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Verachtete Pflanzenkost

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©ddp

Restaurantkritiker und solche, die meinen es zu sein, beurteilen Täubchenbrüste, Lammrücken, Kalbsmedaillons, die Soßen undsofort. Kaum einer schreibt vom Gemüse – von dem, was in der deutschen Küche als Beilage definiert wird und immer noch demgemäß verachtet wird. Waren Gemüse, Kartoffeln u.s.w. früher tatsächlich eine Sättigungsbeilage und oft gefährlich in der Nähe der Metamorphose zum Briefbeschwerer, so sind sie heute zum Zierrat verkommen.

Das sind übrigens keine Auswüchse unserer Zeit, sondern sie gehen auf die Feudalküche des alten Frankreich zurück. In Frankreich hat sich das größtenteils bis heute gehalten (große Ausnahme: Restaurant Arpège in Paris, eine Gemüsevorspeise für € 80,00 – wow…). Eigentlich geht der Fleischwahn auf die Steinzeit zurück, als Äcker und Gärten noch unbekannt waren.

Zurück zum Köchlein von heute: Der Pfannenheld, der seine Gäste im Blick behält, der merkt, dass das “Drumherum” immer aufgegessen wird und alles weggeputzt wird, so dass die Hälfte des Fleisch solo zu vertilgen ist. Bleibt das Gemüse liegen, hatte es nicht geschmeckt. Dann war es (wie meist) lieblos durch’s Wasser gezogen oder im Dämpfer ohne Gewürz zu fadem Blickfang destilliert.

Mit meinen Köchen habe ich sehr oft Probleme, dass sie zu wenig Gemüse auf den Teller geben. Nach was richten sich die jungen Leute? Sie sind immerfort von der Foodfotografie beeinflusst, von Tand, Zierrat und von Augenbetrug.

 

Gemischter Braten & Milchboykott

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Blick vom Kaltenbrunnen nach Westen über den Drehbachhof ins Münstertal
Quelle:www.freiburg-schwarzwald.de

Gestern Abend feierte der Landwirt Max, von dem ich, bevor er seinen Drehbachhof übergeben hat, viele Jahre die Milch für meine Käserei gekauft habe, seinen 70. Geburtstag. Er hat mit seiner Milch den Grundstein für meine Käsequalität gelegt, und es hat mich sehr gefreut, das er den Festschmaus für seine Feier bei uns bestellt hat.

Es gab eine Bärlauchsuppe – der wuchs hinter seinem Haus -, einen gemischten Salat mit Spargelspitzen, den obligatorischen gemischten Braten mit Spätzle & Kroketten und hinterher ein kleines Dessert mit Sorbet. Ganz zum Schluss wurden nämlich noch einige (viele) Kuchen, gebacken von der Verwandschaft, verspeist.

Ein wirklich gelungenes Fest. Und als Max, seine Frau Ursel und ich uns nach dem Fest noch zu einem Glas Gutedel zum Abschluss hingesetzt haben, sagte er mir, dass es einer der schwärzesten Tage in seinem langen Landwirtschafts-Leben wäre. Sein Hofnachfolger nimmt am Milchstreik teil, und das Gemelk von gestern Abend wanderte nicht in den Milch-Tank, sondern auf gut alemannisch „den Bach nab“.

In den Zeitungen von heute wird ja ausführlich darüber berichtet, der alles sagende Satz in der Badischen Zeitung heißt:
Von den momentan 30 Cent pro Liter können die Schwarzwälder Milcherzeuger nicht leben!!!

Die kurzfristige Steigerung der Erzeugerpreise hatte keinen Bestand, die Discounter haben den Molkereien die „Schuhe wieder einmal ausgezogen“.
Bin sehr gespannt, wie die Geschichte weitergeht.

 

Papa, meine Messer sind stumpf!

Diesen Hilferuf bekam ich von meiner Tochter (Kochlehrling im 1. Jahr).

Und wenn Töchter rufen, springen ja bekanntlich alle Väter sofort.

Und wieder bewährt es sich, dass ich mir selbst zum Geburtstag ein tolles Geschenk gemacht habe, nämlich
die absolute Mega-Messer-Schleifmaschine, die beste, die es gibt: eine Schwedische Tormek.

Das ist ein Profiteil: ein runder Schleifstein, der mit niedriger Drehzahl in kaltem Wasser läuft, kombiniert mit einer Lederscheibe zum polieren.

Der ganz große Vorteil ist, dass die Messer fast keinen Abrieb nach dem Schleifen aufweisen, das werden diejenigen zu schätzen wissen, die ihre Messer schon einmal einem Wald- & Wiesenschleifer anvertraut haben.

Danach haben die Messer eine super Grundschärfe, weil der Schleifwinkel (zwischen 15° und 25°)  optimal für jedes Gebrauchsmesser eingestellt werden kann. So muss man auch nicht jeden Tag die Maschine anzuwerfen, zwischendurch widmet sich der Belgischen Brocken den Tranchiermessern, und es ist immer wieder eine Freude, wenn eine scharfe Klinge durchs Fleisch saust.

Und meine Viktoria hat am Abend sogar prompt angerufen – und sich für die superscharfen Messer bedankt!

Ab und zu gibt’s bei mir auch einen „Messerschleif-Event“.
Jagdfreunde bringen ihre stumpfen „Allzweckwaffen“, Hobbyköche die ebenso stumpfen Küchengeräte (auf denen man, wie unser Lehrchef immer gesagt hat, „auf der Klinge bis nach Paris reiten könnte, ohne sich zu verletzen“).
Aber den Vogel abgeschossen hat ein Freund, der mir einen 69-Euro-Messerblock (Inhalt: 9 mehr als stumpfe Messer) gebracht hat. Diese konnte weder eine Tormek noch ein Belgischer Brocken zum Leben erwecken; sie ließen leider nur noch eine Aktion zu: Wegwerfen!

 

Schon wieder Kutteln

dsc03139.JPGNachdem Marion das ultimative Rezept haben möchte, hier die neueste Version:

Spargelkutteln mit gebratenem Seeteufelmédaillon,

gut geputzte Kutteln werden mit einer gespickten Zwiebel schön weich gekocht, in feine Streifen geschnitten und in einer Spargel-Velouté, mit Brühe gekocht, erwärmt. Spargelspitzen und frisches Grünzeug (Kräuter) aus dem Garten dazu – das Seeteufelmédaillon ist geschmacklich der Hit!

Wer möchte serviert noch ein paar feine Nudeln dazu, und garniere es mit einem fritierten Bärlauchblatt, und einer Schmortomate und einem kleinen Kartoffelrösti.

 

„abwegige Glüschder“

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Foto: Clara Ott 

auf Anregung von „MarionS“ und „Ulrike H. aus V.“ habe ich mir einmal meine, Zitat Marion:“Leichen im Keller“ (oder Kühlschrank), oder die „Glüschder“ – Zitat von Ulrike –  vorgenommen…

Ich bin sicher nicht der einzige Koch, der nach dem Abendservice gerne ein Gläsli Wein (vorher noch ein Feierabendbier mit den Köchen) trinkt. Nach der Arbeit bekomme ich Lust auf ein kleines Vesperli, mit Hirschsalami, einem guten Käse von einem Freund, einem Stück luftgetrockneter „ahle Wurst“, Blätterteigstängle, Roland Brezele aus der Schweiz usw. usw…

Und leider ist dies ja nicht so gesund, das wissen wir alle, aber man tut es halt doch, erstens schmeckt’s, (die Nutella-Kratzete schmeckte ja auch, sonst hätte sie keiner gegessen!!), und zweitens kann ich nicht hungrig ins Bett, weil wir ja schon um18.00 Uhr, vor dem Service, essen. Jetzt höre ich schon die Spezialisten sagen, „der ist zu schwach oder hat sich nicht im Griff usw.“, aber damit muss und kann ich leben.

Und die größte Lust bekomme ich, wenn ich weiß, dass im Kühlschrank ein Stück Schokolade mit fleur de sel und gerösteten Mandelblättern steht, da ruft’s regelrecht aus dem Kühlschrank raus.

….und büßen tut’s der radelnde Koch, wenn er das Münstertal hinauf fährt…..

 

Gebrauchsanweisung für Bio-Einkauf

Einführung:
Vorweg bitte keine Griffelspitzerei was Bio eigentlich ist, denn streng genommen ist Motorenöl auch ein Naturprodukt. Wichtig ist, biologische Nahrungsmittel sind bewiesenermaßen gesünder als konventionelle. Zu diesem Schluss kommt eine große Studie. Im Auftrag der EU wurde dieses Projekt mit 18 Mio. Euro unterstützt und über dreißig Forschungsinstitutionen beteiligten sich.

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©ddp

Das bundesdeutsche Biosiegel ist zwar kein Signal für Spitzenqualität wie Demeter oder Naturland, aber immerhin nicht ganz übel und bei kleinem Geldbeutel eine gute Lösung.

Milch:
Es kommt auf die Gegend an. Milch aus Weidewirtschaft ist fast immer in Bioqualität, auch ohne Zertifizierung. Konventionelle Stallmilch kann damit nicht verglichen werden.

Fisch:
Fisch ist gesund, aber die Meere sind leer, also ist er ein absolutes Luxusprodukt. Selbst Zuchtfisch ist problematisch, da die Fische keine Vegetarier sind und höchstens 20% pflanzliche Beimengung vertragen.

Welche Fische noch ausreichend vorhanden sind kann man bei Greenpeace erfahren. Die chemischen Belastungen der Ostsee sind problematisch. Siehe foodwatch.
Man achte bei Zuchtfisch auf nicht verstümmelte, nicht ausgefranste Schwanzflossen und ein unverletztes, unverpilztes Maul. Beides sind Indizien für zu dichte Hälterung.

Fleisch:
Mit Biofleisch habe ich keine guten Erfahrungen. Immer noch ist spürbar, dass die Biobewegung aus dem Vegetarismus hervorging. Der Begriff Weiderind sagt gar nichts, außer, dass das Vieh viel Gras bekommen hat. Davon alleine wird es aber nicht fett und setzt kein geschmackvolles Fleisch an. Viehzucht ist kompliziert und es genügt überhaupt nicht die Tiere zu lieben. Was Rückstände und Quälaufzucht angeht, sind Geflügel und Schwein fast rundweg kritisch anzusehen. Da würde ich unbedingt auf einem Biosiegel bestehen.

Rind:
Rindfleisch immer bei einem Metzger kaufen, der bereit ist die Papiere des Tiers zu zeigen. Kommt es aus Deutschland ist man nicht ganz schlecht dran.

Kalb:
Kalb aus Mastbetrieben muss man unbedingt meiden. Wie aber erkennt man das? Die einzige Möglichkeit wäre, sich immer die Papiere zeigen zu lassen. Ansonsten: Es sein lassen, oder darauf achten, dass das Fleisch dunkelrosa sein sollte. Helles Kalbfleisch kommt von der Milchaufzucht, so die Mär. Nur teilweise ist es auf Milchpulver zurückzuführen, was noch anginge. Katastrophal ist aber der Umstand, den jeder Fachmann verschweigt. Die helle Kalbfleischfarbe kommt auch davon, dass die Tiere im Dunkeln stehen. Ständig! 

Achtung:
Egal wie schlimm ein Fleisch ist, vom Gesundheitlichen hat selbst das schlechteste Fleisch weniger Gift als das meiste Gemüse. Ganz schlimm ist es mit Salat.

 

„Nutella Kratzete“

Nach einem wirklich stressigen Pfingstsonntag-Abendservice sah ich, wie sich die Köche vom „Entremetier“, das ist der Gemüse & Beilagenposten, eine späte Kratzete gebacken haben. Kratzete sind Pfannkuchen, salzig abgeschmeckt, die aber dicker als ein Crêpe zubereitet werden. Diese zerkratzten Pfannkuchen sind eine klassische Badische Spargelbeilage.

Und nach dem Arbeiten macht man sich und seiner Seele eine kleine Freude, man streicht fingerdick Nutella auf den Pfannkuchen. Einrollen und abbeißen.

Essen & Trinken hält Leib und Seele zusammen!

 

Oh je! Jetzt machen Köche auch noch Wurst…

…das war der – nicht gerade aufmunternde – Kommentar unseres Metzgers, als ich ihn fragte, ob er unser Wildschweinbratwurst-Brät in seiner Abfüllmaschine zu kleinen Würstle formen könnte.

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Nach einigen Probeproduktionen, denke ich, haben wir es ganz gut hingekriegt. Vor allem die Gewürze. Kein Fertig-Thüringer-Rostbratwurst-Gewürz, ich mische selbst:

Salz, Pfeffer, Majoran, Muskatblüte, Zitronenschalenabrieb und Knoblauch.

Das Brät besteht aus Wildschweinfleisch, Bauchspeck und weißem Fett vom Hausschwein, ohne das die Wildwürstle viel zu trocken wären. Als Beilage zum Spargel, oder einfach in einem Weckle mit Senf.

 

1x Kutteln – ohne Kutteln…

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Diesen Bon musste ich gestern Abend annoncieren!
Auf unserer Speisekarte heißt das Gericht Kalbskutteln im Tomaten-Schalottenfond mit Spargelspitzen und gebratener Entenleber.
Bestellungen dieser Art bringen die Küchenbrigade immer wieder zum Lachen, oder man wundert sich einfach.
Wir hatten auch schon 1x Ochsenfleisch ohne Fleisch, also nur Bouillonkartoffeln mit Meerettichsauce, und ganz oft wird Flädlesuppe ohne Flädle bestellt!(?) 

Aber das macht nichts – Köche sind ja flexibel!

 

Neugierig bleiben!

Der Kollege Ottenbacher aus Asperg war essen in der Arnsbourg bei dem großartigen Koch George Klein. Unter anderem gab es Rohe Auster mit Cola-Schaum und Limonengelee. Meine Sache sind solche Gerichte und Experimente gar nicht und trotzdem muss so etwas sein:

Es geht um die Neugierde, die den Kindern schon ausgetrieben wird und die allgemein als Laster gehandelt wird. Die Menschheit wäre aber ohne diesen Aspekt heute noch auf Steinzeitniveau. Ein Wissenschaftler ohne Neugierde hat seinen Beruf verfehlt. Ein Koch den nicht die Neugierde umtreibt ebenfalls.

Deshalb sind alle neuen Kreationen für unseren Beruf wichtig, ob sie Bestand haben werden, das ist eine andere Geschichte. Bei der Zutat Coca-Cola habe ich gewisse Zweifel. Für mein Verständnis sind solche Kombinationen zu weit von der Natur entfernt. Aber, müssen alle Köche Naturköche sein wie ich? Bestimmt nicht. Mir ist, und das jetzt nochmal subjektiv obendrauf, die Molekularküche zu sehr mit der Chemie der Nahrungsmittelindustrie behaftet.