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Klassische Dänische Weihnachten

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Kerzenschein, Essen, weihnachtlicher Duft und die Aussicht auf ein schönes Geschenk bringt mich richtig in Weihnachtsstimmung. Diese Erfahrung habe ich an einem regnerischen, unansehnlich rauen Novembertag gemacht. Vielleicht war es auch das knirschen des Frostes unter meinen Wanderstiefeln und der Kerzenschein, plötzlich freute ich mich jedenfalls auf Weihnachten wie ein kleiner Junge. Nun kann die Zeit gerne kommen mit dem weihnachtlichen Gebäck, Geschenken und einem Weihnachtsbaum im Wohnzimmer.

Es gibt viele verschiedene Rezepte zur Weihnachtszeit. In diesem kleinen Artikel habe ich ein paar der klassischen dänischen Weihnachtsrezepte gesammelt. Weihnachtsente, klassischen dänischen Rotkohl, karamellisierte Kartoffeln und eine klassische Sauce.

Stellt die Rücksicht auf Kalorien ruhig bis Januar ein wenig hinten an und gebt euch den weihnachtlichen Freuden hin. Und vergesst nicht, dass gute landwirtschaftliche Erzeugnisse noch immer das Wichtigste an einem gelungenen Festmahl sind. Auch ein guter Koch kann mit mittelmäßigen Erzeugnissen nur ein mittelmäßiges Mahl zubereiten.

Euch allen frohe Feiertage und „God Jul“
Thomas

Dänische Weihnachtsente oder „Juleand“
für 6-7 Personen:
1 frische Ente
½ Apfel pro Person
6 Backpflaumen pro Person
½ kg Wurzelgemüse, z.B. Möhren, Pastinaken, Petersilienwurzeln
1 großer Thymianzweig und/oder Lorbeerblätter
eventuell etwas Cognac oder Weinbrand

Die Ente nach Resten von Innereien untersuchen, diese entnehmen, das Tier von innen reinigen und danach die Flügelenden entfernen.

Die Backpflaumen mit ein wenig Cognac oder Weinbrand begießen, die Äpfel schälen, das Kerngehäuse entfernen, in kleine Dreiecke schneiden und zu den Backpflaumen geben.
Thymian, vom Zweig abgestreift, Lorbeerblätter, Salz und Pfeffer hinzugeben und die Gans damit füllen. Mit einer Baumwollschnur wird nun der Braten geschlossen und die Schenkel so zusammengebunden, dass sie dicht an der Brust liegen und diese schützen. Die Ente danach mit grobem Salz einreiben, auf einen Rost legen und über einem mit ca. 1/2 l Wasser gefüllten Backblech in den Ofen schieben.
Wenn die Gans in den Ofen kommt, sollte sie Zimmertemperatur haben.

Die Flügelenden und Innereien (Herz, Leber und eventuell den Hals) zusammen mit grob gewürfeltem Gemüse wie Möhren, Pastinaken oder Sellerie und Porree in das mit Wasser gefüllte Backblech legen.

Nun die Ente bei ca. 160°C für 50-60 Minuten pro Kilo braten. Den Vogel alle halbe Stunde wenden und mit etwas Bratfett übergießen. Während des Bratvorgangs sollte immer etwas Wasser in dem Backblech sein, damit das gute Entenfett nicht anbrennt.
Wenn die Ente nun fast fertig gebraten ist, den Ofen auf 200 Grad erhitzen, und bis die Haut gülden ist weiter braten. Wenn du den Schenkel anstichst und es kommt ein heller Saft heraus, ist die Ente fertig gebraten. Nachdem er durchgebraten ist sollte man die Ente noch mindestens eine halbe Stunde ziehen lassen und erst danach partieren.

Man kann dieses Rezept natürlich auch für eine Weihnachtsgans nutzen.

Zur Ente serviert man Rotkohl und dänische karamellisierte Kartoffeln, helle Kartoffeln und unsere gute Sauce, die sogenannte „brun sovs“.

Auch schön ist es, die Ente mit einem festen, leicht gekochten Apfel in einer Zuckerlauge mit Johannisbeeren oder Apfelgelee zu servieren. Schäle den Apfel und entferne das Kerngehäuse, ohne eine zu große Mulde zu hinterlassen. Koche danach eine Zuckerlauge aus Wasser, Zucker und echter Vanille und lasse den Apfel darin simmern, er soll noch etwas Biss haben. Lasse ihn danach abkühlen und fülle die Mulde mit etwas Gelee.

In vielen Dänischen Familien gibt es als zweites Hauptgericht einen Krustenbraten.

Traditioneller Dänischer Rotkohl
für 6-8 Personen:
1 kg Rotkohl
3 TL Öl
100 ml Essig
50 g Zucker
100-200 ml süßer Johannisbeersaft oder Apfelsaft
eventuell etwas Schmalz

Schneide den Rotkohl fein und koche einen Topf mit Wasser. Gieße das Wasser aus und gebe den geschnittenen Kohl mit dem Öl, dem Essig, etwas Salz und etwa der Hälfte des Saftes hinein. Koche den Rotkohl bei schwacher Hitze für etwa 45 Minuten und gebe am Ende den Rest des Saftes und den Zucker hinzu. Der Geschmack wird durch die Zugabe von etwas Schmalz (Gans, Ente oder Schweineschmalz) noch etwas abgerundet.

Als Alternative zum klassischen Rotkohl habe ich noch meinen Vorschlag eines Rotkohlsalates mit Apfelsinen, Datteln und Nüssen.

”Brun sauce”
Bratenfett und Bratenfond
Gebackene Kräuter und Aromaten
Mehl
Rotwein

Gebe Bratenfett und Bratenfond durch ein Sieb. Nehme nun das Fett ab und gib den Bratenfond in einen Topf. Das Bratenfett kann man für den Rotkohl nutzen.

Eine andere Verwendungsmöglichkeit: In Dänemark isst man am 1. Weihnachtstag traditionell eingelegten Hering mit Schwarzbrot, und das Fett passt hervorragend als Schmalz auf das Brot.

Drücke anschließend das Gemüse durch das Sieb in den Fond. Etwas Fett erwärmen, etwas Mehl einrühren und dies anschließend in den Fond geben.
Danach mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit Rotwein abrunden.

Karamellisierte Kartoffeln ”Brune Kartofler”
für 6-8 Personen:
1 kg kleine runde Kartoffeln
150 g Zucker
50 g Butter
Salz

Die Kartoffeln mit Schale in Wasser und etwas Salz für etwa 10 Minuten kochen. Anschließend ziehen lassen, die Kartoffeln sollten jedoch noch fest sein. Danach abkühlen lassen und die Kartoffeln pellen. Den Zucker unter kleiner Hitze in einer Pfanne schmelzen lassen. Nachdem der Zucker karamellisiert ist, etwas Butter und eventuell noch ein wenig Wasser hinzugeben.
Nun die Kartoffeln in der Pfanne wenden, bis sie gleichmäßig karamellisiert sind und anschließend gemeinsam mit normalen hellen Kartoffeln servieren.

Lecker! Viel Spaß beim Nachkochen!

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Wildschweinkopf voller Trüffeln

Heston Blumenthal aus dem Restaurant The Fat Duck in London hat hier im Spielweg mit mir gekocht!

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Und zwar einen gefüllten Wildschweinkopf nach einem Rezept von Marie-Antoine Carème, das dieser ca. 1830 aufgeschrieben hat.
Ich habe ein in Wien erschienenes Kochbuch vom Bayrischen Hofkoch Rottenhöfer, der ein fast gleiches Rezept geschrieben oder vielleicht auch abgeschrieben hat, es gibt viele Parallelen.

Eine ganz wilde Geschichte. Zuerst wird der Wildschweinkopf „geflämmt“: mit einem Flammenwerfer, mit dem man normalerweise Dachpappe verlegt, werden die Borsten abgesengt. Der Kopf wird gesäubert, vom Unterkiefer her ausgelöst, gepökelt und laut Originalrezept mit einer Füllung aus Fleisch, Speck, Pistazien, geräucherter Ochsenzunge und sage und schreibe 1,6 kg schwarzen Trüffeln gefüllt, zugenäht, in ein Torchon gepackt und wie ein Rollbraten geschnürt.
Dann wird der Kopf mit 20! Kalbsfüßen im siedenden Fond 5 Std. geköchelt. Wenn der Fond kalt ist, soll er über Kopf stehen, dann ist er bombenfest geliert und vor allen Dingen längere Zeit haltbar.

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Ganz dünn aufgeschnitten sieht es nicht mehr so martialisch aus wie vor dem Schneiden, und vor allen Dingen: es schmeckt!
Für mich war die saftige Füllung die große Überraschung, ich bin sicher, dass nur in Verbindung mit der „Maske“ und dem darin enthaltenen Kollagen die Fülle so gut wird, in einer normalen Terrinenform würde es nicht so gelingen.

Danach haben wir eine kleine Jagd im schwarzen Winterwald abgehalten, ich bin mit meinem Hund „duchgegangen“ und Heston hat ganz schön gefroren. Die Jäger mussten dann abends den gefüllten Kopf verspeisen, es war eine großartige Aktion.

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Ein Filmteam aus England war dabei, kommt alles im Frühjahr in der BBC.

 

Die Fleischbeschauer

Die Fleischbeschauer

Carnivoren aufgepasst! So beginnt der Artikel in der FAS von heute (Gesellschaft Seite 50).

Ursula Heinzelmann nimmt Rinder-Rassen wie: Charolais, Galloway, Angus, Highland Cattle, Hereford, Simmentäler, Hinterwälder und Limpurger unter die Lupe. Gefragt war ein Hochrippenstück, und das abgebildete von einer Färse, habe ich ihr geschickt.

Im Artikel wird sehr gut auf die Unterschiede in Aufzucht, Futter und Rasse eingegangen, vor allem auch in Sachen Reifung und Geschmack!

Und da hat das Hinterwälderstück gut abgeschnitten:
„…noch charaktervoller zeigte sich Highland Cattle (aus Brandenburg) und Hinterwälder (aus dem Münstertal), beide sehr zart und feinfasrig. Sauber, ursprünglich und natürlich – ’so stelle ich mir das Steinzeiterlebnis Fleisch vor‘, sagte jemand begeistert am Tisch….“

Den Artikel müssen alle Köche heute Nachmittag in der Zimmerstunde lesen!

 

Knallharter Speck

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Schweinekotelette aus Herrmannsdorf. So etwas kann sich fast jeder leisten, aber bestimmt nicht oft.

Oben sehen wir den Bauch, an dem das Kotelette dranhängt. Der Speck ist in rohem Zustand schon knallhart und nicht so matschig wie von den allseits angebotenen Quälschweinen. Davon machen wir Lardo. Von sieben Kilo Kotelette haben wir ca. 65 Prozent “Abschnitte”. 10 Portionen reines Kotelett bleiben übrig. Jede Portion 250 g mit Knochen ein absoluter Hochgenuss und wirklich einen Michelinstern wert. Aber eigentlich handelt es sich bei solch einsamen Spitzenprodukten nicht um Sterneküche. Es ist irgendwie anders, meist besser und auch kostenintensiver. Gegen ein solches Kotelett ist unser Lammrücken von der Alb billig zu haben. So verschieben sich langsam die Werte, denn ein Schwein artgerecht aufzuziehen ist sehr, sehr teuer und deshalb auch so selten.

 

Kalbskopf „ART Basel“ Spezial Bestellung

Es war wieder einmal ART Basel, die Kunstmesse im Juni, und wir hatten unsere Kalbskopf-Fans im Spielweg zu Gast.

„Erfinder“ der ganzen Sache ist Clemens, der unter anderem in Paris lebt. Dort wird ja sehr viel Kalbskopf, Schweinefuß, Presskopf und Ochsenmaulsalat gegessen. Er fragte mich eines Tages, ob ich ihm einen Kalbskopf, gekocht, halbiert mit Knochen, sozusagen puristisch, servieren würde. Kein Problem für mich, doch im Restaurant?

Die ersten paar Jahre waren wir bei der Platzierung der Kalbskopfesser schon etwas vorsichtig, denn nicht jeder der Nebentische findet so eine Aktion richtig gut…was sich mittlerweile absolut normalisiert hat.

Dieses Jahr ein Nachbartisch: „Warum kriegen wir so etwas nicht angeboten?“

Die Fangemeinde wird immer größer, die  Vorbestellungen auch, und so hatten wir dieses Jahr an einem Abend nicht genug Platz auf dem Herd und mussten sozusagen eine Herdverlängerung hinten im Hof „anbauen“.

Es hat Spaß gemacht, die dampfenden Kessel anzuschauen, denn die Kalbsköpfe werden à la minute aufgesetzt und genau 2 1/2 Stunden ganz langsam gekocht. Dann rausgenommen aus dem Fond und mit einem Tranchiermesser von den Gästen selbst zerlegt.

Der frisch gekochte Kalbskopf wird auf einer Gemüseplatte aus den 50ern im Ganzen serviert, mit Vinaigrette, Brühe, Petersilienkartoffeln, Bratkartoffeln, Gemüse und frisch geriebenem Meerrettich.

Und als Nebeneffekt bleibt ein super Fond übrig, mit dem ein Ansatz Kalbsknochen aufgefüllt wird, und das gibt eine Sauce!!!

 

Louisiana-Jambalaya

John Besh, ein Koch aus New Orleans, der von 1993-1994 bei uns als Commis de Cuisine gearbeitet hat, war ein paar Tage im Münstertal zu Besuch. Bei einem Fläschli Gutedel nach dem Spargelessen kam uns die Idee, wieder einmal zusammen zu kochen.
John sah mein Jambalaya Rezept im Wildkochbuch und sagte, dass er das eigentlich besser könnte.
Gesagt, getan – gestern Abend lief die Chose in unserer Küche ab …und es war super gut!

Hier geht’s zum Video!

Rezept muss ich noch genau aufschreiben, aber das wird schwierig….

 

Arme Säue und glückliche Schweine

Vereinzelt glückliche Schweine in weiter Flur. Es gibt einige solcher Wiesen. Ich bin überzeugt, dass dieses Modell Schule machen wird. Der Markt dafür ist reif. Die Kundschaft für so etwas gibt es, und das ist Herrn Schweisfurth in Herrmannsdorf zu danken.

Das ist nur eine große Wiese unter anderen. Sicher sind in Herrmannsdorf an die zweihundert Schweine am Start.

Heute hatte ich mit dem Bayerischen Rundfunk ein Interview. Es ging um Schweinefleisch. Welches ich verarbeite. Nun ja, es gibt ja das berühmte Schwäbisch Hällische Landschwein der Haller Erzeugergemeinschaft. Das ist eine ganz gute Qualität.

Die Reporter fragten, wie hingegen ein gutes Schwein aus dem Supermarkt schmecken würde. Ich sagte dann, genauso wie ein Mensch vielleicht in einer Gefängniszelle, der ein Jahr lang bis zu den Knöcheln in seiner Scheiße steht. Schweinegeruch ist nichts anderes als der Gestank von Scheiße.

Ich weiß, es gibt immer mal Klagen, ich würde zu heftig formulieren. Nein, was ich sage ist die Wahrheit und die vertragen viele heute nicht mehr. Wir leben nämlich in einer weichgespülten verlogenen Welt. Zum Beispiel: niemand wird heute mehr rausgeschmissen, gefeuert, nein, der Personalchef im Boss-Anzug sagt mit leiser, therapeutischer Stimme: „Sie sind für uns ein wichtiger Mitarbeiter, leider müssen wir Sie freistellen.“

Zurück zur armen Sau:
Ich habe selbst schon Wollschweine geschlachtet, das südfranzösisches Bigorre-Schwein gegrillt, spanische schwarze Schweine sorgsam gebraten. Man kann sich heute vieles kaufen und die spanischen schwarzen Schweine sind wirklich ausgezeichnet. Aber sie kosten fünfmal so viel wie bei uns die Metzgerqualität. Die Spanier wissen, warum sie für Ihre Spitzenschinken gerne zahlen. Wir Deutschen sind offensichtlich zu blöd dazu.

Trotz spanischem Superschwein, ich will kein Schweinefleisch aus Spanien. Ich will, dass sich bei uns so etwas auch durchsetzt.
So, jetzt kommt’s. Meine Frau ist nahezu Vegetarierin, hat sich die Schweine angeschaut, sie gestreichelt und sich in sie fast verliebt. Wenig später hat sie mit mir das beste Kotelett des Lebens gegessen. Ich staunte nicht schlecht. Das Gasthaus Schweinsbräu in Herrmansdorf vollbrachte dies Wunder. Der Koch Thielemann ist ein wahrer Meister, aber die Stars dort sind die Schweine. Das Kotelett war von eine Sym-Biotik-Schwein aus der Herde des Chefs der Herrmannsdorfer Landwerkstätten.

Ich hatte mir zuvor die Aufzucht von Karl-Ludwig Schweisfurth genau angeschaut. Man blickt auf ausgedehnte Wiesen, in denen vereinzelt wunderbare Schweine spazieren gehen, sich besondere Wurzeln suchen und Kräuter kauen. Die Reporter vom Bayerischen Rundfunk meinten heute, die Hermannsdorfer wären die Apotheke. Ich sag’s wie es ist, das ist kompletter Schwachsinn, eigentlich ist das Herrmannsdorfer Fleisch viel zu billig. Zu den Schweinen kann man sich nämlich getrost dazulegen. Bei ihnen riecht es weniger als in einer U-Bahn. Freilich, die Rasse ist wichtig, aber wie die Tiere aufwachsen, mit großem Auslauf, auf Wiesen bis zum Horizont, das ist das wirklich Entscheidende.

Das aber kostet viel Geld, und deshalb wird immer auf dem Rassebegriff herumgeritten. Schweine brauchen Platz, und eine große Wohnung ist immer teurer als eine kleine Bude, ganz zu schweigen von einem stinkenden Koben.

Was ist los, haben Deutsche einen solchen Selbsthass, dass sie sich freiwillig täglich mit stinkendem Schweinekobenware traktieren. Wer will widersprechen, Gott sei‘s geklagt.

Eines ist auch klar und jetzt werde ich mal elitär, für alle reicht diese Qualität nicht. Aber könnte man es nicht so machen wie ich mit meinem Porsche? Ich könnte mir nur einen halben leisten, aber auf zwei Rädern Porschefahren ist Mist, also lasse ich es ganz bleiben. Diese Haltung sollte man sich bei Fleischverzehr auch aneignen.

 

Rabatz mit Kapaunen

Neulich war doch Rabatz mit den Kapaunen, die im Slow-Food Heft besungen wurden.
Zuerst einmal: Das Periodikum der Slow-Foodler ist wirklich ganz große klasse. In der aktuellen Ausgabe dreht sich alles ums Geflügel. An den Kapaunen haben sich nun die Tierschützer dran gerieben.

Zweitens bin ich kein Vegetarier, eher bekennender Hausmetzger, aber Kapaune kommen mir nicht mehr ins Haus. Der Grund ist folgender: Jahrelang hatte ich Kapaune von einem speziellen Züchter. Der Mann war eine ehrliche Haut und hat’s mir eines Tages gebeichtet. Ich wollte unbedingt wissen wie die Viecher kastriert werden. Der Züchter sagte mir: „Gar nicht. Die kriegen ein bestimmtes Futter.“
Das war’s, mehr sagte er nicht. Ich nehme mal an, in dem Futter sind Hormone, und so wurden die Tiere völlig ohne Quälerei zu Eunuchen. „Not my party, folks!“

Mein Vater war ja Tierarzt, vom alten Schlag, wie man so nett sagt: „Vincent, Hormone sind prima, du musst nur die richtigen erwischen, bei dir würde ich sagen, Testosterone sind okay, aber mit Östrogenen kriegst nen Busen!“ Damals hatte ich mich schon Poularden abgewendet.

Ich finde, die Zeiten sollten vorbei sein. In Italien mögen die Züchter noch wirklich kastrieren. Ich selbst habe noch nie den berühmten Schnitt gesehen. Ich finde, bei diesem Geflügel handelt es sich um ein altes Kulturgut. Wer das fortführen will, der soll das tun. Wer etwas dagegen hat, sollte jedoch nicht andere missionieren. Wir Menschen sind Raubtiere. Wenn man konsequent wäre, dann dürfte man Schädlinge wie beispielsweise Blattläuse nicht Schädlinge nennen. Schädlinge sind sie ja nur, weil sie den Salat genau so mögen wie wir.

Ich weiß, ein Koch versündigt sich an Tieren, aber ich kann damit leben. Das ganze Gutmenschengerede bleibt mir außen vor. Es führt zu nichts. Tierschutz und artgerechte Tierhaltung sind wirklich mein Anliegen, aber Tierschutzfundamentalismus ist mir auch sehr verdächtig. Übrigens, es wird für Tierschutz dreimal soviel gespendet wie für notleidende Kinder. Wir leben auf höchster Höhe einer Hochkultur, die gerade ins Perverse zu kippen droht.

 

Ausflug mit dem Küchenteam

Im letzten Monat habe ich mit all meinen Köchen einen Ausflug gemacht, mit dem Ziel, die vorhandene Leidenschaft noch anzufeuern und mehr Verständnis in Puncto Qualität zu vermitteln.

Es ist leider immer noch so, dass die Mehrzahl der jungen Köche, die bei mir beginnen, Qualität eher mit hochpreisig assoziieren.

Je teurer also die Ware ist, die sie verarbeiten dürfen, je wuschiger werden sie. Was für eine Poserei! Wer hat denen das nur vorgelebt/beigebracht? Verdammt! Kaum fundiertes Fachwissen, aber Steinbutt, Kaviar, Hummer, Trüffel & Co. für das högste (um mal ein wenig zu schwäbeln) halten.
Da fällt mir noch ein netter passender Spruch ein: „Nix in der Hose, aber im Puff drängeln!“

Diesem Unsinn versuche ich mit aller Kraft entgegenzuwirken. Es geht mir darum, dass der junge Nachwuchs lernt, jede noch so profane Zutat zu überdenken, sie analysiert, sich an ihr erfreut und selbstverständlich auch respektvoll einsetzt und verarbeitet. 

Jede verwendete Zutat (Zucker, Salz, Öl, etc.) ist wichtig, nicht nur der vermeidliche Namensgeber eines Gerichtes.  

Wir hatten einen sensationellen Tag bei einem Großhändler für Bio-Lebensmittel auf einem Stiftungs-Gut, auf dem z.B. Schulkinder ihre eigenen Gemüse, Kräuter und Früchte anpflanzen, pflegen und später auch essen sowie bei den Herrmannsdorfer Landwerkstätten verkaufen. Dort bekam meine Truppe eine sensationelle Führung vom Metzgermeister Körber, angefangen von der Tötung der Tiere bis zum verarbeiteten Produkt und anschließender Verkostung.   


Unter anderem gab es sensationelle Fenchel-Salami


Ein Kotelett, so schön wie natürlich. Und Warmschlachtung im Prozess.
 
Leidenschaft und Fachwissen pur! Diese Führung wird mehrmals im Monat angeboten, ich kann jedem nur empfehlen, mal daran, auch Eltern mit ihren Kindern. Einfach Klasse, mit wieviel Respekt dort gearbeitet wird.

Mein Team war begeistert, hat positive Energie aufgesaugt und wird diese sicher weiter- und zurückgeben.
Steinbutt & Co. werden weiterhin ihre verdiente Aufmerksamkeit bekommen, aber ein einfaches Stück Speck – von nun an – umso mehr. 

„Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge“. 
Wilhelm Busch, 15.04.1832 – 09.01.1908  

In dem Sinne, Glück auf !
Ihr 
Holger Stromberg