Es war ein weiterer, offenbar ein verzweifelter Versuch, ihre Anwälte loszuwerden: Beate Zschäpe hatte ihre drei alten Anwälte angezeigt, weil diese Geheimnisse ausgeplaudert haben sollen. Die Staatsanwaltschaft München sieht das anders: Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer hätten sich korrekt verhalten, teilte die Behörde mit und stellte die Ermittlungen ein. Die Hauptangeklagte habe „im Kleinkrieg mit drei ihrer vier Pflichtverteidiger eine Niederlage erlitten“, kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel.
Nach Beate Zschäpes Anzeige gegen ihre eigenen Anwälte erwarteten viele Prozessbeobachter eine Reaktion von Richter Manfred Götzl. Doch der zog ungerührt die Vernehmung eines Zeugen aus der rechten Szene Thüringens durch. Er „setzt die Beweisaufnahme so unbeirrt fort wie Zschäpe das Ignorieren ihrer drei Anwälte fortsetzt“, fällt Wiebke Ramm von Spiegel Online auf. Die Hauptangeklagte habe an diesem Tag „aufgeräumt“ gewirkt.
In ganz Deutschland verübte der NSU laut Anklage Morde und Anschläge. Wie aber suchten sich die Täter dafür die passenden Ziele aus? Den Taten vorausgegangen sein muss eine extrem aufwändige Späharbeit. Das belegen Adresslisten und Stadtpläne, die in der Zwickauer Wohnung des NSU gefunden wurden. Am Mittwoch sagt dazu ein Beamter des Bundeskriminalamts aus. Er hatte in der Ermittlungsgruppe „Trio“ die umfangreiche Informationssammlung der mutmaßlichen Terroristen ausgewertet. Eine weitere Polizistin liefert Auskünfte über Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.
Zum zweiten Mal geladen ist der V-Mann-Führer des Rechtsextremen Carsten Sz., der Informationen aus der Szene an den Brandenburger Verfassungsschutz geliefert hatte. Bei der ersten Befragung des Beamten, kam es zu einigem Aufsehen, als die Zuschauer zeitweise von der Vernehmung ausgeschlossen wurden. Dazu könnte es auch heute kommen.
Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Eisiges Schweigen, Gesten der Verachtung: Der Bruch zwischen Beate Zschäpe und ihren Anwälten ist im Gericht nicht mehr zu übersehen. Der NSU-Prozess geht dennoch weiter.
Vielleicht wiegen kleine Gesten viel schwerer als pompöse Anträge. Auch in einem Verfahren wie dem Münchner NSU-Prozess gibt es Sticheleien und Gemeinheiten, auch hier kann man einander bedeutungsreich ignorieren. Beate Zschäpes neu beigeordneter Anwalt Mathias Grasel steht auf, als seine Mandantin eintritt und sich vom Pulk der Fotografen im Gerichtssaal abwendet. Ihre drei alten Verteidiger ziehen nicht einmal die Roben an, bis die Fotografen verschwunden sind. Anwalt Wolfgang Stahl vertieft sich in die Zeitung. Bloß nichts wahrnehmen.
Im vergangenen Monat löste die Hauptangeklagte Beate Zschäpe die öffentliche Vertrauenskrise zwischen ihr und ihren drei alten Verteidigern aus. Nun rächten sich diese in der vergangenen Woche, indem sie erfolglos um ihre eigene Entpflichtung baten. Ein zu diesem Zeitpunkt unglücklicher Zug, findet Jost Müller-Neuhof vom Tagesspiegel: „Das Trio wollte einen außergewöhnlichen Fall, jetzt hat es ihn – und sendet Zeichen der Überforderung.“ Es habe sich dabei um ein reines Signal an die Öffentlichkeit gehandelt, mit dem die Verteidiger den Druck aus dem Verhältnis zur Mandantin nach außen getragen hätten.
Ralph B., Andreas F., Ringo K. – Namen wie diese benutzte das NSU-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, um sich im Untergrund zu tarnen. Mehrere mutmaßliche Unterstützer, die den Rechtsextremen ihre Personalien zur Verfügung gestellt hatten, haben bereits als Zeugen ausgesagt, zum Teil sitzen sie deswegen auf der Anklagebank. Ein ganze Reihe von weiteren Scheinidentitäten untersucht das Gericht am Dienstag. Dazu sagt eine Kommissarin des Bundeskriminalamts aus, die das Versteckspiel des NSU im Rahmen der Ermittlungen untersucht hat.
Ein weiterer Zeuge ist Sandro T. Er soll Informationen zu einer Schulungsveranstaltung der NPD liefern, an der im Januar 2000 die bekannte Rechtsextremistin Edda Schmidt teilnahm. Sie soll dort einen mysteriösen Hinweis zum Aufenthaltsort der Untergetauchten gemacht haben: Den dreien gehe es gut und sie lebten in Chemnitz. Schmidt bestritt den Vorhalt in ihrer eigenen Vernehmung.
ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.
Kein Tag ohne neue Manöver in der Krise zwischen Beate Zschäpe und ihren alten drei Verteidigern. Am Freitag wurde bekannt, dass die Hauptangeklagte ihre Anwälte Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer wegen Geheimnisverrats angezeigt hatte. Thema waren Gespräche, die ihre Rechtsvertreter mit Richter Manfred Götzl geführt hatten. Doch handelt es sich bei der Anzeige womöglich nur um den Versuch, die drei endlich loszuwerden. Für Götzl werde es nämlich „noch schwieriger zu argumentieren, das Vertrauensverhältnis zwischen Zschäpe und den Verteidigern sei nicht erschüttert“, analysiert Helene Bubrowski in der Frankfurter Allgemeinen.
Beate Zschäpe hat ihre eigenen Anwälte nur angezeigt, um den NSU-Prozess zu torpedieren. Doch bisher wirbelt sie lediglich Staub auf, das Gericht lässt sich davon zum Glück nicht aus der Ruhe bringen.
Man muss sich nur anschauen, wie Beate Zschäpe ihre neueste Finte gegen ihre eigenen Anwälte und damit gegen den NSU-Prozess begründet, um zu erkennen, dass sie kaum gute Argumente auf ihrer Seite hat. Sie hat bei der Staatsanwaltschaft München I Anzeige gegen ihre Pflichtverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Stahl und Wolfgang Heer eingereicht wegen der vermeintlichen Verletzung von Privatgeheimnissen, strafbar nach Paragraf 203 im Strafgesetzbuch. Die drei, so Zschäpe, hätten dem Richter Manfred Götzl mitgeteilt, dass sie Zschäpe nicht verboten hätten, sich in der Verhandlung zu äußern. Das war der Hauptangeklagten im NSU-Prozess schon zu viel.
Die Vertrauenskrise zwischen Beate Zschäpe und ihren Verteidigern schwelt weiter. Was sagen die Scharmützel über die Hauptangeklagte aus? Der Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler erkennt in Zschäpe eine Frau, „die nicht aus einer Laune heraus handelt, sondern sehr durchdacht, ja manipulativ“. Das sagt er im Interview mit Miguel Sanches vom Hamburger Abendblatt. Daimagüler schließt dabei nicht aus, dass die Rechtsextremistin sich noch zu einer Aussage entschließt. Dann allerdings werde sie nicht die ganze Wahrheit sagen.
An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.
Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 27. Juli 2015.
Schon seit Wochen dominiert der Streit zwischen Beate Zschäpe, ihren angestammten drei Verteidigern und ihrem vierten Anwalt Mathias Grasel die Berichterstattung zum NSU-Prozess. Dabei könnte es sich auch um ein Ablenkungsmanöver auf der Anklagebank handeln, kommentiert Peter Nowak auf Telepolis. Es sei nämlich „unklar, ob es sich hierbei um ein echtes Zerwürfnis oder nur ein großes Theaterspiel handelt“. Die Berichterstattung über den Prozess habe sich so von den angeklagten Taten auf Formalien verlagert. Sinnvoller sei es möglicherweise, „den Druck auf Zschäpe zu erhöhen, endlich ihr Schweigen zu brechen“.