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Auch Beate Zschäpe wurde unterschätzt – Das Medienlog vom Dienstag, 6. Mai 2014

Der NSU-Prozess macht deutlich, dass auch Frauen gefährliche Rechtsextremisten sein können – und nicht nur Männer, die das Stereotyp des rechten Skinheads mit Springerstiefeln erfüllen. Frauen als Nazi-Aktivistinnen würden „übersehen und unterschätzt“, warnt etwa die Anti-Rechtsextremismus-Initiative Amadeu Antonio Stiftung. Andrea Dernbach schreibt im Tagesspiegel: „In der Geschichte falscher Fährten, blinder Flecken und systematischen Versagens der Behörden vor der Mordserie des NSU steckt eine spezielle zweite, die bislang wenig beleuchtet ist“ – die Geschichte der Frauen, die dem NSU sein mörderisches Treiben ermöglichten.

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110. Prozesstag – Kubasik-Mord erneut auf der Tagesordnung

Heute vor einem Jahr ist der NSU-Prozess eröffnet worden. Mittlerweile hat das Gericht die Beweisaufnahme zu den zehn Morden des NSU nahezu komplett abgeschlossen. Einer der letzten Termine dazu ist der 110. Prozesstag, an dem ein Ermittler gehört wird, der im Fall des Mords an Mehmet Kubasik von 2006 in Dortmund recherchierte. Die Arbeit des Beamten ist möglicherweise ein Sinnbild für die häufig fehlgeleiteten Ermittlungen der Polizei: Er vernahm insbesondere Zeugen aus Migrantenkreisen, auch das Thema Schutzgeld klang dabei an – während die mutmaßlichen rechtsextremen Täter auf lange Zeit unentdeckt blieben.

Im Anschluss sagen zwei Polizisten aus, die den Zeugen und mutmaßlichen NSU-Unterstützer Thomas S. vernommen hatten.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Deutsche sind vom NSU-Prozess enttäuscht – Das Medienlog vom Montag, 5. Mai 2014

Vor bald einem Jahr begann der NSU-Prozess in München – begleitet von hohen Erwartungen. Gelingt es dem Gericht, die komplexe rechtsterroristische Serie aufzuklären? Die Mehrheit der Deutschen empfindet das nicht so, wie eine YouGov-Umfrage im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa ergeben hat.

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Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Freitag, 2. Mai, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 5. Mai 2014.

 

Greise Zeugin muss aussagen – Das Medienlog vom Mittwoch, 30. April 2014

Für die Zwickauerin Charlotte E. dürfte es eine Tortur werden: Die 92-Jährige, die an Demenz leidet, soll für den NSU-Prozess in ihrem Altenheim befragt werden, wie das Münchner Oberlandesgericht nach einem Bericht vom Vortag bestätigte. Die Vernehmung werde allerdings nicht der Münchner Senat führen, sondern ein Richter des Amtsgerichts Zwickau. E. hielt sich in ihrer Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße auf, als Beate Zschäpe laut Anklage die Nachbarwohnung in Brand steckte. Im Dezember hatte Richter Manfred Götzl bereits versucht, die Zeugin per Videoschalte zu vernehmen – was in einer würdelosen Prozedur endete. Für die Befragung setzten sich Zschäpes Verteidiger ein. „Glauben die Anwälte wirklich, eine neuerliche Vernehmung der alten Frau werde für ihre Mandantin noch etwas Positives bringen?“, fragt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

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Als Zeuge eine Zumutung – Das Medienlog vom Dienstag, 29. April 2014

Eine Überraschung war es nicht: Der Zeuge Enrico T., ein früherer Kumpel von Uwe Böhnhardt, sagte im NSU-Prozess aus – und konnte sich angeblich an kaum etwas erinnern. Damit reiht er sich ein in eine lange Liste von Zeugen aus dem Umfeld der Gruppe, die mithin bei strafrechtlich relevanten Fragen von ihrem Gedächtnis im Stich gelassen werden. T., der im März bereits einen Kurzauftritt vor Gericht hatte, soll beim Transport der Mordwaffe Ceska 83 geholfen haben. Darüber mochte er nicht viel sagen: „Enrico T. ist nicht nur einer der widerständigsten Zeugen bisher. Er ist eine Zumutung“, schreibt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

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109. Prozesstag – Ermittler sagen über Thomas S. aus

Am Dienstag sagen zwei Beamte des Bundeskriminalamts aus, die den Zeugen Thomas S. vernommen hatten. Bei seinem Gerichtstermin Anfang April hatte der Zeuge die Aussage verweigert, weil gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft – nachdem er sich in den Vernehmungen zuvor umfangreich geäußert hatte.

S. gilt als Unterstützer des mutmaßlichen Terrortrios. Ende 1996, als die NSU-Mitglieder Bomben bauten und in Jena abstellten, lieferte er ihnen laut Anklage zwei Kilo TNT-Gemisch. Den Sprengstoff fanden Ermittler auch in Rohrbomben, die sie bei einer Razzia Anfang 1998 in Beate Zschäpes Garage sicherstellten. Als die drei daraufhin untertauchten, soll S. ihnen zwei Wohnungen bei Bekannten vermittelt haben.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Der Mann zwischen den Ländern

Über eine deutsch-schweizerische Seilschaft gelangte der NSU an seine Mordwaffe. Das Bindeglied zwischen den Ländern war der Zeuge Enrico T., der heute aussagt. Schon bei der Polizei hatte er sich in Widersprüche verstrickt.

Enrico T. muss heute genau aufpassen, was er sagt. So genau, dass ihm bei seiner Aussage im NSU-Prozess ein Anwalt zur Seite steht. Als er Mitte März zum ersten Mal im Gerichtssaal erschienen war, hatten mehrere Verteidiger der Angeklagten einen Zeugenbeistand für ihn gefordert – mit Erfolg: T. durfte vorerst gehen. Nun ist er erneut geladen. Als Zeuge könnte er wichtige Angaben zur Lieferung der Pistole Ceska 83 machen, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten erschossen haben sollen. Falls er dabei zu viel sagt, könnten ihm diese Angaben selbst zum Verhängnis werden.

Die Pistole soll der Mitangeklagte Carsten S. um die Jahrtausendwende Mundlos und Böhnhardt in die Hand gedrückt haben. Bis es dazu kam, war sie durch mehrere Hände gegangen. Glied für Glied hatten Ermittler des Bundeskriminalamts und der Schweizer Polizei die Kette der Lieferung zusammengesetzt. Schnell stießen sie dabei auch auf den Namen Enrico T. Sie kamen zu dem Schluss, dass er kein Unbeteiligter war.

Vielmehr war T. offenbar das Scharnier einer unheilvollen Connection zwischen Sympathisanten aus Deutschland und der Schweiz. Ist es also möglich, dass der Zeuge ahnte, wofür eine Pistole in diesen Kreisen eingesetzt werden könnte? Lässt sich diese Vermutung beweisen, wäre T. der Beihilfe zum Mord schuldig. Dann könnte er die Aussage unter Umständen auch verweigern.

Die Waffe hat er den Recherchen zufolge indes nie zu Gesicht bekommen. Sie war 1996 aus Tschechien an einen Schweizer Waffenhändler geliefert worden. Dieser verkaufte sie einem Landsmann, der sie wiederum an den Mittelsmann Hans-Ulrich M. weitergab. Der Schweizer Staatsbürger M. lebte in den neunziger Jahren in Apolda in der Nähe von Jena, wo er eine Autowerkstatt betrieb. Dort half ihm gelegentlich T. im Austausch für Autoteile. Die beiden wurden Freunde.

Sie hielten auch dann noch zusammen, als bekannt wurde, dass M. in Deutschland angeblich mit Waffen handelte. Bei einer Durchsuchung 1997 fanden Polizisten in M.s Auto eine Luger-Pistole. Bei der anschließenden Vernehmung sagte er aus, mit T. bekannt zu sein. So kamen die Ermittler dem Thüringer auf die Spur, nachdem der NSU 2011 aufgeflogen war. Sie durchsuchten seine Wohnung und luden ihn zweimal zur Vernehmung.

Auch auf deutscher Seite rekonstruierten die Beamten den Weg der Waffe. Demnach verkaufte M. sie an den Zeugen Jürgen L., der sie weitergab an Andreas Sch., Mitarbeiter im Jenaer Szeneladen Madley. Dort nahm sie schließlich Carsten S. in Empfang.

Wie aber waren Hans-Ulrich M. und Jürgen L. miteinander in Kontakt gekommen? L. zählte wie M. zu den besten Freunden von T. Gemeinsam schraubten T. und L. an Autos, halfen sich bei Umzügen. Für die Ankläger steht fest, dass T. seine Freunde miteinander bekannt machte, so dass diese sich auf einen Waffendeal einigen konnten. Das bestreitet der Zeuge bis heute – wenngleich er in seinen Vernehmungen einsah, „dass dies nicht besonders glaubwürdig klingt“.

Auch seine Vergangenheit erweckt nicht gerade den Eindruck, T. könnte rein zufällig in den Waffentransport hineingezogen worden sein. Der Polizei war er seit den neunziger Jahren bestens bekannt. Immer wieder wurde gegen ihn ermittelt wegen Überfällen, Bankeinbrüchen und Diebstählen. Zwischen 1997 und 2000 saß er im Gefängnis – erst verbüßte er eine Strafe wegen Waffendiebstahls, später kam Untersuchungshaft dazu, weil er eines Mordes verdächtigt war. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch eingestellt. Nachdem er eine Arbeit als Lokführer aufgenommen hatte, wurde er seltener auffällig.

Bis dahin war er ein Musterbeispiel für die Verquickung der Milieus von Rechtsradikalen und Kriminellen in Thüringen. Anfang bis Mitte der Neunziger gehörte zu seinen Kumpels auch Uwe Böhnhardt. Die beiden waren sich damals erstaunlich ähnlich: Sie pflegten eine rechte Gesinnung und hatten viel Zeit. Laut Zeugenaussagen stahlen sie gemeinsam Autos und fuhren betrunken durch die Gegend. Die Clique, in der sie sich trafen, hatte ein Faible für Schusswaffen.

In seinen Vernehmungen im Jahr 2012 stritt T. eine solche Affinität jedoch ab. So sagte er im April, er habe „niemals eine Waffe in der Hand gehabt“. Tatsächlich hatten Polizisten im Jahr 2004 sein Auto durchsucht und dort einen sogenannten Schießkugelschreiber entdeckt. Sein Freund M. hatte seinerzeit mehrere Modelle davon in Deutschland verkauft. Als ein Beamter das Gerät anfasste, löste sich ein Schuss. Bei einer weiteren Vernehmung im August 2012 gab T. auf mehrfache Nachfragen zu, den Kuli erhalten zu haben, allerdings nicht unbedingt von M.

Die Bundesanwaltschaft wunderte sich auch, dass T. in seiner Wohnung mehrere tausend Euro hortete. Der Zeuge erklärte, er habe geahnt, dass „die Sache mit Herrn M.“ auf ihn zurückfallen werde. Er fürchtete, in Untersuchungshaft zu kommen. Deswegen „wollte ich Bargeld bei mir haben fürs Gefängnis“. T. präzisierte noch: Er habe geahnt, dass die Waffe des Trios von M. stammte.

 

Ist es unmoralisch, eine Rechtsextreme zu verteidigen? – Das Medienlog vom Montag, 28. April 2014

Der NSU-Prozess, der nun schon fast ein Jahr dauert, geht an den Beteiligten nicht spurlos vorbei – auch nicht an den so robust wirkenden Verteidigern der Angeklagten. Wieso sie eine angeblich „böse“ Mandantin vertritt, muss Zschäpes Anwältin Anja Sturm seit Beginn des Mandats erklären – vor Anwälten der Nebenklage, vor den Medien und früher sogar vor den Kollegen ihrer Berliner Kanzlei, die sie daraufhin verließ. In einem Porträt für die ZEIT widmet sich Özlem Topcu dem ständigen Rechtfertigungskampf der Juristin. „Der Prozess – er verändert die Leben der meisten, besonders der Engagierten. Er führt zu einem privaten Notstand“, analysiert Topcu. Nicht jeder teile Sturms Einstellung, „dass Verteidigung niemals eine Frage der Moral oder der politischen Einstellung sein dürfe“.

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108. Prozesstag – Mutmaßlicher Helfer Enrico T.

Aus Tschechien über die Schweiz nach Deutschland – beim Transport der NSU-Mordwaffe Ceska 83 waren mehrere Männer beteiligt, die sich nun in der Verhandlung erklären müssen. Zu ihnen gehört auch Enrico T., der bereits im März vor Gericht erschienen war – und gleich wieder ging, weil ihm kein Zeugenbeistand zur Seite gestellt worden war. Am Montag ist T. erneut geladen. Er wird sich mit einem Anwalt an seiner Seite äußern.

Den Ermittlungen zufolgte war der Zeuge mit einem Schweizer befreundet, der die Waffe 1996 in seinem Heimatland gekauft haben soll. Demnach stellte er den Kontakt zwischen seinem Freund und dem Thüringer Jürgen L. her, der sie schließlich nach Jena schaffte.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Eine Analyse veröffentlichen wir auf diesem Blog. Weitere Berichte fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.