung politisch angezeigt ist, und er weiß auch, was das bedeutet: Bankenförderung. Weiter„Asmussens genialer Vorschlag“

 

Hat jemand den Leviathan gesehen?

Ein Grund dafür, dass ich mich so gerne auf der Webseite der Bundesbank aufhalte, sind die wunderbaren Zahlen, die es dort zu sehen gibt. Da wird also im Moment in Deutschland eifrig über die vermeintlich steigende Belastung der Bürger mit Steuern und Abgaben geschrieben und den fetten Staat, der sich immer mehr Geld von seinen Bürgen holt.

Nun, hier die Staatseinnahmen aus Steuern und Sozialabgaben seit Anbeginn dieser schönen Republik bis 2010.

Grafik: Staatseinnahmen in Prozent des BIP seit 1950

Was sehen wir? Einen ziemlichen Anstieg bis Mitte der siebziger Jahre und seither – Stagnation! Die Staatseinnahmen liegen heute mit 39,6 Prozent des BIP exakt auf dem Niveau von 1979, und das, obwohl ein ganzer Staat eingemeindet werden musste.

Damit ist noch nichts über die Verteilung der Lasten gesagt, keine Frage – und hier mag es Ungerechtigkeiten und sogar Anreizprobleme geben. Trotzdem, liebe Kollegen: Bevor ihr wieder zur Tötung des Leviathan aufruft, erst einmal die Bundesbank fragen. Er ist nämlich schon halb tot.

 

Draghis Wachstumspakt – eine Mogelpackung?

Die große Neuigkeit heute war die Forderung von Mario Draghi nach einem Wachstumspakt während einer Anhörung im europäischen Parlament. Viele Medien haben das als Abkehr von der Austeritätspolitik beschrieben, doch das ist Unsinn. Nach allem was ich höre, fordert Draghi entschlossenere Strukturreformen und damit im wesentlichen more of the same.

Wer glaubt, dass Strukturreformen tatsächlich kurzfristig für Wachstum sorgen, der mag sich damit zufriedengeben – dass sich diejenigen, die unter einem Wachstumspakt eine Ankurbelung der Nachfrage verstehen (und das dürfte die Mehrheit sein) davon überzeugen lassen, ist aber unwahrscheinlich.

Es bleibt dabei: Wenn Draghi oder Merkel von Wachstumspolitik sprechen, dann meinen sie damit etwas ganz anderes als Hollande oder Lagarde. Und der Neuigkeitswert der Aussagen des EZB-Präsidenten geht gegen Null.

 

Euro beschert Deutschland einen kleinen Immobilienboom

Von einem Immobilienboom zu sprechen, ist natürlich übertrieben, aber nach den Jahrzehnten stagnierender Bautätigkeit und nur sehr langsam steigender Preise fühlt sich das, was sich heute am Wohnungsmarkt tut, fast so an. Das hat vielerlei Gründe, aber ein wichtiger dürften die niedrigen Zinsen sein, die uns die EZB beschert hat. Ohne den Euro und die Eurokrise keine negativen Realzinsen am kurzen Ende, ohne die Eurokrise keine Flucht in deutsche Anleihen, Aktien und Immobilien, mit den entsprechenden Vermögensgewinnen. Weiter„Euro beschert Deutschland einen kleinen Immobilienboom“

 

Sollen wir jetzt die Piraten wählen?

Auf diesen Seiten war bislang noch nicht von den Piraten die Rede – wie auch, wir interessieren uns in der Regel für policies und was die Piraten wollen, weiß man nicht so richtig. Interessant erscheint mit, dass die Piraten in linken Zirkeln als progressive Kraft wahrgenommen werden, ich habe da nämlich meine Zweifel, und ich finde, dass es Björn Böhning in der FAZ sehr schön gesagt hat.

 Kern meiner Kritik an den Piraten ist deren grundsätzlich anti-staatliche Propaganda, mit der sie erfolgreich punkten. Sie bedienen gängige Klischees von faulen, korrupten und machtgierigen, aber unfähigen Politikern. Das verwundert erst einmal, da die Piraten derzeit selbst vor allem mit internen Machtkämpfen Schlagzeilen machen. Es ist aber schon auffällig, mit welcher Selbstüberschätzung sie die parlamentarische Arbeit angreifen und damit die Komplexität von politischen Entscheidungen bewusst verkennen.

Die Finanzkrise, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, der Klimawandel – das sind keine Herausforderungen, die man mit Polemik meistern kann. Ich erwarte mir von Abgeordneten und Parteien, dass sie Antworten vorschlagen und diskutieren: ein alternatives, demokratischeres Wirtschaftssystem, gerechte Sozialpolitik und eine soziale Energiewende. Wie lange wollen die Piraten noch warten, bevor sie sich positionieren?

Die Innovation der Piraten scheint mit der Fokus auf Verfahren zu sein – aber liquid feedback ist an sich weder rechts noch links sondern ein politisch neutrales, und in meinen Augen sehr fragwürdiges Instrument, um individuelle Präferenzen zu aggregieren und in kollektives Handeln umzusetzen, zumal wir seit Kenneth Arrow wissen, dass soziale Entscheidungen nur begrenzt aus dem Willen des Einzelnen abgeleitet werden können.

Die repräsentative Demokratie hat schon ihren Sinn,  und wer z.B. denkt – was ich nicht tue –, der Staat sei von den bösen Bankern gekauft, der kann ja die Linkspartei wählen. Mit anderen Worten: Mit ist nicht klar, wofür diese Partei steht und ich glaube, das ist kein Zufall sondern ein immanentes Problem der Piraten, die die Form zum Inhalt erkoren haben.

 

Der deutsche Sonderweg in der Ökonomie

Manchmal tut einem der Weltgeist einen Gefallen und der zeitliche Ablauf der Ereignisse lässt die Widersprüche so richtig schön durchscheinen.

Aus dem Frühjahrsgutachten der Institute:

Die verbesserte Finanzlage des Staates sollte somit nicht zum Anlass genommen werden, in den Konsolidierungsbemühungen nachzulassen. Dies scheint gegenwärtig aber der Fall zu sein.

Aus dem Weltwirtschaftsausblick des IWF:

In  the short term, this will require more efforts to  address the euro area crisis, a temperate approach to  fiscal restraint in response to weaker activity, a continuation of very accommodative monetary policies,  and ample liquidity to the financial sector.

Zugespitzt formuliert: Der IWF sagt, Deutschland soll weniger sparen, die Institute sagen, Deutschland soll mehr sparen. Selten wird so offensichtlich, wie isoliert Deutschlands Ökonomen sind.

Wer aber ist nun im Recht, das deutsche Establishment oder das Weltestablishment? Darüber kann man lange diskutieren – oder man hält sich an ein Sprichwort aus meiner bayerischen Heimat:  Ober sticht Unter.

 

Spanienkrise kann – und muss – gelöst werden

Ich weiß nicht, wie man sich in Berlin und Frankfurt die Zukunft des Euro vorstellt. Mit immer ehrgeizigeren Sparprogrammen sollen vor allem in Italien und Spanien die Staatshaushalte saniert werden, also in den Ländern, auf die es wegen ihrer Größe entscheidend ankommt. Doch „Spare in der Not“ ist vielleicht eine sinnvolle Maxime für Sie und mich, aber nicht für ganze Länder. Ich muss jedoch zugeben, dass sich strukturelle Mängel in der Volkswirtschaft manchmal nur beseitigen lassen, wenn die Lage wirklich sehr ernst ist, so wie zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts, als die Schröder-Regierung die Agenda 2010 beschloss. Das war allerdings nicht zuletzt deshalb ein Erfolg, weil die globale Konjunktur damals kräftig ansprang, sodass die schwache Inlandsnachfrage durch eine Exportoffensive ausgeglichen werden konnte. Strukturreform und Wachstum müssen Hand in Hand gehen, sonst vertieft sich jede Rezession, das Defizit wird noch größer und die Lage immer aussichtsloser. Weiter„Spanienkrise kann – und muss – gelöst werden“